Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
(Wiener Sprichwort)
Es ist ein politisches Naturgesetz: Immer, wenn der Weihnachtsbaum leuchtet, tritt die im Schloss Bellevue stationierte Phrasenschleuder vor die Kamera und dankt den Bürgern dafür, dass sie der Regierung halfen, die Sonne ein weiters Jahr von Ost nach West zu bringen.
„Ich bin stolz auf unser Land, in dem so viele Menschen anpacken – nicht, weil sie müssen, sondern weil sie Verantwortung empfinden für andere und für die Gemeinschaft.“
Seit vielen Jahren schon tue ich mir die Weihnachtansprache nicht mehr an und da ich das Fernsehen meide, komme ich nicht mal mehr versehentlich in den Genuss. Die Sammlung der „best of“ Sprüche in den Medien genügt mir schon.
„Wir sind kreativ, fleißig und solidarisch. Und daraus können wir die Kraft und die Hoffnung schöpfen für das neue Jahr.“
Lässt man das „kreativ“ weg, hat man den vereinnahmenden Teil des Gelöbnisses der Jungen Pioniere, aber es ist wohl müßig, im Phrasenstroh solcher Reden nach wirklichen Informationen zu suchen. Oder ist da doch was, vielleicht in Bezug auf die Ukraine?
„Aber dieser Friede ist noch nicht greifbar. Und es muss ein gerechter Friede sein, der weder den Landraub belohnt noch die Menschen in der Ukraine der Willkür und Gewalt ihrer Besatzer überlässt.“
Es ist eigentlich nicht an Deutschland, Ziele in diesem Krieg zu definieren oder dem Bundespräsidenten, diese als für und alle geltend zu formulieren. Alles unterhalb der vollständigen Zurückdrängung der Russen – auch aus der Krim – kann nach seiner Äußerung jedenfalls nicht als akzeptabel gelten. Verhandlungen gleich welcher Art schließt das selbstredend aus. Das klingt nach reichlich Entbehrung und Kosten für 2023 und Steinmeier wäre nicht der Präsident der Herzen, wenn er nicht einige salbungsvolle Worte der Hoffnung fände für uns und die vor dem Krieg geflohenen Ukrainer.
„Auch damit setzen wir im Dunkel des Unrechts ein Licht der Hoffnung.“
Vom Licht der Hoffnung zu sprechen, jetzt, da das Licht aufgrund dieses anderen Krieges, dem gegen die Physik, den wir seit Jahren führen, jederzeit ausgehen kann, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Ich bezweifle nämlich, dass die Physik sich mit dem Wort „Gerechtigkeit“ zur Einsicht bringen lässt. Bei allem Kampf in der Ukraine dürften wir den Kampf gegen den Klimawandel nämlich nicht vergessen, so salbadert Steinmeier nur für den Fall, dass Sie oder Sie da hinten das mal wieder vergessen haben. Russland und Klima – unter einem Zweifrontenkrieg macht es Deutschland einfach nicht. Die Kehrtwenden, die es dazu beispielsweise für den Grünen Teil der Ampel braucht, sind atemberaubend. Binnen eines Jahres sind die von „Keine Waffen in Kriegsgebiete“ und „Wir brauchen weder Kohle noch Atom noch Gas“ zu schwimmenden LNG-Terminals und offenen Waffenlieferungen an eine Kriegspartei gelangt, ohne dass deren Zuversicht, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen, auch nur einen Kratzer abbekommen hätte. Das ist widerspruchsloses Doppeldenk wie aus dem Lehrbuch.
Doch genug den Grünen und dem Steinmeier, der wie alle unsere an der Macht befindlichen Politiker verlangt, den Teig der Leistungsfähigkeit des Landes noch dünner auszurollen, auf dass er noch die letzten Probleme auf der Welt bedecken kann. Bei all den Appellen zum Anpacken, Mithelfen und Unterhaken – oder im Bedarfsfall auch nicht anfassen, allein lassen, Ärmel hochkrempeln – stellt sich doch die Frage, ob die Politiker nicht wissen, dass es so nicht geht. Dass sie die Bürger überfordern und ihnen Ziele einreden, die nicht die ihren sind und dass sie es eigentlich besser wissen müssten. Man sucht nach dem Ziel hinter dem Ziel und muss immer wieder feststellen, dass da nichts ist außer dem Glauben, durch Worte Materie zu bewegen und Naturgesetze zu ändern. Wir leben im Zeitalter des Doppeldenk und wer „1984“ aufmerksam gelesen hat, weiß, dass dieses Denken von oben nach unten ausgerollt wird. Die „Partei“, also im weitesten Sinne die an der Macht befindliche Kaste, ist die Quelle des Doppeldenk, dort entsteht es, wird perfektioniert und sanktioniert. Die Akzeptanzprobleme, mit denen diese Denkungsart zu kämpfen hat, entstehen viel weiter unten, bei Ihnen und mir, liebe Leser. Angewandt auf die im Jahr 2022 besonders zahlreichen Volten findet sich Doppeldenk an so vielen Stellen, dass man verblüfft sein muss. Hier zur Erinnerung eine praktische Definition für Doppeldenk aus dem Buch:
„Absichtlich Lügen zu erzählen und aufrichtig an sie zu glauben; jede beliebige Tatsache zu vergessen, die unbequem geworden ist, und dann, falls es wieder nötig ist, sie aus der Vergessenheit zurückzuholen; so lange wie nötig die Existenz einer objektiven Realität zu leugnen und gleichzeitig die Realität zu akzeptieren, die man verleugnet.“
Nachfolgend möchte ich Ihnen einige Beispiele vor Augen führen, wie die westliche Welt im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen das Doppeldenk im Jahr 2022 perfektioniert haben.
Covid-Doppeldenk
Als erstes kommt uns da sicher der Umgang mit den Covid-Impfstoffen und anderen Maßnahmen in den Sinn. Am Anfang stand die aufrichtig geglaubte Lüge von der Wirksamkeit. Zu 100% verhindere die Impfung Übertragung und Erkrankung. Na ja, sagen wir 90%…70%…30%…10%? Pfizer wusste von Anfang an, dass es eine Lüge war und doch glaubten viele aufrichtig daran und tun es bis heute. „Die Wissenschaft“ war in dieser Angelegenheit auch nicht gerade hilfreich. Ein besonders schönes Beispiel für Doppeldenk ereignete sich erst vor wenigen Tagen, als Tanya Lewis, Senior Editor für den Bereich „Gesundheit und Medizin“ beim Magazin „Scientific American“ über ihren ersten positiven Covid-Test berichtete. Da hatte sie es fast drei Jahre lang geschafft, dem Virus aus dem Weg zu gehen und es am Ende doch bekommen.
In einem langen Twitter-Thread schildert Lewis haarklein, wie streng und konsequent sie all die „von der Wissenschaft“ geforderten Maßnahmen umgesetzt hat, wie sie sich isolierte, Maske selbst dann noch trug, wenn sie allein war. Sie beschaffte sich einen mobilen Luftfilter, nahm jeden Booster mit und hatte am Ende „vielleicht einfach Pech“, weil sie dem Virus dennoch nicht entkam. Die Karawane der Argumentation ist allerdings längst weitergezogen, heute geht es offiziell nur noch um „schwere Verläufe“ und man beginnt bereits zu behaupten, nie etwas über die Verhinderung der Übertragung gesagt zu haben. Lewis ist eine Meisterin im Doppeldenk, leugnet die Existenz einer objektiven Realität (hier: keine der getroffenen Maßnahmen verhindert die Übertragung, auch die Impfung nicht) und akzeptiert gleichzeitig die neue Realität (hier: ich hatte wohl einfach Pech).
Aber wir müssen gar nicht über den Teich gucken, um 2022 als das Jahr des Doppeldenk zu bezeichnen. Da wäre die neue Kampagne zur Booster-Impfung, die in Wien gerade für Kopfschütteln sorgt. Auch hier gilt: Doppeldenk wirkt bei den Machern der Kampagne namens „Boosta“ perfekt, bei den Adressaten hingegen nicht so gut.
Eine randalierende Riesenspritze, die Computer von Schreibtischen wischt, Partys sprengt, Leute an den Ohren zum Impfzentrum schleift oder ihnen Taschen über die Köpfe stülpt. Hier ist der nächste Abstraktionsgrad des Doppeldenk erreicht, weil man nicht mal mehr Argumente braucht, und seien es auch nur erlogene. Es ist die pure, selbstermächtigte Gewalt des „großen Bruders“, dessen Motive nie in Frage stehen, denn er ist ja gewählt/Revolutionsführer/die Wissenschaft (nichtzutreffendes bitte streichen). Da jede ausgereichte Realität bis zur Ausreichung der nächsten gilt und akzeptiert wird, muss sich die Macht nicht mal mehr erklären. Jede Logik oder Empirie ist ausgeschaltet. Wieviele Finger sehen sie, Winston?
Energiewende-Doppeldenk
Hierfür holen wir etwas „aus der Vergessenheit“ und akzeptieren gleichzeitig die Realität, die wir verleugnen. Meister dieses Doppeldenk ist natürlich Minister Habeck, der, nachdem billiges russisches Gas nicht mehr zur Verfügung steht, die Kohlekraftwerke auf Volldampf laufen lässt. Das rettet unsere Energieversorgung zwar nicht langfristig, denn nach Steinmeiers Imperativ „kein Frieden, solange ukrainische Gebiete besetzt sind“ werden wir lange auf dieses Gas verzichten müssen. Doch hindert die Faktenlage Habeck nicht daran, eine Rückkehr zur Kernkraft nach einer kleinen Verlängerung bis April nun gänzlich auszuschließen. Dass die Kohle deshalb gerade eine Renaissance erlebt und wir gleichzeitig am Ausstieg auch aus der Kohle festhalten, dieser Widerspruch lässt sich auch nur unter der Prämisse des Doppeldenk aushalten. In früheren Zeiten waren Politik und Gesellschaft kommunizierende Röhren und die Gesetzmäßigkeiten von Aktion und Reaktion waren bekannt und geachtet.
Im Deutschland des Jahres 2022 jedoch kappt Doppeldenk die Verbindung der Röhren. So können wir gleichzeitig eine Angebotsknappheit beim Strom und das Propagieren von E-Autos und Wärmepumpen haben. Wir schaffen es, Kohlekraftwerke wieder einzuschalten und gleichzeitig aus der Kohle auszusteigen. Auch halten wir an unseren Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen fest und schalten die einzigen CO2-neutralen Kraftwerke ab, die wir haben. Wir sollten uns deshalb von dem Gedanken verabschieden, da stecke ein geheimer Plan zur Deindustrialisierung Deutschlands oder womöglich das WEF und der Schwab dahinter. Der Habeck glaubt wirklich, dass sein Plan gelingt, dieses Land durch Luft und Licht mit Energie zu versorgen, die auch immer billiger und zuverlässiger wird. Gefangen im Doppeldenk kann er die Widersprüche mühelos ausblenden. Es wird gelingen, weil er sagt, dass es gelingt.
Nichts was wir ihm sagen, keine Berechnung von Gleichgewichten zwischen Angebot und Verbrauch und keine Dunkelflaute kann ihn davon überzeugen, dass er falsch liegt. Geradezu mühelos, so meine Prognose, würde er auch im Fall eines umfassenden Blackouts argumentieren, dass wir einfach bis zur Erreichung einer neuen Realität so weiter machen müssen wie bisher. Er akzeptiert die Realität und kommt deshalb in Talkshows immer so rational rüber, kann sie aber gleichzeitig leugnen und Kernkraftwerke abschalten.
Twitter-Doppeldenk
Schlag auf Schlag kamen die Enthüllungen interner Twitter-Kommunikation in den letzten Wochen. Mittlerweile sind wir bei Nummer acht angelangt, zuzüglich einiger ergänzender Informationen durch die Autoren und ein Ende ist nicht in Sicht. In Teil sechs beschrieb Matt Taibbi, wie willfährig Twitter als quasi Tochterfirma des FBI agierte und sich für das Sperren und Löschen von Benutzern bezahlen ließ. Die Verstöße gegen den ersten Verfassungszusatz und die Zahlungen in Millionenhöhe sind gut belegt, doch das FBI besteht darauf, dass es ich nicht um Rechtsbeugung und Bestechung, sondern um ganz normale Vorgänge und Aufwandsentschädigungen handelt. Man verlangte also die Löschung von Accounts, dies geschah und das FBI schickte Geld. Für mich sieht das wie ein klassischer Geschäftsvorgang aus, bestehend aus Leistung und Bezahlung. Aber was weiß ich schon. In Teil acht berichtet Lee Fang über die Unterstützung, die das Pentagon für verdeckte Operationen von Twitter erhalten hat. Man bastelte sich spezielle Accounts und bat Twitter darum, diese in der Verbreitung von Inhalten zu bevorzugen oder auf die „weiße Liste“ zu setzten, was sie vor Meldungen und „Faktencheckern“ schützte. Der Verdacht, Regierungen verschafften sich Zugang zu sozialen Netzwerken über Seiteneingänge und Twitter würde vollumfänglich und noch dazu freudig mit Geheimdiensten und dem Militär kooperieren, wurden vollumfänglich bestätigt.
Manche Dinge waren natürlich zu erwarten. Etwa, dass Regierungen und Geheimdienste jede Plattform für ihre Zwecke nutzen. Es war jedoch ein Fehler zu glauben, dass sie nach denselben Regeln spielen wie alle anderen. Die Manipulation ist umfassend und allgegenwärtig und erstreckte sich im Fall der Zusammenarbeit Twitters mit dem FBI selbst auf Accounts mit einer Handvoll Lesern und offensichtliche Satire. Man sollte also meinen, dass die Enthüllungen und die Beendigung dieser klammheimlichen „Partnerschaft“ mit Geheimdiensten und Regierungsbehörden dazu führten, dass sich die Benutzer – gerade wenn sie politisch oder journalistisch aktiv waren – freier fühlten als zuvor und die Beendigung dieser unstrittig illegalen Praktiken begrüßten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Man sehnte sich nach der unsichtbaren Hand zurück, kaum dass sie abgeschüttelt war.
Wir erinnern uns: „Twitter ist ein privates Unternehmen, die können machen, was sie wollen und Twitter setzt nun mal seine Gemeinschaftsstandards durch. Wer dagegen verstößt, muss sich doch nicht wundern“ war die Standardantwort auf zwei Vorwürfe. Erstens: Twitter lösche mit Vorsatz und politischer Schlagseite. Zweitens: staatliche Stellen nutzten Twitter (und andere Kanäle) quasi unter der Hand, um jene Zensur zu betreiben, die ihnen die Verfassungen der meisten westlichen Demokratien verbieten.
Wie ausgewechselt erleben wir die Argumentation nach der Übernahme durch Elon Musk. Nicht nur Sawsan „Elon Musk ist gefährlich“ Chebli zeigte sich fassungslos, als Musk einige Journalisten für sieben Tage sperrte. Nun darf man nicht glauben, dass das Argument von Vorgestern, dass Twitter ein privates Unternehmen sei, welches machen könne, was es wolle und die Tatsache, dass die fraglichen Journalisten tatsächlich gegen eine der Twitterregeln (Doxxing) verstoßen hatten, noch Gültigkeit hätte! Gefangen im Doppeldenk, kann man jede beliebige Tatsache vergessen, wenn sie unbequem ist und dazu gehören immer auch die Prinzipien von gestern oder die richtige Antwort auf die Frage, wie viele Finger jemand hochhält.
Einer der Kommentare unter Cheblis Tweet (ja, man twittert noch), brachte sogar die alte Idee eines „Bundestwitter“ ins Spiel. Es sei einfach eine schlechte Idee, dass „quasi-infrastrukturelle öffentliche Räume“ von fragilen Egos wie Elon kontrolliert würden. Was die bereits bestehenden Monopole über andere öffentliche Räume angeht, seien es nun Infrastruktur oder Medien, macht man sich hingegen keine Sorgen. Doppeldenk also auch hier, wo man Twitter einer gemeinschaftlichen Allmende zuschlagen möchte, weil sich der Staat ja auch schon so gut um die bestehende Allende aus Straßen, Brücken, Netzen, Grenzen und vielen anderen materiellen und immateriellen Dingen kümmert.
Holen wir uns die Realität zurück
Ich breche hier ab, liebe Leser, sie werden selbst viele weitere Beispiele dafür kennen, dass 2022 tatsächlich der bisherige Höhepunkt in der Verbreitung von Doppeldenk im besten orwell’schen Sinne ist. Leider ist anzunehmen, dass sich vielleicht die Ausbreitung stoppen lässt, für die Betroffenen jedoch, für all die Habecks, Faesers, Lauterbachs, Scholzens, Fauchis oder Bidens jede Hilfe zu spät kommt. Wir werden sie nicht ändern, es würde genügen, sie nicht mehr zu wählen, rechtzeitig auszutauschen oder ihnen mindestens die Aufmerksamkeit zu entziehen.
Matt Taibbi sprach in seinem letzten Newsletter vor Weihnachten davon, dass er gerade an Dokumenten sitze, die auch die Rolle von anderen Unternehmen im Silicon Valley, also Apple, Facebook, Microsoft, LinkedIn und sogar Wikipedia betreffen. „Es stellt sich heraus, dass dies die neuen wichtigsten Geheimdienst-Außenposten des amerikanischen Imperiums sind.“
Und weiter beschreibt er seine Gemütslage der letzten Jahre, die mir sehr vertraut ist, weil ich genauso empfand:
„Irgendwann im letzten Jahrzehnt fühlten sich viele Menschen – so auch ich – durch etwas, das wir nicht definieren konnten, ihres Gefühls von Normalität beraubt. […] Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf verschiedene Nachrichtenereignisse schienen schief zu sein, entweder viel zu intensiv, nicht intensiv genug oder einfach unglaubwürdig. Man las, dass scheinbar alle Menschen auf der Welt der Meinung waren, dass eine bestimmte Sache wahr sei, nur dass sie einem selbst lächerlich vorkam, was einen in eine unangenehme Lage gegenüber Freunden, Familie und anderen brachte. Sollten Sie etwas sagen? Sind Sie der Verrückte? Ich kann nicht der Einzige gewesen sein, der in dieser Zeit psychische Probleme hatte.
Deshalb waren diese Twitter-Dateien ein solcher Balsam. Da ist die Realität, die sie uns gestohlen haben! Sie ist abstoßend, erschreckend und dystopisch, eine grausame Geschichte einer Welt, die von Menschenfeinden regiert wird, aber das ist mir allemal lieber als das abscheuliche und beleidigende Faksimile der Wahrheit, das sie uns verkauften. Ich persönlich habe mich zum ersten Mal seit sieben oder acht Jahren entspannt, als ich sah, dass diese reißerischen Dokumente [die Twitter-Files, Anmerkung d. Autors] als Wegweiser zurück in die Realität dienen könnten – ich war mir bis diese Woche nicht sicher.“
Ein Schleier ist weggezogen worden von der Realität. Wir haben recht behalten, sind nicht verrückt geworden oder hängen Verschwörungstheorien an und ließen uns auch nicht in irgendwelche Ecken drängen, wo man uns leichter erledigen kann. Und das werden wir auch im nächsten Jahr nicht zulassen, wir werden weiter ihre Lügen protokollieren und wir werden das tun, was ihnen am meisten schmerzt: sie zitieren, ihre Volten kommentieren und ihr Doppeldenk sezieren.
Allen Lesern und Unterstützern von achgut.com und unbesorgt.de wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest und all das, was Sie sich für das nächste Jahr wünschen und vornehmen. „Irgendetwas sagt mir, dass das kommende Jahr ein besseres Jahr werden wird“, schreibt Matt Taibbi. Ich hoffe für Sie und für mich, liebe Leser, dass er recht behält.
Ich weiß, es ist albern, aber konsequent gedacht hatte Trump einfach nicht genug Verwandte, um den Behördenzirkus unter Kontrolle zu bringen. Wir müssen im Paralleluniversum nach der Anti-Ursula-von-der-Leyen suchen und sie durch ein Wurmloch zerren. Das klingt erst mal schwierig, ist aber tatsächlich einfacher als ein Feld zwischen Ricarda Lang und einer Sahnetorte aufzubauen.
Dann wünsch ich schon mal ein frohes neues Jahr und einen guten Rutsch!
Sehr geehrter Herr Letsch,
ich danke Ihnen für Ihre Worte, die mir aus der Seele sprechen.
Ohne lange herum zu diskutieren: Sie haben m.E. mit „Doppelsprech“ / Orwell’sche „1984“ das deutsche Malheur auf den Punkt gebracht.
Ich wünsche Ihnen alles Gute im Neuen Jahr!
Ich will nicht die Qualität Ihrer Analysen infrage stellen – im Gegenteil: ich habe mal wieder einiges gelernt. Aber eine Sache im Twitter-Doppeldenk ist irgendwie unstimmig und macht mich misstrauisch gegen diesem allzu gefälligen Bild, das Sie zeichnen.
Sie schreiben: „Der Verdacht, Regierungen verschafften sich Zugang zu sozialen Netzwerken über Seiteneingänge und Twitter würde vollumfänglich und noch dazu freudig mit Geheimdiensten und dem Militär kooperieren, wurden vollumfänglich bestätigt.“ und wenig später „Manche Dinge waren natürlich zu erwarten. Etwa, dass Regierungen und Geheimdienste jede Plattform für ihre Zwecke nutzen.“ …. das Problem ist, dass die Regierung in der fraglichen Zeit von Trump geleitet wurde und er das Kommando über FBI und Konsorten hatte.
Klar, der politische Grobmotoriker könnte durchaus Feinde im Geheimdienst gehabt haben. Das, so wird ja immer noch gemunkelt, könnte auch Kennedys Pech gewesen sein. Aber gerade wenn das so wäre, müsste man das Strickmuster, dass die Regierenden sich selbst und das Volk in einer Art intellektuelle Schizophrenie in eine irreale Scheinwirklichkeit einwickeln, angezweifelt werden. Nicht die Regierenden sondern was weiß ich was für finstere Mächte, wären dann verantwortlich. Satire an: Mir kommt ein Verdacht: Klaus Schwab passt immer! Ob er sich wohl solcher Ehren bewusst ist?
Nur soviel: das FBI hat schon in der Zeit von Trump aktiv gegen ihn gearbeitet, nicht für ihn. Am Schluss sind dieselben Leute, die beim FBI die sogenannte „russian collusion“ erfunden und propagiert haben, zu Twitter gewechselt, um dort gegen eben jene „collusion“ vorzugehen. Man hat die Aufblähung des Sicherheitsapparates ab 2016 mal mit 9/11 verglichen, nur dass es 2001 eine ECHTE Bedrohung gab, die zur Gründung des Heimatschutzministeriums führte, während die „russian collusion“ nur eine erfundene Bedrohung war. Trump hat es nie geschafft, dass sich der Regierungsapparat in Washington ihm beugt. Alle Versuche, den Apparat zu besänftigen – indem er etwa den unsäglichen John Bolton zum nationalen Sicherheitsberater machte – scheiterten. Das war auch einer der Gründe, warum er am Ende so oft auf die eigene Familie zurückgriff, weil er sich da der Loyalität sicher war. Aber zu diesen Zusammenhängen gäbe es so viel zu entwirren, das muss ich mir wohl für einen weiteren Text aufsparen.
Na ja, also Herr Trump ist vielleicht auch ein klitzeklitze-klein-bisschen Vetternwirtschaftler. Die Jared-Kushner-Ernennung würde ich nicht verteidigen wollen. Der Grund, weshalb die Medien darüber nicht herfielen, ist einfach, dass die ein komplett gestörtes Verhältnis zur Moral haben. Zum einen erinnern sich Leute noch an Hillary Clintons Einmischungen im Weißen Haus als ihr Ehemann President war und die Medien hätten da also eine moralische Flanke. Wichtiger ist aber, dass man dort Korruption und Vetternwirtschaft für so normal hält wie Leuten dauernd in die Fressen zu lügen. Zum Skandal wäre es erst geworden, wenn Jared Kushner einer Schwangeren Geld aus seinem Privatvermögen gegeben hätte, damit sie nicht abtreibt.
Die Moralentfremdung der Medien erklärt auch, weshalb die Komödiantin Kathy Griffin im Stich gelassen wurde. Sie hatte eine Ketchup-Maske bei einem Fototermin so hochgehalten, dass das Foto wie einen ISIS-Enthauptung aussah. Ihre Augen hatten dabei einen „Hoppla“-Blick. Also ein witziges Bildchen. Für Monate wurde sie vom FBI untersucht und an jedem einzelnen Flughafen stundenlang gefilzt und verhört. Die Treiber waren höchstwahrscheinlich nicht „Trump-Leute“ wie Griffin vermutet, sondern einfach elitäre Kreise, die allesamt ein Motiv hatten, die Tratschtante einzuschüchtern. Man hätte denken können, dass die Medien daraus einen riesigen Aufriss machen. Stattdessen hatten sich ihre ganzen linken „Freunde“ wie z.B. der CNN-Moderator Anderson Cooper von ihr distanziert. Es wäre ein Skandal, wenn man die Instrumentalisierung von Sicherheitsapparaten zur Einschüchterung von Bürgern schlimm fände. Aber finden Linke das schlimm? Ich weiß bis jetzt noch nicht, worin die Umsturzplanung der Richterin Birgit Malsack-Winkemann bestand und ob der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch zählt. Ich weiß auch nicht, welche Gelder der Querdenkergründer Michael Ballweg veruntreut haben soll und ob die in irgendwelchen Immobilien auftauchten oder ob sie nur auf ausländische Konten verschoben wurden, um sie vor dem Zugriff vom immer weniger vertrauenswürdigen deutschen Staat zu schützen. Ich weiß nur, dass überzogene Anklagen der typische Modus der Oppositionsbekämpfung in Ländern des ehemaligen Ostblocks sind. Aber finden auch Linke solche Unverhältnismäßigkeiten schlimm?
Mich stört die Ernennung Kushners, auch wenn sich Linke an solchen Sachen nicht stören.
Kushner als Nicht-Politiker ist es immerhin gelungen, die Abraham-Accords einzufädeln. Etwas, das die Bilanz von Trump schon im Alleingang übe die der letzten vier Präsidenten hebt. Und Etwas, was Nur-Politikern nie gelungen war, weil sie nicht über den Tellerrand gucken konnten oder wollten.
@Herr Letsch Japp, ich bin mit seiner Israelpolitik auch zufrieden. Mit seiner Justizreform schon nicht mehr. Es hätten sich sicher auch andere gefunden, die diesen außenpolitischen Kurs gegangen wären. Die Nahost-Politik Trumps hätte so oder so diese Handschrift gehabt. Dafür muss man nicht Verwandte ins Weiße Haus holen.
Die eigentlich interessantere Frage ist, ob er als Präsident nicht deutlich mehr Leute aus der Verwaltung hätte feuern müssen, um sie mit Leuten zu ersetzen, denen er vertrauen kann. Und die Frage ist auch, inwieweit Nancy Faeser mit ihrem Ansinnen recht hat. Will man eine bockige, hintertriebige Verwaltung (inklusive Sicherheitsbehörden) oder eine, die auf Linie ist? Vielleicht will man eine, die hinter einem gewählten Vertreter auf Linie gebracht wird, aber mehr direkt wählbare Vertreter, die nicht zu viel Macht auf sich konzentrieren. Und vielleicht sollte das Parlament starke Kontrollmöglichkeiten haben und Ämter auflösen oder Neuwahlen einleiten können, wenn ein Amtsinhaber seine Macht missbraucht, um Bürgerrechte zu schleifen.
Wie schon gesagt: Verwandte holst du dann, wenn du merkst, dass du niemandem mehr trauen kannst, weil alle gegen dich arbeiten. Auf diese Weise ist die Obama-Administration schon vor Trumps Amtsantritt dessen wichtigsten außenpolitischen Berater losgeworden.
Was wir bei der Anwendung des «Zwiedenkens» sowohl in der Politik als auch in der Geschäftswelt erleben, ist der Ersatz der physischen Aggression durch moralische Aggression, und im öffentlichen Leben tritt der moralische Terrorismus an die Stelle der physischen Ein- schüchterung. Das «Zwiedenken» weist zwei Aspekte auf, einen posi- tiven und einen negativen, von denen der erste die Aggressoren und der zweite die Opfer betrifft. Die erste und einfachste Anwendungsstufe der Kunst – um mit Orwell zu sprechen – kann sogar kleinen Kindern beigebracht werden und wird im «Neusprech» als «Verbrechstop» bezeichnet. Darunter versteht man die Fähigkeit, gewissermassen instinktiv an der Schwelle irgendeines gefährlichen Gedankens innezuhalten. «Verbrechstop» umfasst die Fähigkeit, Analogien nicht zu begreifen, logische Irrtümer nicht zu erkennen und selbst die simpelsten Argumente nicht zu erfassen, wenn sie der herrschenden Orthodoxie widersprechen. Orwell sprach von «schützender Dummheit».
Ich weiß auch nicht, wie man aus Kernkraft und fossilen Energieträgern gleichzeitig aussteigt, aber Herr Merz verbrennt derweil Christbaumkerzen, um die Wohnung zu heizen. Das ist auch billiger. Im schummrigen Licht wird nämlich der Stylist günstiger. Robert und Annalena legen ja für Fotograf und Ankleidedame ordentlich Geld auf den Tisch. Frau Merz wird klugerweise auch an den Kerzen sparen und nur so viele zünden, dass sich nicht Klaus Wowereit ihrem Mann nähert.
Zur Erinnerung: Merz hatte 2001 tatsächlich gesagt, dass ihm Wowereits Homosexualität egal sei, solange er sich ihm nicht nähere. Ich bin auch nicht homophob und als Konservativer werde ich immer betonen, dass jeder in der Privatsphäre seines Schlafzimmers tun und lassen kann, was er will, solange er nur Frauen hasst. Und das ist nicht nur ein Freibrief für schwule Männer, sondern mehr noch ein Freibrief für schwule Frauen. Es ist mir absolut wurscht, wer mit Alice Weidel im Bett liegt. Ich weiß ja, wer unter ihrem Bett lauert. Der böse Ami.
Ich glaube, dass das Doppeldenk, das George Orwell so gut beobachtet hat, im Wesentlichen aus drei Komponenten besteht.
(1) Die Realität ist zu grausam. Dazu gehört, dass man im Moment sehr stark im Augen-zu-und-durch-Modus ist. Es wird verbal viel um unbegründete Hoffnung geworben, ohne etwas anzubieten.
(2) Kognitive Konsistenz ist anstrengend. Man muss sich tatsächlich an das vorher Behauptete in einem aktuellen Sprechmoment erinnern. Die Leute organisieren ihre Sprechakte aber primär nach den sozialen Situationen und nicht nach der Funktion.
(3) Das meiste Handeln und Reden ist rein rituell oder symbolisch, selbst wenn das Ergebnis einen funktionalen Sinn macht. Ein Denken über Konsequenzen ist eine Errungenschaft der westlichen Bildung. Die meisten Menschen würden fünf Gottheiten für die gleiche Funktion anbeten, auch wenn die den Legenden nach untereinander spinnefeind wären. Knie hier, rassel da, zünde Stäbchen in einer Ecke an, opfere Früchte in der anderen Ecke. Logisches Denken kommt vom Einstudieren erkannter Muster von Ursachen und Wirkungen. Damit werden die Werkzeuge geschaffen, weitere rigorose Strukturen zu ergründen.
Und wir haben Probleme, solche Banalitäten wie die Ursachen des Doppeldenkens zu erkennen, weil wir zu empathisch sind. Wir denken, dass die anderen so denken wie wir. Meist machen sich ja Leute mit guter Bildung daran, die Gesellschaft zu beschreiben (so es sich denn bei ihnen um originäre Erkenntnissucher handelt und nicht nur um mittelmäßige Akademiker, die deren Ideen zusammenfegen). Und diese Leute suchen in den wirren Aussagen und Handlungen nach Strukturen und Mustern. Die Widersprüche müssen solche Beobachter zur Verzweiflung bringen, weil sie die ganzen Aussagen für von den Sprechern auch so gemeint halten. Aber die Beobachteten sind nicht so komplex. Die sind nicht widersprüchlich und verworren und haben auch kein ausgefeiltes System der Rationalisierung. Die sagen einfach mal so und mal so; unbehelligt von ihrer eigenen Erinnerung. Natürlich gibt es aber auch das opportunistische Element bei einigen „Vergesslichen“. Absicht und genuines Desinteresse an den eigenen Worten dürfte bei den meisten aber eine Mischung sein.
Euch allen frohe Weihnachten! Auch Greta Thunberg sei im Geiste bei uns und wünscht uns unter den wachen Augen der Klimaendzeitflügelfigur ein paar beschauliche, ruhige und gesegnete Tage und Panik.
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