In Schulungen für Telefonmarketing lernt man Fragen zu vermeiden, die auf der anderen Seite schnell und eindeutig mit ja oder nein beantwortet werden können. Unsere täglichen Entscheidungen versuchen wir nach Möglichkeit auf ja oder nein zu reduzieren – die Hose passt, oder nicht. Das Essen schmeckt, oder eben nicht. Die Bibel ist hier auch eindeutig: „Eure Rede sei  ja, ja – nein, nein. Alles andere ist von übel“. Was aber, wenn man die Frage nicht versteht oder die Konsequenzen, die sich aus einer Antwort ergeben, allzu schrecklich sind?

Die Frage, die heute im griechischen Referendum mit ja oder nein beantwortet werden soll, wird offensichtlich von fast jedem Griechen anders gedeutet, anders interpretiert. Jedem ist offensichtlich klar, dass die eigentliche Frage im Referendum eine Frage aus der Vergangenheit beantworten soll. Beinahe so als wolle man darüber abstimmen ob man gestern Weiß- oder Rotwein zum Fisch trinken solle. Vorbei, Geschichte. Also deutet man die Frage kurzerhand um, jeder gerade so, wie es ihm in die Argumente und das Weltbild passt. Die einen verbinden mit ihrem „JA“ oder „NEIN“ die Vertrauensfrage für oder gegen die Regierung. Andere sagen ja oder nein zum Euro, der EU, neuen Rettungspaketen. Am kreativsten finde ich Teile der Nein-Kampagnen, die heute schlicht Begriffe abwählen wollen wie Erpressung, Demütigung, Austerität, Bevormundung, Schäuble oder gleich Deutschland.

Wäre ich Grieche und hätte die Wahl, ich würde die Frage so interpretieren: Wer soll am 6.7. zu erneuten Verhandlungen nach Brüssel fahren: NEIN für Tsipras, JA für jemand anderes.

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