Nach gefühlten Einhundert Jahren Bauzeit nahm der Berliner Flughafen am 1. Oktober 2020 seinen Regelbetrieb auf. Viele dachten, dass es nun aus wäre mit den inflationären Witzeleien über den „Fluchhafen“ im märkischen Sand und die Berliner und Brandenburger endlich beweisen würden, was preußische Tugenden sind. Es ist nicht ganz klar, ob der Betrieb auf Sparflamme aufgrund der staatlich verhängten Coronapanik dem BER geholfen oder geschadet hatte. Denn Einerseits ist es für einen Flughafen natürlich von Übel, wenn niemand fliegt. Andererseits sprechen wir von Berlin und haben auch schon erlebt, was passiert, wenn der BER auch nur annähernd unter der anvisierten Vollast betrieben wird. Chaos, lange Schlangen und technische Defekte im Osterreiseverkehr bringen ans Licht, dass man es nicht bei baulichen und planerischen Mängeln sowie Terminverzögerungen bei der Eröffnung belassen wollte. Nein, man wollte unbedingt beweisen, dass man auch organisatorisch unfähig ist und ökonomisch auf keinen grünen Zweig kommen kann.

Dieser Dreiklang der Unfähigkeit ist nun komplett, denn nachdem am 1. Januar 2022 das erste vollständige Geschäftsjahr geschafft war, liegt nun endlich die erste Bilanz der Betreibergesellschaft des BER vor. Es ist, wer hätte das gedacht, ein Verlust zu verzeichnen. 570 Millionen Euro wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr in den märkischen Sand gesetzt. Bei gemeldeten 9,9 Millionen Fluggästen im Jahr 2021 hat also jeder, der im vergangenen Jahr vom BER abhob, den Betreiber stolze 57 Euro gekostet. Den Betrieb einzustellen und überhaupt nicht zu fliegen, wäre billiger gewesen. Gut, dass die Eigentümer des Fluchhafens BER – also Berlin, Brandenburg und der Bund – es so dicke haben und für die Verluste geradestehen. Der Länderfinanzausgleich macht’s möglich.

Nun wollen wir mal nicht so pingelig sein, denkt sich der geneigte Leser vielleicht. Das ist nur ein kleines Tal, das wird schon noch! Startschwierigkeiten eben. Und blickt der RBB in seinem Bericht nicht auch optimistisch in die Zukunft?

„Dennoch stehen die Zeichen aus Sicht der BER-Chefin auf Entspannung, zumindest was die Auswirkungen der Corona-Krise angeht. Die Fluggäste kehren zurück. „Punktuell sind wir zum Teil schon wieder auf dem Vorkrisen-Niveau“, sagte von Massenbach. An einzelnen Tagen und Tageszeiten reisten demnach wieder genauso viele Menschen über den BER wie vor der Pandemie über die Berliner Flughäfen. Mit Blick auf die Zahlen rechnet von Massenbach für das laufende Jahr mit einem positiven operativen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen.“

Man habe doch die Verluste im Vergleich zum Vorjahr nahezu halbiert, was jedoch „nur bedingt beruhigend“ sei. Allerdings hatte das letzte Geschäftsjahr vier Quartale mit Flugbetrieb und nicht nur eines wie das davor, da ist eine Halbierung der Verluste nicht so doll. Aber was ist mit Punktuell…Entspannung…an einzelnen Tagen…positives operatives Ergebnis? Das alles steht da im RBB-Artikel und soll gut klingen. Doch versteckt in den positiven Aussichten lauert der Offenbarungseid: positiv vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen!

Das ist nun in etwa so positiv wie die kreative Erfindung einer „Kerninflation“ durch die EZB, für deren Berechnung man die so „stark volatilen“ Faktoren Energie und Lebensmittel einfach weglässt. Wie praktisch! Wenn der BER also im nächsten Jahr tatsächlich ein kleines positives Ergebnis melden sollte, wird es sich womöglich nur um ein positives „Kernergebnis“ handeln. Denn Steuern muss man ja auch noch zahlen, der Kapitaldienst ist noch nicht bedient und die Kosten durch die schon heute zerfallende Infrastruktur sind auch noch nicht abgebildet. Der BER wird also buchstäblich auf Verschleiß gefahren. Das Eigenkapital ist längst aufgefressen und der Betrieb wirft nicht mal so viel ab, um die Substanz zu erhalten und die Betriebskosten zu decken.

Für mich als Laien klingt das leider nicht „bedingt beruhigend“, sondern unbedingt beunruhigend! Ein Profi in Sachen Steuern, mit dem ich kurz über diese Meldung sprach, sprach knapp und klar von Insolvenzverschleppung.

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1 Kommentar

  1. Aber aber Herr Letsch, sie sind aber pingelig! Dafür ist der „Fluchhafen“ doch ab, ich weiss nicht mehr wann aber irgendwo habe ich es gelesen, „klimaneutral“. Ist das etwa nichts?

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