Putins Biker werden am 9. Mai vermutlich nicht durch Berlin knattern, um der gefallenen Rotarmisten des zweiten Weltkrieges zu gedenken und ihre „Siegesfahrt“ zu krönen. Schade, dabei hätte das ein echter Spaß werden können. Man hat es von russischer Seiten aber auch wirklich ungeschickt vorbereitet: Einfach mal so durch Polen fahren? Wie unsensibel! Warum nicht stattdessen eine gemeinsame Sternfahrt mit einen deutschen Rockerclub nach Warschau um dort des unseligen Hitler-Stalin-Paktes zu gedenken, der den Polen im September 1939 einen überraschenden Zweifrontenkrieg samt anschließender Aufteilung bescherte? Stattdessen wählt man die Route so, dass man unweigerlich an eine Reihe von Dominosteinen denkt, die vor 70 Jahren einer nach dem anderen unter Sowjetische Vorherrschaft gerieten – und es für viele Jahre der „brüderlichen Freundschaft“* auch blieben.

Aber Berlin, diese kirre Stadt, die jeden Trend mitmacht und viele sogar initiiert. Diese Stadt hätte den russischen Rockern, die Orden erhalten weil sie für Putin „Dinge erledigen“, einen warmen Empfang bereiten können. Die Polizei würde Alexander Zaldostanow beim Grenzübertritt auf die Helmpflicht in Deutschland hinweisen und auf deren Einhaltung drängen. Ausreichend Helme werden gestellt, gesponsert und bemalt von der Milka-Schokoladenkuh. Zeitgleich mit dem Eintreffen der Biker in Berlin hätte ein ausgelassenes schwul/lesbisches Stadtfest für den passenden Rahmen gesorgt, Vertreter der christlichen, muslimischen und jüdischen Gemeinden Berlins hätten im vollen Ornat Brot & Salz und Tee aus dem Samowar kredenzt. Man hätte ihnen Quartier machen können im ehemaligen Hauptquartier des KGB in Ostberlin oder auf einem ehemaligen sowjetischen Militärgelände in Brandenburg und BMW-Techniker aus München hätten sich um die Motorräder der Gäste gekümmert. Die TAZ und BZ hätten auf ihren Titelseiten Bilder und O-Töne von Frauen drucken können, die 1945 von Soldaten der Roten Armee vergewaltigt wurden – inclusive der Zeile „Diese Versöhnungsfahrt von Moskau nach Berlin war eine gute Idee. Berlins Töchter begrüßen Moskaus Söhne“.
Leider überlassen wir es mal wieder dem Staat, eine (un)passende Antwort auf die imperialen Phantasien unseres großen östlichen Nachbarn zu geben. Die Zivilgesellschaft hätte da bessere, schärfere Möglichkeiten. Diese Chance zum Dialog wurde vertan.

* Ein alter Witz aus DDR-Zeiten illustriert diese Brüderlichkeit gut: Ein Russe und ein Deutscher gehen spazieren und finden einen Goldklumpen. „Wir teilen brüderlich“ sagt der Russe. „Nee, wir machen lieber halbe halbe, sagt der Deutsche“.

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