Er ist wieder da!

Kalter Krieg 2.0

Was war die Welt früher doch einfach zu verstehen! Je nach dem auf welcher Seite des eisernen Vorhangs man saß, gab es in der Summe klare Vorstellungen von Gut und Böse. Die atomare Abschreckung sorgte dafür, dass sie Großmächte jeweils das Messer an der Kehle des anderen hatten, alle Konflikte traten hinter diese „Mutter der Konflikte“ zurück. Ich stand damals natürlich – wie jeder andere überall auf der Welt übrigens auch – auf der „guten“ Seite. Jedenfalls sagten uns die Greise im Politbüro, das dies so sei und dass das Bestreben der anderen, bösen Imperialisten aus dem Westen sei, uns zu vernichten. Und wenn sie das nicht mit Pershigs, Leopardpanzern und Helmut Schmidt schafften, versuchten sie es eben mit den Verlockungen des Wohlstands. Reisen, Autos, Musik…perfinde Dinge, die uns schwächen und einlullen sollten. Der arme, geknechtete Arbeiter im Westen hingegen, wenn er nicht der imperialistischen Hirnwäsche erlegen war, liebte die DDR. So sollten wir das sehen. Taten wir aber nicht. Wir schauten nicht nur die aktuelle Kamera und den Schwarzen Kanal, wir wurden umso misstrauischer, je mehr Geifer über unsere offiziellen Medien verbreitet wurde.

War die Welt wirklich so böse und uns feindlich gesinnt? Machten die Imperialisten nicht auch mal Pause vom Imperien bauen und die Revangisten vom revangieren? Ständige Klassenkämpfe machen müde und die Fassade aus Abschottung, Verschwörungstheorien, und absoluten Gewissheiten bekommt Risse. Und genau dann werden die Gewissheiten zum Problem. Wer im Besitz der Wahrheit ist, das „bessere System“ hat und immer das Richtige zu tun behauptet, kann eben nicht glaubhaft „nur ein bisschen“ danebenliegen – „Unsinkbar II“ ist ja auch kein passender Name für ein Schiff.

Hinter dem Horizont gings weiter

Mielke sprach „…ich liebe doch alle Menschen“, die Rumänen ließen ihren Spitzen-Kleptokraten etwa Metall durch den Kopf gehen, von kleinen baltischen Völkern erfuhren wir, dass sie doch gar nicht so gern russisch sprachen. Eine Implosion folgte der anderen. Die Leute sahen einander an wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern und machten sich wieder an die Arbeit. Mancherorts mit mehr, anderenorts mit weniger Erfolg. Aber da war ja noch „der Russe“, der hatten ja immer noch das große Messer. Und genau hier beginnen die Missverständnisse. Der Westen dachte, Russland möchte so etwas werden wie die USA, nur mit Wodka statt Whiskey, mehr Rohstoffen, Platz und kyrillischem Alphabet. Anfangs sah das ja auch ganz danach aus. Die GUS zerbrach, die kleinen Völker an der russischen Peripherie wurden unabhängig, die Wirtschaft wurde privatisiert und Bereicherung in Russland fand nicht mehr im Geheimen, sondern in aller Öffentlichkeit statt. Um Russland bei seiner Selbstfindung nicht allzu nahe zu kommen, wurden Einflussgebiete und „rote Linien“ definiert. Eine davon bezog sich auf die Osterweiterung der Nato. Kein Problem dachte der Westen. Weißrussland, Ukraine…ist doch alles irgendwie auch noch Russland, was sollen wir mit denen schon anfangen. Man teilte also die Welt wieder einmal auf. Bis sich die Ukrainer irgendwann fragten, warum es in ihrem Land so gar nicht voran ging, warum alles was sie taten, jede Regierung die sie hatten sie immer weiter in die Abhängigkeit von Moskau brachte.

Wer gehört warum zu wem?

Man stelle sich mal vor, Lincoln hätte zwar die Sklaverei abgeschafft, es aber per Gesetz jedem ehemaligen Sklaven verboten, seinen Herrn zu verlassen. Mit welchem Recht hat man die Ukraine also dazu zwingen wollen, sich aus EU und Nato rauszuhalten, und der russischen Einflusssphäre zugeschrieben? Die Ukraine hatte jedes Recht dazu, sich der EU oder Russland zuzuwenden oder einen ganz anderen Weg zu gehen. Brüssel und Moskau haben wiederum das Recht, diese Hinwendung zu kommentieren, schlecht oder gut zu finden und zu versuchen, ihre jeweilige Sichtweise in den Köpfen der Ukrainer zu verankern. Mehr nicht.

Sieger nicht in Sicht

Man kann dem Westen ja vieles vorwerfen – nicht jedoch, dass er seine Probleme vor dem Osten geheim zu halten versuchte. Krisen, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Waffenhandel…schlimme Auswüchse, die es im Osten natürlich nicht geben konnte, weil es all so etwas nicht geben durfte. Russland befindet sich wieder auf dem Weg zurück in die Sowjetzeit, in der alles von oben geregelt wurde und es nur die angepassten Menschen schaffen, zu überleben. Die Nato, von der viele schon in den 90er Jahren glaubten, sei sei überflüssig geworden weil es ihr an einem tauglichen Feindbild mangele, diese Nato erwacht nun wieder zu neuem Leben. Rüstungshaushalte werden ausgebaut, wechselseitig Drohungen ausgesprochen und Provokationen unternommen. Alles wie früher, alles auf Anfang, nichts dazu gelernt. Der kalte Krieg ist zurück. Zum Glück weiß ich ja wie beim letzten mal, dass ich auf der richtigen Seite stehe. Aber so ist das ja immer. Diagnose: Kognitive Dissonanz, auf beiden Seiten!

Vorheriger ArtikelHerr Augstein spricht vom Neuanfang in Griechenland
Nächster ArtikelFlüchtlingsgeschichten