Ich schrieb vor einigen Tagen, es gäbe bei den 2022er Midterms seltsamerweise keine echte Oktober-Überraschung. Das war wohl zu früh resümiert, denn es gab da schon etwas. Ich spreche nicht vom eigentümlichen Vorfall im Haus der Pelosis, auch nicht von Musks Twitterübernahme. Die eigentliche Überraschung kam in Gestalt eines langen aber unauffälligen Artikels in „The Intercept“, dem deutlich linken Medium, das einst von Glenn Greenwald aus der Taufe gehoben wurde, sicher einer der integersten und besten Journalisten unserer Zeit. Greenwald, der Edward Snowden half, seine Leaks zu veröffentlichen, hat das Format längst und mit knallender Tür verlassen, lebt heute in Brasilien und ist unabhängig weiter als Journalist tätig. Nach Greenwalds Weggang habe ich ehrlich gesagt nicht mehr geglaubt, dass von „The Intercept“ jemals wieder Relevantes oder gar Enthüllendes zu lesen sein wird. Doch so war es und das war meine Oktober-Überraschung auf den letzten Drücker. Am 31. Oktober veröffentlichten Ken Klippenstein und Lee Fang einen umfangreichen Artikel mit dem Titel „TRUTH COPS – Leaked Documents Outline DHS’s Plans to Police Disinformations“ oder auf Deutsch: Die Wahrheitspolizei – durchgesickerte Dokumente zeigen die Pläne des DHS (Department of Homeland Security) zur Überwachung von Falschmeldungen.

Da der Krieg gegen den Terror offiziell beendet wurde – und für den wurden die „Superbehörde“ DHS einst gegründet – befasst man sich nun mit der Überwachung sozialer Medien. Zunächst versuchte man es ganz offen und gab dem Projekt Anfang 2021 den Augenbauen hochziehenden Titel „Disinformation Governance Board“ und dem Zweck „ein Gremium zur Überwachung von Fehlinformationen (unabsichtlich verbreitete Falschinformationen) und Desinformation (absichtlich verbreitete Falschinformationen) und Fehlinformationen (sachliche Informationen, die typischerweise aus dem Zusammenhang gerissen und mit schädlicher Absicht weitergegeben werden“.

Weit kam man damit nicht und im August 2021 wurde das Projekt beendet. Doch statt die Bemühungen zur Sprachkontrolle einzustellen, erweiterte man sie noch. Durch ein Leak im DHS und ein Gerichtsverfahren, dass Senatskandidat Eric Schmitt (Reps) in Missouri führt, kamen jede Menge interne Memos, E-Mails und Dokumente ans Licht der Öffentlichkeit, wo sie sicher nicht hingelangen sollten. Die Kontakte sind eng zwischen dem Geheimdienst und den großen Plattformen und BigTech-Unternehmen, Berührungsängste kaum vorhanden, wie aus den vertraulichen Sitzungsprotokollen hervorgeht.

Meldeportale für Regierungsbeamte

„Plattformen müssen sich an die Regierung gewöhnen. Es ist wirklich interessant, wie zögerlich sie bleiben“, schrieb etwa Matt Masterson von Microsoft, der auch ehemaliger DHS-Beamter ist, im Februar an Jen Easterly, eine DHS-Direktorin. Die Gewöhnung bezieht sich natürlich auf den Einfluss von Regierungsbeamten auf die Frage, was auf den Plattformen gesagt und was besser verschwiegen werden sollte. Die regelmäßigen Treffen hinter verschlossenen Türen, die von Seiten der Plattformen bisher immer bestritten wurden, brachten durchaus handfestes. Zum Beispiel formalisierte Prozesse, mit deren Hilfe Regierungsbeamte (nur Nutzer mit einer Mailadresse im TLD-Bereich „gov“ sind zugelassen) Inhalte auf Facebook oder Instagram markieren konnten, um sie zu drosseln (schadowban) oder zu löschen. Unter dem wenig originellen Link facebook.com/xtakedowns/login (Archiv-Link hier) findet sich bis heute der Zugang zum entsprechenden „Content Request System“.

Was soll gemeldet und geflaggt werden?

„Ungenaue Informationen…über die Ursprünge des COVID- 19-Pandemie und die Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen, racial justice, den Rückzug der US-Armee aus Afghanistan und die Art der US-Unterstützung für die Ukraine.“

Wer muss vor derlei bösen Inhalten geschützt werden?

„Die Herausforderung ist besonders akut in marginalisierten Gemeinschaften, die häufig das Ziel falscher oder irreführender Informationen sind, wie z. B. falscher Informationen über Wahlverfahren, die auf farbige Menschen abzielen.“

Der Staat, diese gute Nanny, weiß natürlich besser als jeder Einzelne Bürger, welche Informationen in marginalisierten Gemeinschaften benötigt werden und stellt diese selbstlos zur Verfügung. Ein Hauch von Baumwollplantage liegt in der Luft.

Das Problem ist natürlich, dass in keiner Weise definiert ist, was Desinformation eigentlich genau ist. Das DHS hat mit dieser Praxis sein Mandat, das sich auf ausländische Bedrohungen beschränkt, frech auf das Inland ausgedehnt und steht dabei gegen ausdrückliche Verfassungsrechte. Begründung: die Wirkverstärkung von ausländischen Bedrohungen durch Onlineverbreitung. Auf die im großen Maßstab unterdrückte Berichterstattung in der Causa „Hunter Biden“ in 2016-2020 angewendet bedeutet dies folgenden Rechtfertigungskreislauf: die Clinton-Kampagne fabriziert mit Hilfe von FBI-Beamten „Beweise“ für russische Beeinflussung des Wahlkampfes zugunsten Trumps, erfindet also eine „ausländische Bedrohung“, gegen die das DHS dann aktiv werden kann. Und zwar ausdrücklich im Inland, indem Inhalte auf sozialen Medien im Wahlkampf 2020 massiv heruntergedrückt werden, weil sonst angeblich die Gefahr der Wirkverstärkung bestünde. Mehr Golf-von-Tonkin-Rechtfertigung geht kaum.

Die kritische Infrastruktur

Startschuss dieser nach innen gerichteten Überwachung und Zensur war ein für die US-Regierung peinliches und für das Land äußerst erschreckendes Ereignis. 2018 gab es eine Reihe von Hackerangriffen gegen große Firmen des Landes. Als Bedrohung von außen ein klassischer Fall für die DHS dachte sich wohl auch Trump, unterzeichnete den „Cybersecurity and Infrastructure Security Agency Act“ und schuf damit eine ganz neue Abteilung beim Heimatschutz, die sich mit dem Schutz kritischer Infrastruktur befasst. Die CISA, so das Kürzel der Abteilung, ging jedoch rasch zur Erweiterung dessen über, was sie als ihre Aufgabe verstand. Die gesammelten „Bedrohungsinformationen“ gab man nicht nur an die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch die Plattformen weiter. Bewegte sich das noch irgendwie im Rahmen des Mandats? Solche Grundsatzfragen lassen sich leicht durch geschickte Interpretation umgehen. Das ist ja gar keine keine Zensur, das ist der Schutz kritischer Infrastruktur! Jen Easterly, die von Biden ernannte Direktorin der CISA sagte auf einer Konferenz im November 2021:

„Man könnte argumentieren, dass wir im Geschäft mit kritischer Infrastruktur tätig sind, und die kritischste Infrastruktur ist unsere kognitive Infrastruktur, daher ist es meiner Meinung nach unglaublich wichtig, Widerstandsfähigkeit gegen Fehlinformationen und Desinformationen aufzubauen.“

Den grauen Fensterkitt zwischen den Ohren als „kognitive Infrastruktur“ zu sehen, kann man als leicht überspanntes Framing oder als Ausrede betrachten. Ich sehe darin vor allem eine unverschämte Ausdehnung eines Staates bis in die Köpfe seiner Bürger hinein, sehe den Willen und die Dreistigkeit, die Realität so zu überformen, dass sie vom Individuum nicht mehr erkennbar ist und er sich willig der Führung der weisen Führungselite anvertraut.

Als ich vor einigen Tagen einen Artikel über den Twitter-Abschied von Saskia Esken schrieb, erwähnte ich auch den von allen sozialen Medien verbannten Alex Jones, der, sollte er je aus dem Twitterknast entlassen werden, sicher als erstes „Ich hab’s euch doch gesagt“ schreiben würde. Das war natürlich ironisch gemeint, enthält aber schon ein Körnchen Wahrheit. Neben all dem hanebüchenen Unsinn, denn dieser Poltergeist Amerikas verbreitet, hat er nämlich immer wieder lichte Momente, in denen er – retrospektiv natürlich – absolut richtig lag. Wie ein blindes Huhn, das auch mal ein Korn findet oder eine kaputte Uhr, die zweimal am Tag richtig geht. Und wenn es etwas gibt, vor dem Jones seit Jahren bis kurz vor Platzen seiner Halsschlagader warnte, dann die heimliche Kooperation der Regierung mit BigTech und sozialen Medien. Ein Bisschen wie der Quartalsirre Verschwörungstheoretiker Charlie Frost in Emmerichs „2012“, der mit seinem Piratenradio im Yellowstone-Nationalpark kampiert und live über das Ende der Welt berichtete. Frost hatte im Film recht, Jones, bezüglich der Kooperation der US-Regierung mit den sozialne Medien ebenfalls.

Interventionsspirale trifft Sankt-Florian-Prinzip

Das Narrativ „die Regierung bestimmt, was gelesen und geglaubt wird“ ist jedoch generell schon so zum Grundrauschen der Popkultur geworden. Jedoch so ausgelutscht und so oft durch „Faktenchecks“ „widerlegt“, dass kaum noch jemand die Kraft oder auch nur die Aufmerksamkeit für eine ernsthafte Empörung aufbringt, wenn aus der Verschwörungstheorie von gestern die Pressemeldung auf Seite drei von heute geworden ist. „Kennen wir doch alles schon, hören wir doch seit Jahren!“ – ja, aber ihr glaubtet es nicht, nanntet die Überbringer der Nachricht Spinner und Aluhutträger. Die US-Regierung zensiert Inhalte auf Facebook und Twitter, na und? Wen interessiert schon die Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit, solange man selbst nicht gelöscht, gedimmt oder gecancelt wird.

Hier kollidiert das Sankt-Florian-Prinzip des Individuums mit den Gesetzmäßigkeiten der Mises’schen Interventionsspirale in den Institutionen. Jeder Eingriff ins System zieht den nächsten, tieferen nach sich. Aus kleinen Einschränkungen werden große, aus gut gemeinten Schutzmaßnahmen werden Gedankengefängnisse. Das Portal, über welches die US-Regierung mit Facebook kommuniziert, kennen wir nun. Ich gehe davon aus, dass ein solches auch für Twitter existiert. Ich hätte gern Mäuschen gespielt in der Twitterzentrale, als Musk erkannte, welche abgründigen Kooperationen er beim Kauf des blauen Vögelchens mit erworben hat. Freie Rede? Erster Verfassungszusatz? Da muss das kleine Vögelchen erst sein großes Brüderchen beim Heimatschutz fragen, denn dort wacht man über die „kritische Infrastruktur“ in den Köpfen. Nur zu deren Besten, versteht sich!

Babylon Bee ist noch gesperrt, Jordan Peterson ist noch gesperrt, Project Veritas ist noch gesperrt. Das brauche alles eine Weile, beschwichtigt Musk und kündigte an: „Twitter will continue to combat hate & harassment & enforce its election integrity policies”. Hass und Hetze bekämpfen? Also etwas, das so undefiniert und subjektiv ist wie die Schönheit von abstrakter Kunst, das Spiel von Werder Bremen oder der Geruch von Vieux Boulogne Käse? Wo haben wir von diesem „Kampf“ wohl schon mal gehört? Ach ja: so klangen die Chefs des alten Twitter! Musk rede gerade mit „civil society leaders“ über solche Sachen, sagt er. Interessengruppen, NGOs, Stiftungen…das Level der Gut- und Bessermeiner schiebt sich verdammt schnell über das „I freed the bird“. Die Frösche quaken schon wieder, während sie vorgeben zu helfen, den Sumpf trocken zu legen.

Acht Dollar soll der neue Dienst zur Verifikation bei Twitter kosten. Kann man machen, muss man natürlich nicht. Ich für meinen Teil würde das gern zahlen, um weniger Produkt als Kunde zu sein. Mir ist die Anonymität nicht wichtig, ich schreibe seit Jahren mit offenem Visier. Aber ich zögere, die acht Dollar auszugeben. Ich möchte erst die Befreiung der politischen Twittergefangenen sehen (nicht die der im strafrechtlichen Sinne Kriminellen) und Belege dafür haben, dass die staatliche Zensur unliebsamer Meinungen beendet wird – nicht nur in den USA. Bis es so weit ist, muss ich das neue blaue Vögelchen leider wie das alte behandeln.

Musk, so scheint es, steckt gerade in einem echten Dilemma. Er verliert das laute, linke Kommentariat, aber die wollen ohnehin alles geschenkt haben und zahlen nicht für ihr blaues Häckchen. Er verliert aber auch die durchzensurierte konservativ-libertäre Seite, wenn er nicht rasch für klare Verhältnisse und Meinungsfreiheit sorgt. Er verliert das Vertrauen der Investoren, die daran glauben, mit Twitter ließe sich langfristig Geld verdienen. Und die Werbekunden verliert er, weil diese Angst haben, in „unsterilen“ und mit moralisierenden linken Flächenbombardement überzogenen Umgebungen gesehen zu werden. Man kann nur hoffen, dass Musk all das ins Kalkül gezogen hat.

Übrigens: Bereits am 15.7.2021 hat die US-Regierung in Gestalt von Bidens Pressesekretärin Psaki vermutlich versehentlich die leisen Dinge laut ausgesprochen: „We’re Flagging Problematic Posts On Facebook That Spread Disinformation“. Niemand fragte nach, wie genau dies geschieht. Psaki hätte wohl kaum ehrlich geantwortet „Wir haben da so Meldeseiten, die nur wir benutzen können und dort geben wir im Verborgenen Anweisungen, was mit den beanstandeten Beiträgen geschehen soll.“ Wir hören eben nicht mehr so genau hin, weil wir trotz aller schlechten Erfahrungen nicht glauben wollen, wie schlecht es inzwischen tatsächlich um die weltweite Meinungsfreiheit bestellt ist.

 

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16 Kommentare

  1. > Sieht so aus, als hätte ich den Bug gefunden. Die Einrückung sollte jetzt (hoffentlich) funktionieren.

    Eine Ebene, danach fehlt der „Antwort“-Button

  2. @Rolf
    Es ist egal, wo deine Nachricht erscheint. Ich hatte auf deinen ersten Kommentar geantwortet. Du hast die Antwort vielleicht übersehen. Siehe unten!

    Aus meiner Sicht macht es sehr wohl Sinn, auf das Brechen von Mindeststandards hinzuweisen. Es kann nämlich beides gleichzeitig stattfinden, dass z.T. vorgetäuschte, in den Exzess reichende Moralgetue und die absolute Zerstörung der Werte, die man tatsächlich zum Überleben braucht. Auch der Rolf wird sich nicht einfach selbst operieren, wenn er in einer Notlage ist, sondern ist auf das Pflichtbewusstsein anderer angewiesen.

    Ich hatte aus meiner früheren Antwort eine Passage gelöscht, die ein bisschen schmuddelig ist. Es ist nämlich schon so, dass ich auf emotionaler Ebene den bleiernen Zustand auch einfach irgendwie beendet sehen will. Und da so viele Wege versperrt sind und man so wütend ist, spielt man mit der Mad-Max- Apokalypse. Allerdings ist die Hoffnung auf Vernunft in der Verzweiflung fragwürdig. Geh mal nach Nordnigeria oder nach Somalia und frag, ob das Reittier Buraq Mohammed in den Himmel trug oder ob 2 + 2 vier ergibt. Man wird in solchen Dauerkrisenkulturen auch nicht von Schwachsinnigen in Ruhe gelassen. Und die Kettensäge in der Donnerkuppel funktioniert auch gar nicht, weil Luise Neubauer sich vorher an das Treibstoffdepot geklebt hatte und die EU-Verordnung zum Kettensägenbau schon zehn Jahre vorher die meisten Produzenten aus dem Land getrieben hat. Das gute Finger ganz Gesetz (gFgG) tut sein übriges. Auf der anderen Seite wohnt Tina Turner jetzt ja auch nicht mehr in Köln, sondern in der Schweiz, aber die lassen sich von der EU auch so manches auf den Tisch legen.

  3. Vorweg

    > Ich hatte extra auf „Antwort“ geklickt.

    Tatsaechlich irritierend. Roger Letsch macht doch auch soweit etwas mit IT, dass ihm der Sinn hierarischer Antwortfunktionen klar ist 🙂 Und wenn sie explizit mit einem Button/Link angeboten wird, sollte sie sich auch so verhalten…

    Zum Inhalt:

    > Ich wäre damit zufrieden, gar nicht wählen zu gehen, wenn ich den Eindruck hätte, dass sich die jeweils Interessierten sachlich und vernünftig mit den Aufgaben befassen würden. […] Man muss delegieren.

    Dieses zwangsweise Einbinden in tagespolitische Dinge kam ja schon in verschiedener Form. Ich moechte das etwas untersetzen:

    Ich bin ja gelernter Mathematiker, aber seit Jahrzehnten freiberuflich im IT-Geschaeft. Neuronale Netze in Bildverarbeitung, alle Ebenen: Programmierung, SOA Modelle beurteilen und selbst entwerfen, Aneignen von und Abgleich mit nichttrivialem Verstaendnis des biologischen Vorbilds. „Bleeding edge“, „heisser Scheiss“…
    Ich liebe meinen Beruf und ich wuerde mich gern wie frueher voll darauf konzentrieren. Aber es kann eben der Froemmste nicht in Frieden leben, wenn…

    Ich denke, dass viele Leute in irgendeiner Form so funktionieren. Deswegen halte ich die oft zu findende Injurie des „deutschen Michel“ auch fuer problematisch. Denn stellen wir mal klar:
    Die Leute die etwas schaffen, die sind das Salz der Erde oder gar die Erde selbst. Nicht diejenigen, die sich damit beschaeftigen oder sich anmassen, dies alles in welcher Art auch immer zu verwalten. Sei es direkt, wie Politiker oder oekonomisch (die einzigen Player, die besonders behandelt werden muessen) in willentlich gesteuerter Form. Sei es auf ideologischem, zeitgeistigem, philosophischem Gebiet, etc.. Dem „Ueberbau“, wuerde der Marxist sagen. Das sind alles originaere Hilfsfunktionen, die sich in der Gegenwart in absolut frappierender Umfassendheit ins Parasitaere ausgewachsen haben. Das sind ursaechlich Diener (solange in dieser Ausgangsform auch nicht im abwertenden Sinn) und die haben simpel den Mund nicht voll zu nehmen. Und schon gar nicht die Schaffer in ihre eigenen viel zu engen Kategorien zu pressen, seien sie nun vorgebliche Erhalter oder Revolutionaere, beide mit ausschliesslichen Kopfgeburten. Seien sie rechts oder links (schon das: das Leben ist keine Linie oder gar nur zwei Punkte, die es definieren. Wie man so schoen sagt: Ein Mensch mit Gesichtskreis Null nennt diesen gern seinen Standpunkt).
    Diese Leute muessen Demut haben oder die anderen muessen leider Zeit darauf verschwenden, ihnen diese wieder beizubringen. Die fehlt natuerlich dann in ihren Kernkompetenzen. Und das fuehrt zu Stillstand und schliesslich Regression. Das ist zwingend und der eigentliche Schaden. Denn dann werden die harten materiellen Grundlagen einer Gesellschaft leiden oder verschwinden. Und dann brennt die Luft.

    Dazu waere auch zu sagen, dass „normale“ Leute auch Politik nach den taeglich Rand- und inherenten Bedingungen ihrer Kerntaetigkeiten beurteilen. Da die im besten Sinn real sind, erteilen sie viele Dinge wie den Wert von Merokratie, auch die o.g. Demut, fortlaufend als Selbstverstaendlichkeit. U.a. zeigen sie immer wieder neu, dass es keine einfachen Wahrheiten gibt. Weswegen ich nicht ein Putinversteher bin, wenn ich die dedizierten verursachenden US-Einfluesse nicht ausblende. Genauso wie ich kein Coronaleugner bin, wenn ich mir diese spezielle Spritze nicht setzen lasse. Ich weiss im kleinen Finger inhaltlich mehr darueber als irgendwelche Bloedmaenner (und -frauen!) die das erste Mal in ihrem Leben Saetze wie „So funktioniert Wissenschaft nicht“ gelassen aussprechen meinen zu muessen, um sich des Leugners inhaltlichen Argumenten nicht weiter aussetzen zu muessen.

    • Sorry für die verwirrende Darstellung, die habe ich bisher noch nicht reparieren können. Eigentlich sind vier Verschachtelungsebenen vorgesehen, aber das Theme verhindert das. Da ich es aber demnächst wechseln werde, wird es hoffentlich bald besser.

    • @Michael B.
      Jeder ist in seinem Feld der Expertise anti-ideologisch (auch wenn es überall Opportunisten gibt, die etwas anderes sagen als das, was sie selbst verstehen). Ich könnte fast jeden ihrer Sätze unterschreiben.

      Natürlich haben wir aber unterschiedliche Auffassungen zum Ukrainekrieg. Ich bin mit unserer Führung in der Frage auch nicht glücklich. Ich hatte schon im Februar jedem, der es nicht hören wollte, gesteckt, dass unsere Politiker ihren Mund halten und stattdessen Vorbereitungen zum Konflikt treffen sollen, der nun einmal da ist, ob sie ihn ignorieren oder nicht. Wir müssten nicht frieren, wenn alle Energieträger, die verfügbar waren, aktiviert worden wären. Stattdessen haben unsere Eliten Urlaubsfotos aus Kiew gepostet.

      Darüber hinaus könnte ich mich auch stundenlang heiser reden über die Apparatchiks in Washington. Wissen Sie, wer die Washington-Schickeria noch mehr hasst als Putin? Die Amerikaner!

      Und ich finde mich jetzt in so einer Situation, in der ich mich mit Kritik zurückhalte, weil so viel Müll gelabert wird, dass man zur Einordnung mahnen muss. Das ist so, wie wenn Leute sagen, „Die Merkel frisst kleine Kinder.“ Und dann muss man erklären, „Schau doch mal, wie fett die ist. Kinderfleisch ist viel zu mager!“ Verstehen Sie? Es wird einfach zu schrill!

      Und zum Schrillen gehört auch Ihr „dedizierter verursachender US-Einfluss“. Aus Moskau kommt ein Tsunami aus wirren Kriegsgründen und Drohungen. Und nach all dem „Wir werden mit einem Atombombenabwurf einen Völkermord an Russischsprachigen stoppen!“ gibt es immer noch Leute, die äußere Ursachen vermuten und nicht den Wahnsinn in Russland akzeptieren wollen. Und die Erklärungsversuche für die US-Verursachung mangeln einfach an der Umsetzbarkeit. Die EU-Schickeria schafft es nicht einmal, eine Menschentraube um Ursula von der Leyen zu bilden, aber unsere Eliten – auch die amerikanischen, die ihr CNN den Flughäfen andrehen müssen, weil es keiner sehen will – sollen Massenprotesten im ehemaligen Sowjetgebiet orchestriert haben. ABSURD! Und die ganzen Verweise auf Absichtsbekundungen einzelner Leute oder Organisationen hier und da sind vollkommen irrelevant.

      Und ich verstehe auch, dass wegen des Gasmangels in Deutschland Betriebe schließen werden. Natürlich muss man ab irgendeinem Punkt auch ein bisschen pragmatisch sein und abwägen, wie viel Kohle man den Russen gegen welche Gegenleistung doch noch rüberwachsen lässt, ohne den Krieg und damit auch die ganze Situation zu verlängern. Und die Russen haben gottseidank Nachrüstprobleme wegen der Sanktionen. Aber 99% der Diskutanten reden nicht über derlei Feinabstimmungen und Pros und Contras, sondern über das beängstigende Ami-Gespenst unter Alice Weidels Bett, das sie für absolut echt halten.

  4. > sondern dass das ein Webfehler der deutschen Kultur ist, den man beheben muss.

    Jetzt sei mal nicht so arrogant. Die Deutschen haben den größten Krieg aller Zeiten dafür geführt, keine politischen Rechte haben zu müssen, und als dieser Krieg verloren ging, gab es Massensuizide. Nun klappt das mit den politischen Rechten nicht. Oh Wunder. Vielleicht sollte man es einfach mal hinnehmen, dass die natürliche Rolle vieler Menschen halt darin besteht, Leibeigene zu sein. Wie viel Grausamkeit und Heuchelei könnte man der Welt ersparen, würde man dieses Faktum einfach akzeptieren, anstatt diese Leute mit Politik und den Medien verrückt zu machen.

    Einfach sagen „So, Du gibst mir jetzt die Hälfte von dem was Du verdienst, hältst ansonsten die Fresse, und wenn Dir jemand in meinem Namen einen Befehl gibt, dann gehorchst Du, und wenn nicht, dann landest Du tot im Graben“. Das unterscheidet sich doch ohnehin schon nicht groß vom Alltag der meisten Menschen, wenn man mal vom Fressehalten absieht, und wäre doch schon alleine deshalb ein Fortschritt.

    > Und das ist das schwierige Rätsel: Was bringt zumindest einige dieser Leute dazu, bewusst die absoluten Mindeststandards der Zivilisiertheit auszuhebeln?

    Naja, der eigene Körper gehört jedem selbst, weshalb es auch das gute Recht eines Jeden ist, sich nach Belieben Heroin zu spritzen. Das ist ganz selbstverständlich, denke ich, und kommt ganz ohne jede Geistesverrenkung aus. Dennoch ist diese Aussage in ihren Konsequenzen außerhalb des Bereichs, der für 95+% der Menschen auch nur denkbar wäre.

    > Viel plausibler ist, dass der Fanatismus von der Dämonisierung lebt. Der anderen Seite unterstellt man eine solche grotesque Bösartigkeit, dass man sich gezwungen sieht, noch widerlicher sein zu müssen, bevor die anderen gewinnen.

    Guck Dir mal folgendes Video an: https://www.youtube.com/watch?v=rE3j_RHkqJc

    > Beim Militär weiß man, dass man mit einer Eskalation nicht nur riskiert, schwerere Angriffe erwarten zu müssen, sondern auch, dass man die wichtige Unterstützung dritter Parteien verlieren kann, wenn das eigene Handeln als unmoralisch wahrgenommen wird. Die Dreistigkeit der Linken ist also im Kern auch irrational.

    Was ich viel irrationaler finde ist, dass überhaupt jemand diese Leute Ernst nimmt. Hätten sie keine Rechte, könnte man sie auch einfach ignorieren. Die würden mit den anderen Aussätzigen spielen, sich mit Lepra anstecken, und könnten als abschreckendes Beispiel dienen.

    Guck mal, Linke sind übersozialisiert. Die sind nicht besonders unmoralisch, wie Du meinst, sondern die sind besonders moralisch, sprich sie vertreten die während ihrer Kindheit anerzogenen Moralvorstellungen stärker als üblich, und werfen der Gesellschaft vor, dass sie diese Moralvorstellungen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Darum rebellieren sie im Namen dieser moralischen Werte „gegen“ die Gesellschaft. Allerdings sind diese moralischen Werte natürlich die Werte der Gesellschaft, die diese Menschen vermittelt, um diese ins Gemeinwesen zu integrieren. Und damit sind wir bei Sozialisierung.

    Sozialisierung ist beim Menschen, was Domestizierung bei Tieren ist, sprich, man verhindert bestimmte Entwicklungsschritte, die den/das Menschen/Tier „Erwachsen“ werden lassen, und hält Mensch wie Tier dadurch in einem Zustand lebenslanger Infantilität, denn Kindern kann man leicht beliebige Verhaltensweisen vorgeben, ganz gleich wie widernatürlich, die sie dennoch bereitwillig nachäffen werden, weil sie nunmal zu ihrer Gruppe gehören wollen, selbst dann, wenn diese Gruppe eigentlich nur widernatürliche Fremdbestimmung ist. Und dieser die Entwicklung zurückhaltende Faktor ist diese moderne Kindergartenmoral, laut der Gewalt und Aggression böse ist, außer sie kommt von Seiten der Polizei, und Rache geht überhaupt nicht, und so weiter.

    Vor 100 Jahren funktionierte Sozialisierung geringfügig anders, damals war nicht Gewaltausübung das bei Erwachsenen normale Verhaltensmuster, das unterdrückt wurde, um die Menschen lebenslang in Infantilität zu halten, sondern Sexualität. Damals hat Freud dann hinter jeder Neurose und jedem Balla-Balla-Verhalten der damaligen oberen Mittelschicht irgendwelche Ungeficktheit und unerfüllte sexuelle Abart gefunden, und die Linken von damals waren besonders ungefickten Wachteln, die es den Männern verbieten wollten, Alkohol zu trinken, weil sie in Bars mit Prostituierten in Kontakt kamen, und dergleichen. Mit solchem Scheiß hat damals das Frauenwahlrecht angefangen.

    Würde Freud heute leben, wurde er heute lauter kaputte Gestalten vorfinden, die kaputt gingen, weil sie diese ganzen Bevormundungswichser da draußen nicht zum Duell fordern und/oder totschlagen können, wie es natürlich und auch angemessen wäre, und die sich stattdessen in allen möglichen idiotischen Pathologien ergeben, mit denen sie sich gegenseitig als Ersatzhandlung ihren gesellschaftlichen Status vorschwuchteln. Ein Spaßfakt ist ja, dass psychische Erkrankungen deutlich zurückgehen, und die Leute auf einmal wieder seelisch klar kommen, wenn Krieg oder Katastrophe ist, und meine Erklärung dafür ist, dass dies geschieht, weil dieses Sozialgeschwuchtele dann größtenteils wegfällt, und „Friss oder Stirb“ einfach ein sehr viel gesünderer Zustand ist.

    Naja, insgesamt zeigt das schon, wie krank unsere Gesellschaft eigentlich ist, und wie fortgeschritten auf diesem Weg zum Wahnsinn. Es liegt lange zurück, als unsere Vorfahren eine einigermaßen stabile Daseinsform hatten, die ihren natürlichen Veranlagungen entsprach, und die funktionierte, ohne sie von klein auf auf die eine oder andere Weise behindert zu machen. Wahrscheinlich müsste man bis in die Antike zurückgehen, um sowas vorzufinden.

    > Putinellen, Putinöse, Russophilen – wie darf man diese Gruppe überhaupt nennen?

    Diese Konträren… Also, ich ordne die der Gruppe der Untermenschen zu. Meiner Meinung nach sind das nutzlose und überflüssige Verlierer, deren Dasein durch Suizid aufgewertet würde. Die sind aus dem Grund „Rechts“, weil das aus ihrer Sicht im derzeitigen Klima die Position von Verlierern ist, und sie sich zu ihresgleichen gesellen wollen. Und die gesellen sich natürlich nicht nur zum lokalpolitischen Lager der Verlierer, sondern sie identifizieren sich auch international mit den Verlierern. Darum finden sie Russland ganz dufte, und darum hassen sie die Amis. Die russische Gesellschaft ist dysfunktional und dysgenisch und noch stärker von Pathologien zerfressen, als der Westen, und das finden diese Leute halt sympathisch, und damit können sie sich identifizieren. Und wenn diese ganzen Erfolgreichen, denen sie mit Ressentiment begegnen, jetzt alle gegen Russland sind, dann können die Verlierer ihre Analretentiven Triebe ausleben, wenn sie auf einmal pro Pootin sind. Die Macht eines Verräters ist die größte Machtfülle, die sie jemals erreichen können, darum ist es ihnen ein Genuss.

    • Hm. Eigentlich war das ne Antwort auf Ben. Ich hatte extra auf „Antwort“ geklickt.

      Außerdem kam der Punkt nicht klar genug zum Ausdruck, dass es widersinnig ist, den Lefties und den Deep-Statelern vorzuwerden, sie würden die Mindeststandards zivilisatorischer Moral nicht einhalten, weil sie diejenigen sind, die auf die Einhaltung der Maximalstandards jener Zivilisation pochen.

      Naja, Läbän äst schlächt.

    • Erstens war das als Antwort für Ben gedacht, und zweitens kam nicht klar raus, dass diejenigen, die Ben Unzivilisiertheit unterstellt die Avangarde der Zivilisation sind.

      Abgesehen davon gibt es, bezüglich der Pootinfreunde, auch noch die Gruppe der Waldemars, sprich die fünfte Kolonne aus Spätaussiedlern und Einwanderern, denen ich im Schnitt mal eine erhöhte Affinität zum Pootin-Fanboy unterstellen würde. Und außerdem unterhält der Iwan (genau wie jeder andere) im Internetz große Troll-Armeen. Daher würde ich mal annehmen, dass diese die Untermenschen insgesamt in ihrem Tun bestärken und ihnen einen Rückhalt vorgaukeln, den sie so gar nicht haben. Diesen Leuten ist ja überhaupt nicht klar, dass eine allgemein als solche wahrgenommene Katastrophe alles ist, was sie mit ihrem Defätismus von einem KZ-Aufenthalt oder einem Erschießungskommando wegen trennt. Die Propagandataktik der Russen scheint ja zu sein, erstens mal alles und dessen Gegenteil zu verbreiten, so dass am Ende niemand mehr überhaupt etwas weiß, und dann miteinander verfeindete Extreme zu unterstützen, in der Hoffnung, dass diese gegeneinanderlaufenden Extreme die Gesellschaft in der Mitte aufspalten. Wie bei einer Schere. Da hat man auch zwei Klingen, die scheinbar gegeneinander arbeiten, in Wahrheit aber ein gemeinsames Werk verrichten. Pathologien, die sich zu diesem Zweck ausnutzen lassen, gibt es ja genug. Naja, und wenn Krieg oder Katastrophe ist, dann kommen die Leute auf einmal wieder klar, und beseitigen Probleme, anstatt sie zu verwalten, weil das halt im Angesicht einer Bedrohung Sinn ergibt, diese ganze Toleranz, die die Feindesfreunde als gottgegeben voraussetzen, hingegen nicht.

      Ich hoffe jedenfalls, dass diese Nachricht als Antwort auf meine eigene erscheint.

    • @Rolf

      Mir geht es auch nicht darum, dass der Wille der Mehrheit einfach immer umgesetzt wird. Mich interessiert, dass die grob Rationalen eine Chance bekommen, sich durchzusetzen. Es geht mir darum, dass es möglich wird, (lokale oder sachverständige) Mehrheiten für seine Belange organisieren zu können. Woran du dich vermutlich störst, ist die Dauermobilisierung, der permanente Aktivismus und das „wenn jeder nur mal so wie ich“-Getöse aus allen Röhren. Wir brauchen eine Demobilisierung. Die Legitimität einer Ordnung beruht nicht auf der Wahlbeteiligung oder der Bewusstseinsbildung in den Staus hinter den festgeklebten Klimagören.

      Am Besten wäre es, Parteinamen von den Wahlzetteln komplett zu verbannen und die Leute zu nötigen, sich die Eigennamen der Kandidaten zu merken. Das trennt die Interessierten von den Desinteressierten. Und ehrlich gesagt will ich mich auch gar nicht über die Einzelheiten von Straßenbau, Militär, Energieversorgung, Schulwesen, Polizei, Justiz und Gesundheitswesen einarbeiten müssen. Ich wäre damit zufrieden, gar nicht wählen zu gehen, wenn ich den Eindruck hätte, dass sich die jeweils Interessierten sachlich und vernünftig mit den Aufgaben befassen würden. Übrigens scheitern auch autoritäre Modelle regelmäßig daran, dass sich alle überschätzen und keiner auf allen Gebieten den Durchblick haben kann. Man muss delegieren. Ich würde gerne öffentliche Aufgaben, von denen ich keine Ahnung habe, an Milieus delegieren, die sich damit befassen wollen. Das würde nebenbei auch die Medienmacht brechen. Die haben nur Kontrolle über Menschen, die sich die Kandidatennamen nicht merken wollen.

      Ach, dein Video wiederholt die immer gleiche Behauptung, dass es die Kommunikationserleichterung selbst sei, die den aktuellen Massenwahn verursacht habe. Das hab ich jetzt so oft gehört, dass ich langsam kotzen könnte. Alle Kulturen zu allen Zeiten hatten ähnliche Fanatismusprobleme. Wir kommen aus einer historischen Phase, in der es besser gemacht wurde, und weil die meisten offenbar zu blöd sind das anzuerkennen, beißt man sich an der Korrelation fest: (heute Twitter, heute woke) => Massenwahn liegt an Twitter.

      – „Mammi, Mammi, ich hab eine Achse durch einen Punkt gelegt. Eine Regressionsanalyse. Eine REGRESSION!“
      – „Da sind noch andere Punkte, Schatz.“

      Was du mit „Rechte“ meinst, ist „soziale Stellung“. Ja, die Esken wäre besser aufgehoben als Altenpflegerin, wo sie Orientierungsbedürftige rumkommandieren könnte und dafür von den Senioren echte Dankbarkeit erleben könnte. Stattdessen haben wir jetzt eine Gesellschaft, die Beschränktheit und Dankbarkeit vortäuscht, weil Leute wie Frau Esken falsch positioniert sind. Mit einer Krankenschwester Ursula von der Leyen hätte ich auch kein Problem. Sie ist aber als höheres Töchterchen geboren und musste unbedingt was Dickes werden. Von dem Arztberuf hat sie sich schnell verabschiedet, aber das war leider der letzte Demutsakt ihres Lebens. Seither ist sie nur noch von sich selbst überzeugt und erfährt kein Korrektiv. Es müssen Möglichkeiten der gesichtswahrenden Hierarchiedynamik gefunden werden. Karl Popper hatte es als primären Vorteil von Demokratien gesehen, dass Machtwechsel häufiger und unblutiger stattfinden. Gerade deshalb ist das Aushebeln der Mechanismen auch nicht so konsequenzlos, wie das unsere Eliten offenbar glauben. Der Mensch ist nämlich Primat und es ist auf Dauer nicht genug, hoch geboren oder gut vernetzt zu sein. Wer keine Konkurrenten an der Kehle haben will, muss eine gewaltfreie Dynamik im Hierarchiewandel zulassen. Der Bundestag baut gerade einen Graben.

      Die These, dass Linke hypermoralisch sind, wurde durch Thilo Sarrazin („Der Tugendterror“) popularisiert. Auch hier muss ich kurz übersetzen. Ja, die Linken sind mit ihrem eigenen „Dürfen“ und „Nicht-Dürfen“ aufgewachsen und haben es oft besonders gut verinnerlicht. Das kann man „Moral“ nennen oder „Indoktrination“ (auch Sozialisierung und Domestizierung). In dem Abschnitt, auf den du eingehst, rede ich vom Segment der bewussten Regelbrecher. Du redest vom Segment der Manipulierbaren. Da gibt es sicher auch Überlappungen, also jene, die um eine Regel zu achten, meinen, eine zweite brechen zu müssen ohne die Regeln grundsätzlich zu hinterfragen. 2015 hab ich mir auch den Kopf darüber zerbrochen, wie man kommunizieren kann, dass die Scharia mit „Du darfst Mohammet nicht beleidigen“ kein gleichwertiges Moralsystem ist zum westlichen „Du darfst andere nicht für ihre Aussagen bestrafen“. Eine Zeitlang hatte das AfD-Milieu häufig Max Weber zitiert, der zwischen „Vernunftethik“ und „Gesinnungsethik“ unterschied. Das ist schon mal ein Ansatz. Der Nutzen des einen Kanons an Ge- und Verboten ist höher als der Nutzen des anderen Kanons. Man muss die Konsequenzen besprechen.

      Ich glaub, die Amerikaner beschreiben das Problem der vorgeblichen Supermoral besser mit dem „Virtue Signaling“-Konzept. Eine Sammelsurium an Werten wird geteilt, aber Einzelpersonen bekommen heraus, dass sie ihren Status arbeitsfrei erhöhen können, wenn sie vorgeben, an eine Regel ganz besonders zu glauben. Beispiel: Eine Gruppe ist sich weitestgehend einig, dass der Bär im Zoo mehr Auslauf braucht. Eine Person sagt, dass auch Masttiere bessere Lebensbedingungen brauchen.
      „Ach was, ich esse gar kein Fleisch, egal wie die Haltung ist.“
      „Ich verzichte auch auf Milchprodukte und Eier.“
      „Ich stelle meine Katze gerade auf Tofu um.“

      Das ist der Grund, weshalb die Konzepte „Radikalismus“ oder „Extremismus“ nicht gut funktionieren. Der eine oder andere Sprecher wird verrückt genug sein, aus Überzeugung vegetarisch zu essen. Aber das Problem ist gar nicht erst die Person, die alle Katzen töten will, weil die andere Tiere fressen, sondern dass schon viele eigentlich das Gehege des Bären groß genug fanden und sich nur aufspielen wollten. Es gibt nämlich sogar Applaus, wenn man vorgibt, Insekten retten zu wollen. Bevor man Twitter beschuldigt, sollte man sich bei Hindus und tibetischen Mönchen auch mal umhören. Das Problem ist, dass zu wenige auch mal die guten Intentionen anderer hinterfragen. Man muss das aber im Einzelfall prüfen, wer etwas meint oder nur so tut. Zu viel Naivität ist genauso fatal wie zu viel Zynismus.

      Nun geht deine Vorstellung in die Richtung des Nihilismus (verwandt mit Anarchismus und Satanismus [nicht abfällig gemeint]), also die Vorstellung, dass es irgendwie auch ganz ohne Moral ginge. Dein Argument zielt darauf ab, dass man die menschliche Natur, also den Primatenteil davon, stärker berücksichtigen muss. Und, wie beschrieben, wäre es klug, wenn die Eliten bemerken würden, dass sie Hierarchien besser flexibel gestalten und anerkennen, als unehrlich von Gleichheit zu reden und Burggräben zu bauen.

      Nun gibt es den Konflikt über die Natur des Menschen und seiner Berücksichtigung und Zügelung schon ewig. Wenn zwei Widder ihre Hörner aneinander knallen lassen, wollen sie den Weibchen imponieren. Das ist die erste biologische Funktion der artinternen Aggression. Die zweite, damit verbundene, ist es, unter sich die Hierarchie zu klären. Der Mensch hat keine festen Paarungszeiten. Die Funktion „Weibchen imponieren“ ist mit dem sexuellen Belohnungssystem verbunden. Die Funktion Dominanz auszuüben wurde evolutionär einfach mit dem gleichen System belohnt. Das ist der wahre Kern der „Toxic Masculinity“-Legende. Freilich haben Frauen die gleichen Triebe nur schwächer und ein komplementäres System, das ebenso toxisch ist und auf Manipulation, Ausgrenzung, Rufmord und ausgiebigere Feindschaftspflege basiert, aber darüber reden wir nicht.

      Obendrein wird bei Säugetieren die Dominanz oft auch mit Vergewaltigungen hergestellt. Selbst weibliche Kaninchen rammeln miteinander. Das gleiche Belohnungssystem wird also erweitert. In dem Film „Starship Troopers“ erfahren Insektenaliens durch einen Brainbug, wie Menschen ticken. Ein Insekt schnappt sich einen Soldaten und vergewaltigt ihn.
      https://youtu.be/yAScGueE7XQ?t=4838
      Das Vieh hat verstanden, dass Menschen Säuger sind und eine Vergewaltigung ein klareres Unterwerfungssignal setzt als eine Flagge irgendwo. Kluges Script. Natürlich ist das so tabu, dass das keiner anspricht. Der Kommandant tötet das Vergewaltigungsopfer statt es zu retten. Für ihn als Säuger würde sonst durch die Vergewaltigung der Feind in die eigene Hierarchie eingebaut, auch wenn solche Gedanken im echten Leben nicht explizit sind und hinter einer schwammigen Rhetorik um den Begriff „Ehre“ verschwinden. In primitiven Kulturen findet man es oft besser, wenn Frauen ihr Leben beenden als eine Vergewaltigung zuzulassen. Keine Regenbogenflagge wird grundsätzlich etwas daran ändern, dass Sexualakte, die an Vergewaltigungen erinnern, auf Ekel und Abneigung stoßen. Das heißt natürlich nicht, dass Schwule in der Öffentlichkeit nicht mehr Händchen halten oder sich umarmen sollen, aber der „Gay Pride“, wie er heute stattfindet, schadet nicht nur dem Ansehen der Homosexuellen selbst, sondern auch dem des Westens. Wir haben eben nun einmal auch dieses Primatenhirn und werden es immer haben und daraus muss man die Konsequenz ziehen, den Akt an sich möglichst klar zu privatisieren (und auch das Gerede darüber runterzufahren). Die russische Propaganda spielt sehr stark damit, dass im Moment im Westen die Homosexualität so in den Vordergrund gerückt wird. Die Tatsache, dass die EU ständig die Osteuropäer mobbt mit dem absurden Vorwurf, dass die Polen und Ungarn eine Gefahr für Schwule wären, hilft ihm natürlich. Die penetrante Regenbogenbeflaggung auch.

      Hast du deine These, dass Menschen in Kriegsgebieten besonders psychisch stabil sind, einmal mit der Realität abgeglichen? Da musst du nochmal nachschauen. „Wahrscheinlich müsste man bis in die Antike zurückgehen, um sowas vorzufinden.“ Such! Es kann sein, dass du auf den urbanen Mythos reingefallen bist, dass gute Zeiten schwache Männer gebäre, die schlechte Zeiten schaffen, aber harte Zeiten wieder starke Männer hervorbringe, die dann wiederum gute Zeiten einleiten. Zeig mir mal eine Stelle im gottverlassenen Afrika, wo aus dem Dreck starke Männer steigen, die irgendwas auf die Reihe kriegen! Wie viele Jahrhunderte hockt man im Dreck, bis die sich bequemen, mit ihrer Stärke bessere Zeiten einzuleiten?

      Du hast natürlich recht, dass wir, wie der Widder, diesen Gewalt-Sexualitäts-Hierarchie-Nexus haben und der den Freud so faszinierte. Mein Lieblingskampfsport sieht so aus: Zwei Typen prügeln sich. Es wird getreten, mit Ellbogen und Knien gestoßen und die Gurgel abgedrückt, bis einer tot ist. Mausetot. Das muss natürlich alles absolut echt sein und kein CGI. Wichtig ist aber auch, dass die beiden zwei Wochen später lachend im Gips vor einem stehen und über die juckenden Finger reden, die gerade wieder nachwachsen. Das geht natürlich nicht. Da konkurrieren zwei Teile meines Gehirns miteinander, aber beide Teile sind natürliche Teile des Gehirns und nicht Folgen einer Domestizierung. Du unterschätzt auch die Infantilität in Kulturen, die gewalttätiger und hierarchischer sind.
      https://www.youtube.com/watch?v=wtD8hVhnOMY

      Freud hatte im Anblick der Gewalt seiner Zeit zu viel Hoffnung darauf gelegt, dass die Leute ihr Gewalt-Sex-Bedürfnis durch den erotischen Akt befriedigen können. Neben der Schwachsinnsbekämpfung durch öffentlichen Widerspruch ist das aber eine nach wie vor vernünftige Säule. Viele Woke-Hühner sind zutiefst unterf*ckt. Das hat aber auch mit der wirtschaftlichen und sozialen Instabilität – insbesondere seit der Subprime-Krise – zu tun. Männer müssen in jungen Jahren beruflichen Erfolg haben und nicht von Klassenzimmer zu Klassenzimmer geschickt werden ohne danach etwas damit anfangen zu können. Mit der Verrentung der Boomer werden wir bald sehen, dass der unfokussierte Klassenzimmermarathon nicht zu mehr Bildung, sondern zu einer Kompetenzlücke geführt hat.

      Ich wette, dass locker 90% des BWL-Studiums – und das ist DAS Massenfach – absolut nutzlos für die Sachbearbeiterrollen ist, die die Leute dann tatsächlich einnehmen. Und all diese Frustrierten, die in Karrieresackgassen hocken, während die ganzen NGOs, Kirchen, Subventionsbettler und so weiter die Gemeinschaftskasse plündern, haben diese Primaten-Aggression auf die unverrückbare Hierarchie. Nicht der Arbeitgeber wird als Unterdrücker gesehen, was Linke gerne so als Blitzableiter sehen mögen möchten würden, sondern die Linken selbst. Und dafür gibt’s den Kampf gegen Rechts.

      • @Ben
        Ach scheiße, weißt Du, ich hab so dermaßen viel zu tun, dass ich nie auch nur einigermaßen zeitnah dazu komme, hier nach Antworten zu schauen. Dafür möchte ich mich in aller Form entschuldigen.

        > Wir kommen aus einer historischen Phase, in der es besser gemacht wurde,

        Welche Phase meinst Du? Ich bezweifle jedenfalls, dass es jemals eine Phase gegeben hat, in der die Leute nicht bescheuert waren, und ich glaube, dieses Bescheuertsein ist ein intergenerationelles Projekt das ständig erweitert wird. Ich glaube auch, dass die Hysterie der Gegenwart, mit lebenslanger Indoktrination und die Leute immer verrückter machenden Massenmedien, ein neuer Höhepunkt geschaffen wurde, was jedoch dadurch ausgeglichen wird, dass die Menschen zu immer dozileren Haustieren Werden.

        > Die The­se, dass Lin­ke hyper­mo­ra­lisch sind, wur­de durch Thi­lo Sar­ra­zin („Der Tugend­ter­ror“) popu­la­ri­siert.

        Das Unabomber-Manifest, stammt aus den 1990ern, und Onkel Ted hat den Punkt aus einem Buch von Jacques Ellul aus den 1960ern oder 1970ern geklaut. Das Argument stammt nicht vom Thilo.

        > In dem Abschnitt, auf den du eingehst, rede ich vom Segment der bewussten Regelbrecher. Du redest vom Segment der Manipulierbaren. Da gibt es sicher auch Überlappungen, also jene, die um eine Regel zu achten, meinen, eine zweite brechen zu müssen ohne die Regeln grundsätzlich zu hinterfragen

        Oder jene, die unter den vielen in ihrem Kopf besonders strikten Regeln leiden, und die, um diesen Leidensdruck abzubauen, nicht gegen sondern für diese Regeln rebellieren. Das ist tatsächlich ein sehr verbreitetes Verhaltensmuster. Und Du musst schon zugeben, dass bei Leuten, die im Prinzip von Schuldkomplexen zerfressene Defätisten sind, von einem zugrundeliegenden psychischen Leidensdruck auszugehen ist.

        > „Ich stelle meine Katze gerade auf Tofu um.“

        Musste lachen

        > Hast du deine These, dass Menschen in Kriegsgebieten besonders psychisch stabil sind, einmal mit der Realität abgeglichen? Da musst du nochmal nachschauen.

        Ich müsste tatsächlich nochmal nachschauen, um Dir eine Quelle zu liefern, aber ich bin ziemlich sicher, dass Schizophrenie, Depression, und die üblichen psychischen Erkrankungen in Kriegszeiten sogar stark zurückgehen. Zumindest hab ich das wiederholt von unterschiedlichen Leuten gehört und gelesen, bei denen ich davon ausgehe, dass sie es nicht ungeprüft weitertragen würden.

        > Zeig mir mal eine Stelle im gottverlassenen Afrika, wo aus dem Dreck starke Männer steigen, die irgendwas auf die Reihe kriegen!

        In Afrika war Jagen&Sammeln ziemlich üblich, bis landfremde Zivilisationen dort alles durcheinander brachten. Und die Sache ist die, dass es gute Gründe dafür gibt, dass der Schritt vom Jäger&Sammler zum ortsansässigen Bauern, besonders als Teil einer größeren Gemeinschaft, weder freiwillig noch vorteilhaft noch angenehm war, sondern der erste Schritt zur Zivilisation die von Mangelernährung und Krankheiten geplagte Sklavenplantage war, die Getreide deshalb den Vorzug gegenüber besseren Feldfrüchten gab, weils mit einem Mal geerntet und danach gelagert werden muss, und sich dadurch leichter vom verantwortlichen Warlord stehlen lässt.

        Für diese These gibts sogar ne gute Quellenlage, falls Du Interesse hast. Jedenfalls würde ich den Negern jedenfalls zugutehalten, dass sie zumindest versuchen, das Richtige zu tun.

        > Viele Woke-Hühner sind zutiefst unterf*ckt.

        Also, die die ich kenne, sinds nicht. Die haben jederzeit mehrere Verehrer, die natürlich totale Luschen sind die sich von diesen Weibern scheiße behandeln lassen, und teilweise gehen die sogar in Swinger-Clubs.

        Ich hab da so eine Bekanntschaft mit Einer, die Daddy-Issues hat, und darum aus Prinzip Kerle die nett zu ihr sind für totale Luschen hält. Die hat daher auch jederzeit 1-3 Boyfriends, die sie jedoch alle verachtet. Irgendwann bin ich mit meinem Manspreading und meiner toxischen Maskulinität mal mit der aneinander geraten. Naja, das war der erste Eindruck, und mit über diesen tauscht man sich aus, und so hat sie indirekt erfahren, dass sie damals kurz davor stand, gleichberechtigt behandelt, sprich verprügelt, zu werden, und seither hat sie (unerfüllte) Vergewaltigungsphantasien in denen ich vorkomme.

        Der Punkt ist, dass ihr Männerbild und ihre Männer-Verachtung halt nicht zuletzt von den Männern um sie rum geprägt wird, was besagt, dass ungefickt zu sein für die häufig ein Upgrade wäre.

  5. Selbstredend mischt sich nicht nur der amerikanische Deep State in die Willensbildung der Bevölkerung ein, sondern auch der Verfassungsschutz. Ich hatte dazu mal eine kurze Zeitlang Meldungen gesammelt. Wenn es heißt, „Der Spiegel berichtet, dass der Verfassungsschutz eine Überwachung plant“ oder ähnliches, ist bereits in den Medien unverhohlen klargestellt, dass ein Maulwurf Vertraulichkeiten z.B. an den Spiegel weitergegeben hat. Während der Kündigungsphase von H.-G. Maaßen haben so einige Leitmedien berichtet, was sie nur wissen konnten, wenn Gesetze gebrochen wurden. Der jüngste Fall sind die NSU-Berichte, die an Jan Böhmermann herausgegeben wurden. Das ganze Vorgehen mit den Prangern (z.B. der Verfassungsschutzbericht) wäre in Amerika ein Skandal. Würde als quasi „Oktoberüberraschung“ vor hiesigen Wahlen ans Licht kommen, dass der Verfassungsschutz einen Bürger oder eine Gruppe überwacht, würde das keine Augenbraue heben. Der Deutsche hätte dann vor dem Bürger Angst und nicht vor dem Geheimdienst und dessen Spitzelei. Nur deshalb funktioniert das offiziöse Anprangern. Es wird die AfD sicher nicht gerne hören, dass das nicht der böse Ami so einfädelt hat, sondern dass das ein Webfehler der deutschen Kultur ist, den man beheben muss. Inlandsgeheimdienste dienen ausschließlich der Spionageabwehr und der Vereitelung konkreter Terroranschläge. Sollten sich die Stellen zu anderen Tätigkeiten berufen fühlen, gehören die Verantwortlichen vor parlamentarische Untersuchungsausschüsse geladen. Wir brauchen also nicht nur Klarheit bei Twitter, sondern auch bei den Sicherheitsorgane.

    Was mich umtreibt, ist die schamlose Unterminierung zivilisatorischer Mindeststandards, die durch die orwellische Kommunikationsbeherrschungssucht zutage tritt. Das ist ja nicht alles unterbewusst. Menschen entscheiden aktiv, dass A verschwiegen und B behauptet werden soll, um andere Menschen auf die falsche Fährte zu führen. Im zensurbeauftragten Unternehmensmittelbau von Big Tech, in der Politik und in den Medien laufen nicht nur Leute rum, die ihr ganzes Leben lang die Stars aller Klassenzimmer gewesen waren und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – sind sie von ihrer überragenden Urteilskraft absolut überzeugt. Aber selbst wenn ich so von mir überzeugt wäre wie die offenbar von sich, würde ich innehalten, bevor ich sagte, „Dem stopf ich das Maul“ und „Der lüg ich mal ins Gesicht“. Und das ist das schwierige Rätsel: Was bringt zumindest einige dieser Leute dazu, bewusst die absoluten Mindeststandards der Zivilisiertheit auszuhebeln?

    Die rasche, häufig vorgebrachte Antwort lautet: für eine höhere Sache. Aber ist das plausibel? Nicht nur fehlt in den typischen linken Denkmodellen wie dem Marxismus oder der Klimakirche die Detailbeschreibung der Utopie. Man hat es auch mit Protagonisten zu tun, die nicht einmal die direkten logischen Folgen irgendwelcher Behauptungen oder Handlungen durchdacht haben. Leute, die sich festkleben, ohne den Stuhlgang zu bedenken, haben keine Vision durchdacht, in die sie sich so sehr verliebt haben, dass sie alles andere dafür zu opfern bereit wären.

    Viel plausibler ist, dass der Fanatismus von der Dämonisierung lebt. Der anderen Seite unterstellt man eine solche grotesque Bösartigkeit, dass man sich gezwungen sieht, noch widerlicher sein zu müssen, bevor die anderen gewinnen. Da die andere Seite früher oder später erkennt, dass die Standards gesenkt werden, läuft sie Gefahr, der gleichen Logik zu verfallen, womit beide Seiten in einer Lose-Lose-Situation enden. Beim Militär weiß man, dass man mit einer Eskalation nicht nur riskiert, schwerere Angriffe erwarten zu müssen, sondern auch, dass man die wichtige Unterstützung dritter Parteien verlieren kann, wenn das eigene Handeln als unmoralisch wahrgenommen wird. Die Dreistigkeit der Linken ist also im Kern auch irrational.

    Das wissen sie aber natürlich nicht, weil sie nichts durchdenken. Mit dem Absenken der Standards und dem Hass auf das eigene Volk, senken sie aber auch die moralische Hoheit gegenüber anderen Völkern. Putin steckt in der gleichen Zynismusfalle und hält die demokratischen Errungenschaften für Geschwätzbrocken, die ohnehin niemandem etwas bedeuten, und mit Blick auf immer mehr Spinner im Westen muss er sich in dieser Idee auch bestätigt fühlen. Warum sollte er keine „gelenkte Demokratie“ wollen, wenn im Westen das Volk auch immer mehr an der Nase durch die Manege geführt wird? Er kann nicht wissen, dass Ehrlichkeit, Freiheit und Rechtssicherheit einmal tatsächlich etwas bedeutet haben. Er muss geradezu im Anblick des Verhaltens der linken Eliten zu dem Schluss kommen, dass die Lebensqualität des Westens auf anderen Dingen beruht. An der Stellt tritt ein diffuses Konzept von „Macht“ oder „Imperialismus“.

    Wenn ich die Putinverst … – oh, das ist eine schröckliche Beleidigung – die, äh, Putinellen, Putinöse, Russophilen – wie darf man diese Gruppe überhaupt nennen? – also wenn ich diese Leute abschätzig vom „Wertewesten“ reden höre, ist mir klar, dass sie sich auch in einen Fanatismus verdonnert haben, der auf einem übersteigerten Zynismus basiert. Es wird nicht geschaut, ob es überhaupt stimmt, dass der Westen schon moralisch so abgewirtschaftet hat wie andere Völker. Natürlich reden wir hier wieder von Leuten, die nichts durchdenken und entsprechend werden sich viele – einige davon einwanderungskritische Stimmen – auch noch nicht die Frage gestellt haben, was denn noch an Einwanderung zu bemängeln wäre, wenn die ganzen anderen Völker doch auf dem gleichen moralischen Niveau stünden wie wir. Wenn es doch genauso wahrscheinlich wäre, von einem Deutschen abgestochen zu werden wie von einem Afrikaner, dann kann man auch alles mit Afrikanern voll räumen. Oder glauben sie etwa doch, dass Deutsche nicht so rasch wegen unerwünschter Äußerungen oder anderen Unannehmlichkeiten zur Gewalt greifen? Glauben Sie vielleicht doch, dass der Wertewesten höhere Werte hat als andere? Die Antwort lautet wohl: ja. Sie glauben einfach beides. Sie glauben „Der Westen ist moralischer“ und „Der Westen ist auch nicht moralischer“. Die beiden Gedanken treffen nur nicht im Kopf aufeinander. Es wird nichts durchdacht.

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