Mittlerweile ist wohl jeder schon mal über die Ergebnisse der Tätigkeit von Correctiv gestolpert, diese sich für unabhängig und gemeinnützig haltende NGO, die ihre teils sehr zweifelhaften Recherchen parasitär an die Beiträge anderer in den sozialen Medien andockt, um einerseits deren Glaubwürdigkeit zu untergraben, die Verbreitung zu bremsen und die Restreichweite für die Verbreitung der eigenen, „unabhängigen“ und einzig richtigen Meinung oder Interpretation zu nutzen. In Deutschland hat keine andere Organisation die Macht, per „Basta“ andere Meinungen zu unterdrücken, einzuschränken und zu diskreditieren.

Correctiv geht dabei mit viel Suggestion vor. Es soll der Eindruck entstehen, dass überall wo die „Faktenchecker“ von Correctiv ihre Spuren hinterlassen, irgend etwas nicht in Ordnung sei – selbst dann, wenn die „Überprüfung“ ergab, dass die angezweifelten Fakten stimmen. Allein schon, dass sich die „unabhängigen“ Prüfer von Correctiv mit einer Sache befassten, setzt dessen Urheber Zweifel und Misstrauen aus. So ist es wohl auch beabsichtigt.

Bild 1

Ich möchte an einem Beispiel, über das ich bei Facebook gestolpert bin, die typische Vorgehensweise zeigen. Das hier abgebildete Meme, welches ich inhaltlich gar nicht bewerten möchte, ist der Wirt für die Zecke oder Mistel, die sich an ihm angeheftet hat. „Falsche Information“ ist da zu lesen und „von unabhängigen Faktenprüfern geprüft“ (Bild1 ). Nun ist „Faktenprüfer“ keine anerkannte oder geschützte Berufsbezeichnung und die Mitarbeiter von Correctiv alles andere als unabhängig (man ist sehr abhängig von den Geldgebern). Zudem ist jeder, der seinen Zeigefinger anleckt und in den Wind hält, oder mit der Hand die Temperatur von Badewasser prüft, mehr Faktenprüfer als ausgerechnet die Mitarbeiter bei Correctiv.

Bild 2

Doch klickt man auf „Grund anzeigen“ erfährt man, welchen Aspekt sich die Alles-Checker für ihre Kritik herausgepickt hatten: „Falsch – die „Kriminalitätsrate“ in Deutschland „explodiert“ nicht, sondern ist rückläufig.“ Und ergänzend: „Die Kernaussagen [Plural] der Informationen sind faktisch unzutreffend.“ (Bild 2)

Zum Meme gelangt man, wenn man die Warnungen der Besserwisser in den Wind schlägt und liest dort folgendes:

„Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die Probleme wie Altersarmut, Wohnungsnot, Staatsverschuldung und die explodierende Kriminalitätsrate in Deutschland weder durch Putin, Trump oder die AfD verursacht worden sind. Das verdanken wir einzig und allein CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke. Nicht vergessen.“

Vergessen wir mal das holperige Deutsch und stellen uns die Frage: wo sind hier die Informationen, die Correctiv korrigieren zu müssen glaubt? So wie ich das verstehe, handelt es sich bei dieser Aussage um eine Meinung, keinen monokausalen und schlüssigen Beweis oder eine Tatsachenbehauptung, die in irgendeiner Weise falsch, unzutreffend oder auch nur relevant sein kann. Bezeichnend ist auch, dass Correctiv zwar von Informationen, also im Plural spricht, in seinem „Faktencheck“ jedoch nur auf die Kriminalitätsrate eingeht, einen einzigen Aspekt. Dem Autor des Memes brannten ja noch ein paar andere Themen unter den Nägeln.

Bedeutet dies, dass Altersarmut oder Wohnungsnot unwidersprochen den genannten Altparteien anzulasten sind? Oder ist die angezweifelte „explodierende Kriminalitätsrate“ hier nur das Mutterkorn, dass sämtliche Vorwürfe des Memes ungenießbar und zweifelhaft werden lassen soll? Denn „widerlegt“ wird ein Aspekt, die Kernaussagen (auch hier: Plural) werden aber sämtlich als „Falsche Informationen“ gebrandmarkt.

Statt sich auf die Kriminalitätsrate zu kaprizieren, hätte Correctiv auch einwenden können, dass auf die Verwendung von „weder“ zwingend „noch“ folgen müsse. Mit Sicherheit liegt also ein Ausdrucksfehler vor, eine Falschinformation wohl kaum. Der Inhalt des Memes entspricht offensichtlich dem Empfinden und Dafürhalten seines Autors und erhebt in keiner Weise den Anspruch, Informationen zu liefern.

Die Sache mit der Kriminalitätsrate

Frei nach Loriot könnte man sagen, dass wenn jemand das Gefühl hat, die Kriminalitätsrate explodiere, mit dessen Gefühl etwas nicht stimmen könne. Schließlich treten regelmäßig Politiker vor die Mikrofone und verkünden, die Kriminalitätsrate sei stark rückläufig. Die offizielle Statistik – und eine inoffizielle gibt es ja nicht – belegt dies auch. Das klingt beruhigend und das soll es ja. Doch vom Lesen einer Statistik allein wird man nicht schlau, man muss schon etwas genauer hinsehen.

Zunächst muss stets die wichtigste aller Fragen gestellt werden: die des Bezugs. Der angenehme statistische Befund „es wird immer besser hier“ bezieht sich nämlich auf das Vorjahr. Im Vergleich etwa mit den Jahren 2010 oder 2011 ergäbe sich ein signifikanter Anstieg für 2018. Dass es in 2017 offenbar noch schlimmer war, ist statistisch korrekt, macht aber so wenig „satt“ wie ein Statistiker auf Entenjagd, der bei zwei Schuss einmal zu hoch und einmal zu niedrig zielt – die Ente ist nur statistisch tot.

Psychologisch erinnert das etwas an das Verhalten an der Tankstelle. Empört stellt der Autofahrer fest, dass sich der Preis um 10 Cent erhöht hat, nur um am nächsten Tag erleichtert zu seufzen, weil er wieder um 5 Cent gefallen ist. Ich glaube, außerhalb Deutschlands würde niemandem einfallen zu behaupten, Benzin sei nun fünf Cent billiger.

Hinzu kommen die Unterschiede im Weichbild der Details. Das Gros der angezeigten Straftaten (und nur solche tauchen in der Statistik auf und auch erst dann, wenn es zum Abschluss der Ermittlungen und einer richterlichen Bewertung kam) findet immer noch im Bereich Einbruch und Diebstahl statt. Hier geht die Kriminalität in der Tat zurück. Ganz zu schweigen davon, dass etwa Ladendiebstahl heute sehr häufig nicht mehr zur Anzeige gebracht wird, was der Statistik zusätzlich helfen dürfte.

Allein weil die Zahl der Wohnungseinbrüche (97.505 Fälle 2018) im Vergleich zu 2017 um 16,3 Prozent zurückgegangen ist, fallen die allgegenwärtigen Messerattacken in unseren kunterbunten Innenstädten, Gruppenvergewaltigungen, durch „kulturelle Missverständnisse“ provozierte Morde oder spektakuläre Raubzüge wie im Bode-Museum oder dem Dresdner Zwinger statistisch kaum ins Gewicht. Doch was statistisch funktionieren mag, versagt beim bauchgesteuerten Sicherheitsempfinden des oder der Einzelnen und muss – völlig entgegen der statistischen Wahrheit – wie in München um Taxigutscheine für Frauen ergänzt werden.

Aber nicht etwa, weil es gewisse begründete Sorgen gibt, dass diese unversehrt ihre Wohnungen erreichen werden, sondern weil Frauen eben eine „ausgeprägtere Kriminalitätsfurcht“ hätten – und ich dachte immer, etwas Verrückteres als die epizyklische Bewegung des Mars könne sich die Menschheit unmöglich ausdenken! Jedoch werden die Beton-Barrieren auf unseren Weihnachtsmä Wintermärkten nicht mit optimistischen Kriminalitätsstatistiken, sondern mit Geschenkpapier verziert, auf dass sie nicht nur der Vorfreude, sondern auch und besonders dem Spott ausreichend Nahrung bieten mögen.

Und vermutlich werden auch in diesem Jahr an Silvester auf den Feiermeilen in Berlin, Hamburg oder Köln abgetrennte und gesicherte Safe-Spaces Frauen und Mädchen einladen, sich vor ihrer „ausgeprägten Kriminalitätsfurcht“ und jenen zu schützen, die keine Kriminalitätsstatistiken lesen.

Und die Polizei? Eher zähneknirschend und mit großer Verwunderung muss man in der offiziellen Statistik lesen, dass die Zahl der Angriffe auf Polizeibeamte kräftig ansteigt. Das ist erschreckend und verleitet zu dem logischen Schluss, dass sich Polizisten schon aus Gründen der Selbsterhaltung nicht mehr in jeden Kampf stürzen, der ihnen angeboten wird. Und wer wollte es ihnen verdenken? Eigentlich wäre es eine lohnenswerte Aufgabe für Correctiv, wo ja „Recherchen für die Gesellschaft“ angestellt werden, herauszufinden, ob und wo Polizei und Justiz mit der Strafverfolgung längst nicht mehr beauftragt werden. Auch das könnte die Statistik mildernd überzuckern.

Doch dafür müsste man bei Correctiv den mit Stiftungs- und Steuergeldern weich gepolsterten Hintern aus dem Sessel hieven und dort hingehen, wo es tatsächlich was zu korrigieren gibt. Viel bequemer ist es, sich mit dem Informationsgehalt von Memes auf Stammtischniveau zu befassen und Facebook Warnungen daran anbringen zu lassen. Nur der Alkoholgehalt von Bierdeckeln könnte noch erforschens- und markierenswerter sein.

Keine falschen Schlüsse

Doch ganz egal, wie sehr sich Statistik und Gefühl auch widersprechen mögen, der medial verabreichte Baldrian hat Nebenwirkungen. Denn merke: nur nach Terroranschlägen wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt, grenzenlosen Silvesterfeiern oder unfreiwilligen Primärbegegnungen der Messer und Kulturen ist es opportun, den Schreihälsen die offiziellen Statistiken vors fremdenfeindlich verbretterte Hirn zu nageln – doch darf dabei nie aus dem Auge geraten, dass bald ein Viertel der schon länger hier Rumopfernden rechtes Gedankengut pflegen und die Buntesrepublik sooo kurz davor steht, vom rechten Gleichschrittfaschismus überrollt und übernommen zu werden – wie sonst ließen sich die nötige Spannkraft und der Gleichschritt im Kampf gegen rechts aufrecht erhalten?

Aus allen Löchern kriechen sie wieder, die Feinde des Weltbürgertums hellster Gesinnung, ganz gleich, was die Kriminalstatistik sagen mag! Es gilt, ihre Verschwörung zu zerschlagen, damit von ihnen nicht länger Gerüchte und Verschwörungstheorien verbreitet werden. Und sobald man Gesinnung nicht nur moralisch, sondern auch juristisch erfasst, wird die Statistik dank amorph definierter „Hassverbrechen“ durch die Decke gehen! Aber sowas von!

Sie sehen, liebe Leser, es gibt durchaus Gründe, die Kriminalstatistik anzuzweifeln – aber es müssen schon die richtigen sein! Deshalb darf angenommen werden, dass das hier behandelte Meme die Aufmerksamkeit von Correctiv gar nicht erst auf sich gezogen hätte, wenn es all die erwähnten Missstände samt Fußpilz und Kartoffelfäule noch dazu der AfD angelastet hätte, wie es sich gehört.

Mit dem Hinweis, dass auch Trump und neuerdings Johnson sicher ihre Finger im Spiel haben, hätte der Meme-Autor es vielleicht sogar bis in die warmen Redaktionsräume von Correctiv-Chef Schraven schaffen können. Denn der sieht bekanntlich klarer als andere Journalisten – besonders klarer als jene, deren Fakten er checkt – und lässt sich seine hellseherischen Fähigkeiten mit jährlich etwa 90.000 Euro versilbern. Schließlich war er auch der Erste, der 2016 Hillary Clinton zu deren grandiosen Wahlsieg gratulierte.

Nachtrag: Falls Sie unter diesem Artikel bei Facebook einen Faktencheck eingeblendet sehen, könnte er folgendermaßen lauten: „Falsch: die Anzahl der Wohnungseinbrüche im Jahr 2018 ist nicht 97.505. Tatsächlich ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr noch stärker gesunken.“ Das stimmt. Laut Statistik waren es nämlich 97.504 Fälle, also einer weniger als oben angegeben. Ich habe den Fehler absichtlich eingebaut, um dem Correctiv lange Recherchen zu ersparen und auf die Lächerlichkeit seiner Tätigkeit aufmerksam zu machen.

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17 Kommentare

  1. Lieber Roger,
    häufig vermögen gerade „nebensächliche“ Dinge die größte Freude zu bereiten, also…

    Selbstverständlich hat der Autor des zitierten…wie war das jetzt…ehm…’Meme‘ sich keiner holprigen Sprache bedient (das würde ja wohl auch, gerade auf den „sozialen“ Plattformen, rigoros unterbunden) – nein, nein, er hat vielmehr das schnöde ’nicht‘ durch ein literarisch weit anspruchsvolleres ‚weder‘ ersetzt, dem statt des üblichen – nicht zwingenden! – ’noch‘ ein an dieser Stelle überraschendes ‚oder‘ folgte…eine insgesamt erfreulich individuelle Performance, die zu mancherlei Hoffnungen Anlass gibt.

    Was die PKS angeht: Das BKA ist eine Bundesbehörde – wer verfiele der Sehnsucht anzunehmen, ihre diesbezügliche Statistik sähe anders aus als politisch gewünscht..?..allein in den letzten zehn Jahren soll es hunderte von Änderungen der Richtlinien für die Führung der „Polizeilichen Kriminalstatistik“ des Bundeskriminalamtes gegeben haben…ist vermutlich so ähnlich wie bei den Klimadaten – man “homogenisiert‘ solange, bis es passt…

  2. Alles richtig, doch wundere ich mich, dass Sie nicht darauf hinweisen, dass laut eben dieser Statistik die „Straftaten gegen das Leben“ und die „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ angestiegen sind. Das und nichts anderes sind die interessanten Zahlen!

  3. Herr Letsch, Sie sind alt genug, um das Wort Dialektik noch zu kennen. Meldungen, die diese Art der politischen Propaganda benötigen, sind meist verdammt nah an der Wahrheit gebaut.

    Im übrigen sind die aktivsten NGO wohl selbst ernannte Gutmenschen-Räte. Nun gut, 75 Jahre nach dem letzten Blockwart und 30 Jahre nach dem letzten Stasi-Spitzel fehlt dem Deutschen offenbar sein lieb gewonnenes Korrektiv, der freundliche Spion in der Nachbarschaft.

  4. Abgesehen vom betrüblichen Inhalt dieses Textes bin ich immer wieder begeistert von der bildhaften Ironie und dem Schreibstil von Herrn Letsch. Danke für die Lektüre!
    Um dem Inhalt mehr Würdigung zu verleihen suche ich immer noch nach einer Möglichkeit, wie dem Missstand der systematischen Fehlinformation wie ruinösen Politik Einhalt geboten werden könnte. Allein, ich finde keinen Ausweg als diesen: Lesen und schreiben.

  5. … wieder mal der Standardkommentar, der auf fast alles paßt, was der Zeitgeist und seine Lemminge derzeit so anrichten:
    Linke Drec..-schwe… !

  6. Na ja, wer „Rumple in the Jungle“ schreibt, hat bestimmt auch keine Lust, die Wahlergebnisse der US-Präsidentenwahl richtig zu recherchieren. 🙂
    Selbst schuld. 🙂

      • Nu ja, wahrscheinlich besser als das verbitterte Duschgel (nachhaltigst moralisch selbstverfreilich, bis ans Herz hinan), das der Falschfaktenhuberer Herr Schraven offensichtlich benutzt, weil ach all die Rechten hierzulande ihn so schlimm zernichten, zerknittern, und verschmampfen.

        • Aber er hat sich doch soooo gefreut dass Trump Depressionen bekommt – und dann hatte der widerum gar keinen Grund dazu, obwohl es doch verdient gewesen wäre. Das hat Herrn Schraven zerknittert fürs Leben. Kein Rächter kann das jemals noch schlimmer machen: quoth the Schraven, „Nevermore!“

  7. Blöd nur, dass sich viele durch den Mist auch noch in ihrer Meinung bestätigt sehen.
    Immer mehr glauben zu viel und hinterfragen zu wenig…

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