Als am französischen Nationalfeiertag ein islamistischer Attentäter in Nizza einen Massenmord hinlegte, schrieb ich einen Artikel, dessen Hauptaussage es war, dass wir in Europa denselben Terror bekämpfen, wie Israel. Auch nach dem Attentat auf den Berliner Weihnachtsmarkt konnte ich nichts finden, was diese meine Aussage in Frage stellen würde. Der Terroranschlag auf eine Gruppe Soldaten in Jerusalem fügt der langen Terrorgeschichte nun ein weiteres Kapitel hinzu – dachte ich. Doch es gibt natürlich besonders unter Journalisten, die mit dem Verfassen von Texten ihren Lebensunterhalt verdienen, solche, die selbstredend besser als jeder andere einschätzen können, was womit zusammenhängt und wo es auf „sorgfältige Differenzierungen“ ankommt, anstatt darauf, Gemeinsamkeiten zu suchen und Solidarität mit den Terroropfern zu bekunden.

Besonders wikipediesk und erklärmächtig fühlt sich Susanne Knaul, die seit 1999 unter anderem für die TAZ als Auslandskorrespondentin aus Israel berichtet. Schon öfter ist sie mit „mitfühlenden“ Kommentaren aufgefallen, wenn Israel islamistischem Terror ausgesetzt war. So etwa 2014, als sie über die Entführung und Ermordung dreier israelischer Schüler berichtete, die „…heute noch bei ihren Mitschülern säßen, wenn da nicht die israelische Besatzung wäre“. So einfach ist das mit der Rechtfertigung eines Verbrechens. Nur zur Info: Wann und wo genau die „israelische Besatzung“ endet, kann man von der Hamas erfahren – und wenn man seit 16 Jahren in der Gegend unterwegs ist, könnte man ja mal dort nachfragen – die Hamas ist in dieser Sache extrem auskunftsfreudig! Für die Hamas endet die Besatzung, wenn ganz „Palästina“, wozu die Hamas auch Israel selbst zählt, „von Juden befreit ist“. Ehrlich ist die Hamas also auch. Wie eine Schule aussehen könnte, in der die drei jüdischen Schüler dann noch neben ihren Mitschülern hätten sitzen können, erklärte die selbsternannte Konfliktexpertin K. übrigens nicht. Vermutlich müsste es eine Koranschule sein, denn eine jüdische Schule würde es nicht mehr geben – genauso wenig wie Juden. Aber Jerusalem ist ja nicht Berlin! Während in Berlin der islamistische Terrorist „zu Gast“ war, kämpfen die Araber in Israel um die Freiheit. Zumindest Frau Knaul sieht das so. Auf die kleinen Unterschiede beim Terror kommt es eben an! Der Kontext einer Terrorattacke wird einfach so hingebogen, dass es immer gut passt.

„Jerusalem ist nicht Berlin“

Nein, das ist kein Satz aus dem Erdkundeunterricht, das ist Susanne Knauls „opening“ für ihr Fazit aus den Terroranschlägen mit Lkw in Berlin und Jerusalem. Und wie immer in ihren Artikeln beginnt sie voller Mitgefühl, nur um dann schnell die Kurve in ein vernichtendes „Aber“ zu kriegen:

Mit Vorsicht ist dennoch der Hinweis von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu genießen, der Attentäter in Jerusalem sei, genau wie der in Berlin, Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat gewesen. Für den Palästinenser Fadi Al Kunbar mag der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche Inspiration gewesen sein. Sein Motiv war indes ein anderes als das von Anis Amri.

Den einen trieb einzig der Hass auf alle, die nicht an seinen Allah glauben, und die sich nicht an die Regeln des Islam halten, so wie er ihn interpretiert. Anis Amri war Gast in Deutschland. Während der eine wahllos Zivilisten mordete, um sich dann auf die Flucht zu begeben, zielte der andere auf Soldaten und nahm in Kauf, selbst sterben zu müssen.

Komisch, ich betrachte solche Anschläge immer aus der Sicht der Opfer, die sich in beiden Fällen nichts zu Schulden kommen ließen, was ihre Ermordung rechtfertigen könnte – wie soll das auch gehen. Frau K. jedoch, ganz Profi, ist schon einen Schritt weiter und mitten in der Rechtfertigung der Täter, offenbar hält sie sich auch für eine überragende Kriminologin. Sie vergleicht die Opfergruppen und stellt fest, dass in Israel nur Soldaten getötet wurden – das scheint ihr also ein hinlänglicher Grund zu sein. Amri wäre in Berlin ja geflohen und der Terrorist in Jerusalem eben nicht – nur dass dies lediglich daran lag, dass in Berlin niemand Amri aufhalten konnte, während Fadi Al Kunbar in Jerusalem bei seinem „spontanen Attentat“ auf Widerstand traf – genau wie übrigens der Attentäter von Nizza. Vielleicht kennt Frau Knaul ja noch andere Fälle, in denen jemand ein Fahrzeug absichtlich in eine Menschenmenge steuert und nicht voller Freude mit seinem Leben dafür bezahlen möchte, sondern anschließend eine ausgedehnte Studienreise nach Indien anzutreten gedenkt, um dort tantrisches Fliegen zu lernen? Vielleicht erkennt Frau Knaul erst dann Parallelen, wenn Terroristen in Deutschland ebenfalls nach vollendeter Tat von Polizisten erschossen werden, um zu verhindern, dass sie noch ein paar weitere Menschen mit in den Tod reißen? Dann besteht wohl noch Hoffnung für die Meiserdetektivin.

Als große Verfechterin der Differenzierung kennt Frau K. auch sehr genau den Unterschied zwischen Hamas und IS. Vermutlich benutzt der IS bessere Waffen und die Hamas ist nicht so sehr an der Weltherrschaft interessiert, sondern würde sich mit dem Emirat „Palästina“ innerhalb des IS-Kalifats begnügen. Ideologisch und in der Wahl der Mittel passt jedoch kein Blatt einer salafistischen Koran-Ausgabe zwischen beide Organisationen.

Inspiration und Motiv

Mal ehrlich, Susanne! Du erwartest, dass wir Netanjahus Aussagen „mit Vorsicht genießen“, gibst uns aber Auskunft über die Motive von Fadi Al Kunbar? Woher kennst Du die so genau? Ist es nicht vielmehr so, dass Du diese Motive, die in Deinen Augen „in einem Umfeld liegen, in dem Terror ehrenhaft“ sein kann, nur unterstellst? Deine Argumentation läuft immer gleich ab, ganz egal, was Du zum Thema schreibst: Israel böse (Besatzer), Palästina gut (Besetzt). Ich finde das gelinde gesagt dumm, weil diese schwarz/weiss-Argumentation Terror zum legitimen Mittel der Durchsetzung beliebiger Ziele legitimiert – im Fall Israel/Palästina kommt sogar noch ein fundamentalistischer religiöser Aspekt dazu, den Du einfach nicht sehen willst. Falls Du Dich gerade fragst, Susanne, warum ich das „Du“ verwende, muss ich um Nachsicht bitten. Immer wenn ich das Gefühl habe, auf der anderen Seite Argumente aus dem Vorschulalter anzutreffen, wechsle ich unwillkürlich ins „du“. Für diese Unverschämtheit bitte ich um Verzeihung! Reden Sie weiter, Frau Knaul:

„Während Amri seinen Anschlag plante, handelte Al Kunbar offenbar spontan und unter dem Einfluss eines gesellschaftspolitischen Umfeldes, für das Terror in Teilen nicht nur legitim, sondern ehrenhaft ist – weil es gilt, die Besatzung und damit einhergehende Ungerechtigkeit zu bekämpfen.“

Spontanität ist ja was Feines! Selbst für einen Terroristen. Das findet zumindest Frau K. Und natürlich ist das Umfeld entscheidend. Das Umfeld von Al Kunbar ist zum Beispiel sehr förderlich für spontane Aktionen, weil Familien zertifizierter „Märtyrer“ von der PA eine lebenslange monatliche „Rente“ von 2900 Shekel (etwa $760) erhalten.  Vielleicht sollte Deutschland ähnliche Angebote machen, um die Spontanität von Anschlägen zu verbessern? Vielleicht lässt sich ja die Parteiführung der AfD zu so etwas überreden, denn wie wir immer wieder über die AfD lesen, ist es doch sowieso nur diese Partei, die „von Terroranschlägen profitiert“, da könnte man doch gleich konsequent sein. Komisch, das Petri, Storch und Co noch nicht auf diese Idee gekommen sind, oder?

Aber solche kleinen Details wie Märtyrerprämien oder die Tatsache, dass in Gaza auf der Straße gefeiert und Süßigkeiten und Gebäck verteilt wurden, als die vier Soldaten ermordet wurden, können einer gestandenen Nahostkorrespondentin schon mal durch die Lappen gehen, wenn sie erst seit 16 Jahren in Israel auf der Suche nach dem heiligen Gral des deutschen Nachkriegsjournalismus ist – dem expansionistischen rassistischen und zionistischen Besatzerjuden, den man drankriegen muss.

Anstatt dem Terror konstruktiv zu begegnen, entzieht sich Netanjahu seiner Verantwortung, wenn er ein Bild von Jerusalemern und Berlinern malt, die im gleichen Boot sitzen.

Wie sieht es denn eigentlich aus, wenn man dem Terror „konstruktiv begegnet“? Bei Anschlägen islamistischer Terroristen in Europa hört man immer wieder und von allen offiziellen Seiten die Appelle, nicht das zu tun, was die Terroristen bezwecken. Gemeint sind damit zum Beispiel Angst zeigen, Ändern der Lebensweise oder Panik verbreiten. Auf keinen Fall solle man auch dazu neigen, nach mehr Sicherheit und Kontrolle zu rufen, weil das wiederum den Rechten in die Hände spielen würde. Wie man’s auch macht, ist es falsch. Es ist, als würde man mit Volldampf auf eine Mauer zurasen und soll weder bremsen noch die Richtung wechseln. Israel erhält nun von Frau Knaul den Rat, sich „konstruktiv“ zu verhalten – mit anderen Worten, auf die Terroristen zuzugehen und ihre Bedingungen zu erfüllen – einen Weg, für den europäische Politiker (hoffentlich) gesteinigt würden.

Für diese unterschiedliche Betrachtungsweise gibt es einen Begriff: Doppelstandards! Kein Gebiet auf dieser Welt ist so besetzt, dass die von Israel besetzten Gebiete nicht viel besetzter wären. Kein Land auf dieser Welt kann mit „Selbstverteidigung drohen“ – Israel schafft das. Jedes Land auf dieser Welt hat das Recht, auf terroristische und militärische Angriffe so zu reagieren, wie es seine Sicherheitslage erfordert – außer Israel natürlich, Israel muss auf Terroristen zugehen und „konstruktiv“ sein!

Wie könnte das „Konstruktive“ wohl aussehen? Meint Frau Knaul vielleicht, die Hamas würde auf ihre Forderung nach der Auslöschung Israels abrücken und sich mit der Exekution der Hälfte der Juden dort zufriedengeben? Hört Frau K. vielleicht nicht so genau hin, wenn die Hamas über ihre Ziele berichtet, wenn sie von „Verhandlungen“ mit Israel spricht? Ist sie zu beschäftigt? Es wird weder hier noch in Israel eine Rolle spielen, wie zuvorkommend und hilfsbereit wir den islamistischen Milljöhs begegnen, sie werden uns dann eben dafür hassen, dass wir so blöd sind, ihnen zu vertrauen.

Ich zeichne übrigens dasselbe Bild wie Netanyahu, wir sitzen in einem Boot und in dieser Hinsicht gleichen sich die Anschläge in Berlin und Jerusalem, auch wenn die „Expertin“ Knaul steif und fest das Gegenteil behauptet. Im Moment fährt Israel (noch) einige Decks unter uns mit – und was soll schon passieren, wenn dort Löcher in die Bootswand geschlagen werden. Kein Grund zu helfen oder Solidarität zu zeigen. In solchen Fällen ist ja in der gesamten Geschichte der Seefahrt noch nie etwas Schlimmes geschehen. Noch ein Lied auf der Titanic, Frau K.? Herr Kapellmeister, übernehmen sie!

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3 Kommentare

  1. Herrlicher Artikel. Die Dame ist, wie ihre Leserschaft, in der pubertierenden Denkweise einer sechszehnjährigen Waldorfschülerin stecken geblieben. Jede Diskussion ist zwecklos.

  2. Nomen est omen! Oder, ich kaufe ein „M“ … Schon seit Langem schreit es in mir: Halts Knaul, Susanne!

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