Es gibt nicht das geringste zu sehen, Leute!

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Wie es sich anfühlt, in einem de facto Ein-Parteien-Staat zu leben, erfahren gerade mal wieder die New Yorker. Zumindest die hoffnungslose Minderheit, deren Kandidaten bei der Wahl von Richtern, Staatsanwälten, Abgeordneten oder Präsidenten seit Dekaden nichts zu melden haben. Republikaner in New York sind eine aussterbende Spezies und so schmiegt sich seit vielen Jahren politisch alles stromlinienförmig der Agenda der Demokraten an. Deshalb sollte auch niemand glauben, es habe da „Befehle“ von „oben“ gegeben, Trump in New York City mit einem weiteren Prozess zu überziehen. Sowas versteht sich von selbst und Generalstaatsanwältin Letitia James (D) musste sich sicher nicht überwinden, Trumps Immobilienentwicklungsfirma in ihrem Bundesstaat wegen „wiederholt und durchweg falsch und aufgeblasen dargestellten Vermögenswerte“ aufs Korn zu nehmen.

Da James Wahlkampf wortwörtlich unter dem Motto „Get Trump“ stand, kann sie sich nun über das Ergebnis freuen: Es gibt ein Urteil. Für die versprochene Liquidierung der „Trump Org“ hat es schon mal nicht gereicht. Die 355 Millionen Dollar, die der klammen Staatskasse New Yorks zufließen sollen, wird es vorerst auch nicht geben, denn Trump legt Berufung ein und das alles kann sich noch Jahre hinziehen.

Die Vorwürfe sind bizarr und verwirrend. Denn einerseits wirft man Trump prinzipiell vor, er würde lügen, stehlen und Steuern hinterziehen, weil er nun mal Trump sei. Andererseits ist der Kern der Anklage ausgerechnet die absichtsvolle „Aufblähung“ des Wertes seiner Immobilien. Trump-Tower New York: seine Wohnung dort seit zwar sehr viel größer als er es angegeben hat, aber gleichzeitig im Grund wertlos! Mar-a-Largo, sein Anwesen in Palm Beach mit 10.000 Quadratmeter Nutzfläche: keine 20 Millionen wert! Aber was stimmt denn nun? Ist Trump betrügerisch reich oder arm? Man kann sich nicht entscheiden, welcher Vorwurf ihn härter im Ego treffen mag und versucht gleich beides.

Leser, Häuslebauer

Stellen Sie sich vor, sie haben ein Haus und wollen ein zweites bauen. Sie gehen also zur Bank und bieten ihr erstes Haus als Sicherheit für einen Immobilienkredit an, mit dem sie dann das zweite in Auftrag geben. Akzeptiert die Bank ihr erstes Haus als Pfand, bekommen sie nicht nur einen Kredit, sondern je nach Wert des Pfandes auch bessere oder schlechtere Zinsbedingungen. Die Bank wird die zur Sicherheit eingesetzte Immobilie natürlich prüfen, sie wird Gutachter bestellen, das Risikomanagement wird einen Bericht schreiben, man wird schauen, ob sie in der Vergangenheit ein guter Kunde waren und sie bekommen den Kredit mit Sicherheit nicht, wenn die Bank glaubt, übervorteilt zu werden oder ihr erstes Haus in Wirklichkeit ein Fall für das Abrisskommando ist.

Sie kriege nun also den Baukredit, die bauen das Haus und verkaufen es dann mit Gewinn. Die Bank bekommt das geliehene Geld nebst Zinsen zurück, die Baufirma wurde bezahlt, das Finanzamt bekommt ordentlich Steuern und ein neues Haus ist auch entstanden. Eine Win-Win-Win-Win-Win-Situation! Doch nun haben sie das Pech, das Geschäft in New York gemacht zu haben und Trump heißen sie dummerweise auch noch. Na, das ist jetzt aber dumm gelaufen für Sie!

Denn ein Richter urteilt, dass ihr erste Haus, das Sie als Sicherheit eingesetzt haben, keine Million Dollar, sondern nur so viel wert ist wie ein Schinkensandwich. Sie hätten also viel mehr Zinsen an die Bank zahlen sollen, um das nächste Haus zu bauen. Sie Schlingel und ihr Sandwich haben sich einen zinsgünstigen Kredit bei der Bank erschlichen! Sie sind natürlich fassungslos, weisen auf die Bank und fragen, wem denn genau hier ein Schaden entstanden sei. Der Richter bestätigt, dass es keine Geschädigten gebe, dass Sie aber im Prozess keine Reue gezeigt hätten und überhaupt ein gang ganz schlimmer Finger sind. Und Ihre Kinder auch! Wumms, der Hammer fällt! Im Namen des Volkes von New York! Und Zinsen auf die gesparten Zinsen brummt man ihnen jetzt auch noch auf. Fühlt sich gut an, oder?

Nun sind Sie, lieber Leser und Häuslebauer in spe und New York City natürlich nicht der Einzige, der Kredite aufnimmt, Immobilien baut oder renoviert und diese anschließend mit Gewinn verkauft. Die ganze Branche der Immobilienentwickler macht weltweit den lieben langen Tag nichts anderes! Exakt so wie oben beschrieben. Und New York City ist der heiliger Gral der Branche. Wohlstand und glitzernden Fassaden der ganzen Stadt stehen und fallen mit genau diesem Geschäftsmodell! Und deshalb haben nicht nur Sie, sondern all ihre Immobilienentwicklerfreunde jetzt Schnappatmung. Denn die Drohung liegt in der Luft, dass ein Staatsanwalt noch Jahre nach einem für alle Seiten erfolgreichen Geschäft über den Daumen schätzend in der Absicht an ihrer Fassade entlangläuft, ihre unanständigen (und unanständig hoch besteuerten) Gewinne nachträglich nochmal abzuschöpfen.

Ein gefährliches Pflaster für Immobiliengeschäfte ist dieses New York neuerdings! Auch für Banken übrigens. Denn ein übervorsichtiger Immobilienentwickler von morgen, der womöglich nicht großzügig genug war mit Zuwendungen zu „der einem“ Partei oder wenn der vielleicht gar der falschen zugeneigt ist, könnte in Kreditverträgen auf eine Schadenersatzklausel bestehen. Nur für den Fall, dass später mal ein Richter auf die Idee kommt, frei verhandelte Verträge in Frage zu stellen und sich eine Art „Recht des letzten Wortes“ gestattet … keine Bank der Welt würde an solchen Orten noch Immobiliengeschäfte machen.

Das alles und vor allem die Steuereinnahmen bedenkend, die dadurch wegzubrechen drohen, geriet Gouverneurin Kathy Hochul (D) in Panik. Und weil panische Reaktionen nun mal kein Vertrauen generieren, machte sie alles nur noch schlimmer.

Nothing to worry about!

Auf einer Veranstaltung des New Yorker Geschäftsmanns John Catsimatidis gefragt, ob man sich nun Sorgen machen müssen, denn wenn man sowas mit Trump machen kann, könne es ja jeden anderen auch treffen, meinte Hochul, das sei schon ein außergewöhnlicher Umstand und sie [also der Rest der Immobilienbranche] seien ja ganz anders als Donald Trump. Soll wohl heißen, wer kein MAGA-Cap auf dem Kopf hat und genug Abstand zu Trump hält, ist vorerst sicher. Und sie fügt einen Satz hinzu, den man je nach Parteiaffinität ganz unterschiedlich interpretieren kann:

„Im Großen und Ganzen sind sie ehrliche Leute und sie versuchen nicht, ihr Vermögen zu verstecken und sie befolgen die Regeln“ Im Großen und Ganzen ehrlich. Und die zu befolgenden Regeln sind dann sicher …„unsere“?

Wird das Urteil rechtskräftig?

Wenn die Berufung abgelehnt oder durch Trump verloren wird, sicher. Aber was für Folgen dies hätte, übersteigt momentan noch unsere Vorstellungskraft. Auch das Common Law kann wie man sieht in die Hände von politischen Parteien geraten und was einem Staatsanwalt mit „D“ hinter dem Namen in New York recht ist, kann einem mit „R“ in Texas oder Florida dann nur billig sein. Solche Willkür, einmal bis zum bitteren Ende durchgefochten, würde zum Präzedenzfall für jeden anderen Staatsanwalt, der aus welchen Gründen auch immer eine Person, deren Umfeld, deren Firma oder Partei aus dem Weg räumen will. Zum seit Jahren tobenden bürgerkriegsartigen Kulturkampf gesellte sich so eine ökonomische Komponente.

Mehr als das halbe Land zuckte angesichts der Konsequenzen des New Yorker Urteils erschrocken zusammen – und zwar ausdrücklich nicht nur die Parteigänger Trumps. So auch Kevin O’Leary, ein kanadischer Investor in einem Interview bei CNN, einem nicht gerade Trump-affinen Sender:

„Wenn man in diesem Fall klagt und gewinnt, muss man auch jeden Immobilienentwickler überall verklagen. Also ich glaube nicht, dass diese Sache jemals ein Berufungsverfahren überstehen wird. Das macht überhaupt keinen Sinn.“

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4 Kommentare

  1. Die USA sind schon länger das Absurdistan der Politik. Ersparen Sie mir bitte, die Details aufzuzählen. Da kommt man hin, wenn die Parteien sich den Staat zum Untertan gemacht haben (von Weizäcker). Ich finde deshalb, die beste Satire Sendung hierzulande ist die Tagesschau. Aber dieses „Urteil“ schlägt dem Fass den Boden aus. Etwas Dümmeres und Absurderes kann man sich nicht ausdenken. (Ich hatte einen starken Schlussatz mit dem Namen Herr B. schreiben wollen, aber man muss ja heutzutage vorsichtig sein)

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