„Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“
(Sunzi, „Die Kunst des Krieges“)

Die Sonne scheint zum schönsten Frühlingswetter im Rosengarten des Weißen Hauses. Wer die Szene sah, reibt sich verwundert die Augen. War das da eben wirklich Joe Biden, der die Frage der Reporterin der Los Angeles Times flüssig, ja lässig beantwortet hatte? Sofort begann die Ursachenforschung. Lag es am Knopf im Ohr, über welchen ihm die Antwort eingespielt würde? Aber die Pressekonferenz anlässlich des Besuchs des südkoreanischen Präsidenten und um dessen Antworten zu verstehen, ist logischerweise ein Dolmetscher zugeschaltet. War es die Sonnenbrille, hinter der ein geheimer Teleprompter versteckt war? Aber mit dem Lesen vom Teleprompter hat Biden regelmäßig Probleme, unwahrscheinlich, dass dies plötzlich anders ist. War er mal wieder in den Zaubertrank gefallen, den man ihm regelmäßig dann anrührt, wenn unerwarteter Kontakt mit der Realität zu befürchten und Bidens Kognition gefordert ist? Davon ist auszugehen.

Die Frage, die Courtney Subramanian stellte, hatte es auf den ersten Blick wirklich in sich, gerade weil sie von einem Blatt kam, dass nicht gerade für seine Regierungskritik bekannt ist, solange ein Demokrat die Regierung anführt. Ob er nicht zu alt sei, um noch einmal anzutreten, wollte Subramanian wissen. Schließlich fänden 70 Prozent der Amerikaner das auch, selbst eine deutliche Mehrheit seiner Unterstützer. „Look at me“ habe Biden solche Fragen früher gern abgebürstet, und die Wähler hätten geschaut und ihn für nicht fit genug befunden.

Eine harte Frage, welcher Biden zwar ausweichend und mit Verweisen auf andere Umfragen beantwortete, die nur er zu kennen scheint. Nimm das, skeptische Presse! Doch was heißt schon skeptisch. Etwas am Rande der Szene stehend, entstanden die Bilder, die den scheinbaren kognitiven Höhenflug Bidens erklären. „Reporter Q&A, Courtney Subramanian (mit Bild und Lautschrift Soo-bruh-MAIN-ee-an)“ steht auf der Karte in Bidens Hand gedruckt. Darunter die Antwort, die er zu geben hat. Jemand hat handschriftlich „Question#1“ ergänzt, die Reihenfolge der vorbereiteten Fragen wurde offenbar in letzter Minute festgelegt. Also keine freie Rede, keine schlagfertige Antwort, kein medizinisches Wunder, kein Jungbrunnen im Oval Office. Stattdessen ein abgekartetes Spiel wie stets, und die Presse spielt bereitwillig mit. Zumindest der Teil, auf den es ankommt, denn auch wenn die New York Post genüsslich das präsidiale Theater kommentiert, ist die Aufmerksamkeit längst weitergezogen.

Er muss am Leben bleiben, das ist alles

Er tritt also nochmal an, der alte Mann im Weißen Haus, um den Job zu beenden, wie er sagt. Welches der unvollendete Job ist? Ganz einfach, denn da ist nur einer: Es gilt, Trump weiterhin vom Weißen Haus fernzuhalten. Und in diesem Bestreben hat Biden loyale Unterstützer in den Medien und noch mehr im gigantischen Regierungsapparat in Washington, wo man panische Angst um Posten und Pöstchen hat, nachdem nun bekannt ist, wie FBI, CIA und andere akronyme Entitäten Trumps Präsidentschaft untergruben, wo sie nur konnten. Der glaubte 2016 naiverweise, sich den „Sumpf“ dienstbar machen zu können. Doch es war das FBI, mit dessen Hilfe Clintons Kampagne das „Steel Dossier“ erstellen ließ, und Mike Morell, ein ehemaliger sellvertretender CIA-Direktor, sagte gerade vor dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses aus, er sei von Antony Blinken, dem außenpolitischen Berater in Bidens Wahlkampfteam, dazu aufgefordert worden, ehemalige Geheimdienstler dazu zu bringen, Hunters leidiges „Laptop from Hell“ in einem gemeinsam unterzeichneten Brief zur typischen russischen Desinformation zu erklären. Die Ablenkung funktionierte und trug Biden über die Ziellinie. Dass Blinken für die Aktion mit dem Posten des Außenministers belohnt wurde, ist natürlich nur ein Gerücht.

Man sollte nicht den Fehler machen, sich auf die offensichtlichen Defizite Bidens zu versteifen, seine Aussetzer und Stolperer auszuschlachten und auf sein Alter hinzuweisen. All das spielt keine Rolle. Er muss am Leben bleiben, das ist alles, was man von ihm erwartet. Das „man“ ist dabei kein geheimer Zirkel, sondern der präsidiale Apparat, die Partei der Demokraten und das Getriebe der vielen staatlichen Zahnrädchen mit den schicken Abkürzungen. Eine persönliche präsidiale Agenda würde da nur hinderlich sein. Eine solche ist weder von Biden noch von VP Kamala Harris zu erwarten. Letztere fällt seit ihrem Amtsantritt eher dadurch auf, fließend Gaga zu sprechen und dabei das Publikum zu sedieren.

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Bidens Ankündigung, erneut zu kandidieren, kam dann auch in der erwarteten Form. Nicht persönlich im Rahmen einer Pressekonferenz oder eines TV-Interviews, sondern als mit „the Message“ beladener Werbeclip. Die Botschaft lautet: Ich bin nicht Trump, und nur ich kann euch von den Ultra-MAGA-Republikanern retten. Nur über die Ziellinie muss ihn wieder jemand tragen. Wer das sein wird? Nun, der Plan scheint zu sein, dies Donald Trump selbst zu überlassen. Ganz er selbst, demontiert Trump nämlich gerade alle anderen Kandidaten, die ihm bei den Republikanern in die Quere kommen könnten.

Vorsorglich öffentliche Debatten im Vorwahlkampf ausgeschlossen

An Ron DeSantis arbeitet er sich geradezu ab, dabei hat der noch nicht einmal seinen Hut in den Ring geworfen. Im Team Biden geht man jedenfalls fest davon aus, dass Trump der Kandidat der Republikaner sein wird. Nur deshalb tritt Biden noch einmal an. Und während Trump von Rallye zu Rallye fliegen wird, um sich von seinen Anhängern feiern zu lassen und damit einen Vorgeschmack des Sturms zu geben, den er 2024 zu entfachen vorhat, wird Biden einen Wahlkampf führen, der sich nur unwesentlich von dem unterscheiden wird, den er 2020 führte: in Abwesenheit. Je mehr republikanische Mitbewerber Trump auf seinem Weg zur Kandidatur demontiert, umso besser!

Die eingefleischten Demokraten erreicht er so ohnehin nicht, verprellt aber die Unabhängigen, bei denen DeSantis zum Beispiel sehr beliebt ist. Und während sich Trump mit Ellenbogen an die Spitze des Feldes bringt, muss Biden keine innerparteilichen Mitbewerber fürchten. Niemand aus dem Establishment der Demokraten wird ernsthaft gegen Biden antreten und ihn womöglich in Debatten beschädigen. Einer, dem das womöglich gelungen wäre, steht seit Jahren außerhalb des Machtzirkels: Robert F. Kennedy jr.

Man möchte nicht, dass es zum Schlagabtausch des Abtrünnigen aus dem Kennedy-Imperium mit dem angeschlagenen Joe Biden kommt und hat deshalb vorsorglich öffentliche Debatten im Vorwahlkampf ausgeschlossen. Auch hier springt die Presse Biden willfährig zur Seite. Diesmal in Form eines „Faktenchecks“, welcher der Frage nachgeht, ob die Demokraten die Vorwahldebatten abgesagt hätten oder nicht. Ergebnis für Newsweek: Irreführende Aussage!

Es seien nämlich gar keine Debatten geplant, weshalb auch keine abgesagt werden können und überhaupt: Es gäbe ja keine ernst zu nehmenden Gegenkandidaten, wozu also überhaupt Debatten? Semantische Spielchen, um den Umstand zu verschleiern, dass Biden in einer echten, ungescripteten Debatte mit Robert F. Kennedy Junior unterginge wie die Titanic. Für die Nominierung werden am Ende schon die Superdelegierten sorgen, selbst wenn die Basis der Dems in den Bundesstaaten anderer Meinung sein mag.

Soll Trump doch die Aufmerksamkeit der Medien haben, er, Biden, muss lediglich die Angst vor Trumps Rache am Establishment ernten, die dieser wortgewaltig und mit lockerer Zunge zweifellos reichlich säen wird. Die Wahl wird auch 2024 nicht in Umfragen oder an den Wahlmaschinen entschieden, sondern durch die vielen tausend Aktivisten, die auch diesmal von Klingel zu Haustür laufen werden, um Wahlzettel einzusammeln. Ganz legal. Und in dieser Disziplin sind die Dems den Reps haushoch überlegen.

Im Moment läuft tatsächlich alles auf eine Wiederholung des Duells Biden vs. Trump hinaus. Trump wünscht sich nichts sehnlicher. Er und die Republikaner sollten sich jedoch fragen, warum die Demokraten sich das offensichtlich auch wünschen.

Zuerst erschienen auf achgut.com

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1 Kommentar

  1. Man darf die Republikaner nicht in ihrer besonderen Gabe unterschätzen, die besten Voraussetzungen in eine Niederlage zu verwandeln. Im Moment bietet sich die Beschäftigung mit dem Wählergift Abtreibung als Gelegenheit. Das Thema juckt fast ausschließlich konservative Radiomoderatoren und Podcaster. Der Rest des Landes sieht Schwangerschaft zwar als an sich schützenswert an, findet aber mitnichten, dass das Leben neun Monate vor der Geburt beginnt.

    Die Weltwirtschaft steht vor einer Depression, die Kriminalität geht durch die Decke, der Drogenhandel blüht und die Linken wickeln sämtliche demokratischen Errungenschaften ab. Derweil haben Konservative alle Augen auf Pseudohomos und Klaus Schwab. Zum Zeitpunkt der nächsten Wahl sind so viele Menschen in die staatliche Abhängigkeit abgerutscht, dass im Erklärungsvakuum nur noch zählen wird, wer mehr Staatsknete verspricht. Um thatcherhafte Antworten auf die Krisen der Zeit hat man sich dann immer noch nicht gekümmert.

    Und hierzulande ist sich die AfD sogar so selbst genug, dass man dort auch noch betont, alle Vorschläge aus Kanada, der Schweiz und einem alten CDU-Programm zusammengeklaubt zu haben. Böse Zungen behaupten ja, dass Björn Höcke nur deshalb kein Jodeldiplom gemacht habe, weil er sonst was eigenes hätte.

    Unser Deep State hat neulich die Junge Alternative, die Scheune von Götz Kubitschek und den ominösen 1-%-Verein als „gesichert extremistisch“ eingestuft.

    An der Stelle muss ich konstatieren, dass hier schon länger etwas ganz gewaltig schief läuft. Maaßen hatte mal in einem Indubio-Podcast die Grenzüberschreitungen von Haldenwang damit kritisiert, dass der Verfassungsschutz Gruppen nicht nach ihren Methoden, sondern nur gemäß deren verfassungsfeindlichen Zielen einordnen dürfe. Falsch. Ein Geheimdienst in einer freien Gesellschaft hat sich überhaupt nicht in die Willensbildung einzumischen, sondern soll nur konkrete Anschlagsplanungen vereiteln und ausländische Spionage abwehren. Universal interessierte Horch-und-Guck-Anstalten, egal mit welchem vorgeblich hehren Ziel, haben in einer Demokratie überhaupt nichts zu suchen. Dazu gibt es in Deutschland nicht einmal in liberal-konservativen Kreisen ein Verständnis. Der Edward-Snowden-NSA-Skandal wäre hierzulande überhaupt kein Aufreger gewesen. Auch Tichys Einblick forderte schon, den Geheimdienst auf die Klimakleber zu hetzen. Irgendwie müssen wir uns, wie Vera Lengsfeld richtig bemerkte, endlich darauf einigen können, die Methoden (z.B. des Faschismus) zu ächten.

    Das Problem mit dem Versuch, die Verfassung durch ein Gesinnungsmikromanagement schützen zu wollen, ist die krebsartig wachsende Tabutopologie. Die wird absolut willkürlich erweitert, bis der Gesamtraum potentieller Gedanken damit durchschritten werden kann. Obwohl Geheimdienste typischerweise viele Hochbegabte anziehen, versteht man beim Verfassungsschutz offenbar nicht, wie weit die Basis der bislang tabuisierten Aussagen in ihrer Kombination trägt.

    Die Pressemitteilung liest sich entsprechend wie ein Witz.
    https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/pressemitteilung-2023-2-ifs-ein-prozent-ja.html

    Dort heißt es „Deutlich wird dies [die Verfassungsfeindlichkeit] insbesondere bei zahlreichen Äußerungen, die sich gegen die Menschenwürde (Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) richten. So vertreten die Führungspersonen des IfS ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis und streben ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk an.“ Helmut Kohl würde in diesem Raster auch als gesichert rechtsextrem und verfassungsfeindlich gelten. Die Einbürgerung ohne deutsche Abstammung ist eine relativ junge Regelung. Zudem wird vom Verfassungsschutz die Zugehörigkeit zum Staatsvolk zur Voraussetzung der Menschenwürde erklärt, die ja ohne diese verletzt sei. Eine logische Folge der Behauptung wäre z.B., dass Franzosen, Spanier und auch alle anderen Völker, die nicht zum deutschen Staatsvolk gehören, keine Menschenwürde hätten. Mit vorgegebenen Glaubensätzen und Tabuzonen verstrickt sich das Amt in die absurdesten Widersprüche. Zudem verzichtet man in seinem Streben, Ansichten der Nazis zu tabuisieren und andere Aussagen zu postulieren, vollkommen auf die Prüfung, welche Aussagen sich mit der Realität decken und welche nicht. Das ist aber der einzig entscheidende Maßstab.

    Im Übrigen macht das ganze Konzept der „wehrhaften Demokratie“, das leider auch in Israel Anhänger hat, keinen Sinn. Demokratische Prinzipien sind bereits Lehren, die aus Willkürherrschaft und Verfolgung gezogen wurden. Sie sind nicht das Einfallstor für dieser Entwicklungen. Deutsche, die sich hinstellen und sagen, „Ihr Amis hattet halt noch keinen Hitler“, wissen nicht einmal, warum die Puritaner überhaupt in die neue Welt aufbrachen, und sie haben auch nichts davon gelesen, was die Gründer der Demokratie zu Papier brachten. Wir sind Demokratieanalphabeten, die sich unglaublich selbstherrlich aufspielen.

    Schlechten Ideen begegnet man mit Widerworten und nicht mit Zensur, weil man sich sonst in der wachsenden Tabutopologie verheddert und alles in den absoluten Schwachsinn abgleitet.

    Das war jetzt etwas trocken. Deshalb noch zum Lachen ein Zitat von der deutschen Kamala Harris, von Ursula von der Leyen.
    https://youtu.be/9fhkpmwih-Y?t=493

    And, indeed, as you said, a lot has changed & improved since last year when we had our first meeting in Eisberg (?) We should not forget it was the year of a severe energy crisis that was triggered by the Russian war. But we have managed together(!) [war haben was zusammenverwaltet] to get rid of our dependency of Russian fossile fuels. We have diversified away(!) from Russia [wir haben uns von Russland wegvervielfältigt] to reliable partners. The European people have saved 20% of their energy consumption [das Verbrauchen gespart].

    Um das Zitat zu finden, hab ich bei Youtube ihren Namen eingegeben, den Filter auf „einen Monat“ gesetzt und das erste Video sowie den ersten Sprechmoment der Frau herausgepickt. Uschis Englisch ist immer auf Kamala-Harris-Niveau!

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