Au Backe, das gab Gegenwind! Was mir nur einfallen würde, Biden zu gratulieren, diesem Wahldieb, Lügner, Betrüger und Erzkommunisten! Abgesehen davon, dass Biden meine Gratulation wahrscheinlich längst vergessen hätte, so sie ihn überhaupt erreicht hätte, kann ich den Zorn einiger meiner Leser natürlich nachvollziehen. Auch mir wären vier weitere Jahre mit Trump weit lieber gewesen als das, was nun kommen könnte. Doch ich kann die Ergebnisse nicht beeinflussen und ich weigere mich, sie auf dieselbe kindische Weise zu ignorieren, wie die Medien und die deutsche Politik die Wahlergebnisse aus 2016 ignoriert haben. Denn egal ob Stegner, Steinmeier oder Süddeutsche Zeitung: sie alle glaubten 2016 und glauben es bis heute, nur vier Jahre die Luft anhalten oder wahlweise auch lautstark ablassen zu müssen, dann würde das Phänomen Trump schon verschwinden. Ihn nicht beachten, ihm nicht gratulieren und ihm um Himmels Willen niemals zustimmen! Diese Betriebsblindheit wird sich – nur anders gepolt – mit Sicherheit fortsetzen. Die Medien haben von Angriff auf Verteidigung geschaltet. Bedingungslos und ohne zu zögern.

Ich weiß, ich weiß…es wird in mehreren Staaten noch gezählt, in anderen wird bereits die Nachzählung vorbereitet, Klagen wurden ebenfalls eingereicht. Und die Bedenken sind berechtigt. Allein das, was die Klageschrift von Trumps Anwalt Giuliani enthält, ließe einem die Haare zu Berge stehen, träfe auch nur die Hälfte dessen zu, was die Vorwürfe sagen. Gab es Betrug? Womöglich. Gab es Fehler und Pannen? Ganz sicher. Müssten die Demokraten nicht ein ebenso großes Interesse an der Ausräumung oder Aufklärung der Vorwürfe haben? Aber ja, denn die Vorwürfe gehen ja nicht weg, wenn man sie vom Tisch wischt. Sie wären dann die perfekte Basis für genau dieselbe Sorte Verschwörungstheorien, wie sie mit der „Russian Collusion“ vier Jahre lang Trump an der Backe hatte – mit dem Unterschied, dass diese Vorwürfe aufgeklärt und als Schwindel entlarvt wurden, während die neuen Vorwürfe Trumps gar nicht verhandelt werden sollen. Oder wie man in Amerika sagen würde: „What goes around, comes around.“

Könnte eine Richterentscheidung das Ergebnis der Wahl noch kippen? Vielleicht in einem oder zwei Staaten, aber das ist unmöglich zu prognostizieren, wir werden also sehr wahrscheinlich wirklich bis zum 14. Dezember, dem Tag, an dem das Electoral College zusammentritt, warten müssen, bis wir Joe Biden ganz offiziell „President Elect“ nennen dürfen. Oder eben auch nicht. Für Fans der Schadenfreude sei angemerkt, dass das hartnäckige Festhalten der Medien an der Bezeichnung „President Elect“ am Ende an den Fakten ohnehin nichts ändert, sondern nur die Fallhöhe Bidens verändern könnte. Lassen wir ihnen also den kleinen Triumph sowie das vorlaute Sieg-Geplärre und wenden uns eben jenem Zukunftsszenario zu, dem ich in meinem letzten Artikel eine positive Wendung zu geben bemüht war.

Denn wenn die juristische Schlacht am Ende zugunsten Bidens ausgeht, kann ich den knapp 10% meiner Landsleute, die Trump wie ich die Daumen gedrückt haben, nur davon abraten, in ähnliche emotionale Zusammenbrüche zu geraten, wie wir sie 2016 auf der Seite der Dems, Hillary Clintons und dem deutschen Blätterwald gesehen haben.

Woche eins nach der Wahl

Die erste Woche des noch nicht so ganz electeten Biden schalt mich leider bereits einen gefühlsduseligen Versöhnungsträumer, aber das passiert eben, wenn ein notorischer Pessimist wie ich versucht, die wahrscheinlichste aber noch ungewisse Zukunft in Pastell zu malen. Versuchen wir also zu interpretieren, was uns diese erste Woche nach der Wahl über die nächsten vier Jahre verraten kann, wenn der Fall „Biden“ eintritt. Was im Fall „Trump“ geschehen würde, dürfte ja hinlänglich bekannt sein.

Zunächst fällt auf, dass Biden und Harris medial eher getrennt voneinander behandelt werden. Und während Joe Biden gar nicht mal schlechte Reden über Versöhnung und das Heilen von Wunden hält, richten sich die Scheinwerfer und Weichzeichner vor allem auf Kamala Harris. Die dabei entstandenen Elogen schafften es unter normalen Umständen vielleicht in die Bunte, jedoch nicht in die FAZ. Doch all das inhaltsleere Gedudel über Kamalas „typisch amerikanische Geschichte“, ihr strahlendes Lächeln, ihre weißen „Kostüme der Macht“ oder ihr präsidiales Benehmen haben ja nicht den Zweck, etwas Substanzielles über ihre Politik oder ihre Agenda oder ihren Charakter auszusagen.

Wollte man das mit Tiefgang tun, würde es schnell unangenehm für die Senatorin aus San Francisco. Man kann nach dem Lesen der hymnischen Artikel nicht viel wissen über Harris Absichten und in den Vorwahlen hat sie nichts über ihre Grundsätze verraten, was sie nicht später durch ihr „It’s a debate“ im Interview mit Stephen Colbert zur Petitesse, zum substanzlosen Debattengetöse erklärt hätte – verziert mit einem künstlichen Lachanfall der sagte: ‚Erwartest du eine Antwort auf die alberne Frage? Wer die Macht hat, lacht!‘

Harris steht für nichts, was sie flexibel, aber auch unberechenbar macht. Eigentlich ein Vorwurf wie aus einer Orange-Man-Charakterstudie für Trump-Hasser, oder?

Wenn es aber momentan nichts Substanzielles zu berichten gibt, wozu dann die Lobhudeleien, diese vor Wärme und Herzlichkeit geradezu triefenden Artikel? Es sind Visitenkarten, die man als Journalist oder Blatt der Kronprinzessin überreicht. Es winken lukrative und imagefördernde Reporteraufträge in den USA und wer belegen kann, was für ein guter Softballspieler er ist, hat mit solchen Reverenzen gute Aussichten. Offenbar rechnet niemand damit, noch bei Biden vorstellig werden zu müssen.

Joe Biden tut einem fast schon ein bisschen Leid. Da steht er so kurz davor, vielleicht doch noch Präsident zu werden und seine Karriere zu krönen, da sind die Kameras bereits zu seiner designierten Nachfolgerin weitergezogen. Der Parteisoldat hat seine Schuldigkeit getan, … Man lässt ihn machen und er gibt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten Mühe. Aber es ist ein wenig so, als wenn Opa vom Krieg erzählt, während draußen schon ein neuer, ganz anderer Krieg tobt von dem Opa noch nicht einmal begriffen hat, auf welcher Seite er eigentlich steht.

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Projekt „Versöhnung“ läuft nicht gut

Ich gebe zu, ich hatte schon auf einen großen Schluckauf oder eine kurze Sendepause der Medien gehofft – angesichts der Tatsache, dass genau wie 2016 schon wieder alle Umfragen daneben lagen. Doch nichts dergleichen. Neu im Programm ist lediglich, dass man neben Trump nun gleich die Republikaner als Ganzes oder gleich deren Wähler ins Visier nimmt. Die Jagd auf die „Enabler“ ist eröffnet. Den kolportierten Ausspruch Trumps „Die sind nicht hinter mir her. Die sind hinter euch her – ich bin ihnen nur im Weg“ hat er zwar vielleicht nie gesagt, aber er passt. Die Panik, je wieder bei Wahlen die Macht aus den Händen gerissen zu bekommen, sitzt tief bei den Demokraten. Angesichts des knappen Wahlausgangs mit 71 Millionen Trumpwählern umso mehr. Vorneweg bei der wilden Hatz natürlich die sogenannten „Progressiven“ wie AOC, die schon Sanders kaum zu bändigen wusste. Die Einrichtung von Versöhnungskommissionen nach dem Vorbild Südafrikas werden gefordert und es sollen nach Möglichkeit Listen angefertigt werden für jene, die Umerziehung und Läuterung angeblich dringend nötig haben und büßen müssen – wofür eigentlich?

In dieselbe Kerbe schlagen die Medien. Ausgerechnet jene, deren Köpfe voll sind mit den woken Ismen dieser Zeit, fordern das Ende des Trumpismus. Was auch immer sie darunter verstehen. Wen sie damit meinen, ist dafür umso klarer: die Unterstützer, Mitglieder, Spender und Wähler der Republikaner. Jack Tapper von CNN macht den notorischen Trump-Unterstützern schon mal klar, dass sie ihren Arbeitgebern womöglich Rede und Antwort stehen müssten, wenn diese von deren „falscher Meinung“ erführen. Umerziehung, Listen, Denunziation. Auf die Knie or else – mehr 1984 geht eigentlich nicht. Die Normalität, zu der das Land zurückfinden sollte, wenn nur endlich der böse Mann im Weißen Haus abgewählt sei, ist nirgendwo in Sicht.

Die Unruhen in vielen Städten gehen indes weiter und auch ein Biden-Schild im Vorgarten bewahrt nicht vor nächtlichen Besuchen und deren Sprechchören „No Justice No Sleep“. Aber es gibt erfreuliche – und erstaunliche – Unterschiede. In Portland/Oregon wurde nun wegen der andauernden nächlichen Ausschreitungen, die sich ausdrücklich gegen jeden Präsidenten richten und gar keinen Präsidenten wollen, die Nationalgarde aktiviert. Nachdem sich der Gouverneur seit Monaten weigerte, genau dies zu tun. Die Vermutung liegt nahe, dass zerstörte Innenstädte und geschäftliche Existenzen nur dann verkraftbar oder opportun waren, wenn man sie Trump in die Schuhe schieben konnte.

Apropos Trump

Ein Vorwurf gegen ihn lautet, er halte sich nicht an die Regeln. Er habe zwar jedes Recht, den Wahlausgang anzufechten, tönte es heute auch aus dem DLF, aber dazu müsse er formal erst das Ende der Stimmauszählung abwarten. In Pennsylvania klagt er aber jetzt schon, obwohl dort erst 97% der Stimmen (stand am 10.11.2020 um 22 Uhr MESZ) ausgezählt seien. Was fällt ihm nur ein, diesem Trump!

Sicher kennen meine Leser den kleinen Schabernack, den man Kindern gern (ein)mal spielt. „Wetten“ sagt Vater zum Sprössling, „du kannst es nicht unter dem Tisch aushalten, dass ich dreimal kräftig auf den Tisch schlage?“ Spätestens nach dem zweiten Schlag auf den Tisch und den folgenden verzögernden Minuten (Stunden?) wird dem Kleinen klar, dass er das Spiel nicht gewinnen kann, weil keine Spieldauer definiert ist.

Gewissermaßen kann man die Auszählung eines Staates offenbar so lange „filibustern“, bis die Zeit nicht mehr für eine Klage reicht. Was man mit der gewonnenen Zeit stattdessen so alles anfangen kann, überlasse ich der Phantasie meiner Leser oder deren Lektüre der Anklageschrift von Rudi Giuliani (ganz unten im verlinkten Artikel). Es ist nicht nur nicht hinnehmbar, dass in einem modernen Staat mit gewaltigen Ressourcen wie den USA nach einer Woche ein paar Hunderttausend Stimmen immer noch nicht gewertet wurden, es ist auch unglaubwürdig. Die Entscheidung Trumps, seine Klage vorzuziehen, um dem Gericht ausreichend Zeit zur Beurteilung der Beweise zu geben, ist daher nur logisch.

Hat Steinmeier eigentlich Trump schon zum Wahlsieg 2016 gratuliert?
Listen wohin man schaut. Hat Steinmeier eigentlich Trump schon zum Wahlsieg 2016 gratuliert? (Netzfund)

Dem Gegner kein Land – Siegerjustiz statt Versöhnung

Eine Versöhnung findet derzeit nicht statt, weil sie von den falschen Prämissen ausgeht. Wenn Whoopie Goldberg in „The View“ von Trump und den Republikaner verlangt: „Suck it up! [also die Niederlage] Suck it up like we do in 2016“ liegt sie gleich doppelt falsch. Erstens haben die Dems im Allgemeinen und Whoopie Goldberg im Besonderen ihre Niederlage von 2016 nie einfach runtergeschluckt und zweitens muss eine Versöhnung immer vom Sieger ausgehen. Der [noch vermeintliche] Sieger ist aber vor allem damit beschäftigt, 71 Millionen Amerikaner, die Trump unterstützt, für ihn gespendet und ihn vielleicht auch nur mit Bauchschmerzen gewählt haben, aus der Gesellschaft auszustoßen, auf Listen zu erfassen und umerziehen zu wollen. Man will die Republikaner natürlich nicht ganz vernichten, aber für mehr als eine Proxypartei, der die Rolle der Schein-Opposition zufällt, sollen sie nach der „Säuberung“ nicht mehr fähig sein.

Ich bezweifle, dass Trump es in diesem Aspekt wirklich besser machen würde (außer der Tatsache, dass auf seine „lock her up“ Ankündigungen 2016 nie etwas folgte und Republikaner auch keine Listen demokratischer „Enabler“ führen), er ist einfach nicht der konziliante Charakter, den es dafür braucht. Aber er ist ja nicht der Maßstab. Es sind die Dems, die sich für die besseren Amerikaner, die besseren Politiker, ja, für die besseren Menschen halten. Die kurze Woche der Vorfreude angesichts ihres am Horizont schon sichtbaren Sieges zeigt leider, dass sie doch nur die Politiker, Aktivisten und Ideologen sind, vor denen sie selbst uns immer gewarnt haben.

Könnte Biden dieser Versöhner sein? Seine mutmaßliche Korruptheit mal ganz beiseitegelassen, vielleicht der Biden von 1995 oder 2005. Nicht aber die verlöschende Kerze des Annus horribiles 2020, in deren schwachem Licht das unheimliche Leuchten der Kamala Harris noch schwerer einzuschätzen ist. Ich hatte Joe Biden im letzten Artikel vor allem eine robuste Gesundheit gewünscht und daran halte ich fest. Das Gespür der Medien für die Fleischtöpfe und ihre Eile, mit der sie sich zu denen von Bidens mutmaßlicher Nachfolgerin auf den Weg machen, lässt mich befürchten, dass er aufmunternde Worte bitter nötig hat. Mein „good luck“ bleibt also gültig, egal was noch kommt.

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3 Kommentare

  1. Es ist so, wie es letztens ein Leserbrief/Kommentar auf einer amerikanischen Seite ausgedrückt hat: „Eigentlich kann einem Joe Biden nur leidtun. Er ist wie der alte Mann, den man mit dem falschen Lottogewinnschein betrügt – entweder ist in kurzer Zeit Harris Präsident oder in noch kürzerer wieder Trump.“
    Kamala Harris ist eine furchtbare Frau. Ihre Zeit als kalifornischer Staatsanwalt lässt nichts Gutes erahnen – allein der (noch laufende) Fall des Journalisten David Daleiden [der einen Skandal bei der Abtreibungsmühle Planned Parenthood aufgedeckt hatte und dafür mit vierzehn (!) Strafverfahren versucht wurde mundtot zu machen (viele der von Daleiden aufgedeckten Sachverhalte sind immer noch unter Verschluss)] sagt über sie eigentlich alles, was man wissen muss.
    (mehr über Daleiden hier: https://www.thomasmoresociety.org/david-daleiden/ )

  2. 99% Zustimmung zu Roger, nur: Der Versuch der Versöhnung mit den hardcore-Linken in der Biden-Administration wäre appeasement. Ich hoffe, daß die Reps jetzt die Trump-Linie weiterfahren: geradlinig, konsequent, Kompromisse nur dann, wenn‘s nicht anders geht. Dann sind sie in vier Jahren wieder dran.

  3. Schön zusammengefasst.

    Schön auch der Corona-Berater Bidens, der sagt, man müsste doch eigentlich mit 75 in den Konverter steigen, weil man mit 60 die letzten Dienste für die Gesellschaft vollbringen konnte.

    Schön auch, wie die Bezirksstaatsanwältin aus Detroit mit einer Unterlassungsklage droht, weil ein Whistleblower Tonaufnahmen ins Netz gestellt hat, die über die Manipulation der Auszählung Kunde geben.

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