Es war sichtbar knapp für Gerald Hetzel und seinen Freund. Die Türen ihres Mietwagens sind halb herausgerissen, die Reifen aufgeschlitzt, die Frontscheibe von harten Schlägen zerstört. Hetzel wird zitiert, er habe in den Augen der Angreifer sehen können, dass sie töten wollten. Die Rede ist von einem Vorfall am 18. März, als in Nablus das Auto von zwei Deutschen angegriffen wurde und es nur dem Einsatz eines beherzten israelischen Arabers zu verdanken war, dass die beiden noch mit dem Leben davonkamen: er bugsierte das Auto heraus aus der A-Zone in Richtung israelischer Grenzposten. Nablus ist eine der größten Städte in der sogenannten A-Zone, also jenen Gebieten, in denen die Behörden von Mahmut Abbas weitgehend die Kontrolle haben und auch die Sicherheitsorgane bilden. Seit Beginn der territorialen Unabhängigkeit der Palästinenser gibt es dort auch eine Zulassungsbehörde für Autos und deren Nummernschilder sind grün-auf-weiß, nicht schwarz-auf-gelb wie die israelischen. Und während es für grünweiß beschilderte Autos ungefährlich ist, sich auf israelischen Straßen zu bewegen, kann man selbiges für schwarzgelb in der A-Zone nicht gerade behaupten.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Beim Mieten eines Autos in Israel wird einem sehr klar gemacht, welche Gebiete man unter Androhung des Verlustes des Versicherungsschutzes unbedingt zu meiden hat – nicht nur zur Sicherheit des Autos, sondern auch der Insassen. Als ich 1999 zum erstmals in Israel war, gab es noch keine so strenge Trennung und als ich mich tatsächlich mal nach Ramallah verfahren hatte und an einer Tankstelle nach dem Weg fragen musste, fühlte ich mich nicht gerade in Lebensgefahr. Ein Jahr später wurden an derselben Stelle zwei israelische Reservisten Opfer eines Lynchmobs, der weitere Verlauf ist blutige Geschichte. Das hätte den beiden Deutschen in Nablus gerade auch passieren können, weil offensichtlich schon die israelische Flagge auf dem Nummernschild in Nablus als kriegerischer Akt angesehen wird.

Beim nächsten Besuch war ich natürlich vorsichtiger und dank GPS und dem guten Zustand des israelischen Straßennetzes bin ich mir sicher, niemals nie nie nie nicht (abgesehen von ausgewiesenen Transitrouten) in die A-Zone zu geraten. Dank ihres Retters hätte das Ganze nun also für Hetzel und seinen Freund ein Happy-End haben können – abgesehen vom Schaden am Auto natürlich, auf dem die beiden wohl sitzen bleiben. Doch wäre es so, schriebe ich diesen Artikel nicht, denn für viele stellt sich die Frage, wie es überhaupt dazu kam, dass Hetzel das Auto nach Nablus fuhr und ob nicht etwas anderes, nämlich absichtsvolle Provokation, dahinterstecke.

Immer dann, wenn es um die Verschiebung von Schuld weg vom Täter und hin zum Opfer geht, wird ad hominem geforscht. In diesem Fall geht es um das Treiben des Gerald Hetzel, der eben nicht das erste Mal in Israel und mitnichten ein ahnungsloser Tourist sei, sondern als Pro-Israel-Aktivist doch wissen müsse, wie der Hase läuft. Man stöckelt eben nicht im Minirock durch…ähm, sorry, das war die falsche Blame-Game-Schachtel. Man fährt eben nicht mit israelischem Kennzeichen ins judenreine NGO-Schlaraffenland! Und überhaupt: als sei Pro-Israel-Aktivist nicht Anschmutzung genug, ist der Hetzel auch noch pro-IDF und wurde im T-Shirt der pro-zionistischen NGO „Im Tirzu“ gesehen. Der Mann hat mit dem Konterfei vor Theodor Herzl auf der Brust Süßigkeiten an israelische Soldaten verteilt, ist das zu fassen? Das alles schreit „rechts, rechts, rechts!“, da muss er sich doch nicht wundern, dass er in Nablus nicht mit brüderlichen Küssen empfangen wird, oder?

Doch soweit ich weiß, wussten die Angreifer gar nicht, mit wem sie es zu tun hatten. Und selbst wenn…ich wäre gespannt auf die Rechtfertigung des Angriffs. Doch die israelische Flagge am Auto reichte völlig für den spontanen Entschluss der netten Einwohner von Nablus: die müssen sterben! Es könnten schließlich Juden im Auto sein! Dass jetzt versucht wird, Hetzels Fehleinschätzung als besonders verwerflich hinzustellen, weil momentan die Stimmung in den Palästinensergebieten besonders schlecht sei – wegen Terroranschlägen, die von eben diesen Palästinensern begangen wurden – entbehrt nicht einer unfreiwilligen Komik. Hetzel wird abgewatscht, als hätte er als Zoobesucher leichtfertig und Aufmerksamkeit heischend den Löwenkäfig geöffnet und das kurz vor der Fütterung! Wie unvernünftig! Nur gucken, nicht anfassen!

Und wie rassistisch, ihm dies jetzt vorzuwerfen. Ja, das geht auch an Sie, lieber Volker Beck, der Sie Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sind: es ist nichts anderes als der Rassismus der gesenkten Erwartung, wenn nun Hetzel statt seiner Angreifer dafür in Regress genommen wird, dass einigen Einwohnern von Nablus ein Kfz-Kennzeichen nicht gefiel und sie deshalb zu Steinen, Knüppeln und Mordlust greifen mussten. Ich warte immer noch auf die Rechtfertigung, aber ich spiele auch gern advocatus diavoli und helfe mit Argumenten aus:

Sie sind halt Löwen, unsere Palästinenser und man geht nicht in deren Käfig, wenn sie nicht gefüttert sind. Dass die Objekte der Fürsorge im NGO-Zoo Palästina, an dessen Betriebskosten sich der Westen jährlich mit hunderten Millionen Dollar, Euro, Kronen und Pfund beteiligt, so leicht reizbar und karnivor sind, obgleich man sie den Spendern und Steuerzahlern doch so gern als unschuldige Lämmer und Veganerseelchen präsentiert, die kein Wässerchen trüben können, ist das eigentliche „Upsi“ in der Geschichte. Das sollten Sie nämlich gar nicht sehen, liebe Leser! Sie sollen weiter glauben, dass es die bösen Zionisten, israelischen Soldaten und deren Helfershelfer wie dieser Hetzel sind, die die armen Palästinenser völlig grundlos unterdrücken. Der wollte nämlich, so lautet der Vorwurf, die Lämmer nur provozieren, jawoll! Dadurch, dass es sie gibt!

Nun, ich glaube eher, dass Hetzel sich danke seiner positiven Erfahrungen im Land einfach verschätzt hat und seine positive Einstellung – er will sicher niemandem schaden, also warum soll ihm jemand schaden wollen – auf seine Umgebung übertragen hat. Nennen wir es positivity-bias, Übermut, Dummheit, Leichtsinn oder meinetwegen Jesuskomplex. Aber absichtlich provozieren? Den eigenen Tod für ein paar Handybilder in Kauf nehmen? Wohl kaum! Es sei denn, man betrachtet seine offensichtliche Sympathie für den Zionismus bereits als Provokation und offenbar versucht man medial genau das, indem man „Im Tirtzu“, einen der wenigen wirklich pro-israelischen Player im NGO-Zoo, an den Rechtsextremismus heran framed.

Doch genau betrachtet geht die mediale Schelte gewaltig nach hinten los. Denn Aufgabe und Ziel des Zionismus ist eben jener jüdische Staat Israel nur deshalb, weil viele Juden spätestens seit Theodor Herzl eingesehen haben, dass sie ihren Schutz besser nicht fremden Mächten anvertrauen, sondern selbst in die Hand nehmen müssen. In Palästinas A-Zone genügt es heute bereits, für einen Juden gehalten zu werden, um seines Lebens nicht sicher zu sein. Das hat uns der Fall Hetzel wieder einmal deutlich vor Augen geführt.

Vorheriger ArtikelMorgen, Kinder, wird’s was geben
Nächster ArtikelRaketenhafte Kriegsgewinne – nein zu Rheinmetall, ja zu Pfizer?

2 Kommentare

  1. Meine „Erfahrung“ mit der Geschichte, die ich natürlich schon durch andere Quellen erfahren hatte.
    Vorausgeschickt werden muss, dass ich schon einige Male – auch zu Intifada-Zeiten – in Israel war, zuletzt mit einer Reisegruppe 2018, mit der wir auch in „den Gebieten“ waren, in denen, die unter israelischer Verwaltung und Kontrolle stehen.
    Die roten Hinweisschilder, die vor dem versehentlichen Betreten von Zone A warnen, unübersehbar!

    Darum – des Hinweises wegen – mein erster Gedanke: Wie kann man nur so blöd sein, trotz der Warnung als Tourist in das A-Gebiet fahren zu wollen, um seiner Solidarität mit den Palästinensern Ausdruck zu geben(?) !! (Selber Schuld!)

    Mein zweiter Gedanke: Endlich wird an diesem Beispiel deutlich, wie unversöhnlich viele Palästinenser mit Israelis (israelisches Auto und Nummernschild) umgehen.

    Mein dritter Gedanke: Es ist fürchterlich, dass deutsche Repräsentanten und Journalisten die Wirklichkeit immer noch so verdrehen, dass es in das Narrativ passt, nach welchem Israelis die Schurken sind, denen sich die armen arabischen Bewohner des A-Gebietes erwehren „müssen“.

    Statt die Touristen medial an den Pranger zu stellen, sollte klar und deutlich gemacht werden, dass die Gewalt NICHT von Israel oder einem Auto mit israelischem Kennzeichen ausgeht, sondern von denen, die nie das Ziel verloren haben, die Juden Israels ins Meer treiben zu wollen.

    Darum mein Dank an diese hervorragende Stellungnahme zu der unsäglichen medialen Aufarbeitung des „Vorfalls“.

  2. Ich hab dazu eine These, die meines Wissens bereits Ayn Rand vertrat. Für Linke geht es beim Nahostkonflikt gar nicht um Juden und Araber, sondern um Pocahontas, King Kong und die weiße Frau, Rohheit und diese merkwürdigen Basteleien auf englischen Damenhüten.

    Das Artikelbild ist gut gewählt. Es gibt ja immer wieder ähnliche Bilder. Man sieht jemanden mit einer Steinschleuder. Das ist doch David! Die Juden sind doch die eigentlichen Nazis, äh, Philister. Nein, halt! Da schmoren so viele klimaneutrale Autoreifen, dass es auch Mogli oder Tarzan sein könnte. Der ruft doch „Allahu akbar“ oder wie auch immer man „uga uga“ auf Arabisch sagt.

    Das ist so vielschichtig, wie der postmoderne Linke es mag. Die kulturelle Referenz zur Bibel, das Rebellenherz der Revolución und die exotische Wildheit des wilden Exoten. Gut, ganz praktisch läuft frau da natürlich vor allem das Wasser im Mund zusammen (oder wie auch immer man das Organ mit den Schamlippen nennt). Aber auf der Metaebene, auf Facebook, stärkt man die Schwachen. Dieses erdige „für den kleinen Mann sein“ ist doch das, was linke Philosophierende von diesem Ancient Régime unterscheidet, das die ganzen Gänge von Versailles voll kackte und sich mit Eau de Toilette benebelte.

    König David würde sich sicher wundern, dass sein präziser Steinwurf nicht als Ausweis seines Muts und Segen Gottes verstanden wird, sondern einfach nur noch in diese olle Che-Guevara-Romantik eingegliedert wird und er damit als schwacher Primitivling gedeutet wird. Nasenzeugen behaupten übrigens, dass Guevara auf Eau de Toilette zu verzichten wusste.

    Manchmal denke ich, dass die Linken in ihrer Verlogenheit ehrlicher sind als Konservative in ihrem ehrlichen Selbstbetrug. Exemplarisch ist das oben indirekt angeführte George-Bush-Zitat des Rassismus der niedrigen Erwartungen.

    Auf der einen Seite bin ich es leid, dass in der Tat an den Westen viel höhere Maßstäbe gestellt werden als an die anderen und ich dulde das ganze „Putin, Moslems und Chinesen dürfen nicht provoziert werden“ nicht. Offenbar vergessen einige Seelen wie die Werteweidel nämlich, dass es sich eben um einen habituell, lang eingeübten Doppelstandard handelt. Außerdem muss man Maßstäbe auch formulieren, um Gruppen überhaupt nach oben ziehen zu können.

    Auf der anderen Seite schickt man eine Frau nicht bei Dunkelheit durch eine gefährliche Gegend, nur weil keinen schlechten Charakter (Rassist) nachgesagt bekommen will, wenn man ein anderes Urteil bricht über die Leute in der einen Gegend als über jene in der anderen. Die Autovermieter haben eine niedrige Erwartung an die entsprechenden A-Zonen der PLO. Der Linke hat kein Konzept von Fairness und Gleichheit vor dem Gesetz. Der hat niedrige Erwartungen an Primitive, die er als Primitive sieht, und lügt halt. Nicht nur meidet er die Primitiven, die er nicht lange genug selbst beschnuppern konnte, er malt in den buntesten Farben aus, wie einfach alle nichtwestlichen Kulturen in absolut allem besser seien. Alle Kulturen sind gleich und die nichtwestlichen sind besser. Das kann er, weil es Applaus bringt und er es eh nicht glaubt. Er kann es, weil es ihm wurscht ist, was er sagt. Nur der Konservative reibt sich auf an den Widersprüchen, an der Lüge, an den Doppelstandards und an den Folgen. Das linke Leben ist halt besser, wenn man Geld aus der Gemeinschaftskasse hebt und die Gesellschaft als eine einzige Nachmittagskrawalltalkshow sieht, in der sich die dumpfen Zahnlücken wechselseitig die sexuelle Inkontinenz um die Ohren hauen, während sie sich vom Sendeleiter manipulieren und durch die Manege führen lassen. „Der Hetzel ist schon wirklich dumm, dass er die Lügen vom edlen Wilden auch noch glaubt boahahahaha!“, lacht der Linke.

Kommentarfunktion ist geschlossen.