Dies ist ein freies Land, so heißt es. Man kann verklagen wen man will und aus welchem Grund auch immer. Etwas anders ist es mit Delikten, die das Auftreten eines Staatsanwaltes erfordern, hier muss man, falls die Staatsanwaltschaft nicht von sich aus aktiv wird, in gewisser Weise um Prüfung bitten. Dies tat auch Bettina Jung, die Vorsitzende der Partei ETHIA, in diesem Fall bezüglich ihres Verdachts auf Volksverhetzung wegen Äußerungen der AfD-Frontfrauen von Storch und Weidel auf Twitter. Diese hatten der Polizei nach deren Neujahrs-Gruß auf Arabisch einige freche Fragen nach Präferenz und Dienstsprache gestellt, was wohl nicht jedem gefallen hat. Gut, sei’s drum, Opportunismus ist erlaubt in einem freien Land und wer vorlaut ist, findet sich eben mitunter vor Gericht wieder. Unsere Gerichte haben ja auch viel Zeit für sowas.

Bettina Jung berichtete jedenfalls stolz auf ihrer Facebook-Seite über ihre Klage und erwartete sicher großes Lob für ihre Tapferkeit, „Puff, the blue dragon“ angegriffen zu haben. Was die Klage bringt, können wir nicht wissen, zumal Jung damit nur anderen gleichlautenden Klagen folgte. Ihrer Bitte, den Orden „Großer Heiko für Netztapferkeit am Denunziantenbande“ zu erhalten, war aber wohl höchstens ein Teilerfolg beschieden. Ein User fand es zum Beispiel seltsam, dass er von der Partei ETHIA, die sich das Tierwohl ganz groß auf alle Banner schreibt, ausgerechnet in dieser Richtung noch nichts im Sinne juristischer Tapferkeit vernommen habe:

Haben Sie auch Strafantrag gegen unbekannt erstellt, als vergangene Woche ein Hund „abgefackelt“ wurde? Das würde mehr in Ihr Ressort passen…“, fragte er – die Nicht-Antwort lautete:

„Sie können sich gern auch an einer unserer Petitionen zum Tierrecht beteiligen, wenn Sie auf diesem Gebiet so engagiert sind.“

Der AfD also die staatsanwaltlichen Ermittlungen, den Tierquälern dagegen nur eine kuschelige Petition – diese Partei weiß wahrlich Prioritäten zu setzten!

Eigentlich sollte ich hier aufhören zu schreiben, denn ich glaube, dass die Beschäftigung mit ausgerechnet der unbedeutenden ETHIA die Mühe nicht wert ist. Es genügt, das Grundsatzprogramm zu lesen – was man ja ohnehin mit dem einer jeden Partei tun sollte! In dem der AfD stehen ja sicher bereits einige strittige Dinge drin. Aber was die ETHIA so plant…meine Güte! Kipping und Co. sind Erzkonservative rechte Heimattümler gegen die Ultras aus dieser linksextremen Splitterpartei! Bedingungsloses Grundeinkommen, Sterilisation auf Staatskosten, Veganer aller Länder vereinigt euch, ein gut bestückter Gemischtwarenladen mit den Lieferanten Mao, Marx und Murks! Hier nur mal ein wörtliches Zitat aus dem Wirtschaftsbereich (ich hab’ nichts verändert, ehrlich):

„Ausschluss von Wirtschaftsinteressenvertretern von gesetzgeberischen Prozessen, alternativ dazu kann eine Zulassung von Bürgerinteressensvertretern in gleicher Anzahl vorgeschrieben werden. Gemeint sind damit z. B. Gewerkschafts-, Verbraucher-, Arbeitnehmer-, Arbeitslosen-, Ausländer-, Frauen-, Patienten-, Tierrechtsvertreter. Ein Rechenbeispiel: 5 Wirtschaftslobbyisten = 40 Vertreter der anderen Gruppen (ebenfalls je 5 pro Gruppe)“.

Sorry, aber die Verlockung war einfach zu groß, diesen zarten Eigenhumor der ETHIA mit einem kleinen Text zu würdigen, gerade weil er mir so bereitwillig vor die Flinte lief. Schade nur, dass Sylvester schon vorbei ist, aber für ein langes Excerpt des Programms dieser Partei bin ich heute einfach schon wieder zu nüchtern, fürchte ich.

ETHIA – ein Pfadfinderverein auf Abzeichenprüfung

Zum eigentlichen Thema nur so viel von mir: jede, selbst womöglich berechtigte Kritik an den Äußerungen der AfD-Granden (obwohl ich mir wirklich sehr unsicher bin, ob ausgerechnet dieses Thema dazu geeignet ist) zieht sich aktuell selbst komplett ins Lächerliche, weil stets auch noch das letzte Fähnlein Fieselschweif eine Abzeichenprüfung daraus machen will und sich in die Reihe der „Tapferen“ einreiht, die mit viel Gratismut und gemeinsam mit allen anderen in genau dieselbe Kerbe schlägt. Insofern war die Nachfrage nach dem verbrannten Hund kein Whataboutism, wie eine Frau Jung beispringende Kommentatorin unterstellte. Denn nicht die Leser der Facebook-Seite von Frau Jung sind aufgefordert worden, die Frage „Volksverhetzung oder nicht“ zu beantworten – die Justiz muss das klären. Es stellt sich aber die Frage nach dem Weg des geringsten Widerstandes, den die ETHIA oder zumindest deren Vorsitzende hier geht. Diese Frage ist also durchaus berechtigt und wurde nicht beantwortet. Aus Gründen. Die ETHIA scheint es zu ihrer Hauptaufgabe gemacht zu haben, AfD-Politiker mit Klagen zu überziehen oder beim popeln zu erwischen. Eine Aufgabe, die aus dem Grundsatzprogramm leider nicht hervorgeht, aber die billig zu haben ist: Alle anderen machen ja auch nichts anderes.

Maximales Medienecho bei minimalem Risiko

Der „freundlichen Hundeverbrenner“ könnte eine Klage viel undemokratischer auffassen und auch dass Schafe und Ziegen etwa beim islamischen Opferfest teilweise auf bestialische Weise und gegen die Berufsehre selbst jedes ehrlichen Teilzeit-Metzgers hingemetzelt werden, ist dieser Partei keine Fronteröffnung wert. Schafe findet man auf der Webseite nur im Zusammenhang mit Wölfen und eine Ziege ist nur im Zusammenhang mit dem Profil von Frau Jung zu entdecken – auch etwas, dass ich mir leider nicht ausdenken musste, suchen Sie einfach selbst. „Opferfest“ findet dort gar nicht statt, allerdings habe ich noch nicht nach „bereichernde kulturelle Veranstaltungen“ gesucht. Tierwohl? Na ja…wenn sogar schon die medial halbmilitante Peta, wo man sonst selbst Ameisen vor Stiefeln beschützt, sich für islamische „Traditionen“ mühevoll Verständnis abringen muss, während man mit pelztragenden Omas keine Gnade kennt, spielt wohl weit mehr als nur das Tierwohl eine Rolle in der Agenda. Die Devise lautet: überleben und nur dort anecken, wo’s nicht weh tut. Einen Artikel findet man aber bei ETHIA, in dem klar gestellt wird, dass Nazis keine Tierschützer sein können – vermutlich, weil sie eben Nazis sind und Schmerzen mögen, ich weiß es nicht so genau. Und falls jetzt noch herauskommt, dass der Führer in Wirklichkeit keine Hunde mochte, bräche womöglich endlich, nach siebzig Jahren postfaschistischem Widerstand, das dritte Reich zusammen!

Die ETHIA ist eben doch leider nur eine Partei der Opportunisten, und zwar eine, wie sie im Lehrbuch steht. Abhaken, vergessen, entspannen. Da die ETHIA laut Programm auch konsequent aus „Atom und Kohle“ raus will und vor allem auf Sonnenenergie setzt, werden wir wohl in Zukunft zumindest nachts vor deren Ideen Ruhe haben, oder sie bei den Grünen wiederfinden. Man teilt sich ja ohnehin die selben ideologischen Lieferanten.

Eine Frage sollte man sich aber schon aus prophylaktischen Aspekten zum Schluss noch stellen: Was passiert eigentlich, wenn ein Gericht feststellt, dass im Fall der Weigel/Storch-Äußerungen keine Volksverhetzung vorliegt, weil die Meinungsfreiheit sagt „muss man so nicht sagen, kann man aber machen“? Verklagt die ETHIA dann Artikel 5 des Grundgesetzes?

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10 Kommentare

  1. Das Reichstierschutzgesetz von 1933 ist ein Beleg dafür das diesen Leuten damals Tiere wichtiger waren als die Menschen die sie ermordet und im Krieg verheizt haben.

  2. Genau die Sache mit dem Schächten geht mir bei so etwas auch immer als erstes durch den Sinn:
    wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die sich am vehementesten für Tierrechte eingesetzt haben (und es noch tun), sich so gnadenlos blind und taub stellen, sobald die Tierquälerei im Namen der Religion ausgeübt wird….??

    • … pardon, da geht es selbstverständlich NICHT ums Schächten (hebr. Sch’chita, von שחט , schlachten, die jüdische Weise des Schlachtens, die auf weitestgehend schmerzlose Weise getan wird), denn da geht es um das Halal-Abschlachten von Schlachttieren mit rostigen, stumpfen Messern, getan von Handlangern, die in keiner Weise dafür geschult sind.

      • Letztlich geht es nicht mal um das Halal Schlachten, sondern um die zahllosen Hobbymetzeleien am Opferfest in Hinterhöfen, mit Äxten und stumpfen Messern…das Netz ist voll davon. Leer hingegen ist es an ernsthaften Bemühungen, das zu beenden.

      • @Aristolbulus
        Wie kommen Sie eigentlich auf die Idee, dass das jüdische Schächten „weitestgehend schmerzlos“ sei?
        Das ist einfach eine Lüge.
        Gucken Sie sich das doch mal an und glauben Sie nicht Ihrem Rabbiner, denn der hat ein Interesse daran, dass Sie davon überzeugt sind, dass das jüdische Schächten dem Tierwohl dient.

        • Haben Sie das denn selbst mal getan oder gesehen?

          Davon abgesehen: ist denn nun das hierzulande eher übliche Schlachten nach den Überzeugungen der meisten Tierfreunde jetzt plötzlich nicht mehr genauso grausam? Wo genau ist für Sie im Gegensatz zu ihren eigenen Überzeugungen wenn Sie an anderer Stelle über die Vorzüge des Veganismusses schreiben plötzlich der Unterschied? Ist es jetzt für Sie wieder in Ordnung anders geschlachtetes Fleisch zu essen, weil es gerade ums Schächten und nicht ums Töten von Tieren geht – oder sehen Sie das als Etappenziel auf dem Weg zum Verbot des Fleischessens, wollen das aber nicht so deutlich hinschreiben weil Sie dann sofort jemand auf den Unterschied zwischen „nicht töten“ und „nicht morden“ hinweist?
          Und haben Sie sich, wenn Sie schon beim anschauen und moralisch bewerten sind wie Lebensmittel auf den Tisch kommen, einmal den Balken eines Mähdreschers angesehen, nachdem der durchs Feld gefahren ist? … und beißen trotzdem noch ohne Gewissensbisse in Ihr Müsli?

        • Ja, die ‚Tierfreundin‘ springt liebend gern auf das Nebenthema jüdische Schächtung an, übrigens ein Lieblingsthema von allerlei ‚Judenfreunden‘ seit je her, nur um vom Hauptthema abzulenken.
          Ferner lügt sie, denn a) ein Rabbiner ist allermeist kein Schochet (jüdischer Metzger), denn ein Rabbiner hat als Rechtsgelehrter den Kopf voll, hingegen ein Schochet ist ein reiner Praktiker, der täglich beschäftigt mit der möglichst schmerzfreien, möglichst schonenden, möglichst traditionellen und sehr erprobten Tierschlachtung ist.
          Ferner hat ein Rabbiner wirklich noch nie vom „Tierwohl“ geredet, wenn er über koschere Schlachtung redet, denn bei Schlachtung geht es nun mal um’s Menschenwohl. Dass das Tier dafür getötet wird, ist leider ein notwendiges Übel.

          Endlich hat sich die ‚Tierfreundin‘ noch nie mit einem Rabbiner oder gar mit einem Schochet unterhalten 😀 , sondern sie, die garnix weiß, schlägt ausgerechnet mir (der ich das weiß) vor, zu wissen, was ich weiß. Na allerliebst.

  3. Das ganze ist für den Karneval ein wunderbares Bild von Eigennutz und Volksverblödung in höchster Potenz

  4. … Tja, für die Meinungsfreiheit mag sich Frau Jung nu wirklich beleibe nicht erwärmen, denn so stammelt sie es klammdeutlich hin in ihrer Denunz-Petition:
    „…und bin zutiefst entsetzt und erschüttert über solche hetzerischen Auswüchse. Ich sehe es als meine Pflicht an und es ist mir ein großes Bedürfnis, zumindest gegen die übelsten aller Äußerungen dieser Politiker*innen, die hier ganz sicher nicht mehr als freie Meinungsäußerung zu werten sind, vorzugehen.“

    Jaha, da herrschet die heilige Pflicht, gegen andere Meinungen vorzugehen, und die Dame hat sogar Bedürfnisse 😀 , wer hätte das vermutet.

    Freilich verrät sie nicht, welche von Weidels und Storchs Ausführungen sie so besonders meinugsstrafwürdig findet. Es mag deren Bemerkung über die Verwendung des Arabischen durch die Polizei sein, es mag aber auch folgender Passus sein:
    „Das Jahr beginnt mit dem Zensurgesetz und der Unterwerfung unserer Behörden vor den importierten, marodierenden, grapschenden, prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs, an die wir uns gefälligst gewöhnen sollen. …“

    Es ist sicher nicht freundlich, was Weidel und Storch über die Migrantenmobs schreiben, aber FAKTISCH ist es richtig.
    Bloß geht es der Frau Jung ja nicht um Fakten oder nur um etwas restliche Meinungsfreiheit für Andersdenkende, sondern es geht ihr bloß um ihr Bedürfnis, ihre Denunziantenpflicht zu erfüllen.

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