Sehr regelmäßig bekomme ich Hinweise von Lesern, versehen mit der dringenden Bitte, doch über dies und jenes zu schreiben. Nur möge ich doch bitte davon absehen, weiter über die Vorgänge in den USA zu berichten. Die Sache mit Trump sei doch ausgestanden, der Friede wiederhergestellt und der Donald, dieser Spalter des Landes und Geißel der Welt, sei durch den integren Biden ersetzt, mit dem Amerika endlich wieder im Kreis der Nationen mitspielen könne. Das Thema sei durch, und wenn ich diese Aussage mit der Anzahl der Klicks zu US-Themen unter meinen Artikeln in Beziehung setze, muss ich meinen fordernden Lesern recht geben. Ich recherchiere zwar trotzdem weiter, verrate es aber niemandem. Heute mache ich mal eine Ausnahme.

Ob Biden denn so viel besser sei als Trump, fragte ich bei einem von US-Themen ermüdeten Leser nach. „Tausendmal besser!“, war die prompte Antwort. Jetzt wollte ich es genauer wissen und bohrte nach, was sich denn seit dem Amtsantritt von Joe Biden verändert habe. Das wie aus der Pistole geschossene „Alles!“ war mir dann doch etwas zu pauschal, um nicht unterkomplex zu sagen. Denn verändert hat sich vielleicht die innenpolitische Agenda – die rassistische „Critical Race Theory“ gewinnt jetzt, anders als unter Trump, immer mehr Freunde in der Regierung, das Gründungsdatum der USA wurde zumindest informell von 1776 auf 1619 zurückdatiert, die Gründung selbst erfolgte nach Aussage der Aktivisten ausschließlich zur Förderung der Sklaverei, und die FED druckt das Geld unter Biden schneller, als Trump „Fake News“ sagen konnte – und Sie wissen ja, wie schnell das schon ging!

Aber sonst? Außenpolitisch hat sich mittlerweile ein geradezu verblüffender Pragmatismus bei der US-Regierung eingestellt, wo man Trumps Politik fast 1:1 fortsetzt oder sogar noch in einer Weise verschärft, für die man Orangeman noch medial geröstet hätte. Gewiss, der Geruch von karamellisiertem Trump zog vier Jahre lang als penetrante Kopfnote durch die Redaktionen von NYT, Spiegel, Guardian und SZ, aber seit dem Amtsantritt von Joe Biden ist die mediale Küche plötzlich so kalt, dass man glatt an politischen Opportunismus glauben könnte, wenn man nicht sicher wüsste, was für unabhängige und unvoreingenommene Journalisten dort arbeiten. Heiß her geht es höchstens noch, wenn man gelegentlich Trump-Bites aufwärmen kann. Ja, CNN geht sogar so weit, sich von Bidens Pressesprecherin Tipps zu holen, was sie bei der Berichterstattung über Bidens Politik falsch gemacht habe. Es ging nie darum, was Trump wirklich tat oder unterließ, es ging darum, dass er da war. Nun ist er weg, und selbst wenn die Politik in vielen unter Trump kritisierten Punkten dieselbe bleibt, schaltet die Presse die Scheinwerfer aus. Auf beiden Seiten des Atlantiks.

Dasselbe, nur anders

Angetreten mit dem Anspruch, alles besser zu machen als Trump – was ja nicht so schwer sein kann, schließlich habe Trump einfach alles falsch gemacht –, stolperten Biden/Harris zunächst in das Problem an der Grenze zu Mexiko. Wir erinnern uns: Der Migrationsdruck von Süden ist seit Jahren hoch, schon unter Obama/Biden musste man Einrichtungen an der Grenze vorhalten, in denen man die illegalen Migranten und auch unbegleitete Kinder zunächst einmal unterbringen konnte. Unter Trump blies die Presse das Grenzregime schnell zu „Kindern in Käfigen“ auf, obwohl er Obamas Einrichtungen rasch schließen lassen konnte. Grund dafür war der nachlassende Ansturm auf die Grenze wegen Trumps „Stay in Mexico“-Order, derzufolge die Asylsuchenden solange außerhalb der USA bleiben mussten, bis ihr Antrag bearbeitet und entschieden wurde. Die Migration ging zurück, der Aufschrei in der Presse war groß. How dare you, Trump!

Bidens Ankündigung, diese „unmenschliche Praxis“ nicht fortzusetzen, ließ viele Menschen in Lateinamerika ihre Treks nach Norden so timen, dass sie rechtzeitig zur Amtseinführung Bidens an die Tür zur USA klopfen konnten und die Ankündigung, großzügig bei Familienzusammenführungen zu sein, ließ bei den Schleppern das Geschäftsmodell aufleben, vermehrt Kinder allein auf die Reise durch die Wüste zu schicken. Na, das war vielleicht eine Überraschung! Wer konnte denn mit so was rechnen! Wie die Geschichte weiterging, ist nur jenen bekannt, die nie aufgehört haben, sich über die Vorgänge in den USA zu informieren. Ab März waren die Zustände, die wir von den deutschen Grenzen im Jahr 2015 kennen, ein Kindergeburtstag gegen das, was dann durch die US-Countys an der Grenze zu Mexiko rollte. Statt „Kindern in Käfigen“ hat man heute natürlich „Einrichtungen“, die sich um die Bedürfnisse der Kids kümmern. Das ist natürlich ganz was anderes! Nur gut, dass man wegen Covid den Journalisten den Zutritt zu diesen Einrichtungen verweigern konnte!

Wurde Trump noch medial geröstet für seine Aussage „Come here legally, not illegally!“ war Bidens „Come not now“ der medial überhörte Startschuss und Auftakt zum aktuellen Grenzdrama. Das Do not come, we will send you back“ von Kamala Harris bei ihrer Rede in Guatemala Anfang Juni lässt man ihr schon wieder einfach so durchgehen. Aber sie kann ja auch giggelnd lachen, wo Trump schon ein Grinsen als teuflische Unverschämtheit ausgelegt wurde.

Es scheint, als könne die US-Regierung seit dem Amtsantritt Bidens einfach nichts mehr falsch machen. Selbst dann, wenn sie sich hartherziger und kompromissloser zeigt, als Trump es je getan hat. Der sah noch einen legalen Weg in die USA und hieß legale Einwanderung willkommen. Kamala Harris steht nun für eine sehr viel „härtere Tür“, und die Presse zuckt nicht mal mit der moralischen Augenbraue. Die schlimmsten Bilder von der Grenze Mexikos zur USA stammen aus März/April 2021, doch das interessiert weder die Presse in den USA noch Leser in Deutschland besonders stark. Ganz einfach deshalb, weil man Trump nicht mehr dafür verantwortlich machen konnte – die Rolle des bösen Buben muss nun der Klimawandel spielen, denn der ist laut Harris für das Chaos an der Südgrenze verantwortlich.

Handelsstreit und Klimarettung

Ein ähnliches Erwachen in der Realität erlebt derzeit die EU. Auch dazu eine kleine Zeitreise: Wir schreiben das Jahr 2018 und Trump bekrittelt unfaire Handelsbeziehungen mit China, setzt sich für Neuverhandlungen des NAFTA-Abkommens mit Kanada und Mexiko ein und geht der EU mit der Androhung von Strafzöllen auf Aluminium und Stahl auf den protektionistischen Keks. Seine Idee vom „better Deal for America“, das disruptive Element seiner gesamten Politik, erwischte die EU kalt. Er mag ja mit China hart ins Gericht gehen, davon profitierte die EU recht gern, aber doch bitte nicht mit derselben Vehemenz gegen die EU losschlagen, wir sind doch die Guten!

Die Strafzölle gegen die EU kamen, wenn auch insgesamt nicht so hart wie gegen China. Die Gegenmaßnahmen starteten in der Presse. Trump setze eine „gefährliche Spirale des Protektionismus in Gang“, schrieb Hendrik Kafsack am 31.5.2018 in der FAZ. Es war klar, dass nur Trump allein auf die Idee gekommen sein konnte, im lauteren Verhalten der EU Wettbewerbsverzerrung und Protektionismus zu wittern und Sanktionen zu verhängen. Mit Protektionismus kennt sich Herr Kafsack von der FAZ aus, schließlich ist er Wirtschaftskorrespondent in Brüssel. Wie Kinder das letzte Türchen im Adventskalender sehnte die EU deshalb das Ende der Trump-Präsidentschaft herbei, wenn die USA wieder „normal“ würden und nicht mehr durch fixe Ideen wie jener auffallen würden, zuerst an die eigenen Bürger, Steuerzahler und an die eigene politische Kaste zu denken.

Immerhin schickte die Biden-Administration nun ihren „Klimapapst“ John Kerry zu Verhandlungen nach Brüssel, wo sich Uschi von der Leyen schon so auf die „Normalisierung der Beziehungen“ gefreut hatte. Es gab aber auch viel zu feiern! Die USA sind „bei Paris wieder mit dabei“, will heißen, die Amerikaner haben die für lau zu habende Absichtserklärung zum Pariser Klimaabkommen wieder lieb und sind zurück am Tisch der Diplomatie, wo sie bekanntlich vier Jahre lang durch Abwesenheit glänzten und stattdessen überall auf der Welt Kriege… ach, vergessen wir das mal kurz: die USA sind zurück! Friends again! Ein einziges hugging und kissing und Zölle aufhebing… doch wartet, nicht so schnell! Wieder ist es Hendrik Kafsack, der in der FAZ die schlechten Nachrichten verkünden muss: „Die Rückmeldungen zu den Handelsstreitigkeiten seien enttäuschend gewesen.“ Kein Kohleausstieg, keine CO2-Bepreisung in den USA, und die Strafzölle gegen die EU sind auch noch da. „Danke, Orangeman – Dein Joe!“

Doch das alles ist natürlich nicht so wichtig, weil es sich einfach so viel besser anfühlt, von Joe Biden statt von Donald Trump in den Arsch getreten zu werden. Und darauf kommt es schließlich an, „among friends“, wie Barack Obama sagen würde, einem weiteren großen Arschtreter vor dem Herrn – aber eben einer mit Stil. Dass America great again werde, dagegen haben auch Obama und Biden nichts. Nur schreiben sie dies nicht auf Basecaps oder sagen es sogar dem Wähler oder den Freunden in Brüssel. Dort wünscht man sich nun vielleicht den Orangeman zurück. Den durfte man wenigstens bedingungslos hassen, ohne dass gleich Antiamerikanismus und protektionistische Doppelstandards aus dem demokratischen Futteral herausschauten. Die Welt war so viel einfacher bis zur Inauguration von Joe Biden!

Zuerst erschienen auf achgut.com

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