Es ist so tröstlich, dass neben dem Versagen von pandemischem Ausmaß in Deutschland weiterhin auch im Kleinen wenig funktioniert, was dem Alltag abseits der großen Impfisierung des Landes eine gewisse Würze gibt. Da wäre die Digitalisierung, die mit Siebenmeilenstiefeln Flugtaxis im Land verteilt. Und wie das im Digitalen nun mal so ist, bekommt man manchmal die Eins, manchmal aber auch die Null. In Kooperation mit einem regionalen Provider zieht ein großer deutscher Faserverleger – nennen wir ihn „Deutsche Spaßfaser“ – von Ort zu Ort, damit die Bewohner den Anschluss an die Zukunft nicht verlieren. Nach einem Monat reibungslosem Betrieb endete am 26. November um 9 Uhr schlagartig der Datengeschwindigkeitsrausch und die Odyssee durch die Hotlines begann.

Der immer ungehaltener werdende Kunde Letsch traf dort auf zunehmend harthirnige Callcentermitarbeiter mit wenig Problembewusstsein. Wenn nicht gleich aufgelegt wurde („Kein Telefonpasswort, keine Störungsmeldung“) hieß es, die Störung sei „ins System eingetragen“ und mehr könne man da nicht machen. Mein Einwand, dass ganz offensichtlich mit dem System etwas nicht stimme, wenn nach einer Woche immer noch kein Techniker vor Ort gewesen sei, um den „Faserschaden“ zu reparieren und dass es nun doch langsam Zeit sei, vom Sessel aufzustehen, zum Chef zu gehen und dafür zu sorgen, der Angelegenheit endlich eine gewisse Dringlichkeit beizumessen, wurde mit dem Hinweis beantwortet, das Aufstehen würde nichts nützen, da man im Homeoffice arbeite. Das täte ich ja auch gern, erwiderte ich, nur leider müsste dazu irgend jemand zunächst mal das Homeoffice verlassen um den Schaden zu reparieren, der mich daran hindert, im Homeoffice zu arbeiten.

Ich weiß nicht, was genau es dann war, das den Provider letztlich doch dazu brachte, einen Gang höher zu schalten. Vielleicht mein Hinweis auf meine journalistische Tätigkeit, die gerade sehr eingeschränkt sei und sich gewissermaßen zu einem See aus Zorn aufstaue oder die seit 1. Dezember veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen, die genervten Kunden bessere und schnellere Ansprüche auf Schadenersatz zusprechen. Jedenfalls kam nach einer Woche des Wartens ein Anruf aus der Chefetage des Providers. Man verstehe meine Verärgerung, könne sich die Kommunikationspannen kaum erklären, hätte erstaunt bemerkt, dass die an „Deutsche Spaßfaser“ weitergereichten Störungs-Tickets immer wieder geschlossen wurden, obwohl nichts erledigt sei und habe dort nun etwas Druck gemacht.

Der Nikolausmontag brachte dann nicht nur die Jubelmeldung, die Zahnfee sei designierter Gesundheitsminister, sondern auch einen Techniker, der den „Faserfehler“ binnen zehn Minuten beheben konnte. Es war leider nicht einfach, sich mit dem Techniker zu verständigen, denn dafür müsste ich des Rumänischen mächtig sein. Aber meine Frage nach der Ursache des Problems konnte er beantworten: „Kollege falsch gepatcht“. Zehn Tage Internetausfall also, weil jemand im zentralen Sammler einen Stecker falsch gesteckt hatte!

Tags darauf ruft die Chefetage des Providers nochmal an, man scheint in Plauderstimmung. Es ist ein Gespräch, wie man es wohl führt, wenn man jemanden langsam und vorsichtig auf seine Seite ziehen möchte. Dem Kunden zustimmen, selbstkritisch sein, die Kritik an der „Deutsche Spaßfaser“ teilen und sich empört darüber äußern, dass die Techniker vor Ort der deutschen Sprache nicht mächtig sind – ich bin offensichtlich auf der Insel der Circe angelandet. Die Ankumpelei kommt recht angenehm rüber, doch je mehr Zeit verstreicht, desto drängender wird die Frage nach dem Zweck des Anrufs. Ich frage also nach und die andere Seite ringt erkennbar um Worte. Es sei nämlich so, dass zum exakten Zeitpunkt der Reparatur meines Anschlusses (wir erinnern uns: Kollege falsch gepatcht) ein anderer Anschluss im Ort ausgefallen sei und nun befürchte man, dass wenn die Reparatur dieses Fehlers erfolge, womöglich mein Anschluss erneut, nun ja… Er verspricht, das Serviceticket offen zu halten und sich am Donnerstag wieder bei mir zu melden, nur um sicher zu gehen und offensichtlich auch, um mich bei Laune zu halten.

Am Mittwoch, zwei Tage nach der Reparatur, klingelt mein Mobiltelefon. Es meldet sich in gebrochenem Deutsch der Subunternehmer der „Deutschen Spaßfaser“ und will wissen, ob mein Internetanschluss noch funktioniere. Ich erwidere, dass ich das aus der Ferne gerade nicht überprüfen könne und nein, ich könne auch gerade niemanden wie gewünscht telefonisch beauftragen, dies zu tun. Er mache sich Sorgen, so der Anrufer, dass der Anschluss vielleicht kaputt sei und wolle vorsorglich am nächsten Tag einen Techniker schicken. Sollte die Befürchtung des Providers sich also bestätigen oder wird nun alle paar Tage ein Techniker zu mir kommen, um meinen Anschluss zu überprüfen? Oder sind die Techniker nun vielleicht schneller als die Störungen? Abends wieder zu Hause wird klar, wie dringend ich den Techniker brauche: der Anschluss ist erneut gestört und war es, bis er vor 20 Minuten erneut „repariert“ wurde. Die geradebrechte Erklärung des rumänischen Technikers lautete diesmal: „Kabel kaputt austauschen“.

Noch bin ich also nicht am Ziel meiner Reise, der digitalen Insel Ithaka, angelangt. Heute Abend erwarte nämlich ich den nächsten Anruf meines Providers und ich habe das dumpfe Gefühl, dass, kaum als an meiner Glasfaserbox die grüne Lampe leuchtete, irgendwo in meiner Nachbarschaft jemand laut „Verdammt, das Internet ist tot!“ brüllte. Es bleibt also spannend im schwach digitalisierten Deutschland. Besonders dann, wenn man wie ich die Seite der Null erwischt hat. Mal sehen, zu welchen Abenteuern mich der Zorn des Poseidon und die Winde noch tragen werden.

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6 Kommentare

  1. Ab dem Termin einer Vertragsunterzeichnung durch den Kunden sind die Kunden der Telekommunikatiosunternehnen ihre größten Feinde, mit denen die Telekommunikationsteilnehmer deshalb möglichst jeden Kontakt vermeiden möchten.

  2. Schön, daß man das hier noch schreiben darf, TE hat meine sehr änliche Meinung vor einiger Zeit zensiert. Bin ich vielleicht nur zu früh dran?

  3. Das ist doch Fortschritt, gell? Wir schreiten fort von unserem Image als total durchorganisierte und hoch effiziente Industrienation. Aber warten wir mal ab: Wenn Deutschland demnächst aufgeteilt wird zwischen Frankreich und Polen, wie es die Grünen so sehnlich herbeiwünschen, dann wird alles besser – für die Neubürger versteht sich.

    (Ich liebe Verschwörungstheorien – sie sind so romantisch)

    • Zwischen Frankreich und Polen? Damit könnte ich ja noch gut leben. Die haben beide nicht so den sentimental-debilen-ökologistischen Selbstvernichtungstrieb wie die Deutschen.

  4. In den frühen 90ern besaß ich gefühlt einen der ersten ISDN-Anschlüsse in Schmargendorf, bis dort ganz in der Nähe eine Villa für die Bundesregierung bereitgestellt wurde. Danach war mein Anschluß tot und nicht wiederherzustellen. Honi soit…

    • Vielleicht ist es besser, wenn die Digilalasierung nicht so schnell voranschreitet. Bei zunehmend wackeligem Stromnetz ist es mit der virtuellen Welt ganz schnell zu Ende.

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