Der Wechsel ging schnell. Die FAZ zog am 31.3.2018 den Stecker, die Blogs von Rainer Meyer alias Don Alphonso verschwanden aus dem Angebot und sind auf der Seite auch nicht mehr zu finden. Ausgebloggt, ausgelöscht* – vergessen sind sie nicht. In einem Kommentar unter dem letzten Text sprach ich noch von der Hoffnung, dass ja nun bald Ostersonntag sei und da war doch mal was mit Auferstehung…die erfolgte nun pünktlich zum 1. April, eben dem Ostersonntag. Ein feines Timing hatte da der Springer-Verlag, der Meyer bei der Welt unter Vertrag genommen hat. Beide Blogs bleiben also erhalten und werden unter gleichem Namen fortgeführt.

Ich habe die Entscheidung der FAZ kritisiert, Meyers Blogs aus solch dubiosen Gründen einzustellen, wenngleich die Verantwortlichen natürlich jedes Recht dazu hatten. Beklemmend ist jedoch, wie rasant sich der Wandel hin zu einem ununterscheidbaren Einheitsangebot selbst in saturierten ehemals konservativen Medien wie der FAZ vollzieht. Man möchte es tunlichst vermeiden, sich kritisch auch mit den Veröffentlichungen anderer Medien auseinanderzusetzen. So sollte man meinen, dass die privaten Zeitungsverlage der natürliche Feind der öffentlich-rechtlichen Medien seien. Noch vor wenigen Jahren stritt man sich heftig vor Gerichten darüber, wie der Informationsauftrag der ÖR-Medien zu definieren sei – von dieser Konkurrenz ist kaum noch etwas geblieben, den freien Medien ging die Puste aus. Kein Wunder angesichts ihrer Angebote, denen man beim verflachen und eindimensional werden buchstäblich zuschauen kann.

Wenn in den Blogs von Meyer despektierlich von der „Prantlhausener Zeitung“ die Rede war – womit natürlich die Süddeutsche Zeitung und deren leitender Redakteur Heribert Prantl gemeint waren – kamen stets kritische aber distanzierte Beschreibungen, die wie beiläufig Kratzer im Lack des Münchener Blattes hinterließen. Auch solche Streifzüge sind heute scheinbar unerwünscht. Man kann schließlich nie wissen, mit wem man sich eines Tages gemeinsam im öffentlich-rechtlichen Rettungsboot der Medienkooperation wiederfinden wird. Die Süddeutsche sitzt bereits fest im Boot mit WDR und NDR und es darf angenommen werden, dass die Begehrlichkeiten in anderen Verlagen in ähnliche Richtungen gehen. Aus Gründen. Interessant ist ein Interview, welches Meyer am Starttag bei der Welt dem Onlineportal meedia gab, wo er die Umstände seines Wechsels etwas näher erläutert.

Aus der Zeit gefallen oder zeitloses Gefallen?

Ich habe die meisten der Texte gelesen, die Meyer auf seinen FAZ-Blogs schrieb, wobei ich seine investigative Seite, die er nur selten zeigte, am besten fand. Seine Kritiker warfen ihm oft vor, zu langatmig zu sein und selbst noch aus Banalitäten den Faden einer Geschichte spinnen zu können. Diese Reisebeschreibungen im Postkutschentempo passten doch nicht zum Zeitalter des ICE und des Flugzeuges! Doch scheinbar glänzt unsere schnelle Zeit nur an der Oberfläche. Bahnhöfe werden nicht fertig und Flughäfen kommen nicht ans fliegen. Wer die Baustellen der Republik – die physischen wie die mentalen – in der Kutsche oder mit dem Fahrrad besucht, sieht oft mehr. Zu diesem Bild passt auch die Selbstbeschreibung Meyers, die er auf eine Frage von meedia gab:

„Als ich jung war, war links die Freiheit, einen „Stoppt Strauss“ Button zu tragen. Heute prügeln angebliche Linke eine „Merkel muss weg“-Demo zusammen. Früher war der Gewerkschaftler links, der die Sorgen und Nöte der deutschen Arbeiter in den Mittelpunkt stellte. Heute gilt als links, wer die Folgen der deutschen Wirtschaft in Afrika als Postkolonialismus verleumdet, und die Schuld in uns allen sucht. Früher war links die Freiheit, ein Plakat mit einer halbnackten Frau in der Maximilianstrasse gegen den Willen der CSU aufzuhängen. Heute hängen solche Plakate am Marienplatz: SPD und Grüne fordern ihre Entfernung. Links war früher die Möglichkeit, ohne Vorzensur in der Schülerzeitung zu schreiben. Heute ist links, andere als Kartoffel und als rassistisch zu beschimpfen und Mitarbeiter dazu zu bringen, mir Tipps zu schicken, weil man das in der Prantlhausener Zeitung nicht mehr schreiben kann. Früher war links die Einstellung der kleinen Leute, die ein Haus und zwei Kinder bezahlen wollten. Heute ist links eine 800mg Ibuprofen zum Frühstück nehmende Singlefrau, die drei prekäre Bildschirmjobs in Berlin macht und normale Menschen hasst, die gefälligst ihr Bedingungsloses Grundeinkommen zahlen sollen, das sie dann mit dem Dealer an der S-Bahn teilt. Ich bin immer noch 1992-links. Jetzt bin ich nur ein alter, weißer Mann, der versucht, zu überleben – möglichst lang, möglichst viele der Gegenseite.“

Nun schreibt er also wieder. Es ist, als hätte er nur den Raum gewechselt, sich eine frische Tasse Tee in eine feine chinesische Schale eingeschenkt und schriebe nun weiter, als wäre nichts geschehen. Ein wunderbares Beispiel für die Regel, dass der Inhalt das Medium trägt, nicht umgekehrt. Die Leute lasen Don Alphonsos Abenteuer vom Tegernsee nicht, weil sie in der FAZ standen – sie besuchten die FAZ, weil dort Don Alphonso schrieb. Das tut er nun bei der Welt und seine Leser werden ihm folgen. Für mich jedenfalls ein Grund, mein Welt-Plus-Abo nun doch zu verlängern.

* Direktlinks funktionieren natürlich noch. Die Blogs sind jedoch im Portal nicht mehr zu finden.

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7 Kommentare

  1. Der Tegernsee zieht nach Berlin – Don Alphonso bei der “Welt”
    Jo mei – der Fonse jetzt bei der Springer-Friede!
    Es wird sich weisen, ob das Konzept „Tegernsee, schönes Bayern, Fahrrad, Bella Italia Nord, Gemälde, Nippes und silberne Teekannen“, aus denen dann ein Gesprächsfaden baumelt, weiterhin tragfähig ist.
    Für meinen Geschmack ist die Konversation dort schon eine ganze Weile trockengelaufen, wenn auch nun viele mit vielen Achs und Oochs von Don Alphonso bei der FAZ Abschied genommen haben. Ein bißchen las es sich doch wie ein Kondolenzbuch und die guten Wünsche klangen wie das stereotype „Schön’n Ahmd noch!“ der Supermarktkassiererin…
    Jedenfalls ich habe meine kostenlosen Schreibleistungen zum Nutz und Frommen des Don dort schon vor Monaten eingestellt, mir wurde das nämlich dort zu tümlich.

  2. Es wird einiges Wasser die Elbe runter fließen müssen, bevor man beurteilen kann, ob diese Entscheidung von Rainer Meyer eine glückliche Wahl war.

    Matthias Matussek wurde eiskalt gefeuert, als er sich nach den Anschlägen von Paris in einem Fratzenbuch-Eintrag kritisch äußerte. Ein Smiley brach ihm das Genick, wobei Dieckmann und Döpfner nur einen Anlaß gefunden hatten, den unbequemen Denker zu entsorgen.

    Wann immer ich auf Won bin und diese primitive Putin- und Trump-Hetze überschriftenmäßig lese – was für eine Odelgrube voller Haß, Hetze und krankhafter Diffamierung! Diese weltoffenen Toleranzbesoffenen, hinter deren Fassade nur mittelmäßige, bösartige Kleingeister lauern.

    Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass ein Schöngeist wie Don Alphonso in einer solch abstoßenden geistigen Umgebung sich kreativ entwickeln und entfalten kann. Doch wünsche ich es ihm von ganzem Herzen und freue mich, seine Beiträge, die so wohltuend klar und ruhig sind, dort nun weiterhin lesen zu können.

    Und wie gesagt: es wird einiges Wasser die Elbe runter fließen müssen …

  3. Sehr schön. Die Frage ist allerdings, ob die dortige Foren-Moderation auch ~500 Kommentare pro Artikel zulassen wird.

    Die Welt (pro-Merkelregierung), die Zeit (anti-alles-was-nicht-Links-ist), der Spiegel (übergeschnappt), und der berliner Tagesspiegel (linke Radfahrerpostille), nehmen sich nur wenig in ihren jeweiligen Moderationsstilen. Die Einen werfen vermeintlich linke Kommentatoren aus dem Forum, die Anderen werfen vermeintlich rechte Kommentatoren hinaus, doch wohl nur bei meiner Person war kein einziges Medium diskriminierend. Die Themen Islam, Migration, Parteipolitik, und Meinungsfreiheit angefasst… – und Tschüss! 🙂

    Des Weiteren stellte nicht nur ich fest, dass es einen verschärften Gesinnungsgruppendruck in Online-Diskussionen zu geben scheint. Viele „Blockdenker“ dreschen auf jede abweichende Meinung ein, ohne sich überhaupt mit dem Sachargument zu beschäftigen („Anti-Islam?“ -> „Rassist!, Xenophob!“). Verschärfend kommt hinzu, dass jedes Forum seine „Lieblinge“ hat, die sich fast alles erlauben können, während die entsprechenden Widerworte nicht veröffentlicht wird. Das wird irgendwann so einseitig, dass Leute wie ich sich einfach abwenden, und sich aufmachen nach Unbesorgtland. Die verbleibenden o.g. Forenartifakte sind, nach einer gewissen Zeit, nur noch reine Echokammern, in der sich immer wieder dieselben Altbekannten gegenseitig die Genitalien kraulen. Jeder Meinungsabweichler, der zufällig und ohne Arglist daher kommt, und in diesen Online-Mob hineinstolpert, wird von diesen Leuten nach Herzenslust geteert-und-gefedert (sofern der jeweilige Mob über den dafür notwendigen Verstand verfügt).

    Hier ein Beispiel (auf „chronologische Anzeige“ klicken und die ersten drei Kommentarseiten lesen):

    https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/leserumfrage-was-halten-sie-von-tagesspiegel-de/21039552.html#kommentare

    Ich würde es vorziehen, wenn Moderatoren nur einschritten, wenn grobe persönliche Beleidigungen ausgeteilt werden, oder sich die Leute in Privatfeden verzetteln. Ständig, und einseitig, in den Informationsfluss einzugreifen, nur weil die eine Seite nun gerade nicht politisch korrekt – oder opportun – genug zu sein scheint, hat allerdings mit dem Begriff der Debattenkultur überhaupt nichts zu tun.

    Hier ein kleiner Hinweis, was ich unter Debattenkultur verstehe. David Langes Oxford Speech:

    https://www.youtube.com/watch?v=OeHTziiFVx0

    Zurück zum eigentlichen Punkt:

    Hoffe jedenfalls, dass Don bei der WELT glücklich und zufrieden wird. 🙂

      • Zitat des Kommentators „BonnSei“:

        [[
        Das ist so genial hier !
        Es war doch nur ein Umzug 😉
        Jetzt fällt die ganze Gemeinde hier ein :-0
        Ein geniales Experiment!
        Die armen Kollegen von der WO-IT ereilt der Albtraum…..
        Alphonso’geddon….
        (Entschuldigung!)
        ]]

        Mal schauen, was daraus wird.

        Ich gönne der WELT die kommenden Schmerzen von Herzen, hehehe…

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