jm-burka-bg-BM-Bayern-KabulMögen Sie Kabarett? Wortgewaltig, witzig und von einem Interpreten vorgetragen, dessen intellektuellen Höhenflügen Sie kaum folgen können? Dann hatte der Deutschlandfunk am Morgen des 16.8.2016 in der Sendung „Tag für Tag“ etwas für Sie im Programm. Vergessen Sie Hildebrandt und Hüsch, vergessen Sie Malmsheimer. Der Kleinkunstpreis in der Kategorie Kabarett 2016 gebührt der Physiognomie-Expertin Claudia Schmölders, die uns in einem Interview mit Christiane Florin alles erklärte, was wir schon immer über die Burka wissen wollten, aber nicht für möglich gehalten hätten.

Claudia Schmölders ist ihres Zeichens eigentlich promovierte Germanistin, was sie in Deutschland mindestens zum Taxi fahren befähigt. Sie beschäftigt sich aber mit Gesichtern – oder mit dem, was sich drumherum befindet. Sachsens Innenminister behauptet ja, eine Demokratie lebe davon, dass man Gesicht zeigt und Christiane Florin fragt ihren Interview-Gast: „Hat er recht?“

„Ja und nein, das Wort Gesicht hat ja mehrere Bedeutungen, ähnlich wie das Wort Stimme. Wenn wir bei einer Wahl unsere Stimme abgeben, hört man uns ja nicht sprechen.“

Nein, Frau Schmölders, zum Sprechen müsste man die Stimme erheben. Abgeben ist schon mal das falsche Verb!

„Gesicht zeigen ist ein symbolischer Akt, das Einstehen für eine soziale Haltung…wer ein Gesicht nicht zeigt, hat verschiedene Gründe dafür. Das Problem ist die Verallgemeinerung dieser Aussage.“

Wieder falsch! Mal abgesehen davon, dass sie in einem Satz die beiden gleichlautenden Begriffe, die sie soeben getrennt hatten, gleich wieder vermischen, ist die Situation bezüglich der Burka eine sehr konkrete. Eine Frau mit Burka bringt eben nicht verschiedene Gründe dafür vor, sondern nur einen einzigen. Gesicht zeigen ist auch ein sehr konkreter Akt, wenn das Areal zwischen den Ohren gemeint ist. Zumindest auf der Seite, wo die Nase angebracht ist. Zeigt man sein Gesicht nicht, ist das keine Symbolik, sondern ein starker Hinweis darauf, dass man an Kommunikation nicht interessiert ist. Jeder Imam könnte Ihnen das erklären, wenn auch in anderen Worten.

„Wer sein Gesicht nicht zeigt, hat Angst vor den Leuten, die ihn wahrnehmen…“

Vielleicht ist es aber auch genau anders herum: Wer das Gesicht seines Gegenübers nicht sieht, kann eine Gefahr sehr viel schlechter einschätzen und hat in der Folge Angst. Dazu kommt, dass eine Burka oder ein Niqab in Deutschland nicht gerade „low profile“ sind. Und wenn in Europa jemand Angst vor seinen Mitmenschen hat, wird ihm sein Therapeut kaum empfehlen, sich einen Sack über den Kopf zu ziehen.

Als nächstes kommt Frau Schmölders auf europäische Vermummungstraditionen zu sprechen. Trauerschleier, Ordenstracht, das übliche. Der Vergleich ist albern und man frag sich, ob sie wirklich so naiv ist. Ist sie. Denn dann kommt sie wenig später mit einem noch flacheren Witz: Als Kölnerin erinnert sie das [die Burka] an Karneval! Sie hat für das Verkleiden natürlich mehr „Sinn“ als andere Menschen in Deutschland!  Christiane Florin fragt denn auch etwas ungläubig nach: „Verkeidet?“—„Ja, auf mich wirkt das so.“ Zur Erinnerung: Es geht immer noch um die Burka, nicht um die Strümpfe der Funkenmariechen! Aber, so sinn‘se die Kölner! Tünnes, Scheel, Burka…Hauptsache, ihr habt Spasss!

Christiane Florin ist auf den Topf mit Gold am Ende des Regenbogens gestoßen! Sie fragt weiter: „Ist das Gesicht, das ganze Gesicht, das Identitätsmerkmal schlechthin?“ Und Frau Schmölders schüttet all ihre geistigen Schätze vor ihr aus:

„Nein, die Stimme ist viel besser geeignet oder der Fingerabdruck oder die Iris im Auge. Das Gesicht ist ja heute im Sog der Medien auch Gegenstand unendlicher Manipulationen im Bild. Schon seit Jahrhunderten unternimmt die Kriminalistik große Anstrengungen, die Identität nicht nur aufgrund des Gesichts festzustellen.“

Eine große Kriminalistin ist Frau Schmölders nämlich auch. Nichts bleibt ihr verborgen. Mühelos schlägt ihre Ermittlung den Bogen von der Burka über die Stimme zum Fingerabdruck. Vielleicht sollten Burkaträgerinnen in Zukunft Fingerabdruckscanner mit sich führen, damit sie in Bäckereien, Tankstellen und Supermärkten besser erkannt werden? Vielleicht übernimmt das ja aber in Zukunft Apples „Siri“ für uns. Warum einfach sein Gesicht zeigen, wenn es auch komplizierter geht. Gesichter sind auch viel zu gefährlich, weiß Frau Schmölders, denn:

„… die Russen entwickeln Face-Finder-Software, um damit in Menschenmengen Gesichter zuordnen zu können.“ Ich wusste es!  Unsere offene, unbekümmerte Art wird uns noch zum Verhängnis! Wir sollten am besten alle Burka tragen und Siri die Begrüßungsfloskeln überlassen, dann leben wir sicherer! Siri wäre auch viel leichter in der Lage, die vielen neuen genderspezifischen Begriffe korrekt zu verwenden. Ich scheitere da immer!

Aber zurück zum Interview. Frau Schmölders hat uns noch so viel zu sagen. Die Journalistin fragt, ob es nicht ausreicht, die Augen zu sehen – sie seien ja schließlich der „Spiegel der Seele“. „Das hängt vom Bildungsgrad des Betrachters ab. Der Bildungsgrad des Betrachters entscheidet, ob man [in diesem Fall] die Gestalt sofort einordnet in einen kulturellen Kontext.“ Wow! Um das zu verstehen, reicht das Germanistik-Studium nicht aus. Dazu muss man auch zehn Jahre in Berlin Taxi gefahren sein. Christiane Florin hat es auch nicht verstanden, denn sie hakt nach: „Beim Landesinnenminister würde ich aber von einem hohen Bildungsgrad ausgehen.“

„Ja, der spricht aber zu seinen Wählern“ – Und die sind nicht so gebildet? „Richtig!“

Der dumme Wähler mal wieder! Er kann Gesicht nicht von Gesicht unterscheiden, verwechselt Trauerschleier mit Burka und sein Bildungsgrad erlaubt es ihm nicht, in den Augen hinter einer Burka alles das zu lesen, was Frau Schmölders dort lesen kann. Sie sollte ein Buch darüber schreiben! Auf diese Idee kommt Christiane Florin auch. Sie fragt nach: „…könnten sie ein Buch über eine Burkaträgerin schreiben, ginge das?“

„Also ich würde zunächst mit der Geschichte der Verschleierung weltweit beginnen, Kulturforscherin die ich bin. Ich könnte sogar auf die Tiere kommen, die sich verschleiern. Tintenfische, die einen Schleier hinter sich herziehen, wenn sie angegriffen werden…. Die Frau unter der Burka müsste erforscht werden. Wie freiwillig ist ihr Verschwinden, welche kulturelle Praxis liegt dem zugrunde. …wie gebildet muss sie selber sein, um zu merken, dass sie womöglich in einer Umgebung mit ganz anderer aber gleichberechtigter Frömmigkeit lebt.“

Alles klar, die Frauen mit Burka sind nur zu blöd – oder Tintenfische! Man stelle sich vor, sie wären klüger und bekämen mit, dass andere Frauen um sie herum keine Burka tragen – und würden dann denken „meine Güte sieht das Scheiße aus! Vielleicht sollte ich mir doch etwas Schöneres anziehen.“

„Dieser Satz von mir setzt natürlich voraus, dass man die Burka für eine fromme Einrichtung hält und nicht für eine erotische.“

Nein Frau Schmölders. Man kann die Burka auch für eine ganz andere Einrichtung halten. Aber das kann ich Ihnen nicht so gut erklären, wie das Alice Schwarzer tun könnte. Haben sie ihre Telefonnummer?

Die Journalistin stellt nun spitzfindige Fragen und es ist an der Zeit, dass Frau Schmölders mit der Wucht ihrer Expertise argumentiert. „Sagen Burka und Nikab eigentlich mehr über die Frau oder den Mann?

„Es gibt ja glaub ich nur Frauen mit Burka, die verheiratet sind. Oder? Gibt es alleinstehende Frauen in der Burka? Ich weiss es nicht!“

„Nein“, sagt die Christiane Florin halb im Off (sie meint die „nur verheirateten Frauen“). Aber das Hat Frau Schmölders überhört. Sie phantasiert weiter: „Es gibt immer nur Paare in denen die Frau mit der Burka erscheint.“

Si tacuisses, philosophus mansisses

„Halten Sie es angesichts von Demokratie und Individualität für zumutbar, dass wir die Burka akzeptieren?“

„Gemessen an der geringen Zahl der Burkas, ja. Natürlich wenn es Massen von Menschen in Burka gäbe, dann wäre es ein anderer Punkt. Wir, die wir ja einen so ungeheuren Vorsprung in der Bildung haben, das müssten wir leisten können. So gebildet sind wir, das kann man von uns verlangen.“

Es gibt Massen von Menschen (meist Frauen) mit Burka, wenn auch noch nicht in Deutschland. Burka und Niqab stehen exemplarisch für die Unterdrückung der Frau. Es grenzt an unterlassene Hilfeleistung, wenn man verkündet, ein paar davon wären nicht so schlimm, erst wenn das Straßenbild gestört ist, müssen wir handeln. Ist es in Ordnung 500 Frauen in Unterdrückung zu halten, 50.000 wären aber zu viele? Oder fünf Millionen? Wo ziehen Sie die Grenze zwischen „geht noch“, „ist nicht schön“ und „geht gar nicht“? Machen wir neuerdings so Gesetze? Wenn das so ist, können wir den Relativismus überall einführen. Ich wäre dafür, das sofort in der Straßenverkehrsordnung zu tun. Kommen Sie! Die meisten Fahrer halten sich doch an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, wozu die paar Raser abzocken? Solange es nicht zu viele werden… Aber dann, ja, dann müsste man eingreifen! Alles halb so schlimm, der erste Diebstahl geht aufs Haus und Delikte bis 100 Euro sind gratis!

Ein weiterer Aspekt kommt hier zum Tragen: der latente Bildungschauvinismus! Was das angeht, hat sich seit dem Kaiserreich und seinem kolonialen Gebaren nicht viel geändert. Auf der einen Seite stehen die klugen, gebildeten Bildungsbürger, die natürlich genau wissen, was ihre Tierchen im Zoo brauchen. Auf der anderen Seite die ungebildeten Barbaren, denen man mit Strenge und Nachsicht Kultur bringen muss. Die Barbaren denken und fühlen nicht wie „gebildete“, sie fühlen primitiver! Früher trugen sie Baströckchen und Glöckchen an den Füßen, heute eine Burka über dem Kopf. Man muss sie erforschen, Konferenzen veranstalten und sie in ihren Habitaten beobachten – wenn das Habitat eine Kölner Vorstadt ist, umso bequemer!

Ich bin nicht der Meinung, dass europäische Städte geeignete Versuchsfelder sind, um es „Kulturforschern“ zu ermöglichen herauszufinden, welche Zahl Burkas von der Bevölkerung als Zumutung empfunden wird. Entweder verstößt die Burka gegen deutsches Recht – dann tut es auch eine einzige – oder nicht. Meiner Meinung nach verstößt sie schon allein gegen das Vermummungsverbot, von der im Grundgesetz festgeschriebene Gleichberechtigung ganz zu schweigen!

Ich frage mich seit langem, ob wir in Deutschland nach der Überwindung von Faschismus und Sozialismus nicht auch längst den Kapitalismus hinter uns gelassen haben, um uns einem neuen Ismus anzuschließen. Was weite Teile unserer Eliten angeht, glaube ich das wirklich! Wir sind längst im Relativismus angekommen und kaum einer hat’s gemerkt.

Das Interview beim Deutschlandfunk ist bis Februar 2017 abrufbar. Ich finde, jeder sollte es schleunigst selbst konservieren um sicher zu stellen, dass es der Nachwelt erhalten bleibt.

Abschließend noch eine Frage an Frau Dr. Claudia Schmölders. Ich frage mich seit langem, warum voll verschleierte Frauen in Saudi-Arabien Selfis von sich machen. Ich habe es gesehen, sie tun es wirklich! Ich kann aber den Sinn nicht verstehen. Vielleicht können Sie als Germanistin mir da weiterhelfen? Ach, lassen Sie mal! Ich frage doch besser einen Taxifahrer.

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3 Kommentare

  1. Relativismus ist ein gutes Stichwort. Unterschiedliche Maßstäbe wäre ein weiteres. Geltendes Recht wird nicht mehr eingehalten, oder nach Laune, neudeutsch: Moral. Es ist immer wieder derselbe Grund, nämlich der Gleichheitswahn. Alles muss gleich gemacht werden, nivelliert, alle Unterschiede beseitigt werden. Der Widerspruch, wieso die Feministen, die angeblich für die Rechte der Frauen kämpfen, aber nichts gegen Burka & Co. sagen, eher noch die Frauenrolle im Islam unterstützen, löst sich auf, wenn man es unter dem Thema Gleichheit betrachtet. Die Menschen aus den arabischen/afrikanischen Gebieten sind die vermeintlich Schwächeren, Benachteiligten, Ärmeren usw., umgangssprachlich Opfer, und müssen demnach solange „gefördert“ werden, bis sie auf dem Niveau der westlichen Leute geraten sind.

    Das ist ein Grund, wieso Hiesige für die gleiche Straftat härter belangt werden als die Neuankömmlinge. Deswegen ist eine Burka voll in Ordnung, ein Zopf der Tochter dagegen völkisch Nazi. Die Beispielliste ist endlos.

    „Wir, die wir ja einen so ungeheuren Vorsprung in der Bildung haben, das müssten wir leisten können. So gebildet sind wir, das kann man von uns verlangen.“ Ich hörte mir das Gespräch nicht an – aber hat sie das wirklich so gesagt? Unfassbar dieser verblendete Hochmut.

    Der Unterschied zur Kulturforschung im Kaiserreich ist u.a. jener, dass man damals sich vom wissenschaftlich-technischen Stand her überlegen fühlte. Und die exotischen Kulturen wurden schlicht aus jenem Grund erforscht, weil man bis dahin keine Unterlagen von denen hatte. Beim Islam dagegen ist alles seit Jahrhunderten bekannt, seine Reaktion auf den Westen besonders deutlich in Israel studierbar. Der Quatsch, mit dem Frau Schmölders den Sachverhalt Burka erklären will, ist totaler Nonsens, schlichtweg wahnsinnig. Falsche Ursachen, falsche Wirkung, falsche Schlussfolgerung. Sie kann aber nicht anders, denn ihre vertretene Überlegenheit rührt aus ihrem soziologisch-gesellschaftlichen Bild her, dass Sie von ihrem Leben in der hiesigen Gesellschaft hat. Sie fühlt sich praktisch am Ziel, kein schöner Land in dieser Zeit, das beste Deutschland, welches je existierte usw. Alle anderen müssen sich am westlichen Lebensstandard messen und ihm nachstreben.

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