In verschiedenen Ländern Europas wird seit einiger Zeit und immer mal wieder der Versuch unternommen, ein angebliches Relikt aus der Vergangenheit abzuschaffen: Das Bargeld. Für den Euroraum gibt es angeblich Überlegungen, dies bereits 2018 zu tun.

Natürlich wird uns das nicht als Verlust verkauft, es werden – ähnlich wie bei der Einführung des Euro – die Vorteile hervorgehoben. Der Euro erleichtert uns ja angeblich das Geldausgeben im Urlaub, weil nichts mehr umgerechnet werden muss und dem unbedarften Urlauber das Schleppen von Lira-Bündeln und Peseten-Haufen erspart bliebe. Nun wissen wir aber, dass es zum Urlaubserlebnis gehört, mit fremder Währung zu bezahlen und Preise zu vergleichen. Und wer möchte schon bei einem Ägypten-Urlaub auf die nützlichen 1$-Noten verzichten, wenn es das all überall fällige Bakschisch zu entrichten gilt und die Ägypter nur Scheine akzeptieren? Andere Währungen sind also durchaus nützlich, nicht zuletzt erzählen sie uns viel über das Selbstverständnis des ausgebenden Landes und dessen Geschichte. Aber zurück zum Versuch, uns das Bargeld als solches „madig“ zu machen. Was steckt dahinter?

Hauptargument der Befürworter der Abschaffung von Schein und Münze ist die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Kriminalität. Gern werden auch die Kosten für den Bargeldverkehr ins Feld geführt. Beide Argumente sind leicht zu entkräften: Die Nennung des Begriffs Online-Kriminalität genügt bereits um festzustellen, dass die Kriminellen immer schon zwei Schritte weiter sind, als es Staat und Wirtschaft vermuten. Firmen wie  Amazon, Apple und Google zahlen auch nicht deshalb so wenig Steuern, weil sie große Mengen Bargeld beiseiteschaffen. Uns, den Verbrauchern, dem Plankton in der Zahlungskette würde es aber in Zukunft viel schwerer fallen, ein paar Euro von Oma oder den Zehner für den Nachbarn für die Urlaubsvertretung beim Blumengießen „einfach so“ zu bewegen. Haben sie schon mal darüber nachgedacht, wieviel Euro sie pro Jahr am Fiskus vorbei einnehmen oder ausgeben? Unabsichtlich natürlich, schon allein wegen der Beiläufigkeit und der geringen Mengen? Micro-Ökonomie, Tauschgeschäfte, Nachbarschaftshilfe, ein paar Münzen für den Akkordeonspieler, den Bettler oder die DGzRS*…sie würden sich wundern! Für sie selbst mögen 100 oder 200 Euro im Jahr nicht viel ausmachen. Aber was ist mit dem Bettler, der DGzRS oder dem Akkordeonspieler? Wollen sie letzterem zukünftig im Vorbeigehen per Bluetooth einen Euro überweisen? Wird aus seinem Smartphone ein „klimper, klimper“ ertönen, wenn die Transaktion beendet ist? Und haben sie schon mal einem sieben Jahre alten Kind Taschengeld auf ein Girokonto überwiesen, damit es lernt, mit Geld umzugehen? Wäre da noch die Schwarzarbeit. Aber auch hier gilt: Bargeld lässt sich zwar vor dem Fiskus verbergen, wer aber richtig Steuern hinterziehen will, braucht Konten für Buchgeld – wo genau, sei ihrer Phantasie überlassen.

Kosten verursacht bargeldloses Bezahlen übrigens auch! Allein die Kosten für die zahlreichen Sicherheitskonferenzen, auf denen sich IT-Spezialisten die Köpfe darüber zerbrechen, wie sie Hackerangriffe abwehren können…und die ganze Infrastruktur muss auch jemand bezahlen. Raten sie mal, wer!

Ich seh‘ in deine Konten, Kleines!

Wer im Internet surft, sucht oder kauft, hinterlässt Spuren. Wertvolle Spuren! Von einer Bar-Auszahlung am EC-Automaten wissen zunächst nur der Automatenbetreiber und ihre Bank. Das Geld, was sie dann in den Händen haben, unterliegt zwar auch der allgemeinen Inflation, kann aber nicht negativ verzinst werden. Sein Nennwert ist konstant. Wenigstens das haben wir nach Beendigung des Bretton-Wood-Systems noch beibehalten. Im Fiskalsystem zwischen Banken und Bundesbank oder EZB gibt es bereits Strafzinsen auf Einlagen – wer sagt, dass so etwas für Privatpersonen nicht auch eingeführt werden kann? Für eine Regierung wie die deutsche, die bei jeder Gelegenheit „private Vorsorge“ und „ausgeglichener Haushalt“ ruft, grenzt es übrigens an Schizophrenie, den Menschen das Sparen zu vermiesen indem sie auf jede Sparform den Finger legt. Einspruch, werden machen sagen. Sparen und Bargeld abschaffen – das sind zwei völlig verschiedene Dinge! Abgewiesen, sind sie nicht!

Wer in Deutschland jemals in die Lage kommt, „Hartz4“ beantragen zu müssen, der weiß, dass zunächst alle Sparkonten, Versicherungen, privaten Altersvorsorgeprogramme usw. zu verbrauchen sind, bevor es etwas aus der Hartz-Kasse gibt. Vorsorge? Unwichtig! Unmittelbaren Zugriff  auf ihr privates Vermögen hat der Staat und seine Behörden aber nur auf alles, was NICHT in Bar existiert. Derselbe Staat, der das Rentenkonto eines Hartz4-Emfägers plündert, wird diesem Menschen bei Renteneintritt kopfschüttelnd sagen, dass er hätte privat vorsorgen müssen.

Nun wird der eine oder andere Leser einwenden, dass der Staat so schlimm doch gar nicht sei (nicht mal der deutsche Staat) und dass ich hier nur den Teufel an die Wand malte. Wie wär‘s dann mit folgendem Beispiel: Sie haben einen offenen Rechtsstreit mit einer Firma,  Behörde oder vielleicht dem Finanzamt über Zahlungen, die von ihnen gefordert werden. Sie wiedersprechen, es handele sich um einen Irrtum – und vielleicht ist es wirklich einer! Vielleicht hat jemand ihre Online-Identität gekapert und kauft nun auf ihre Rechnung ein? Vielleicht irrt sich ein Finanzbeamter bei der Interpretation von Fristen, vielleicht ist ein Komma bei der Überweisung „verrutscht“…was, wenn ihr Konto plötzlich unberechtigterweise und überraschend leer, überzogen, gepfändet und/oder gesperrt ist? Am Freitag, beim Wochenendeinkauf werden sie das merken – so will es das Gesetz der maximalen Schweinerei! Dann, wenn sie sich nirgends beschweren können, Proteste nichts bringen und ein Wochenende, eine Feier oder eine Urlaubsreise vor ihnen liegen. Spätestens dann werden sie sich fragen, warum sie gegen die Abschaffung des Bargeldes nicht auf die Straße gegangen sind.

Großer Schein, böser Schein

Wann haben sie zuletzt einen 500 Euro Schein in der Hand gehabt? Was haben sie damit gekauft, was sie nicht besser und sicherer per Überweisung oder Kreditkarte hätten bezahlen konnten? Kennen sie Geschäfte, in denen sie mit diesen Scheinen zahlen können? Ein häufiges Argument für die Abschaffung des Bargeldes ist, das über ein Drittel der Bargeldsumme im Euroraum in Form von diesen 500 Euro Scheinen zirkuliert – oder versteckt ist. Und das obwohl man im täglichen Leben damit fast NICHTS anfangen kann. Das ist aber eher ein Argument für die Abschaffung dieser nutzlosen Banknote, nicht aber des gesamten Bargeldes. Große Geldmengen lassen sich mit diesen Banknoten platzsparend aufbewahren oder schmuggeln – aber das wusste man bereits bei der Einführung des Euro im Jahr 2001. Es mag im 20. Jahrhundert die Notwendigkeit von 1.000 DM oder 5.000 SF Banknoten gegeben haben, weil der bargeldlose Zahlungsverkehr noch in den Kinderschuhen steckte. Heute aber sind 500 oder 200 Euro Noten nicht mehr nötig, Argumente zur Abschaffung des Hunderters ließen sich auch finden. Mehr nicht.

So lange ist es noch nicht her, dass die Deutschen besser daran getan hätten, ihrem Staat und seiner Führungsriege nicht zu vertrauen. Es kann jederzeit und überall zu Verwerfungen kommen, die vielleicht an der Spitze des  Landes verursacht wurden, aber am anderen Ende der Pyramide als dürre Suppe ausgelöffelt werden müssen. Wer das nicht glaubt, schaue nach Griechenland und frage sich, warum die Menschen dort nicht mehr den Zahlen auf ihren Kontoauszügen, wohl aber den Scheinen in ihren Brieftaschen vertrauen.

Fazit

Bisher läuft die Entwicklung zwar weg vom Bargeld,  hin zu elektronischen Zahlungsmitteln, es gibt aber noch keinen Zwang. Beide Zahlungsarten ergänzen sich. Die komplette Abschaffung des Bargeldes wäre Zwang. Die Menschen müssten und würden andere Methoden finden, ihre Privatsphäre auch im elementaren, täglichen Leben zu schützen, um sich dem orwell‘schen Zugriff des Staates zu entziehen.

 

*Die DGzRS, also die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, so viel sei den Lesern der küstenarmen Alpen erklärt, finanziert sich ausschließlich über Spenden. Ein großer Teil davon kommt in Form kleiner Münzen zusammen. Die Spardosen in Form eines Schiffchens stehen vielerorts in Deutschland in Geschäften und Kneipen.

 

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