Journalisten wollen geliebt werden für das, was sie tun. Da geht es ihnen kaum anders als Musikern, Politikern oder Konditoren. Dummerweise steckt der Journalismus in Deutschland in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise, aus der er so schnell auch nach dem „Campfire-Festival“ nicht herauskommen wird. Seine aktuelle Bewährungsprobe in Chemnitz jedenfalls hat er grandios vergeigt. Eigentlich wäre die Geschichte hier zu ende, aber natürlich werde ich meinen Lesern noch etwas ausführlicher mitteilen, wie ich zu diesem Schluss komme. Denn es hat sich etwas ereignet. Etwas, das dem Journalismus in Deutschland wieder auf die Spur bringen und dessen Kunden veranlassen sollte, erneut Vertrauen zu fassen. Trainer für Teamwork, Gruppendynamik und Chakka-Kultur (Jetzt hätte ich beinahe „Wir-schaffen-das-Kultur“ gesagt) bemühen ja gerne Situationen, die eine gemeinsame Bedrohung durch äußere Einflüsse suggerieren, weshalb sie ihre Klienten zum Klettern, zum Segeln oder einfach in den Wald schicken. Der deutsche Journalismus möchte Vertrauen bei seinen Kunden zurückgewinnen – und greift dafür ausgerechnet auf Begriffe der Lagerfeuerromantik zurück, weil dort der Journalismus angeblich begonnen habe, so der Initiator von Campfire. Das muss der Journalismus wohl mit Gerüchten gemeinsam haben. Die gingen auch oft vom Lagerfeuer aus. Dem DLF war das Event in Düsseldorf am 3.9.2018 jedenfalls einen seltsamen Bericht wert.
Campfire – Medienzirkus zum anfassen
Also mal ehrlich, auf die Idee muss man erst mal kommen! In Zelten vor dem Düsseldorfer Landtag präsentierten sich Medienvertreter und luden dazu „bewusst auch Nutzer“ ein. Die Nutzer, nur um das nochmal zu erinnern, das sind diejenigen, die den Medienmachern nicht mehr über den Weg trauen. Diese Nutzer konnten sich in Düsseldorf von Ex-Medienmachern wie Kai Diekmann (Ex-Bild) und Gabor Steingart (Ex-Handelsblatt) einen vom Pferd erzählen lassen. Ausgedacht und organisiert hat das Event ein ganz besonderer Scharmbolzen, dessen Medium sich dadurch auszeichnet, dass es meilenhoch über den sumpfigen Niederungen der leserzahlaffinen Medien-Plebs schwebt: David Schraven, der Geschäftsführer des „gemeinnützigen Recherche-Zentrums“ Correctiv. Correctiv, werden sie sagen. Kenne ich das nicht irgendwoher? Aber ja! Von dort kommen die netten erklärenden Einblendungen unter Facebook-Posts, in denen es heißt „Von Dritten als unglaubwürdig eingestuft“, wobei man in den Correktiv-Faktenchecks selbst oft soweit zurückrudern muss, dass von der behaupteten Unglaubwürdigkeit am Ende nichts übrig bleibt – Hauptsache, man hat ein wenig Schmutz verteilt und die Menschen bei der Meinungsbildung mit einem „ich sehe, was du denkst“ unterbrochen. Das Facebook selbst zu den Sponsoren des Events zählt, überrascht da nicht wirklich.
Nur noch soviel zu Schraven und dessen Schreibstube: Dort finden wir im Leninschen Sinne einen „Journalismus neuen Typs“, weil er völlig unabhängig von seinen Konsumenten existiert, da er statt von Klicks, Anzeigen und Abonnements von eingeworbenen Spenden und Stiftungsgeldern lebt (Zuwendungen und Zuschüsse übersteigen die Umsatzerlöse um das Zehnfache) und auch vom Innenministerium bzw. der ihm beigeordneten „Bundeszentrale Politische Bildung – bpb“ unterstützt wird, also von staatlichen Mitteln und steuerlich verschonten Stiftungsgeldern. Hätte man das bei Handelsblatt & Co schon, müsste einem dort die sinkende Auflage keine Sorgen bereiten und man würde sich nicht auf Festivals wie „Campfire“ zum Affen machen – die Leser wären einem so egal, wie Klebers Claus die Einschaltquote des Heute-Journals egal sein kann.
Aber vorerst braucht man sie noch, die Leser. Dass die „systemrelevanten Medien“ eines Tages unter einen Rettungsschirm der GEZ schlüpfen könnte, mag im Moment noch niemand laut aussprechen. Man versucht stattdessen, Vertrauen wiederherzustellen. Schraven jedenfalls glaubt sich wohl auf dem Forum in Rom, wenn es aus ihm wie folgt spricht:
„Wir glauben, dass wir einen Ausgleich brauchen in der Gesellschaft. Dass wir versuchen müssen, dass, was an populistischen Gräben aufgerissen wird, wieder zuzuschütten. Durch viel Arbeit, viel Mühe, indem wir wieder Maß und Mitte finden. Indem wir überlegen: Was sind denn die ausgleichenden Sachen, wo sind wir zusammen?“
Man möchte den Buzzer drücken und rufen: Kategoriefehler! Es braucht auch keinen Ausgleich zwischen Bäcker und Kunde, wenn dem Kunden das Brot des Bäckers nicht schmeckt oder er es nicht kaufen mag, weil der Bäcker ihm Vorschriften machen will, wie er es zu schneiden und zu essen habe. Was Schraven da mäandert, ist pseudophilophischer Quatsch! Backt einfach besseres Brot und lasst die Belehrungen – das gilt für Bäcker wie für Journalisten. Wenn Schraven möchte, dass „…beim Campfire Gesellschaft und Journalismus wieder zusammenrücken“, muss ich zurückfragen: Wozu? Was soll diese Ankumpelei? Zusammenrücken? Eins werden vielleicht? Ich kriege sofort Puls, wenn sich eine fremde Hand derart auf meine Schulter legt, um mich zu vereinnahmen. Finger weg! Ab, in die Backstube!
„Wir müssen Orte für Debatten finden. Und wo kann man Debatten führen? Am Lagerfeuer! Da, wo die ganzen Geschichten angefangen haben, wo die ersten Journalisten saßen und den Tratsch aus dem Nachbardorf erzählt haben, da fängt das alles an. Und deswegen heißt das Festival ‚Campfire‘.“
Ich weiß ja nicht, ob vor dem Landtag in Düsseldorf wirklich ein Lagerfeuer brannte. Wahrscheinlich nicht, denn die Gefahr, dass einige der gedachten Pfadfinder, die Schravens Geschichten beim Rösten von Stockbrot lauschen sollten, brennende Scheite durch die Fenster werfen könnten, war sicher zu groß. Was aber der eigentliche Zweck und letztlich auch das Ergebnis dieser Veranstaltung war, kann man sehr gut an den Reaktionen der Besucher ablesen.
Journalismus, frisch ikonisiert
Besucherin: „Sehr interessant. Erhellend. Ich habe etliche Sachen gehört, die mich sehr bewegt haben auch, zum Beispiel vorhin der Vortrag von Dündar. Und dann kommt die Welt plötzlich nah und dann wird auch das ganze Medienspektrum realer. Ich find’s hoch interessant.“
Besucher: „Sehr informativ, es ermöglicht einen Einblick, den man sonst nicht hat. Zum Beispiel in Recherchen, große Recherchen.“
Besucherin: „Es sind so viele interessante Eindrücke. Neue Eindrücke. Die mir wieder Aufschluss geben über manches, was ich mir bisher nicht erklären konnte. Das ich die Menschen hier kennen lerne, die hinter den Nachrichten stehen, und sehe wie sowas funktioniert.“
Und so läuft das ganze ab: Oben auf der Bühne stehen ein paar eloquente Typen, Ex-Medien-Irgendwas-Chefs allesamt, die kein Blatt mehr zu verantworten haben und machen witzige Bemerkungen, dass es nur so menschelt. Unten sitzen „bewusst auch Nutzer“ wie Resi und Günter im Publikum und freuen sich, dass all diese wichtigen Menschen sich so viel Zeit für sie nehmen, ihnen Dinge erklären, von hochwichtigen und teuren Recherchen berichten, von ihrer Arbeit sprechen und dass sie da draußen keiner mag und wie schlimm das für das Seelchen ist und dass die Journalisten schon wirklich alles besser wissen als die Leute da draußen und dass alles schöner würde, wenn‘s nur mehr so Leute wie Resi und Günter geben tät, die anerkennen, was für ein komplexer und gefährlicher Job es ist, in Deutschland als Journalist zu arbeiten. Und Resi und Günter freuen sich und der Günter sagt „Da schau, Resi. Der Kini, aso der, Diekmanns Kai, des is ana von uns. Der guckt imma so liab.“
Der von einer Besucherin erwähnte Can Dündar übrigens, der im Gegensatz zu seinen Gastgebern wirklich was auszuhalten hatte als Journalist in seiner Heimat Türkei, weil er nicht wie in Deutschland üblich die Opposition beschimpft, sondern einen Korruptionsskandal der Regierung öffentlich machte, wurde bei der Gelegenheit von „Campfire“ zum Maskottchen der deutschen Medien-Schickeria, die sich vorwiegend immer noch selbst feiert und im Grunde keine Ahnung mehr davon hat was es bedeutet, wirklich im Feuer der Meinungsfreiheit zu stehen. Schlimmer noch, die sich täglich mit ihrer Arbeit dafür einsetzen, diese Freiheit einzuhegen, zu zensieren oder mit Aufklebern der Sorte „Von Dritten als unglaubwürdig eingestuft“ zu versehen. Das Dündars Zeitung „Cumhuriyet“ bei correctiv Unterschlupf im Exil fand, ist noch das positivste, was sich über Schravens Laden sagen lässt. Doch dabei handelt es sich ja auch um staatlich garantiertes politisches Asyl, was läge also näher, als dieses in einem staatlich alimentierten Medium zu verbringen. Ein privat wirtschaftender Verlag könnte sich solche Großzügigkeit nicht leisten.
Ob Diekmann, Schraven und Co. Ihre Besucher tatsächlich von ihrer Leutseligkeit überzeugen konnten? Schwer zu sagen, aber das war sicher auch nie die Absicht. Sonst hätte es in Düsseldorf viel mehr Streit gegeben, es wären auch Kritiker der Medien eingeladen gewesen, man hätte sich auf Podiumsdiskussionen mit dem Einfluss staatlicher Institutionen, den Geldflüssen und Abhängigkeiten auseinandergesetzt und nicht nur „bewusst Nutzer eingeladen“, sondern ihnen die Leitung dieses Lagerfeuers anvertraut. Stattdessen – und das zeigen die O-Töne deutlich – wollte man sie nur beeindrucken, wollte angeben und prahlen, sich im besten Licht zeigen und Zweifel an der eigenen Wichtigkeit zerstreuen. Kann man machen, aber nicht gerade dann, wenn von Quartal zu Quartal die Auflagen wegbrechen, die Umsätze schwinden und die Scheren im Kopf der Journalisten immer mächtiger werden.
Schraven wollte einen „Ort für Debatten“ schaffen und hat eine Messe daraus gemacht. Er hat gut lachen, denn er braucht „Campfire“ nicht. Seinen Arsch wärmt das Lagerfeuer der Subventionen, während der anderer Medienvertreter selbstverschuldet schon mächtig auf Grundeis geht. Geglückt scheint mir dieser „erste Schritt der Wiederannäherung von Medien und Gesellschaft“, anders als es das Resümee des DLF nahe legt, jedenfalls nicht zu sein.
Die regelmäßig Kooperationen sämtlicher Zeitungen und Zeitschriften mit dem GEZindel ist schon ein großer Schritt in Richtung Unterstützung durch die Zwangsbeitragszahler.
Das mit dem „das“ und „dass“ sind Sie noch am ausprobieren?
Wer am Journalismus – zu Recht – Kritik übt, sollte mit mehr handwerklicher Qualität aufwarten.
Nichts für ungut.
Ich freue mich natürlich immer, wenn meine Leser mein nicht vorhandenes Lektorat ersetzen und mich auf Fehler hinweisen. Der Hinweis, mir das mit dem „das“ und dem „dass“ nochmal genauer zu überlegen, ist allerdings etwas unpräzise. Im übrigen muss man kein Koch sein, um eine versalzene Suppe zu kritisieren. Nichts für ungut.
Guter Artikel.
Am besten gefiel mir der Begriff „systemrelevante Medien“. Solche müssen natürlich in Zukunft am Leben erhalten, also subventioniert werden, ist ja klar, wer sollte sonst im Lande Stimmung machen FÜR unsere Oberen und GEGEN das kritische Volk.
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