Es könnte ein wirklich schönes Schiff werden, wenn es in zwei bis vier Jahren fertig ist: das Holz- Segelfrachtschiff „CEIBA“, dessen Bau letztes Jahr in Costa Rica begann. Die schönste Art, einen Ozean zu bereisen, ist ohnehin das Segeln und warum nicht das Angenehme mit dem Gewinnbringenden verbinden und Fracht transportieren? Die sich auf der Reise einstellende Entschleunigung und Unmittelbarkeit ist eine wahre Wonne und wenn man sich Riss und Segelplan der „CEIBA“ ansieht, findet man das Schiff für seine Zwecke ausgesprochen tauglich. Einige Rahsegel am Fockmast, um Passatwinde gut nutzen zu können, ansonsten Gaffelsegel, die sich auch mit wenig Personal und von Deck aus bedienen lassen. Alles sehr schön und mit viel Vintage-Appeal. Das fertige Schiff wird eine Zierde aller sieben Meere sein, da bin ich mir sicher. Ganz ernsthaft! Selbst die avisierten Baukosten von 3,2 Millionen Euro sehen angesichts der aus dem Ruder laufenden Kosten für die kariöse „Gorch Fock“ der Bundesmarine wie Taschengeld aus. Unsere Kanonen-Ursel sollte einen ihrer externen Berater auf die Helling in Costa Rica schicken.

(Bild: Sailcargo.org)

Das Konzept des Seetransports per Traditionssegler ist unter bestimmten Bedingungen auch gar nicht so übel, denn wer für ein Kilo handgestreichelten und erlesenen Geisha-Kaffee aus Costa Rica pro Kilo 200 Euro ausgibt, der möchte sicher nicht, dass dieser Kaffee die weite Reise bis ins Silicon Valley in einem schnöden Standardcontainer auf einem schwerölverbrennenden Ozeanriesen antritt – da muss Nachhaltiges her für Seele und Gaumen und das Gebräu schmeckt gleich noch besser, wenn man das Salz der See oder den Schweiß des Eselrückens mitschmeckt, auf dem der Kaffeesack transportiert wurde. Soweit, so Kapitalismus. Wo ein Markt ist, da ist eine Idee und wer sich den per Segelschiff um ein Vielfaches teureren Transport gern etwas kosten lässt, für den sägen und hämmern derzeit in Costa Rica 250 Holz- und Schiffsbau-Enthusiasten den 45-Meter-Frachter „CEIBA“ aus hurrikaneumgeblasenen Hölzern zusammen. Doch ich würde nicht über das Projekt berichten, wenn es ein gewöhnliches Start-Up wäre, dessen Gründern man nur – wie allen Unternehmern, die sich was trauen – die Daumen drücken kann. Denn es gibt einen neuen, schicken Nagel, an dem man unter anderem im Spiegel die Schiffwerdung der CEIBA in den Tropen nun aufgehängt hat: Klimaschutz!

„Emissionsfrei“ ist das neue „Bio“

Unter dem Label „absolut nachhaltig“ lassen sich heute nämlich selbst solche Ideen als innovativ und superhipp verkaufen, über denen die technologische Entwicklung mit Recht längst in ähnlicher Weise den Stab gebrochen hat, wie über vielen Produkten aus dem Manufactum-Katalog, die dort als Widergänger der „guten alten Zeit“ auf begeisterte und liquide Fans des materiellen Konservatismus warten. Traditionelle Segelschiffe spielen im Welthandel seit 100 Jahren keine große Rolle, seit der Erfindung des Containers im Grunde überhaupt keine mehr – und zwar völlig zu Recht! Wenn nun der Eindruck erweckt wird, der CO2-freie Warentransport würde durch das Segel in Verbindung mit Elektro-Hilfsmotor und Lithium-Batterien eine Wiederauferstehung erleben, geschieht das lediglich, um mit dem Persilschein „Emissionsfrei“ Gelder zu akquirieren, die man unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten niemals bekommen würde. Das Wort „Emissionsfrei“ ist ein Tresoröffner!

Die Frage nach der Massentauglichkeit einer Idee ist stets ein guter Lackmustest. Wäre das Projekt wirklich so sinnvoll und beispielhaft, müsste es sich zur Nachahmung anbieten. Doch von der Nachahmung kann in Fall CEIBA nur abgeraten werden, denn gerade mit der Beispielhaftigkeit des Projekts hapert es gewaltig – sowohl ökonomisch als auch ökologisch:

  • Die CEIBA müsste randvoll mit Akkus sein, um bei Flaute eine nennenswerte Strecke mit Elektromotor zurücklegen zu können. Die Baukosten von nur 3,5 Millionen Euro weisen jedoch eher darauf hin, dass dies nicht der Fall ist. Mehr als Hafenmanöver und ein paar extra-Seemeilen sind ohne Wind in der Praxis kaum drin.
  • „Just-in-Time“ können die beförderten Waren angesichts der unsicheren Windbedingungen auch nicht sein. Variable Zeitfenster von mehreren Tagen sind die Regel bei Segelschiffen, nicht die Ausnahme. Die Zuverlässigkeit des Transportes entspricht leider der der Stromerzeugung mit Windkraft.
  • Laden und Löschen der Fracht ist bei Segelschiffen viel Handarbeit, weil man – schon aus baulichen Gründen – keine Container oder die vorhandene Hafen-Infrastruktur nutzen kann. Die Löhne der Schauerleute kommen auf die ohnehin extrem erhöhten Frachtkosten noch on-top und ich gehe davon aus, dass man ordentliche Löhne für diese Schwerstarbeit zahlen wird und nicht die Sklaverei im Dienst der Decarbonisierung wieder einführen will.
  • Harthölzer, die ohne chemische Behandlung langlebig genug für die Verwendung im Schiffbau sind, kommen meist aus den Tropen (Teak, Mahagoni, etc.). Ein massenhafter Neubau von Holz-Frachtseglern bedeutete deshalb einen massiven Eingriff in die Ökosysteme dort, selbst dann, wenn durch Aufforstungen für Ausgleich gesorgt würde. Genau aus diesem Grund ist schon jetzt der Handel mit Tropenholz höchst umstritten und zu Recht stark reglementiert. Man kann auch nicht immer wie im Fall der CEIBA darauf vertrauen, dass Stürme den Schiffsbauern ausreichend Holz vor die Füße legen.
  • Um auf dem Weg zum emissionsfreien Welthandel auch nur ein einziges modernes Containerschiff (OOCL G-Klasse, Kapazität bis zu 20.000 Standardcontainer) ersetzen zu können, müsste man mehr als 1.600 Schiffe wie die „CEIBA“ einsetzen. Es fahren jedoch hunderte Containerschiffe dieser oder etwas kleinerer Größe auf den Weltmeeren, allein der Holzbedarf für deren Ersetzung wäre gigantisch und würde eine großflächige Abholzung der Tropen wie in der Antike auf griechischen Inseln oder der Anfangszeit des britischen Empires in England bedeuten.
  • Während ein Schiff der OOCL G-Klasse mit 13 Mann Besatzung auskommt, braucht ein Segler der CEIBA-Größe Crews von schätzungsweise zehn bis zwölf. Macht mindestens 16.000 Seeleute in CEIBA-Äquivalent um einen großen Schwerölverbrenner zu ersetzen. Die Löhne der Seeleute zahlen übrigens auch die Endkunden.
  • Was das CO2-freie Traumschiff auf seiner Rückreise nach Costa Rica an Bord haben könnte, kann niemand sagen. Der Bedarf beispielsweise an Bio-Marihuana aus Kalifornien ist in Mittelamerika eher bescheiden.

Der große Sprung zurück

Während in den Zeiten des „Großen Sprungs nach vorn“ die maoistischen Kommandos auf der Suche nach Metallen noch die letzten Nägel in den Dörfern requirierten, durchkämmen die Decarbonisierungspropheten heute alle Prozesse, um möglichst jede Nutzung fossiler Energie abstellen und verbieten zu können, ohne dass es auch nur annähernd gleichwertigen technologischen Ersatz dafür gäbe. Nach der Verteufelung des Dieselmotors im Straßenverkehr nimmt man nun ausgerechnet die derzeit energieeffizientesten Motoren überhaupt ins Visier: große Zweitakt-Schiffsdiesel. Statt also deren Partikelausstoß als Problem zu isolieren und dort nach Lösungen zu suchen, verfolgt man versponnene nostalgische Träume und will den Welthandel am liebsten wieder auf Segel umstellen.

Noch sind die Stimmen recht leise, die solches fordern. Doch die Vorstellung, die Axt an den Welthandel zu legen, dem die Menschheit nicht unwesentlich ihren gewachsenen Wohlstand verdankt, wäre keine gute Idee. Für eine kleine Gruppe Privilegierter – grüne Bundestagsabgeordnete beispielsweise – wäre der Kaffee natürlich auch dann noch erschwinglich, wenn er wieder auf Segelschiffen transportiert würde. Für die meisten anderen Menschen jedoch hat der kostengünstige Welthandel auf riesigen Containerschiffen viele Waren überhaupt erst erschwinglich und verfügbar gemacht.

Kein Weg zurück ins Paradies

Ich finde es erstaunlich, dass gerade vorgeblich progressive Linke Klimaretter, die Liberalen und Konservativen gern vorwerfen, diese wollten die Zeit zurückdrehen, bei jeder Gelegenheit mit technischen Ideen wie „Segelfrachter“ und „Elektroauto“ um die Ecke kommen, die schon vor 100 Jahren alt waren. Sie träumen von einer vermeintlich vor-industriellen Unschuld, zu der jedoch kein Weg zurück führt, wenn man sich nicht gleichzeitig von Errungenschaften wie höhere Lebenserwartung, Mobilität, Bildung für alle, ausreichend Lebensmittel, höhere Resilienz gegen Naturkatastrophen, Internet, Welthandel und vielem mehr verabschieden will. Wer diesen Weg gehen möchte, kann dies gern tun, nur bitte ohne Agitation und konsequenterweise inklusive des vollständigen Verzichts auf das Internet und andere mediale Trommeln. Auf meine Mitwirkung bei der Abschaffung des Fortschritts sollte man aber nicht hoffen.

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13 Kommentare

  1. Sie schreiben:
    „Sie träumen von einer vermeintlich vor-industriellen Unschuld, zu der jedoch kein Weg zurück führt, wenn man sich nicht gleichzeitig von Errungenschaften wie höhere Lebenserwartung, Mobilität, Bildung für alle…“,
    und genau bei letzterem liegt der Hase im Pfeffer, da diese Bildung ohnehin systematisch und beständig behutsam von oben her abgeschmolzen wird. Also eine echte grüne win-win-Situation, wenn sich der allgemeine Bildungsrückbau durch Wiederherstellung quasi-mittelalterlicher Zustände beschleunigen lässt.

  2. Elon Musk möge einen langen Staubsauger bauen und ihn Hyperloot (sic!) nennen.
    Wird mit purer Luft befördert. Besser geht nicht.

  3. Was mir dabei noch einfällt….wie schaut eigentlich die Nachhaltigkeit und Emission dieses Frachters aus, wenn er mitsamt seinen Akkuzellen auf dem Meeresgrund liegt, weil ihn eine Windböe zu hart erwischt hat. Dazu wird leider im Beitrag nix gesagt…^^

  4. Wie so oft wird es mal wieder der gute alte Mittelweg sein, der uns ins Licht führen wird. Auf die Technik und den Fortschritt verzichten? Mitnichten. Ihn für gewissen Dinge, die sich verkaufen lassen nutzen? Das Urwesen des Kapitalismus! Daher wird es stetig so weitergehen und jeder selbst wird sich fragen müssen, was ist mir wichtig, was brauch ich noch? Und genauso wie die Zeit immer kostbarer wird, werden es die materiellen Dinge immer weniger.
    Und es wird die Zeit kommen, wo weniger mehr ist, ganz ohne Klima oder Ökogefasel, sondern einfach nur, weils das Leben angenehmer macht. Und es werden die am „reichsten“ sein, die am wenigsten brauchen werden.
    Klar, es wird nur einige geben, die das erkennen werden. Eben die, die das alles schon mal „ohne“ kennenlernen durften. Die das Gefühl kennen, vor 30-40 Jahren ohne medialen Forstschritt etc. durchs Leben zu gehen.
    Die Frage wird nur sein, wie gehen kommende Generationen damit um. Werden sie sich anstecken lassen, von dem geheimnisvollen und legendären Geschichten, aus einer Zeit ohne Handy oder medialen Plattformen. Oder werden sie wie eigentlich immer in all den Generationen davor ihren eigenen Weg gehen, sich damit arangieren und Wege finden, die wir „Alten“ leider nicht mehr mitgehen und mitdenken können. Nun denn, es ist der Lauf der Zeit und niemand wird ihn aufhalten..;-)

    • So wird’s kommen, zurück zu den Good old times:
      Freedom’s just another word for nothing left to lose.

  5. „Kaum eine Aktiengesellschaft war in ihrer Zeit so mächtig wie die niederländische „Vereenigde Oost-Indische Compagnie“ (VOC). Sie war das größte Privatunternehmen ihrer Zeit. Ihr Aufstieg war eng verbunden mit dem Emporkommen der Niederlande als Kolonial- und Handelsmacht.

    Bis zu ihrer Auflösung war die VOC sehr erfolgreich beim Aufbau des niederländischen Kolonialreiches in Südostasien. 1772 Schiffe waren im Laufe von 200 Jahren für die VOC auf den Weltmeeren unterwegs. Sie hatten 4789 Fahrten unternommen.“(Planet-Wissen, ARD)

    Das bedeutet die Segler sind im Schnitt bei der vierten Fahrt gesunken.
    Ist ja auch logisch, die Schiffe benötigen Wind und können Stürme nicht umfahren.

    Reisezeit eines OOCL G-Klasse Frachters von Asien nach Europa ca. 6 Wochen. Das bedeutet die 16.000 Seeleute in CEIBA-Äquivalent halten nur ein halbes Jahr. Um EIN großes Containerschiff zu ersetzen werden PRO JAHR ca. 30000 Seeleute und 3000 Schiffe benötigt.

    „Für eine kleine Gruppe Privilegierter – grüne Bundestagsabgeordnete beispielsweise – wäre der Kaffee natürlich auch dann noch erschwinglich, wenn er wieder auf Segelschiffen transportiert würde.“

    Auch für diese Gruppe wird das Pfund Kaffe dann unbezahlbar.

    Selbstverständlich ist das nur durch Sklaverei zu wuppen. In Costa Rica zimmern 250 Holz- und Schiffsbau-Enthusiasten das Schiff für 3,2 Mio zusammen. Von Mai 2016 – März 2021 (Sailing First Cargo)

    5 Jahre, da bleiben pro Mann 200 Euro im Monat. Das Material muß dann aber komplett „gefunden“ werden. (Unternehmen Petticoat, wer’s kennt)

    Wie im Artikel beschrieben, alles Traumtänzerei. Ein deindustrialisiertes Deutschland kann 20 Millionen Menschen ernähren (und auch nur das,
    Subsistenzwirtschaft), der Rest verhungert.

    P.S. Ich liebe große Segelschiffe, Deutschland sollte sich ruhig ein oder zwei leisten.

      • Finde ich auch. Gut bestückte Galeonen könnten die europäischen Außengrenzen sichern. Wenn allerdings zusätzlich mächtige Dreidecker der NGO um Gibraltar kreuzen, könnte es zu Scharmützeln kommen. Es wird spannend.

  6. Ich sehe schon den nächsten Ökokampf aufkommen. Nach Klima, Energy und Transport könnte doch das Gesundheitswesen als nächstes voll grün werden. Zungen Diagnostik anstatt Computertomography, Kräuter statt Krebs Medikament und Handauflegen statt Operationen. Wenn wir dann noch einen weiteren Schritt zurückgehen, werden wir ganz fröhlich um Opferfeuer tanzen und mit 30 gesund und chemiefrei Sterben.

    • Ja, das mit dem frühen sterben wäre für mache meiner Mitmenschen gar keine so schlechte Idee. Ich könnte auf manchen unklugen Grünling verzichten.

  7. Jo, zurück zu Eselskarren, zu Pferd, Kamel, Ochsengespann. Zurück zu den guten alten Windjammern. Prächtige, schnelle Vier-oder gar Fünfmastbarken, die nach Chile, Argentinien, an beide Küsten der USA unterwegs waren. Gute alte Zeit. Leider heute zu Zeiten der Just-In-Time-Logistikketten völlig unbrauchbar. Wie Ochs und Esel. Der Marxismus, der nicht nur in Deutschland fröhliche Urtständ feiert, schreckt in seiner ökologischen Extremstform nicht einmal vor dem Rückfall in das Mittelalter zurück. Man könnte schallend lachen, auf welche Ideen die Ökobolschewisten kommen, wenn das alles nicht bitterer Ernst wäre. Nur ein RADIKALER Machtwechsel in Deutschland, mittels Demonstrationen und ggf. flächendeckenden Streiks wird uns vor dem Untergang retten können. Spätestens beim ersten (und letzten) kontinentalen Blackout werden alle noch bestehenden Strukturen zusammenbrechen und das Land-zusammen mit den dafür Verantwortlichen- im Orkus verschwinden.

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