Imad Karim

Die Neigung der Deutschen Sprache, Worte zu Girlanden zusammenzuziehen, die Nichtmuttersprachlern kaum noch über die Zunge wollen, ist legendär. Besonders kreativ wird man, wenn es gilt, Gesetze so zu benennen, dass schon im Namen klar ist, wo der Frosch die Locken hat. Mein bisheriger Favorit war ganz klar das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Bisher! Denn nun gibt es das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Ein Gesetz, das zudem das Potenzial hat, mir sehr viel näher zu kommen, als mein bisheriger Favorit. Das mit dem schnelleren Wachstum wollte bei mir nicht so recht klappen, aber dass Maas und die von ihm beauftragten Schergen bei mir und anderen etwas durchsetzen werden, scheint ausgemacht. Das Wort kommt mir zwar noch locker über die Zunge, würde aber gern meine Lippen verschließen.

Maas le vult!

Das Problem der Verfechter der Meinungsfreiheit ist, dass sie im Netz nicht mit denselben Waffen kämpfen können, wie ihre Gegner. Das drücken des „Melden“-Button ist für einen Anhänger der Meinungsfreiheit längst nicht so selbstverständlich, wie für deren Feinde. Nun wird das Netzwerkdurchsetzungsgesetz durchgepeitscht und dessen Wirkung treibt bereits hässliche Blüten. Waren es früher oft einfache Schlüsselworte oder Bilder, die zur Sperrung von Usern auf Facebook, Twitter oder YouTube führten, werden ab sofort bestimmte Haltungen hart bestraft. Dabei ist auffällig, dass insbesondere zwei Aussagen, wenn sie in einem einzelnen Post oder allgemein in den Beiträgen eines Users vorkommen und logisch verknüpft sind, zu Löschung, Sperrung oder sogar der Löschung des ganzen Accounts führen können: Regierungshandeln der SPD und den von ihr geführten Ministerien sowie dem Islam und der fortschreitenden Islamisierung Deutschlands und Europas. Cahit Kaya zum Beispiel schrieb einen kurzen aber sachlichen Beitrag, in welchem er die offensichtliche Affinität der Genossen zum Islam anhand einiger konkreter Beispiele aufzeigte. Folge: Beitrag gelöscht, 30 Tage Redeverbot! Dabei dürfte es selbst dem Anwalt von Al Capone schwer fallen, den Paragraphen in den „Facebook-Gemeinschaftsstandards“ aufzuzeigen, gegen die Kaya verstoßen haben soll. Legt man aber die neuen Doktrinen des Justizministers als Maßstab daneben, wird klar, wer hier warum zum Schweigen gebracht werden soll: Aufwiegler, Unruhestifter, Abweichler, Nestbeschmutzer…kurz, Kritiker!

Durch das neue Gesetz maßt sich der Staat an, sich nicht nur scharfe Waffen zu definieren, Soziale Medien inhaltlich und finanziell zu erpressen, er drückt diese Waffen sogar anderen Privatunternehmen in die Hände, die in seinem Auftrag auf Hexenjagd gehen – und wenn genug Geld für das Brennholz da ist, hat sich noch immer eine Hexe finden lassen, die es zu rösten galt! „Kann mir nicht passieren“, denken Sie? Können Sie zum Beispiel folgenden Facebook-Post an „Provokation“ oder „Diskriminierung“ noch unterbieten? „Nein, die Kriminalität is nicht gestiegen. Indianerehrenwort!“. Auch dieser Beitrag wurde entfernt. Gemeinschaftsregeln, sie ahnen es. Sind Sie jetzt unsicher, was Sie noch dürfen und was nicht? Perfekt! Denn genau das ist die Absicht hinter der Aktion. Solange Sie vor Angst zittern, etwas falsches oder gar verbotenes zu sagen, äußern Sie sich wahrscheinlich lieber gar nicht.

Ein Kritiker, ein Problem – kein Kritiker, kein Problem

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist so gestrickt, dass es auf der Seite der von Löschung und Sperrung betroffenen Nutzer nach wie vor einen fast undurchdringlichen und langwierigen Weg der Zivilklage vorsieht, während auf der anderen Seite mit Willkür und Standgerichten gearbeitet wird. Das ist selbst für juristische Laien klar als eklatante Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu erkennen. Denn während den Betreibern der Netze wegen versäumter Löschungen empfindliche Strafen drohen, gibt es für unberechtigte Löschungen das ministerliche Plazet. Kein Einspruch, keine Unschuldsvermutung, keine bürgerlichen Rechte mehr. Von informationeller Selbstbestimmung kann auch keine Rede mehr sein. De Facto bedeutet dieses Gesetz und seine praktische Anwendung den Anfang vom Ende der Meinungsfreiheit in diesem Land. Getreu dem Motto der ersten Kreuzritter bei der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 „erschlagt sie alle, Gott wird die seinen schon erkennen“ dürfen die Söldnerheere von Minister Maas heute mit langen Sensen durch die Reihen der Kritiker gehen. Und wenn dabei der eine oder andere Komiker, Spötter, Spinner oder auch komplett Unbeteiligte hopsgehen – was suchen sie auch die Gesellschaft der Kritiker! Warum lesen und kommentieren sie dort, anstatt brav den Verlautbarungen und Jubelmeldungen des Ministers zu lauschen?

Nutznießer dieser ministeriellen Kriegserklärung ist der politische Islam, der sich nicht nur ganz allgemein in Deutschland immer mehr Gehör verschafft, sondern insbesondere in der SPD Fuß gefasst hat. Genau deshalb zielt die erste Welle der Löschungen und Sperrungen auch direkt auf die glaubwürdigsten Gegner des politischen Islam in Deutschland, Menschen also, die sich im Bedarfsfall anders als ihre biodeutschen Mitstreiter nicht einfach mit der Nazi-Keule erschlagen lassen. Das erste prominente Opfer ist Imad Karim, dessen Facebook-Account komplett gelöscht wurde. Karim, der erklärtermaßen ein Freund und Bewunderer der Deutschen und Europäischen Aufklärung und Kultur ist, der als Halbsyrer/Halblibanese und arabischer Muttersprachler genau weiß, wovon er spricht, wenn er die fortschreitende Kapitulation der deutschen Gesellschaft vor dem Islam beklagt und als Autor und Regisseur diesen Bedenken auch Ausdruck verleihen kann, einer, der das Gift der Unfreiheit und dessen Wirkung kennt – ausgerechnet dieser Mann, der die Meinungsfreiheit immer verteidigt hat und in dieser Freiheit die größte Errungenschaft Europas erblickt, darf seine Meinung nicht mehr frei äußern.

Unter dem Deckmantel des Kampfes gegen einen imaginären, abstrakten Feind, dessen Wirken herbeigeredet und überhöht dargestellt wird, schaltet der Staat heute wieder private Meinungen ab, unterdrückt sie, erklärt sie für unerwünscht, beleidigend und illegal. Minister Maas glaubt heute, den „Hass“ und die „Islamophobie“ bekämpfen zu müssen. Finden sich da Parallelen in der Geschichte? Mir schaudert! Und da heute Karfreitag ist und der Blick auf die Uhr mir sagt, dass zu dieser Zeit dereinst berühmte Worte der Verzweiflung und Hoffnung gesprochen wurden, möchte ich mich derer, leicht abgewandelt, bedienen – und dabei an Heiko Maas denken: „Herr, vergib ihm nicht, was er der Meinungsfreiheit angetan hat.“

Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“. Nein, er wird sagen: „Ich bin der Antifaschismus“– Ignazio Silone

Nachtrag: Das mit der Sperre beim „Indianerehrenwort“, das kann doch unmöglich so passiert sein, so schrieb man mir. Doch, ist es. Ich hätte die Quelle gleich angeben sollen, das hole ich nun nach. Siehe hier. Außerdem, das sei auch nachgetragen, bezog sich die Löschung des Accounts von Imad Karim meines Wissens nicht auf einen bestimmten Beitrag, sondern hat diesen total überrascht. Wobei ich mir bei dessen Beiträgen auch ehrlich nicht vorstellen kann, was auch nur eine seiner bisherigen Sperrungen auch nur ansatzweise gerechtfertigt hätte.

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UPDATE

Imad Karim ist wieder online. Facebook hat sein Konto erst ohne Begründung gelöscht und genauso kommentarlos auch wieder hergestellt. Digitale Wiederauferstehung am Ostersonntag, wenn das nicht ein Zeichen ist. Aber wofür eigentlich? Für die  Tatsache, dass es jeden treffen kann, egal, ob er ein „Hater“ oder „Kritiker“ ist? Dafür, dass es keine Begründung braucht, um jemanden zum Schweigen zu bringen? Oder dafür, dass die Gesellschaft noch nicht „reif“ ist, zugunsten des „höheren Wohls“ auf bestimmte Freiheiten zu verzichten? Imads Bekanntheitsgrad war den Zensoren womöglich im Wege. Oder man unterschätzte die Solidarität, die ihm zuteil wurde. Es gibt noch keine Stellungnahme von Facebook und  vielleicht werden wir auch nie eine hören. Sehr wahrscheinlich werden wir auch nie erfahren, wer die Löschung veranlasst hat und warum. Dass das alles nur ein Versehen gewesen sein kann, glaube ich allerdings keine Sekunde – und so gesehen war nicht nur die Löschung ein Akt der Willkür, die Wiederherstellung des Kontos ist es auch. Facebook und die Löschkommandos heben und senken den Daumen nach Gutdünken, User können sich nur noch gegen diese Willkür wehren, indem sie möglichst laut aufschreien. Nicht gerade ein rechtsstaatlicher oder demokratischer Vorgang. Denn ob hier Recht oder Gnade am Werk waren, ist unklar.

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4 Kommentare

  1. wenn ich das zu Ende denke, dann werden wir uns demnächst im Darknet tummeln. Warum auch nicht.
    Natürlich nicht bei FB sondern was anderes wird sich etablieren, Wir machen es mit der Meinung wie die Leute in den Steuerparadiesen mit dem Geld, da kommt der Staat so einfach nicht dran. Dann kann der kleine Mann mal sehen, wie er die Sachen löschen will…. Die Frage nur, ob dann die 50 Millionen Strafe nicht gleich direkt dem Autor aufgebrummt wird… Oh Mann, ist das eine Bankrotterklärung für den freien Geist.
    Man sollte meinen, seine neue Trulla, die wunderhübsche sexy Schauspielerin hätte ihm ein wenig Gedankenfreiheit eingehaucht, . Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

  2. Hallo Herr Letsch,

    Sie haben zweifelsohne in allem Recht. In ALLEM! Nur, das was Sie bei Facebook als neuste unheilvolle Entwicklung beklagen, dass ist doch bei den Internetportalen mit Kommentarmöglichkeit wie beispielsweise bei „Spiegel-Online.de“ oder „Tageseschau.de“ schon IMMER die! übliche Praxis gewesen. Bei allen Online-Medien dieser Art wird mehr oder weniger liberal, aber nichtsdestotrotz willkürlich gelöscht und ohne, dass man als Leserbriefschreiber die Möglichkeit hat auf persönlichem Weg(E-Mail, Postbrief, Telefonat, FAX, usw.) oder mit juristischen Mitteln(mit einem Anwalt und einer Klage vor Gericht) gegen die Einschränkung seiner Meinungsfreiheit vorzugehen. „Hausrecht ist nun mal Hausrecht“, wird man einem achselzuckend sagen und die Beschwerde gelangweilt abschmettern. Tja, das ist irgendwie und irgendwo schon alles richtig. Und gleiches gilt nun ebenso bei Facebook!

    Ein ironisch-spitzfindiger Kommentar wie: „Nein, die Kriminalität is nicht gestiegen. Indianerehrenwort!“ hätte bsw. auch bei „Zeit-Online.de“ sehr gute Chancen mit der belehrenden Bemerkung: „Entfernt. Bitte geben Sie konstruktive Meinungsäußerungen zum Thema ab. Die Redaktion/xyz“ oder „Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Die Redaktion/xyz“ oder „Entfernt. Bitte stellen Sie keine Behauptungen ohne Belege auf. Die Redaktion/xyz“ oder „Entfernt. Bitte vermeiden Sie Spekulationen. Die Redaktion/xyz“ oder auch „Entfernt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Die Redaktion/xyz“ ins digitale Nirvana befördert zu werden. Ich hatte bei „Welt-Online.de“ zu einem Artikel, der den erfogreichen Brexit thematisch behandelte, im Kommentarbereich den kurzen aber knappen Satz: „Gut gemacht, Briten!“ geschrieben. Ergebnis: Er wurde gelöscht. Ja, wirklich nur diese drei Worte: „Gut gemacht, Briten!“ Da man bei dem Springer-Blatt sehr europafreundlich ist, reichte meine kleine, gegen den Strich gebürste Bemerkung wohl schon aus, um mir die rote Karte zu zeigen. Im Übrigen war das mitnichten der einzigste völlig absurde Löschvorgang der WO-Redaktion, den ich erleiden musste, sodass ich die Umstellung des „Welt-Online.de“-Forums vor einem 3/4-Jahr zum Anlass genommen habe, mein dortiges Konto nicht mehr zu erneuern. Und genau DAS kann man eigentlich auch nur jedem Facebook-Nutzer raten: Nämlich nicht dieses Spiel mitzumachen und sein Konto bei dem sozialen Netzwerk ersatzlos zu löschen. „Nowhere needs this kind of Facebook“. Wenn viele, viele andere Nutzer von Facebook auch zu dieser Überzeugung kommen, so wird der Herr Zuckerberg sich am Ende gewiss fünfmal überlegen, allzu regide Zensurmethoden anzuwenden, da er sicher nicht einen Großteil seiner Mitglieder auf „Nimmerwiedersehen“ vergraulen möchte.

    Ps. Ist ein Vorschlag erlaubt? Warum lädt die „Achgut.com“-Redaktion Herrn Karim nicht dazu ein, auf ihrer(Achgut) Seite Artikel zu schreiben?

    Pps. Schön wäre es, Herr Letsch, wenn Sie sich und wenn sich auch die anderen Autoren bei „Achgut.com“ dafür einsetzen würden, dass die tagtägliche Ausübung der sogenannten „Netiquette“ im Leserkommentarbereich der Online-Medien sich wesentlich mehr an die sich selbst auferlegten Regeln hält und sich nicht auch noch auf die politische Korrektheit und auf Meinungen ausweitet, die den zuständigen Fachkräft_Innen mit dem digitalen Tippex nicht in den Kram passen. Ich möchte das hohe Gut der Meinungsfreiheit nämlich NICHT NUR bei Facebook, bei Twitter oder bei Youtube SONDERN AUCH bei bei den deutschen Presseerzeugnissen und den deutschen TV-Sendern(privat oder öffentlich-rechtlich) IM Internet gewahrt wissen. Wie gesagt, es wäre schön, wenn man sich bei „Achgut.com“ AUCH dafür einsetzen würde.

    Ich wünschen Ihnen noch schöne Osterfeiertage,
    MW

    • Willkommen in meiner Welt! Die Zensur in anderen Medien ist bereits sehr viel weiter fortgeschritten. Ich sehe das so kritisch wie Sie und wenn ich überlege, welche meiner ans Banale grenzenden Leserkommentare es bei den Verlagen nicht durch den Filter schafften, kann ich verstehen dass sich so mancher fragt: Was habe ich schlimmes gesagt? Die Verlage konnten allerdings schon früher selbst entscheiden, ob zum Beispiel ein Leserbrief es bis ins Blatt schaffte, oder nicht – und in letzterem fall mussten sie das auch nie begründen. Anders ist ist Sache bei Sozialen Netzwerken. Hier gibt es gleichberechtigten Content. Das was ich da zu sagen habe, ist nicht weniger richtig, wahr oder wichtig als das, was Frau Kipping zu berichten hat. Diesen Bedeutungsverlust können die Politiker nur schwer verwinden – und nun schlägt das Imperium zurück. Aber sein Todesstern ist noch nicht ganz fertig…

      Und, als PS: Imad Karim ist bereits Gastautor bei Achgut…und wir freuen uns schon auf seinen nächsten Artikel. 😉

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