Die Gazetten sind voll von Geschichten, die auf den ersten Blick aussehen, als wären sie im Paulanergarten geschrieben worden. Da liest man ungläubig von Erben, die „besteuer‘ mich härter, Staat!“ rufen oder von verwirrten Aktivisten, welche, „verbietet uns endlich etwas“ fordern. Man fragt sich, was das wohl für Menschen sind und ob sich deren Ruf nach Fremdbestimmung nicht praktischer durch Eigeninitiative und Selbstverzicht würde befriedigen lassen. Schließlich hält der Finanzminister für Menschen, die unter diesem Zwang leiden, diskret eine Kontonummer bereit und das Verbot zu fliegen oder Fleisch zu essen kann man sich – noch dazu mit sozialmedialem Applaus – auch selbst auferlegen. Doch aus dem Holz, aus welchem solche Menschen gemacht sind, werden nun mal die Löffel geschnitzt, mit denen der Rest der Republik die von der Politik bereitete Suppe auslöffeln muss. Die neueste überschwängliche Äußerung aus dieser Reihe gehört deshalb etwas genauer unter die Lupe genommen. Die RND-Kolumnistin Insa Thiele-Eich hat sie geschrieben, „Warum ich mir mehr Verbote wünsche“ ist der Artikel betitelt.

Das Verbot als Erleichterung

„Nicht im Restaurant rauchen, nicht ohne Gurt fahren: Unser Alltag ist voller Verbote, manche von ihnen bemerken wir schon gar nicht mehr. Aus Sicht von RND-Kolumnistin Insa Thiele-Eich können Verbote eine Erleichterung sein. Ja, sie findet sogar: Gerade wenn es um den Klimaschutz geht, braucht es mehr Verbote.“

An dieser redaktionellen Einführung sind gleich mehrere Dinge bemerkenswert. Leicht erkennt man zunächst den Verkäufertrick: ziehe zur Untermauerung deiner Argumente keine strittigen Sachverhalte heran und vermeide, die Antwort „nein“ zu erhalten. Gesetzliche Regelungen (die nebenbei gesagt auch nicht in Stein gemeißelt sind) als Beispiele zu nehmen, die keinen Widerspruch hervorrufen, bringt den Leser gleich auf die Seite der Autorin. Wer bekennt schon öffentlich, sich im Auto nicht anzugurten? Wer wagt es heute, sich im Restaurant eine Zigarre anzuzünden und den Kellner nach einem Aschenbecher zu fragen? Und wer das alles nicht tut, der will doch sicher auch dem Klima helfen, oder?

Womit wir beim heimlichen Teil wären, der kurzen Fahrt ohne Gurt, dem Clubraum in der Kneipe, in dem verbotswidrig bis heute geraucht wird, der roten Ampel, nachts um halb drei zwischen Kleinsiehstenich und Hintertupfingen. Oder, wenn wir schon beim Klima sind, beim heimlichen Gasgrill, der zweiten Bratwurst in fleischloser Zeit, der Katze, dem Hund, dem Benzinrasenmäher. Verbote, die das Verhalten von Menschen regeln, sind nur so gut wie der der Wille, sie zu achten oder die Macht, sie zu erzwingen. Fragen Sie unsere Faerser-Nancy, die mit Messerverboten gerade von Erfolg zu Erfolg eilt.

Ein weiteres Merkmal, das man leicht übersieht, ist das beim Leser vorausgesetzte Gefühl, dass die Gurtpflicht (StVO) und der aktivistisch aufgeblasene Klimaschutz in dieselbe Kategorie fallen. Da steht scheinbar nichts mehr in Frage, wer sich im Auto anschnallt, dem kann man auch fürs Klima irgendwas verbieten.

„Wie so manche kleine Kinder mag auch meine jüngste Tochter nicht immer im Kindersitz angeschnallt werden, egal ob im Auto oder auf dem Fahrrad. (Das ist eine Untertreibung. Sie schreit Zeter und Mordio.) Aber es ist sicherer so, das sagt der ADAC, man kann es selbst in Crash-Test-Videos sehen, und auch wenn man von der notwendigen Sicherheit eines Kindersitzes nicht überzeugt ist: Es ist unter keinen Umständen erlaubt, sein Kind ohne Kindersitz zu transportieren. Verboten!“

Als nächstes wird das Gefälle eingeführt zwischen denen, die Verbote erlassen, denen, die Verbote durchsetzen und denen, die sie zu erdulden haben. Das Kind in dieser Beziehung sind Sie, lieber Leser und nun quengeln Sie mal nicht so rum, Sie müssen angeschnallt werden! Mutti will es so und Vater Staat auch! Interessant, dass die Mutter den Staat als innere Stütze braucht, um eine simple und völlig sinnvolle Schutzmaßnahme zu akzeptieren. Erklärt bekommt das Kind hier übrigens nichts. So wie Sie als attestierter Klimasünder auch nichts erklärt bekommen. Das ist so, weil es so ist. Und jetzt frag nicht mehr, Kind!

„Verbote dienen dem Schutz“

„Und das ist gut so. Nicht nur, weil es natürlich dem Schutz der Kinder dient, sondern weil es auch uns Eltern das Leben erleichtert. Denn wenn meine Tochter sich wie ein wild gewordener Oktopus aufbäumt und schreiend probiert, dem Kindersitz zu entkommen, hilft mir das Verbot als Elternteil dabei, durchzuatmen und klar anzukündigen: „Ich sehe, dass du nicht in den Sitz möchtest. Trotzdem musst du angeschnallt werden, damit wir nach Hause fahren können.“ Punkt. So einfach ist das.“

Verbote erleichtern also das Leben. Der Tag bekommt einfach Struktur, wenn die Kette am Fuß nicht zu lang ist. Wem weniger Türen offenstehen, der geht nicht so oft durch die falschen. Augen zu und denk‘ ans Klima! Der Bürger, dieses widerwillig angeschnallte Kind auf dem Rücksitz, schreit übrigens immer noch und hegt allmählich Mordgelüste gegen seine Helikoptermama.

„Auch unser Erwachsenenalltag ist voll von Verboten, Restriktionen, Dekreten, Neins: Ich muss mich anschnallen, darf nicht bei Rot über die Ampel gehen, darf die brütende Stockente auf meinem Balkon nicht stören, meine Kinder dürfen nicht einfach so der Schule fern bleiben …“

Die brütende Ente möchte ich sehen! Stören würde ich die natürlich auch nicht, dazu wäre dies ein viel zu schönes Kuriosum. Die Sache mit der Ampel hatten wir schon, kommen wir zu Schulpflicht. Denn das ist ein äußerst ungünstiges Beispiel für die Verbotsapostel. Der Staat hat sich hierzulande das Quasi-Monopol verschafft, das er jedoch nur unzureichend zum Zweck der Bildung, sondern in erster Linie zur „Beschulung“ und über das Curriculum immer mehr zur Indoktrination nutzt. Die Ergebnisse müssten sich aber am Zweck messen. Ebenso wie die Anwendung von Gesetz und Verbot.

Manche Soziotope erreicht die staatliche Schulpflicht inhaltlich und organisatorisch kaum noch, ohne dass der Staat hier mit Nachdruck die Gurte der Kindersitze schließen würde. Im Übrigen muss ich hier auf eine juristische Spitzfindigkeit bestehen. Nicht das Verbot, der Schule fernzubleiben ist definiert, sondern die Schulpflicht als solche, woraus sich das „Verbot“ ergibt. Man kann seine Kinder aber auch aus der staatlichen Schule nehmen und auf eine (oft bessere) Privatschule schicken.

„Viele dieser Verbote bemerken wir schon gar nicht mehr – so selbstverständlich sind sie geworden. Man denke nur an das Rauchverbot. Es ist natürlich, dass wir an einem Ort, wo so viele Menschen zusammenleben, Regeln und Verbote brauchen. Sie dienen zum Schutz, ja. Aber gleichzeitig sind sie eben eine Erleichterung, um nicht ständig neu recherchieren und austarieren zu müssen, was denn jetzt die richtige Entscheidung für ein gutes gemeinsames Miteinander ist.“

Wir merken uns: Verbote tun gar nicht weh! Außer Rauchern vielleicht die Rauchverbote und Porschefahrern Tempolimits. Wo viele Menschen zusammenleben, stellen sich immer Regeln ein, deren Nichteinhaltung die Gemeinschaft ahndet. Das ist eine Binse und kein Argument für mehr Verbote. Deshalb sind Beispiele, die das gesellschaftliche Zusammenleben in unserem Land als positives Beispiel für das Wirken von Verboten zitieren, vollkommen lächerlich. Gerade in diesem Bereich erregen ausdrückliche Verbote heute oft Heiterkeit oder werden nur als grobe Empfehlung gedeutet.

Es ist zum Beispiel verboten, andere Menschen einfach wegzumessern, im Freibad fremde Bikinizonen zu erforschen und des Nachts spontane Werteübertragungen im Dresdner Grünen Gewölbe durchzuführen. Interessiert nur nicht mehr jeden. Schwieriger ist es schon, das seit April in diesem Land geltende Verbot zu übertreten, mit Kernspaltung Energie zu erzeugen. Dazu braucht es nämlich mehr als kriminelle Energie und den Mut, eine einsame rote Ampel zu ignorieren. Die Autorin irrt sich gewissermaßen in der Wirkungssphäre, wenn sie fortwährend gesellschaftliche Normen und Regeln mit den irrsinnigen wie willkürlichen Klimarettungseskapaden vergleicht.

„Es tut auch gar nicht weh“

„Deshalb wünsche ich mir sogar mehr Verbote – gerade wenn es um den Klimaschutz geht. In Frankreich gilt für die kommenden drei Jahre ein Flugverbot auf drei Inlandsstrecken, es betrifft zum Beispiel Linienflüge von Bordeaux nach Paris. Auf den ersten Blick eine deutliche Einschränkung der individuellen Mobilität. Doch gleichzeitig wird darauf geachtet, das Reisen auf dieser Strecke in 2,5 Stunden verlässlich mit dem Zug zu ermöglichen, und diesen so fahren zu lassen, dass Passagiere dennoch acht Stunden vor Ort sein können. Wie schön wäre das in Deutschland für manche Strecken! Es würde klimabewusste Mobilität sehr viel einfacher machen.“

Na, endlich mal was Technologisches! Aber schauen wir mal etwas genauer hin. Das Flugverbot gilt nämlich nur, wenn es eine schnelle und zuverlässige Bahnverbindung gibt. Außerdem ging das Verbot im streikfreudigen Frankreich nur deshalb so butterweich durch, weil die drei betroffenen Strecken seit 2020 ohnehin nicht mehr geflogen werden. Das von der Autorin als Vorbild gepriesene Verbot ist somit das billigst zu habende Moralsignal und bewegt sich auf dem Niveau eines Verbots, Dodos zu jagen. Im Übrigen dürfen wir getrost annehmen, dass private Flüge zwischen Bordeaux und Paris weiterhin möglich sind. Mit und ohne Kindersitz.

Willkommen hinter der Fichte, wo ich noch ein anderes Gegenbeispiel anbringen möchte. Das implizite Verbot, als Beschäftigter im Gesundheitswesen oder Soldat von der Covid-Gentherapie verschont zu bleiben, war für sehr viele Menschen alles andere als schmerzfrei. Das Verbot, ungeimpft zu bleiben hat Karrieren zerstört, Leben ruiniert, Menschenleben gekostet und das Vertrauen der Bürger in Institutionen wie Regierung, Forschung, Medien und das Gesundheitssystem als Ganzes nachhaltig beschädigt. Um im Bild der Autorin zu bleiben: man hat das zappelnde und verunsicherte Kind am Hals angeschnallt.

„Auch am Beispiel des EU-Einwegplastik-Verbots kann man sehen, wie wirkungsvoll es sein kann, sich für ein Verbot zu entscheiden. Denn seitdem wird verstärkt über Alternativen nachgedacht, der Einsatz von Kunststoff grundsätzlich stärker hinterfragt. Und ich als Verbraucherin habe plötzlich viel mehr Möglichkeiten als vorher, meinen Mehrwegkaffeebecher einzusetzen.“

Wie sinnvoll sind Verbote und wer ist im Besitz des wertenden Maßstabes? Sinn und Zweck des Plastikverbots war ja nicht, Verbraucher zum Nachdenken über Alternativen anzuregen, sondern mal wieder die Welt zu retten. Diesmal vor Plastik aus europäischen Haushalten, das im Unterschied zu indischem, chinesischem und lateinamerikanischem Plastik die Weltmeere gar nicht verschmutzte.

„Insofern sind Verbote (quasi) wie dornige Chancen – für uns alle. Sie befreien. Und sie tun auch gar nicht weh. Genauso wie das Anschnallen im Kindersitz.“

Wenn Verbote befreien, schränkt Freiheit uns ein. Wer mit dieser geistigen Selbstschussanlage im Kopf leben muss, ist genug bestraft, denke ich.

Fazit

Wir lernen also, das die besten Verbote jene sind, die nichts bewirken oder die einen selbst nicht betreffen. Wenn sich Verbote nicht aus kulturellem Hintergrund und einer Logik ergeben, für die „Volksschule Sauerland“ genügt, dienen sie meist lediglich einer angemaßten autoritären Erziehung der Menschen und lassen gern Schlupflöcher für den eigenen Komfort. Klimaaktivisten mit dicken Flugmeilenkonto fordern Flugverbote, Lastenfahrradfahrer fordern Tempolimits, Stadtbahnfahrer verlangen autofreie Innenstädte und Veganer den Fleischverzicht. Dass eine angehende Astronautin (Thiele-Eich trainiert für eine Mission zur ISS) Flugverbote auf der Kurzstrecke feiert, ist deshalb nur zu verständlich. Sie selbst will sich schließlich auf die denkbar längste Flugreise mit geradezu elefantösem CO2-Ausstoß machen, die sich derzeit auch nur denken lässt. Es ist anzunehmen, dass sie nicht warten will, bis Verkehrswende mit Wind- und Solarenergie auch bei Orbitalflügen angekommen sind. Das täte ihr nämlich weh.

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11 Kommentare

  1. Bin gerade in Montenegro im Urlaub, von hier aus betrachtet liest sich diese Verbotsforderung doch sehr amüsant. Hier merkt man erstmal, wie stark Deutschland jetzt schon reglementiert und kontrolliert wird. Und, oh Wunder, die sind hier noch Garn nicht kurz vorm Aussterben…

    • Wie rückständig die Montenegriner aber auch sind! In Nordkorea ist man schon weiter. Dort wird gerade sogar der Selbstmord verboten.
      https://www.businessinsider.com/kim-jong-un-bans-suicide-after-numbers-skyrocketed-report-2023-6
      Ich kann mir schon die Anne Will Sendung dazu vorstellen. Fragt sich nur, wer der kaltherzige Gast sein wird, der den Selbstmord gegen die Überzahl der anderen Gäste verteidigen will.

      Alles muss seine Ordnung haben. Ich hab gehört – aber Vorsicht, noch nicht bestätigt – dass die Claudia Pechstein in Kampfmontur auf dem CDU-Parteitag erschien und am Mikro meinte, „Hallöchen, Leute! Das iss jetzt hier nur so’n Putsch. Bleiben Sie also einfach ganz ruhig und folgen Sie meinen Anweisungen!“ Ob die CDU-Delegierten rebellisch Widerstand geleistet haben, ist noch ungeklärt, aber die Claudia hat damit auf jeden Fall gegen die in Deutschland all-entscheidende HKG-VO verstoßen, die Hauptmann-von-Köpenick-Gedächtnis-Verordnung. Was da alles hätte passieren können! Liest die nicht die ZEIT? Weiß die nicht, wie weit und wie oft die CDU schon nach rechts gerückt ist? Wenn ein Reichsbürger das Feuer auf sie eröffnet hätte, hätte doch nur wieder die AfD davon profitiert!

  2. Martina Binnig, die aktuell in ihren Kolumnen den EU-Wahn beschreibt, hat wahrscheinlich auch schon das Muster entdeckt, dass Verbote in Brüssel immer als eine Art Innovation zugunsten der Bürger beschrieben werden. Flankiert werden Vorschriften und Gängelungen gerne mit dem Wort „ambitioniert“. Aktuell gibt es wieder einen Vorstoß zur Regulierung von Energiespeichern. Leute, die die wissenschaftliche Literatur dazu lesen, wissen, dass es in dem Bereich zugeht wie bei den Veröffentlichungen in der Medizin. Jeden Monat erfährt man von einem neuen Durchbruch. In Wahrheit stagniert die Entwicklung von Akkus und Batterien seit Jahrzehnten. Aber Dank der EU können wir uns nun zurücklehnen, denn Sachen, die noch nicht gut genug sind, werden einfach verboten. Und wenn sie nicht gleich verboten werden, dann setzt man ihnen einfach eine Frist, eine ambitionierte Frist, in der die faulen Chemiker und Physiker endlich die gewollten Naturgesetze entdecken sollen. Wenn die Verwaltung aber auch nicht alles selbst macht, passiert doch nichts!

    „Der Verbraucher“ darf sich freuen, dass die Materialien Kobalt, Blei und Nickel in zukünftigen Akkus so verbaut werden müssen, dass 16%, 85% und 6% davon recyclt werden können. Das ist so, wie wenn man ein extrem exaktes Rezept von seiner Chefin – nennen wir sie mal unverfänglich „Ursula“ – in die Hand gedrückt bekommt und eingeschärft kriegt, kein einziges Gramm davon abweichen zu dürfen. Auf dem Weg nach draußen schreit Ursula noch „Und denk diesmal daran, das Rezept innovativ zu verbessern!“

    Ich glaub auch, dass die im Text oben beschriebene Heuchelei der Verbotssüchtigen mit einer kognitiven Limitierung einhergeht. Ein stabiles Regelwerk ist immer auch ein Vertragswerk, dass symmetrisch sein muss, damit es nicht von der einen oder anderen Seite aufgekündigt wird. So weit, so banal. Aber das Banale ist für viele nicht banal genug. Jesus betonte, dass für ihn das Gebot, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, das zweitwichtigste Gebot sei, direkt nach dem Gebot, den Herrn zu lieben. Auch in allen anderen Kulturen wird die sogenannte „goldene Regel“, wonach man anderen nicht antun soll, was man selbst nicht angetan bekommen möchte, immer wieder hervorgehoben. Sie muss betont werden, weil sie zwar trivial, aber nicht trivial genug ist. Wäre jedem klar, dass man selbst vielleicht auf Rauchen leicht verzichten kann, aber nicht auf Alkohol, und dass es sich für den Nächsten schon genau umgekehrt verhalten könnte, würde man aus Angst, seine eigenen Freuden im Leben verboten zu kriegen, auf herrisches Gängeln verzichten.

    Aber ein solcher Gedanke erfordert ein analytisches statt ein rein symbolisches Denken. Wer mit Vegetarismus versucht, das seit der kambrischen Explosion herrschende „fressen und gefressen werden“ zu bekämpfen, tut „seinen kleinen Teil“, denkt also nur symbolisch, weil er von quantitativen Erwägungen überfordert ist.

    Dennoch fällt den „ihren kleinen Teil Tuenden“ auch auf, dass sie nichts damit erreichen. Ihr Weg zur quantitativen Lösung ist die undurchdachte Verbotsforderung, weil andere Wege kognitiv komplexer sind. Jetzt tu ich kurz mal Immanuel Kant unrecht, dessen kategorischer Imperativ besagt, dass man jeweils nach der Maxime leben solle, von der man sich vorstellen kann, dass alle so leben könnten. Das klingt fatal nach dem grünen Milieu.

    Rigoros betrachtet, ist das eine dumme Idee. Man stelle sich vor, dass nach einer objektiven Abwägung von Vor- und Nachteilen das Befahren einer Straße immer besser ist als das Befahren einer zweiten, die zum gleichen Ziel führt. Entscheiden sich nun alle Verkehrsteilnehmer für die beste Lösung, addieren sich weitere Nachteile zu denen der bislang optimalen Strecke, die man vorher nicht erwogen hat, und es kommt z.B. zum Stau und einer früheren Beschädigung der Fahrbahn. Die optimale Lösung ist also oft genug, dass eben nicht alle „das Richtige“ tun, sondern unterschiedliche Leute Verschiedenes. Um das zu erkennen, braucht man aber intellektuelle Demut und ein Verständnis für Komplexität.

    Nun war Kant vermutlich weniger rigoros als er von seinen Kritikern dargestellt wird. Seine Binse, sich bei seinen Handlungen an Gedankenexperimenten zur universellen und symmetrischen Anwendung der Regeln und Lebensregeln zu orientieren, hilft bei den meisten Entscheidungen typischerweise weiter. Entsprechendes gilt für die von Konfuzius und Jesus betonte goldene Regel. Jesus selbst wies auf ihre Trivialität hin. Er begründete die fragwürdige Feindesliebe damit, dass doch sowieso jeder den lieben könne, der ihn auch liebt (Matthäus 5, 43-48). Tatsächlich ist es trivial, andere nicht anders zu behandeln, als man selbst behandelt werden will, aber es ist nicht, wie er an dieser Stelle argumentiert, schon trivial genug, um sich darauf verlassen zu können, dass sich Leute tatsächlich so benehmen. Wäre es so trivial, wäre die Nächstenliebe wohl kaum, wie er an anderer Stelle (Matthäus 22,39) argumentiert, das seiner Meinung nach zweitwichtigste Gebot. In diesem Sinn hat also auch der kategorische Imperativ seine Berechtigung, auch wenn die Grünen den Vogel abschießen und jedem ein Tofuschnitzel auf den Teller legen wollen, um ihr privates Handeln zu verallgemeinern.

  3. Mir wurde als Knirps wenig verboten. Aber jedes Mal, wenn es mir dann weh tat, hieß es: „Strafe Gottes“. Im ersten Supermarkt war ein riesiger Kegel aus Dosen aufgebaut. Eine ältere Dame mit Stöckelschuhen stolperte und viel in diesen Dosenhaufen. Nachdem sich diese Dame etwas berappelt hatte sagte ich als Steppke ziemlich laut zu ihr: „Strafe Gottes“. Und die Leute gaben mir recht!! Diese alte Schrulle mit Stöckel sei selbst Schuld. Ich war noch im Kindergartenalter. Auch so funktioniert Sozialisierung. Diese ganze Verbotsorgie ist nichts anderes als eine gesellschaftübergreifende Resozialisierung. Im Neudeutsch Forming genannt.

  4. Die Balance zwischen individueller Freiheit, den Interssen des Kollektivs und der beiderseitige Duldung von notwendigen/unvermeidlichen Übergriffen ist eine ziemlich fragile Angelegenheit und ein Thema, für das auch Generationen von großen Denkern keine endgültige Lösung gefunden haben.

    Dazu würde ich diese Dame aber auch nicht zählen, wenn für sie Bevormundung eine Selbstverständlichkeit und die Abwesenheit von Verboten ein zu behebender Mangel ist. Damit hat sie überhaupt nichts, was sie für eine derartige Erörterung qualifiziert. Wie kommen die „Qualitätsmedien“ eigentlich dazu, jede Frage mit intellektuellem Tiefgang auf Stammtischniveau zu verflachen, indem sie völlig Ahnungslose plappern lassen?

    Mann kann darauf nur antworten: Jeder Mensch muss atmen, sonst stirbt er. Also ist es doch zur eigenen Sicherheit absolut notwendig, dass ein Verbot, nicht zu atmen erlassen wird. So einfach geht Lebensrettung.

    • Aber zu atmen fördert das Klima und seine Dauerkrise, also die Klimaüberhitzung weil die am Atmen und am CO2 liegt!, nein?, und also wird es höchstwahrscheinlich zu Atemverboten kommen – weil das so müssen muss.
      Man wird dann heimlich atmen müssen; immer mal ein Luftschnäppchen hier und eins da, sofern keiner hinsieht.

    • Merkel, Roth, Bärbock, Lang,… nur so ein paar Namen ohne Bindestrich. Hätten diese Damen doch einen Bindestrich gehabt. Uns wäre viel erspart geblieben.

  5. Was mich besonders ankotzt, ist die unglaubliche Arroganz dieser ganzen Verbotsforderer. Implizieren ihre vermaledeiten Verbote doch, dass sie den Stein der Weisen gefunden haben und der Rest der Deutschen einfach nur zu blöd ist den (nicht vorhandenen) Sinn dahinter zu erkennen. Abgehoben, weltfremd und übergriffig nenne ich das!

    • Na klar. Aber es ist klassisches Mutti-Deutsch, klassisch-mütterlich-besessenes „der Teller wird leer gegessen!“, und beruht also auf klassisch-mütterlich-gewalttätiger Überforderung durch den simplen Alltag, der dann zu gewaltigen Überfliege-Fantasien führt und dann düst man zur ISS, einerseits; und andererseits führt diese Überforderung zu einer allgemeinen Diktatürlichkeit die im Kinderzimmer anfängt und erst jenseits aller Sterbebetten endet.

      Darum: Überforderte Mütter in Machtpositionen sind der Anfang allen Endes, weil solche Charaktere überhaupt alles und alles an ihrem überforderten Übermutterdasein messen, und dann muss alles nach deren Pfeife tanzen.

  6. Ich befürchte, wenn sich der Wind “ Hier “ mal dreht, wird das Blut in Strömen fliessen !

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