Ich bin wenig zimperlich, wenn es um Anleihen bei den Klassikern der deutschen Sprache geht. Nur bei Heinrich Heine habe ich dabei stets „Respekts-Manschetten“. Und doch geht mir ausgerechnet eine Zeile seines Gedichts „Die schlesischen Weber“ seit Sonntag nicht mehr aus dem Kopf, seit ich die Zerrissenheit der SPD mit ansah und deren finalen Entschluss, als Garant des politischen Überlebens von Angela Merkel erneut zur Verfügung zu stehen, kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen musste. Einige Formulierungen im Sondierungspapier zur GroKo könnten, sollten sie es tatsächlich in einen Koalitionsvertrag schaffen, in Sachen Massen-Migration die letzten tropfenden Ventile aus dem lecken Boot Deutschland schlagen. Kann man die Wassereinbrüche der letzten Jahre noch auf eklatante Rechtsverletzungen zurückführen, die man abstellen kann, würde das Wasser in Zukunft „mit Recht“ einströmen. Für die Einordnung der europarechtlichen Zusammenhänge empfehle ich den Artikel von Stefan Aust in der Welt, auch wenn er hinter der Bezahlschranke liegt.

Zitat Aust:„Die Kernpunkte der Änderungen [der EU-Gesetzgebung] haben es gerade für Deutschland, das Hauptziel der Masseneinwanderung, in sich. Die Drittstaatenregelung wird gestrichen. Bei jedem Zuwanderer, der eine besondere Beziehung zu einem EU-Staat – zum Beispiel Deutschland – besitzt oder dort Angehörige hat, wird dieser Staat automatisch zuständig für den Asylantrag. Eine Überprüfung ist vorab nicht vorgesehen. Die bloße Behauptung des Asylbewerbers, zum Beispiel in Deutschland Angehörige zu haben, genügt als Beleg.“

Das „Leichentuch“, an dem die Weber in Heines Gedicht mit zusammengebissenen Zähnen webten, beschreibt einen Aufstand von unten. Meine Abwandlung – und der von mir hochverehrte Heine möge mir meine Stümperei vergeben – betrachtet die galoppierende Werte-Erosion von oben, die wir seit einigen Jahren erleben: Eine Veränderung dieses Landes ohne Sinn und Verstand und ohne Berücksichtigung der Folgen, nicht zuletzt auch für die wunderbare Idee einer europäischen Gemeinschaft, welche heute auf dem besten Weg in Richtung einer zentralistischen Kolchose ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Weg auch Heine nicht gefallen hätte, egal ob er darüber aus Paris oder Düsseldorf berichtet hätte.

Die GroKo-Weber

Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen im Reichstag und fletschen die Zähne:
Deutschland, sie weben dein Leichentuch,
Sie weben hinein den dreifachen Fluch:
Sie weben, sie weben!

Ein Fluch dem Lande, in dem sie geboren,
durch Wahlen man hatte sie auserkoren.
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
man hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
sie weben, sie weben!

Ein Fluch der Freiheit, die einst wir erkämpften,
die Hoffnung darauf mit Verbot jene dämpften,
die den letzten Euro von uns nun verprassen,
und uns wie Hunde beschimpfen lassen:
Sie weben, sie weben!

Ein Fluch des freien Unternehmens,
Verteilung statt Leistung sei Sinn des Lebens!
Die Weber zum Sozialismus blicken,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquicken:
Sie weben, sie weben!

Die Rede fliegt, die Verachtung lacht,
Sie weben emsig Tag und Nacht –
Deutschland, sie weben dein Leichentuch –
sie weben hinein den dreifachen Fluch:
Sie weben, sie weben!

(Sehr frei nach Heinrich Heine)

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9 Kommentare

  1. Propheten des Niedergangs an allen Enden: Die einen sehen apokalyptische Reiter im Klimawandel, die Anderen im Aufstieg der Rechten, andere in der Herrschaft der Linken oder im Euro, der Großkonzerne, der Digitalisierung, im galoppierenden Wahn der Eliten … aber die Existenz der Neurose belegt keineswegs, dass man nicht Opfer von Verfolgung ist. Die Vielzahl von widersprechenden Verschwörungstheorien beweist nicht, dass alle unzutreffend sein müssten. Wäre es nicht im Interesse echter Verschwörer, viele ander alternativen Verschwörungen zu erfinden, um die eigene unter diesem Berg zu verstecken? Noch geht es uns erstaunlich gut, was die Gefahr des Niedergangs erhöht. Denn von einem Gipfel geht es nur noch bergab. Und die Politiker feier derzeit viele Gipfel.

    Nüchternheit kann allerdings echte Gefahren ausmachen und reale Bedrohungen rational ergründen. Die Gefahren, die sich nur äußerst wage vielleicht in einer fernen Zukunft ereignen könnten, sollten entsprechend wenig Aufmerksamkeit fordern. Beispiel: Ein Unfall in einem Endlager in 1000 Jahren. Andere Gefahren mit hoher Wahrscheinlichkeit in kurzen Zeiträumen entsprechend mehr: Beispiele: Demographische Bombe, Zusammenbruch des Euro.

    Das Topthema der Koalitionsverhandlungen ist dagegen der Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiären Schutzstatus und eine Energiewende mit unerreichbaren Zielen. Sind unsere Eliten noch ganz ribbelfest?

  2. Anfang 2016 habe ich es auch schon mal versucht:

    Die deutschen Streber

    Im leuchtenden Auge keine Träne,
    Sie sitzen am Schreibtisch und fletschen die Zähne:
    Deutschland, wir weben dein Leichentuch
    , Wir weben hinein den dreifachen Fluch –
    Wir weben, wir weben!

    Ein Fluch dem Menschen, auf den wir gehoffet
    In warmen Stuben und schnellem Porsche;
    Wir haben vergebens gehofft und belehrt,
    Er hat uns enttäuscht und gefoppt und verstört –
    Wir weben, wir weben!

    Ein Fluch dem König, dem MPi der Bayern, ( das galt damals dem Seehofer)
    Den fremdes Elend stört beim Feiern;
    Der nur an sein glückliches Bayern denkt,
    Und die Zukunft der Welt verschenkt!
    Wir weben, wir weben!

    Ein Fluch dem deutschen Vaterlande,
    Dem fremdes Leid ist keine Schande;
    Das den letzten Groschen zusammenhält –
    Unser Reich ist nicht von dieser Welt!
    Wir weben, wir weben!

    Die Schiffchen sinken, Deutschland kracht,
    Wir weben emsig und haben die Macht!
    Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
    wir weben hinein den dreifachen Fluch –
    Wir leben! Wir leben!

  3. “ in Sachen Massen-Migration die letzten tropfenden Ventile aus dem lecken Boot Deutschland schlagen“: was immer damit gemeint sein mag – es ist in jedem Fall bereits meine Metapher des Jahres. Oder doch eher die „galoppierende Werte-Erosion von oben“?
    Ein Maßmann für das 21. Jahrhundert.
    Heine hätt’s gefreut!

  4. Sehr guter Artikel.
    Wie seltsam, dass die SPD-Mitglieder so pemetramt für ihren eigenen Untergang votieren.
    Wie seltsam auch, dass die Wähler dieser Partei, die sich die Zerstörung Deutschlands durch Masseneinwanderung und Vereinigte Staaten von Europa auf die Fahnen schreiben, so unbeirrt ihre Stimme geben.
    Was treibt sie dazu? Ist es die Rente, die die SPD verspricht zu sichern?
    Überlegen sie nicht, dass mit den Zuwanderern, die wohl – wenn überhaupt – nur ganz überwiegend wohl eher wenig in die Rentenkassen einzahlen werden, ein eher negativer Einfluss auf die Sozialkassen ins Land kommt?
    Oder sind sie so vernagelt, dass sie an all die schönen Worthülsen wirklich glauben?
    Das Erwachen wird bitter sein.

    • Das haben die schon immer so gemacht…. Da diese Leute aber immer weniger werden, geht die Zahl der Wählerstimmen natürlich auch kontinuierlich zurück. Nur im Osten der Republik ist man da schon weiter, zum Frust der etablierten (Volks-) Parteien.

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