Eines der verstörendsten Interviews, die ich seit langem lesen durfte, steht in der ZEIT. Grace Blakeley, eine 26 Jahre alte Ökonomin aus Großbritannien und „Verfechterin des demokratischen Sozialismus“, faselt darin von der Rettung der Briten durch eine Labour-Regierung. „Der Kapitalismus ist am Ende“, so Blakeley. Nun, als Mitglied im National Policy Forum der Labour-Partei, die einst unter Blair zu „New Labour“ wurde und unter Corbyn gern wieder zu „Old Labour“ werden will, muss sie wohl so reden. Dass es Menschen gibt, die so denken, ist auch nicht weiter bemerkenswert. Schließlich befasst sich auch in Deutschland ein ganzes Parteienspektrum mit sozialistischen Träumereien vom digitalisierten Arbeiter- und Bauernparadies. Erstaunlich ist jedoch, dass es ausgerechnet immer extrem privilegierte Menschen zu sein scheinen, die sich der kommunistischen Weltgestaltung verpflichtet fühlen. Hier einige Entgegnungen auf Blakeleys Kerngedanken:

1) Blakeley ist Oxford-Absolventin, für sie hat der Kapitalismus also ganz offensichtlich sehr gut funktioniert. Denn entweder haben ihre Eltern oder ihr Fleiß ihr das Studium an der wohl exklusivsten Uni auf diesem Planeten und einen Abschluss ermöglicht, welcher geradezu ein Freilos für wirtschaftlichen Erfolg ist. Doch man kann nicht beides haben: demokratischen Sozialismus und Oxford.

2) Blakeley träumt von der „Verstaatlichung der Produktionsmittel“ und ignoriert dabei die Tragik der Allmende – als Oxford-Absolventin in Ökonomie sollte sie davon aber schon mal gehört haben. Das versucht der „demokratische Sozialismus“ gern dadurch zu lösen, indem er den „neuen Menschen“ schaffen will. Einen Menschen, der selbstlos, perfekt und allein dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Definiert, erzogen und sanktioniert von einer kleinen Wissenselite, zu der sich Blakeley zugehörig fühlt – schließlich war sie in Oxford!

3) Auch Blakeley verwendet die Klimadebatte als Hintertür, um den Kommunismus einführen zu können. Darüber wurde genügend gesagt und geschrieben und davor ist so laut gewarnt worden, dass ich hier nichts hinzufügen muss. Der Kapitalismus, selbst wenn er nur inkonsequent implementiert und überall korrumpiert sein mag, kann acht Milliarden Menschen halbwegs ernähren. Ein anämischer, zentralistischer Ökosozialismus mit „demokratischem“ Mäntelchen kann es nicht.

4) Dass eine Regierung prinzipiell erfolgreich ist, wenn sie nur ein bestimmtes Ziel und eine Mission hat, ist – Gott sei’s getrommelt und gepfiffen – nur ein Gerücht! Riefenstahls „Triumpf des Willens“ wäre sonst Pflichtstoff im Fach Gemeinschaftskunde an englischen Schulen und für uns alle wäre Stalins Geburtstag ein Feiertag. Die Tatsache, dass Regierungshandeln immer zentralistisch ist, mündet jede intrinsische „Mission“ einer Regierung in Katastrophen – außer der einen, nämlich die „Mission“ effektiv, reibungslos, transparent und frei von Wissensanmaßung und Übergriffigkeit ins Private zu funktionieren.

5) Die EU ist in ihrer aktuellen Marschrichtung eben gerade nicht das kapitalistische Freihandelsparadies, für das Blakeley sie hält. Die EU entwickelt sich mehr und mehr zu einem zentralistischen und protektionistischen Superstaatsgebilde, dass Kompetenzen an sich zieht wie eine Lampe die Motten.

6) Blakeley liegt falsch, wenn sie die Neigung zur Konzernbildung und Machtkonzentration für einen Ausdruck des Kapitalismus hält. Vielmehr ist das die Kehrseite der politischen Zentralisierung und Internationalisierung. Die etatistische Politik hat gern „Partner auf Augenhöhe“ und glaubt, diese Partner in möglichst großen, möglichst wie sie international agierenden Konzernen zu finden.

Man möge sich zudem darüber im Klaren sein, dass es im „Endziel“ des ökonomischen Umbaus in Richtung Sozialismus auch gigantische monopolistischen Wirtschaftsgebilde gäbe, denn ein Volkseigenes Kombinat lässt sich viel leichter kontrollieren, als dezentrale, marktwirtschaftlich agierende kleine Einheiten. Und Kontrolle* – da wird mir selbst der knochenhärteste Erzkommunist zustimmen, ist entscheidend für den „demokratischen Sozialismus“! Jede Zentralisierung, auch die der Wirtschaft, führt aber langfristig zu trägen, schwerfälligen und politisch kompromittierbaren Strukturen, die an ihrer Größe leiden. Ganz gleich, ob es sich um Imperien, Unionen oder Konzerne handelt.

Fazit

Heute steht in Großbritannien mehr auf dem Spiel als die Frage, ob das Brexit-Referendum aus dem Jahr 2016 umgesetzt wird oder ob sich die Regierung durch Taschenspielertricks in ein weiteres „retten“ darf, um einfach so lange abstimmen zu lassen, bis das britische Volk endlich das „will“, was es „soll“. Es geht angesichts einer extrem nach links gerückten Labour-Partei auch und vor allem darum, ob Großbritannien wieder in die bleierne Zeit von Wilson und Callaghan zurück fällt und das Land in ein kollektivistisches und sozialistisches Insel-Dystopia umgebaut werden wird.

Die letzte verbliebene Industrie, die Finanzwirtschaft in der City of London, wäre wohl schneller abgewandert oder ruiniert, als Corbyn „Verstaatlichung“ rufen kann – ganz zu schweigen davon, dass der Labour-Chef ein Antisemit trübsten Wassers ist und seine Freunde bei der Hamas  „Salut“ schießen würden, käme ausgerechnet er an die Macht. Wem ich unter diesen Umständen für den Wahlsieg die Daumen drücke, ist wohl offensichtlich.

* Eigentlich muss man hier von Kontroll-Illusion und zwar gigantischen Ausmaßes sprechen. Denn genau hier lag noch in jeder praktischen Umsetzung sozialistischer Ideen die Ursache des Scheiterns. Die Möglichkeit des Scheiterns wohnt zwar jeder menschlichen Unternehmung inne, aber um im gigantischen Maßstab und existenziell zu scheitern, brauchte es zu allen Zeiten sozialistische Großmachtideen und zentrale staatliche Lenkung.

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5 Kommentare

  1. Diese Leute glauben an den „fully automated luxury communism“. Sie denken, wenn wir erst alle durch die große Revolution „befreit“ sind, dann sind wir alle mehr oder weniger (und sie selbst ganz besonders) Kommissare, die vom Home Office aus die sozialistischen Geschicke des Vereinigten Utopia lenken.

    Keiner denkt, er könne dazu verdonnert werden, mit bloßen Händen Runkelrüben aus dem Boden der EU-Kolchosen ziehen. Aber darauf läuft es hinaus. Kommunismus ist Kommunismus, immer derselbe, seit über 100 Jahren.
    Dabei geht die Grundidee schon viel weiter zurück. Ich kann hier nur aus meiner englischen Ausgabe zitieren:

    Praxagora: I want all to have a share of everything and all property to be in common; there will no longer be either rich or poor; I shall begin by making land, money, everything that is private property, common to all.
    Blepyrus: But who will till the soil?
    Praxagora: The slaves.
    (Aus „Ecclesiazusae“, Zeile 590-591 & 597-598 & 651)

  2. Ein nicht zu unterschätzendes Problem von Labour und SPD!
    Langsam mehren sich Anzeichen, dass doch etwas dran ist an der „Uterus Controlled Thinking“ Theorie, übersetzt, Gebärmutter gesteuertes Denken. Mit dem steigenden Anteil von Frauen haben Labour und SPD in der Wählergunst abgenommen. Man könnte fast meinen, die feministische Revolution frisst Ihre Mütter. Wenn nicht mehr Leistung zählt, sondern nur Geschlechsteile zählen um eine Quote zu erfüllen, werden wir das politische Personal erhalten das wir durch solche Entscheidungen verdienen. Bei der Mobilisierung der Wähler in England hat man gesehen, dass alle lautstarken Minderheiten noch keine Mehrheit ergeben. Wer arbeiten muss, kann nicht demonstrieren. Nur wer Zeit hat und nicht arbeiten muss, kann sich in sozialistischen Gelaber und Aktionen, in seiner Blase, moralisch aufwerten.

  3. Da reiht sich doch das Gelabere einer Frau Guiron nahtlos ein („So müssen sich die Menschen 1933 gefühlt haben“).

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