Die einen glauben stur heil an ihr Narrativ,
andere an nichts mehr.
Der Raum dazwischen wird immer enger.

Hat der Westen die Werkzeuge geschaffen, die ihn als Ideenraum aus Aufklärung, Freiheit und Wissenschaft letztlich selbst vernichten werden? Es ist noch nicht lange her, da glaubten wir zu wissen, dass dies so sein kann. Wir dachten an Nuklearwaffen, zählten die Arsenale und addierten zur multiplen Vernichtung der menschlichen Existenz. Doch die Raketen stecken sicher in ihren Bunkern und sind gut bewacht, das Zögern, sie im Konfliktfall einzusetzen, ist auch noch intakt, wie wir gerade im Krieg Russlands gegen die Ukraine sehen. Was uns wirklich an den hässlichen Rand unserer westlichen Zivilisation bringen könnte, steckt womöglich in unser aller Taschen, und unsere Kinder verbringen täglich viele Stunden damit. Die Rede ist von den „sozialen Medien“ und deren unbegrenzter Verfügbarkeit. Es geht um Kontrolle, es geht um Indoktrination, es geht auch um Verleumdung, Verführung und Verbrechen.

Die EU ist nach eigener Definition angetreten, mit einer ganzen Reihe von Gesetzen den digitalen Raum wieder so unter ihre Kontrolle zu bringen, dass keine Verletzungsgefahr mehr für ihre als naiv und unmündig erklärten Bürger besteht. Angefangen hat die Nannyfizierung mit der DSGVO, dem Datenschutzmonster, dank dessen wir uns heute durch einen Wald von Warnungen und Einverständniserklärungen klicken müssen, um zu den gewünschten Inhalten vorzudringen, und die Webseitenbetreiber mit Geldbußen droht, wenn sie amerikanische Serviceanbieter nutzen. Neueste Ausgeburt der Brüsseler Fürsorge ist der „Digital Services Act“, der (neben vielen anderen Regularien) Plattformen ab einer bestimmten Größe inhaltlich haftbar macht für das, was deren Benutzer so von sich geben. Wie wenig die Bürokratie in Brüssel von Märkten und den Mechanismen versteht, die zum Erfolg von Plattformen wie Twitter oder Facebook führen, hat man in den Erläuterungen zum Gesetz sogar noch als Zitat hervorgehoben. Dort heißt es von Andreas Schwab (EVP):

„Unser gemeinsames Ziel ist es, dass sich in den Digitalmärkten in Europa wieder die besten Unternehmen durchsetzen und nicht mehr nur die größten. Und dazu müssen wir uns nun auf die Umsetzung der Gesetze konzentrieren. […] Dabei geht es nicht um eine allgemeine Überwachung der Wirtschaft, sondern ausschließlich um eine zielgenaue Kontrolle der Zusagen der Gatekeeper im Rahmen des regulatorischen Dialogs.“

Schält man die Politphrasen ab, geht es sehr wohl um Überwachung und Kontrolle. Außerdem haben wir es nur deshalb mit den größten Anbietern zu tun, weil sie sich als die besten erwiesen haben. Die Geschichte ist voll von gescheiterten Alternativen zu Twitter und Facebook, die letztlich an mangelnder Reichweite und damit an fehlender Relevanz durch mangelnde Größe scheiterten. Was Schwab hier vorschwebt, ohne es direkt auszusprechen, sind kleine, lokale Player, deren gesellschaftliche Relevanz nie eine kritische Masse erreichen kann, wo sie den globalen Playern in der Politik durch Widerspruch gefährlich werden können. Es mangelt ja nicht an solchen harmlosen Experimenten, die niemals eine kritische Masse erreichen. Man denke nur an Mastodon. Die EU-Kommission würde am liebsten selbst ein soziales Netzwerk basteln, wenn man nur wüsste, wie man das anstellen soll.

Drohung, X in der EU den Stecker zu ziehen

Dabei hatte man die lästigen Meinungen gerade auf Twitter schon so weit eingehegt, dass man selbst Zugriff auf die „großen Linien“ hatte, entlang derer eine geregelte öffentliche „Debatte“ stattfinden sollte. Twitter beschäftigte mehr Personal für die „Pflege von Inhalten“ als für den eigentlichen Betrieb des Netzwerkes. Die Twitter-Files zeigten deutlich, wie eng Polizei und Geheimdienste mit dem Netzwerk verbandelt waren und wie direkt die Politik ins Geschehen eingriff. Da wurde gemutet, geblockt, markiert. Es gab Listen, verbotene Keywords und manipulierte Trends. Kurz: Twitter bildete die Realität ab, wie Politik sie gern haben wollte. Aber schon damals gab es Ausreißer. Schon vor der Übernahme durch Musk machten Amokläufer die Welt live zu Zeugen ihrer blutigen Tat, und es dauerte oft lange, bis das gestoppt werden konnte. Es gibt keine perfekte Überwachung.

Die Bilder und Videos, die vom Pogrom der Hamas an israelischen Zivilisten auf X zu sehen waren, nutzte der für den Digital Services Act zuständige EU-Kommissar Thierry Breton für eine mediale Breitseite gegen Musk, der solche Inhalte nicht rechtzeitig gelöscht habe und zuließ, dass sogar mit KI erzeugte Bilder und solche aus völlig anderen Kontexten unmoderiert auf X stünden. Es folgte ein kurzer Schlagabtausch, denn Musk, direkt in Bretons „offenem Brief“ angesprochen, wollte wissen, welche konkreten Vorfälle denn gemeint seien. Und weil in Bretons Äußerungen stets die unverhohlene Drohung mitschwingt, er könne X in der EU jederzeit den Stecker ziehen, sollte Musk nicht schleunigst den alten, eingehegten Zustand Twitters mit Löschkommandos, Blocklisten und direkter Einflussnahme der Politik wiederherstellen, entstand folgerichtig ein Gerücht, das zum impulsiven Musk gut zu passen schien.

Das „gute“ Gerücht

Musk werde selbst den Stecker ziehen und X zwecks Kostenersparnis in der EU abschalten, so hieß es. Mit einiger Süffisanz träumten sich manche Medien bereits in die schöne leise neue Welt hinein, in der das neuerdings irgendwie rechte Netzwerk, dem die linken Influenzer reihenweise davonlaufen, weil sie die Lufthoheit über den Diskurs verloren haben, ihre Kreise nicht mehr stört. Musk selbst war es, der diese Meldung, die zuerst von „Business Insider“ gemeldet wurde, als „völlig falsch“ zurückwies.

Die Drohung von Thierry Breton wahrzumachen, X den Stecker zu ziehen, wäre der Supergau für die Reputation der EU in Sachen Meinungsfreiheit. Man stünde plötzlich mit dem Iran auf einer Stufe, wo man Twitter, Facebook und zuletzt auch Instagram höchstens via VPN erreichen kann. Ein „Leuchtturm der Freiheit“, diese EU!

Die „gute“ EU

Ich frage mich, ob Breton auch einen Brief an den Deutschlandfunk oder die New York Times geschickt hat, die ihre Falschbehauptung, die IDF habe ein Krankenhaus in Gaza bombardiert, ohne zu zögern auch in den sozialen Medien verbreiteten. Oder muss Musk auch über europäische und amerikanische Medienhäuser eine Art Oberaufsicht ausüben? Ein Schelm wer glaubt, dass das dringend nötig wäre! Zur Verbreitung von Fake-News, gefälschten oder aus dem Kontext gerissenen Bildern braucht es weder Musk noch dessen Plattform, das senden und drucken unsere Qualitätsmedien ganz ohne sein Zutun.

Der Impuls, die Bilder nicht sehen zu wollen, die uns aus Israel erreichen, ist oberflächlich betrachtet verständlich. Doch hätten wir uns auf die Verlautbarungen verlassen, die etwa in der New York Times standen (inklusive von aus dem Kontext gerissenen Fotos), ohne die Möglichkeit, andere Quellen hinzuzuziehen, wäre die Lüge vom bombardierten Krankenhaus heute noch größer, als sie schon ist. Hätte die Öffentlichkeit, die an ihren nur schlecht verbrämten Narrativen von den „bösen Israelis“ und den „unterdrückten Palästinensern“ hängt, den Schilderungen der israelischen Bergungsteams und der Soldaten vertraut, die uns von Gräueln berichteten, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurden, wenn nicht die Hamas selbst voller Stolz ihre Barbarei in sozialen Medien dokumentiert hätte?

Am 7. Oktober sind viele gutgläubige Menschen, gerade die von der linken „One-World“ Fraktion, mit einer schallenden Ohrfeige aufgeweckt worden. Etwa von der Tatsache, dass Black-Lives-Matter mit einem zynischen Gleitschirm-Meme stolz seine Unterstützung für die Massaker der Hamas bekundete. Von dem ekelhaften Hamas-Unterstützerschreiben von Harvard-Studenten hätten wir ohne X wohl nie erfahren, weil es vor seiner Veröffentlichung von den Medien abgeschwächt und von den Klarnamen der Unterzeichner befreit worden wäre.

Die Bilder der Hamas, die Breton auf X nicht sehen möchte, hätte es vielleicht nie gegeben, wenn eben diese EU, statt den Überbringer der Nachricht anzuklagen, deren Verursacher nicht über Jahrzehnte mit unserem Steuergeld verwöhnt hätte. Die Bilder sind nicht der Auswuchs einer zu laxen Netzpolitik, sondern die Quittung, das „geliefert wie bestellt“ für die Milliarden Euro Terrorfinanzierung der EU, Herr Breton. Es ist nämlich gerade X, wo sich die blütenreinen Motive der Weltretter und Menschenfreunde gerade zur Kenntlichkeit entzerren. Sehen Sie genau hin! Sehen Sie hin, auch wenn es weh tut!

Zuerst erschienen auf achgut.com

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5 Kommentare

  1. Ich stimme Roland zu. Die Fronten sind so verhärtet, dass die Kommission nicht mehr zu retten ist. Am besten lässt man bei einem Banquette mit den Regierungschefs wohlhabender, demokratischer Staaten einen Zettel kreisen, auf dem steht, Wir verpflichten uns hiermit, keine Zölle auf Güter und Dienstleistungen voneinander zu erheben! Unterschriften, und wickelt den sonstigen Quatsch endlich ab.
    Meine Lieblingszeitung berichtete neulich vom Fisch-und-Fleisch-Chaos, das die Briten erdulden, weil sie nicht mehr in der EU sind.
    https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-09/brexit-grossbritannien-grenzkontrollen-ees-eu
    Was für ein Durcheinander! Es gelangen ab und zu unverzollte Produkte in den Supermarkt! Schlimm. An die Briten, die einen Nervenzusammenbruch erleiden, weil die Wurst ein paar Penny weniger kostet als sie sonst kosten würde, habt ihr nicht gedacht. Ihr herzlosen Rechten solltet mal gefälligst die ZEIT lesen!

    Es ist aber auch wirklich zu dumm für Kommissar Thierry Breton und Co, dass die Hamas so offenherzig ihre Primitivität zur Schau stellt. Ich find’s klasse. Vorerst find ich auch die Pro-Dschihad-Proteste auf unseren Straßen entzückend. Endlich sieht die SPD mal ihre Wähler! Frau Merkel hatte alle Energie daran gesetzt, dass Alice Weidel nicht ihre Lebensgefährtin im rassistischen Furor erschlägt. Da konnte sie sich halt um „Juden ins Gas“-Sprechchöre nicht kümmern. Jetzt sind sie halt da.

    Wenn es nach mir ginge, könnten diese Proteste und die Hamas-Posts auf Twitter so lange weiterlaufen, bis Nancy Faeser heulend vor die Kamera tritt und schluchzt, „Es tut mir leid, dass so viele Unschuldige zu Nazis erklärt wurden. Wir wussten die ganze Zeit, dass ihr keine Moslems abmurksen wolltet. Ihr hattet recht.“ Man wird noch träumen dürfen. Aber, wow, ist da gerade etwas in Bewegung.

    Eine Sache, die mit dem Zensurfuror, den die EU-Kommission zurückhaben will, zerbrochen ist, ist die richtige Wahrnehmung und Einschätzung von Antisemitismus. Die Leute hören nur einen Knall, „Vorwurf“, und schwupps ist eine Person des öffentlichen Lebens verschwunden. Gleichzeitig werden handfeste Hassorgien in den Familien, in den Freundeskreisen und auf den Schulhöfen weitergereicht. Ich finde, dass auch wirklich gut meinende Aktivisten (und die gibt’s) sich über die Taktik des öffentlichen Tamtams und über eine definitorische Eingrenzung des Begriffs mal austauschen sollten.

    Kurz nach dem Terror des 7. Oktober kam mir ein geschmackloser Witz in den Kopf. Man muss aber auch die Vorgeschichte sehen. Alles begann mit einer Schreibmaschine im Hause Aiwanger… Der wahre Kern ist, dass die Leute überhaupt kein Gefühl mehr haben, was überhaupt Wut auf Juden macht, wer Sachen behauptet, weil er Wut erzeugen will, und wer nur das Gerücht über den Juden weiterträgt, was man klug mit freundlichem Ton klären kann.

    Aktuell steht Richard David Precht im Fadenkreuz. Finanzgeschäfte und Diamanthandel. Herrlich! Da könnte ich mir in die Hosen pissen! Warum lachen die Leute nicht einfach? Ich will nicht den Eindruck vermitteln, jetzt jedem einen Persilschein zu verpassen, solange er nicht ausgerechnet auch noch das Nasen-Hannes-Verhältnis leugnet, aber Humor, Leute, nehmt mal wieder was mit Hu-moooär! Ja, ich weiß, Gier und Diamanten und Finanzen und Gier und Gier und Gier, aber der Mann hat einfach frei geredet und im Hinterkopf nach Berufen gesucht, die offenbar nicht verboten sein können. Herrlich!
    https://www.zeit.de/kultur/film/2023-10/richard-david-precht-juden-zdf-fernsehrat
    https://www.zeit.de/campus/2023-10/universitaet-lueneburg-schriftsteller-richard-david-precht-honorarprofessur-aufgegeben

    • Der Modemann Precht, glamourös bis ans Herz hinan, hat auch alles rettungslos Ernst genommen, am Meisten sich selbst. Also isser jetzt kein Hochglanzprofessor in Li-La-Lüneburg mehr. Er wird wohl nach Amerika gehen, zu den dortigen glamourösen Universitäten, die sich so antirassistisch ud antizionistisch gebärden, dass der kleine Freizeit-Judengerüchtestreuer Precht dort glattweg als Rechtsabweichler gelten wird, denn so ganz hart-modisch intersektionalistisch-inklusiv-divers-equietistisch ist er ja noch nicht so wirklich.
      Er wird sich assimilieren müssen, um kein alter weißer Mann mehr zu sein.

      Derweil die Kraut-Innenministerin Nancy Faser, einst eine stramme Antifantin und heut wiegt sie hundert Kilo und kritisiert die israelische Selbstverteidigung (weil die Juden wieder zu jüdisch sind), alles daran setzt, damit der „Familiennachzug“ aus islamischen Höllenlöchern endlich mal klappt, denn Kulturbereicherer kann man nie genug haben, sonst wird man zum Nazi. Tja, die Faesers kriegen ja Polizeischutz Tag und Nacht; zu denen hin schaffts kein islamischer Messerstecher. Sicherheit und so.

  2. Danke für die Erinnerung, Roger. Ich wollte mich schon länger bei X anmelden. Wird Zeit, daß ich es endlich mache. Was den „Stecker“ betrifft: Musk läßt sich nicht den Stecker ziehen. Der ist zu clever, wird sich irgendetwas einfallen lassen, um die allmachtsbesessenen Vollpfosten in Brüssel zu überrumpeln. Aber ich warte darauf, daß dieser historisch inkompetenten und von diktatorischen Gelüsten erfüllten EU-Kommission endlich mal jemand den Stecker zieht. Im Juni nächsten Jahres sind ja Wahlen…

    • Wahlen?! das ist wohl ein Witz. Schon vergessen „Van der Leyen“ stand nicht mal auf der Wahlliste. Die Eurokratie wirds schon richten.

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