Und was machen Sie am Tag der Europawahl?Was machen Sie eigentlich am 26. Mai? Sie müssen nicht im Kalender nachsehen, es ist ein Sonntag, der Tag der Europawahl. Meine Tagesgestaltung wird sicher eher vom Wetter als vom Klima abhängen, aber eines weiß ich heute schon sicher: wählen werde ich nicht. Und bevor Sie jetzt empört aufhören zu lesen, muss ich Ihnen mitteilen, dass ich mich kundig gemacht habe: ich muss auch nicht! Niemand kann mich zwingen. Nicht mal moralisch, auch wenn dies im Wahlkampf im Vorfeld immer wieder versucht wurde, denn wer nicht wählt oder sein Kreuz an der falschen Stelle setzt, wolle doch nichts weniger, als Europa zerstören. Ich sehe das anders.

Leicht habe ich mir diese Entscheidung nicht gemacht, denn ich lasse sonst keine Wahl aus. Aber im Gegensatz zu Kommunal-, Landtags- oder Bundestagswahlen gibt es für das EU-Parlament keine politische Konstellation, der ich mit meiner Stimme ans Ruder verhelfen möchte. Da ich kein Freund von „Protestwahlen“ und Stimmzetteln als „Denkzettel“ bin und man wegen der fehlenden Prozentklauseln sein Kreuz auch nicht gefahrlos bei einer kleineren oder Spaßparteien wie „Die Partei“ machen kann, weil dies politischen Hütchenspielern wie Sonneborn und Sensrott zu Spesenkonto und Sitzungsgeldern verhelfen würde, muss ich leider die Leihgabe meiner Stimme verweigern. Niemand bekommt sie. Denn was da in Brüssel und Straßburg passiert, ist kein Spaß, sondern ein Witz. Ein Witz auf Kosten der Bürger. Ich bin, um es mit einem Filmzitat zu sagen, „mit der Gesamtsituation unzufrieden“ – ganz zu schweigen von einigen hässlichen Details.

Ein Wahlkampf, der keiner ist

Eine Aussage zieht sich wie ein roter Faden durch die plakativen Botschaften der sogenannten „pro-europäischen“ Parteien, die gemeinsam, wenn auch ungesagt, als eine Art „demokratischer Block“ dafür stehen wollen, dass Europa immer enger, stärker, vereinter, größer, mächtiger und weltbestimmender wird. Es gelte den überkommenen Nationalismus zu bekämpfen, weil der von gestern sei – die Zukunft gehöre einem immer umfassender vereinten Europa, das der Welt seinen schönen Stempel aufdrücken müsse. Parolen, die immer wieder zu hören sind, lauten „Das kann nur Europa lösen“ oder „Nationale Alleingänge führen in die Isolation“. Hier wird eine Idee zum Dogma erhoben und niemand fragt nach, ob sie so weit trägt.

Es ist die Idee der immer stärkeren Zentralisierung und der globalen Machtzentren in einer kollektivistischen Weltgesellschaft. Die für dieses kristallene Utopia verwendeten Formulierungen atmen eine Kälte, wie man sie aus früheren Zeiten und von heilsversprechenden nationalistischen Bewegungen kennt. Motto: „Du bist nichts, die Bewegung ist alles!“. Die EU-Auguren stellen glatt in Abrede, dass es außerhalb der EU und besonders in kleinen Staaten überhaupt freies und erfolgreiches Leben geben könne. Wie die Schweiz, Singapur oder Island mit dem Umstand zurechtkommen, sich außerhalb der Sonne Brüssels aufhalten zu müssen, sollte man besser nicht fragen. Es muss dort schrecklich sein.

Ist „Europa“, das gern und unberechtigterweise synonym mit „EU“ verwendet wird, tatsächlich die Lösung aller Probleme? Wenn Größe ein Merkmal der Überlebensfähigkeit wäre, müssten wohl heute noch die Dinosaurier auf diesem Planeten das Sagen haben oder das Römische Reich, das Osmanische Reich oder die Sowjetunion tonangebend sein. Größe, wenn sie nicht mit großer Homogenität gekoppelt ist, ist eine Illusion, die sich in der Realität der EU derzeit langsam in Luft auflöst. Die Briten verlassen die EU, die Türkei wird ihr nie angehören und die Beitrittskandidaten im Süden und Osten sind noch weit davon entfernt, die Kriterien zu erfüllen – von teilweise ungelösten Territorialkonflikten (etwa mit Russland) ganz zu schweigen – und auch innerhalb der EU gibt es die eine oder andere Baustelle: Italien, Griechenland, Rumänien, das gelbbewestete Frankreich … die Liste ist unvollständig.

Flucht nach Brüssel

In Peter-Pan-Pose den Planeten retten. Mindestens
In Peter-Pan-Pose den Planeten retten. Mindestens!

Es ist viel geschrieben und gelästert worden über den inhaltsleeren Wahlkampf mit seinen Nullaussagen und verunglückten Sinnsprüchen, man könnte sich an Äußerlichkeiten der Plakate reiben, wenn etwa die Grüne Annalena Baerbock in Peter-Pan-Pose mit dem Spruch „Wer den Planeten retten will, muss mit diesem Kontinent anfangen“ um Stimmen für ihre galaktisches Rettungsmission wirbt oder Nikola Beer von der FDP mit einer Playmobil-Nudelhalskette posiert, als wäre ihr die Last jetzt schon zu groß. Alternativlos kommt dieses Europa nicht rüber, eher als irgend etwas zwischen Hirnweich und al dente. Und dann ist da auch die Kampagne von Katarina Barley von der SPD, die anscheinend gleich die Fotos ihrer Tochter für ihre Plakate verwendete. Ist das noch Politik, oder kann das weg? Und warum will Barley überhaupt weg nach Brüssel? Sie ist ja nicht die zweitgeborene Tochter des Müllers aus Grimms Märchen, die die Mühle nicht erbt und deshalb auf der Suche nach ihrem Glück in die Fremde ziehen muss – sie ist bereits amtierende Ministerin eines der Schlüsselministerien in Deutschland! Und sie hat noch nicht mal eine Wahl verloren wie Öttinger oder McAllister, „musste“ also nicht gehen!

Ausgekocht oder al dente?
Ausgekocht oder al dente?

Als wenn juristisch in Deutschland nichts mehr zu tun wäre oder im Argen läge! Anstehende Entscheidungen, wie etwa die Frage, ob eine Mehrehe der Einbürgerung im Weg stehen sollte, schiebt die Ministerin jedenfalls weit weg, in die Zeit nach der Europawahl, wenn sie längst ihre Koffer zwischen Brüssel und Straßburg hin und her fahren lässt. Kommt Herbst, kommt Rat, kommt Kalifat. Wir haben es in Deutschland ja nicht eilig mit politischen Entscheidungen! Außer sie betreffen den Weltuntergang in zwölf Jahren. Solche Ungereimtheiten vermiesen mir die Stimmung.

Katarina Barley - auf der Flucht vor der Verantwortung?
Katarina Barley – auf der Flucht vor der Verantwortung?

Barleys Abflug bringt mich gleich zum nächsten Punkt, der mir gewaltig stinkt. Denn bereits im März berichtet unsere Justizministerin stolz von ihren Umzugsvorbereitungen, die Wohnung in Berlin sei schon gekündigt. In der Tat kann sie sicher sein, dass es im Mai zum Mandat reichen wird, denn bekanntlich gibt es in einer Europawahl überhaupt keine Direktkandidaten, sondern nur Parteilisten. Und da Barley auf Listenplatz 1 steht und die SPD wohl mehr als 0,5% der Stimmen erhalten wird, ist sie gesetzt. Es ist also eine Ja-und-Amen-Wahl, eine Wahl von Partei-Kadern. Dieses Verfahren passt den Parteien gut in den Kram, weil sie sich ohnehin für die Garanten von Freiheit und Demokratie in Europa halten, wenn nicht gar für deren Erfinder.

Gewogen und zu leicht befunden

Doch gerade was die immer wieder beschworene „europäische Idee“ angeht, schneiden die predigenden Parteien alles andere als vorbildlich ab. Denn während man einerseits so tut, als könne man durch Vereinheitlichung, Regulierung und Gleichschaltung demnächst zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ gelangen, indem man mit gemeinsamen Steuern, gemeinsamen Kassen, gemeinsamen Risiken und gemeinsamen Schulden die „nationalstaatlichen Fesseln“* abschüttelt, wacht man gleichzeitig eifersüchtig über nationale parteiliche Befindlichkeiten. Denn falls Sie es noch nicht gemerkt haben: es ziehen nationale Vertreter der europäischen Parteien ins EU-Parlament ein.

Nicht Volksvertreter, denn diese haben die Völker schon in ihre Parlamente gewählt. Auch nicht Europäer, denn das Zusammenspiel in EU-Fraktionen führt nicht dazu, dass etwa die CDU und die „Südtiroler Volkspartei“ oder SPD und die „Bulgarische Sozialistische Partei“ das vollziehen, was als Endziel für den modernen europäischen Bürger vorgesehen ist: gemeinsame Sache, gemeinsame Kasse, gemeinsames Risiko. Die Brüderlichkeit geht nicht so weit, dass ein Bayer sein Kreuz bei einem Konservativen von der ÖVP machen könnte, weil ihm deren Vertreter geeigneter erscheint, konservative Interessen zu vertreten. Die Fraktionen der „Parteifamilien“ sind kaum mehr als Vehikel für parlamentarische Privilegien.

Zugegeben, es gibt Versuche, sogenannte „europäische Parteien“ zu bilden. Die weitweitlinke „Volt“ ist eine solche. Doch auch dort unterscheiden sich die lokalen Dependancen erheblich, nicht zuletzt in Sachen Finanzen und Kandidaten. Und für „Volt“ ist das wichtigste Ziel lediglich, durch diese Strategie als erste Partei Europas Fraktionsstatus zu erlangen. Ein Wettlauf um Privilegien, was für eine Farce! Die „Vereinigten Staaten von Europa“ kann es erst geben, wenn die „Vereinigten Parteien von Europa“ mit gutem demokratischem Beispiel vorangehen – also voraussichtlich nie. Irgendwie finde ich das schon wieder beruhigend.

Und die AfD? Die verkämpft sich im Europaparlament künftig auf einer Bühne, die nicht die ihre ist. Was Union, Grüne, Linke und SPD als Machtzuwachs erstreben, wird zumindest für einige bekannte Köpfe dieser Partei zum Exil werden. Denn das erwartete Erstarken der sogenannten „Europaskeptiker“ wird nur dazu führen, dass wir in Brüssel in Zukunft genau das erleben können, was wir bereits aus dem Bundestag kennen. Tonangebend bei der Fraktion der „Skeptiker“ dürfte ohnehin Le Pen’s Truppe sein, die Europa vor Augen führt, was einem Land blüht, das den Weg, den Union und SPD eingeschlagen haben, noch ein paar Jahre länger geht.

Der EU winkt oder blüht derweil eine GröKo, eine größte anzunehmende Koalition von Ganzlinks bis EVP, was bei den Beschlüssen keinen Unterschied zur aktuellen Situation ausmachen wird. Denn die informelle Groko aus EVP und S&D ist seit vielen Jahren und mit wechselnden Mehrheiten so eingespielt, die absoluten Mehrheiten so sicher, dass sich an der Konstellation auch dann nichts ändern wird, wenn man weitere „Europafreunde“, also edle Kämpfer für die gute gemeinsame Sache, mit ins Boot holt. Wer bei „mehr Europa“ hüpft, darf mitmachen. Die AfD ist da schon mal draußen.

Irgendeine Opposition muss es ja aber auch geben im EU-Parlament, selbst wenn dieses ohne Initiativrecht, ohne Budgetrecht und ohne das Recht, eine Regierung zu wählen, nur informelle Bedeutung hat. Das Ganze soll ja noch nach Demokratie aussehen! Für diese Farce löse ich kein Ticket, auch keines für die harten Sitze der Opposition. Da ist Provinztheater besser! Diese Einschätzung gilt übrigens wortgleich für die FDP. Wenn der Laden hochgeht**, sollte man seine Finger nicht gerade am Zünder haben. Es werden auch später noch Hände gebraucht, und sei es nur, um die Trümmer wegzuräumen und einen besseren Neustart vorzubereiten. Man sollte nicht erst Teil des Problems werden, wenn man Teil der Lösung sein will. Ein Rat, den die FDP beherzigte, als sie sich „Jamaika“ verweigerte.

Immer nur meckern!

Ist Ihnen das alles zu negativ? Halten Sie mich womöglich sogar für einen dieser „Europafeinde“, die überall lauern und schon das Beil schwingen? Das Gegenteil ist der Fall! Ich mache aber erstens nicht den Fehler, Europa und die EU für identisch zu halten. Europäer bin ich von Geburt, dafür ein Gefühl zu entwickeln, ist völlig unnötig. Dieses Gefühl dann auch noch ausgerechnet positiv auf eine durch Verwaltungsakte und Verträge entstandene, multinationale und bürokratische Fazilität richten zu sollen, ist geradezu obszön. Die EU ist eine politische Institution und für deren Akteure gilt ausnahmslos immer noch das, was Dieter Hildebrandt sagte: „Politiker muss man nicht achten, man muss auf sie achten.“

Anfangs war ich weniger kritisch. Ich übersah die knirschende Realität und mochte die „Idee“. Im Grunde ist das heute noch so. Nach der Erweiterungsrunde 2004 war ich geradezu begeistert. Aber da dachte ich Dummerchen ja auch noch, die Politiker wissen, was sie da tun.

Über die Reihenfolge der Schritte und die nötigen Zeiträume, um belastbare Ergebnisse zu erhalten, machte ich mir keine Gedanken. Und das verrückte war: die Politiker offenbar auch nicht! Denn das Elementarste, was eine solche Wirtschaftsgemeinschaft bräuchte, wäre eine gemeinsame Verteidigungspolitik, das, was sie sich als letztes geben sollte, nachdem ein sehr langer Angleichungsprozess durchlaufen ist, wäre eine gemeinsame Währung. Von gemeinsamer Haftung sollte man lieber gleich ganz die Finger lassen, wie die Geschichte immer wieder gezeigt hat. Sie wissen selbst, was wir heute haben, was nicht und was wir nie bekommen werden.

Worauf wir aber wohl gut verzichten könnten, wäre das EU-Parlament, wie es derzeit verfasst ist. Der Planet Brüssel ist mir zu weit oben, zu weit weg von der Realität, die Abgeordneten nicht mit Wahlkreisen verbunden und zu parteiabhängig. Ich hätte gern, dass Europäischer Rat und Europäische Kommission mit ihren Gesetzesvorschlägen – sofern sie nicht unmittelbar die Kompetenzen der EU betreffen, auf die man sich vertraglich verständigt hat (etwa Zölle, Wirtschaftsverträge, Außenhandel etc.), – die nationalen Parlamente aufsuchen müssen. Und zwar alle! Denen gegenüber sollten sie auch sonst rechenschaftspflichtig sein. Das mag umständlich klingen und Einstimmigkeit ist eine schwierige Sache. Aber man wüsste immer, wo man in Sachen Zusammenhalt und Zusammenwachsen steht, wenn man sich die Themen ansieht, bei denen man sich gerade nicht einigen kann. Für die ist es dann entweder zu früh, oder die Verhandlungen gehen auf der Suche nach einem Kompromiss weiter.

Monstrositäten wie das NetzDG, Uploadfilter oder die quotierte Verteilung von Migranten, als handele es sich um Blumenzwiebeln, die man nach Belieben irgendwo einpflanzen könne, hätte es ohne EU-Parlament mit Sicherheit nie gegeben.

Es ist nur leider so verdammt schwer, von Macht und Bedeutung zu lassen, wenn man sie erst einmal in den Händen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass die EU mit dem ernsthaften Rückbau ihrer Kompetenzen und ihrer Bürokratie beginnt, wenn man sie bei der Wahl des EU-Parlaments nur mit einem möglichst „breiten Mandat“ ausstattet, ist gleich Null. Und da ich genau dies von ihr verlange, wen sollte ich wählen?

Prinzipien statt Praxis

Ein weiterer Aspekt sorgt bei mir für großes Unbehagen, welches umso größer ist, da es nicht nur die Europäische Ebene betrifft, sondern sich geradezu überall zeigt. In ihrem durchaus nachvollziehbaren Streben, alles auf den Prüfstand zu stellen, alles zu regulieren und gesetzlich zu erfassen, gingen die Bewohner des „Planeten Brüssel“ lange Zeit ins Detail. Analog zu Douglas Adams, dessen Figur Slartibartfas sich so gern mit der Modellierung norwegischer Fjorde befasste und sogar mal einen Preis dafür bekam.

Die schiere Menge an Regulierungen, besonders jene, die Normungen und Verbrauchswerte betrafen, ging noch in diese Richtung. Betrachtet man aber die Einschränkungen, die NetzDG oder Uploadfilter bringen, wird es in letzter Zeit schon sehr viel prinzipieller. Hört man den aktuellen Europawahlkämpfern zu oder erinnert sich an die Grußbotschaft Junckers an den CSU-Parteitag, in der er davon sprach, es gälte in Europa „die Kapitalisten zu bekämpfen“, geht es mittlerweile eher um das große Ganze als um fitzelige Fjorde, Staubsaugerleistung oder Bananenlängen.

Die Kriegserklärung an die Wirtschaftsordnung, welcher die EU ihren Wohlstand überhaupt verdankt, hat bereits einen griffigen Namen: Klimawandel. Und auch wenn Katarina Barley twittert: „Jetzt zählt’s: In 64 Tagen einen europäischen Mindestlohn, Besteuerung von Amazon & Co. und Klimaschutz wählen“ ist der Klimawandel immer dabei. Er ist das „Ceterum censeo“ von heute, gern ergänzt um Begriffe wie „Kapitalismuskritik“ oder „Vergesellschaftung“, die mittlerweile nicht nur die Spatzen von den Dächern pfeifen, sondern auch die Tauben und Blinden in den Jugendorganisationen von SPD und Grünen. Und nicht nur dort. Die Jagd ist eröffnet.

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Und wenn Katarina Barley vorschlägt, „… ein Frühwarnsystem für Rechtsstaatlichkeit“ einzuführen, sowie „einen Fonds für europäische Grundwerte, um zivilgesellschaftliche Organisationen, NGOs, Aktivistinnen und Wissenschaft zu unterstützen“, der dann europaweit „rechtsstaatliches Verhalten“ definiert und die „europäischen Grundwerte“ im Auftrag der EU und abseits der nationalen Justiz verwalten soll, muss eure Wahlparty ohne mich steigen, weil ich vollauf damit beschäftigt sein werde, auf dem Feld Haken zu schlagen, um den Nachstellungen der Wächter dieser zukünftigen „gelenkten Demokratie“ zu entgehen.

* „Nationalstaatlich“ ist im EU-Kontext übrigens ein hinterhältiger Euphemismus für den altmodischen Begriff „nachvollziehbare Verantwortlichkeiten“

** Bitte im übertragenen Sinne verstehen. Es gibt für das EU-Parlament in Brüssel keinen Gunpowder-Plot. Die Risiken durch Handelskriege, gleichzeitiges USA-Bashing, China-Angst und Russland-Embargo, Staatsschulden, erodierende Banken, Eurorettung und diverse weitere politische Fehlentscheidungen sind ohnehin explosiver als alles, was die Chemie an Sprengstoffen bereithält.

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26 Kommentare

  1. Werter Herr Letsch,

    sie verwenden auch „EU“ und „Europa“ synonym in der Überschrift.

    Mine Fru und ich werden traditionsgemäß nicht wählen, niemanden und nichts, wie schon seit langem. Wir können damit zwar nicht verhindern, daß uns die Politgecken und -geckinnen in den Hut scheißen, aber wir setzen ihn nicht auch noch auf.

    Aus „Die Partei“ bin mit niedriger Mitgliedsnummer diese Woche ausgetreten. Der Sonneborn hatte es mit viel mehr Witzischkeit, als er noch nicht am Brüsseler Trog war.

  2. Seit der Veröffentlichung meines Artikels zerren alle Seiten an mir, ich solle mir das mit der Wahlverweigerung doch nochmal überlegen. Die einen meinen, meine Weigerung hülfe nur den Konsensparteien, deren Apologeten orakeln indes, ich folge einem geheimen AfD-Papier, um die Vernünftigen vom Wählen der bekannten Nasen anzuhalten. Wieder andere meinen, ich sei einfach nur ein fauler Sack. Das beste Argument kam bisher von Bernd Zeller: „Wer nicht wählt, wählt alle“ (Kommentar bei Achgut).
    Ich finde, das ist in der Tat ein gewichtiges Argument und ein weit besseres als all die Nullaussagen, die ich im Wahlkampf bisher vernommen habe. Und weil ich Bernd Zeller, einen der letzten Satiriker mit Verstand und Talent besonders schätze, gestehe ich: beinahe hätte er mich rumgekriegt. Aber es sind ja auch noch ein paar Tage bis zum Wahlsonntag.
    https://www.achgut.com/artikel/europawahl_meine_stimme_fuer_niemand

  3. Es steht alles drin, in Ihrem Artikel. Das ganze Elend – und welche Farce die Parteien aus der Demokratie gemacht haben. Leider auch, dass es keinen Ausweg gibt, egal ob einer wählt oder nicht. Such er sich eins aus.

  4. Sehr geehrter Herr Letsch,
    ich kann fast jedem Ihrer Argumente folgen, nicht aber Ihrer Folgerung nicht zu wählen, wozu Sie natürlich alles Recht haben. Ich habe mich – spaßeshalber – auch des Wahl-o-maten bedient und die 38 Fragen gewichtet und beantwortet. Von den Parteien, die ich ausgewählt habe, gab es einen deutlichen Favoriten (angeblich 90 v.H. Übereinstimmung), die nächsten Parteien folgten erst ab ca. 50 v.H. Übereinstimmung. Den hätte ich auch so gewählt, aber mich hat schon erschüttert, wie weit ab überwiegend die vetretenen Positionen von den meinigen sind. Zumal sich die EU-Regularien (Verordnungen) ja bis auf kommunale Ebene runterbrechen und – da von Brüssel, also gottgegeben – nicht mehr in Frage gestellt werden. Zumal der Deutsche sich ja gerne hinter die Position einer wie immer gearteten übergeordneten Instanz zurückzieht und sie im Rahmen seiner Kompetenzen auch noch verschärft, wie uns das Beispiel der Datenschutzgrundverordnung bestens gezeigt hat. Es gibt offenbar doch einige nationale Besonderheiten.
    Falls der zahnlose Tiger EP mal ein wenig Biss bekäme, wäre das zu begrüßen.
    Ansonsten bin ich besonders auf das schon am 23.5. anstehende Votum der Briten gespannt, da scheint sich eine interessante Entwicklung abzuzeichnen.
    Also ich gehe hin.
    Mit freundlichen Grüßen
    F.Reinartz

  5. Sie lügen Herr Letsch, auch wenn sie nicht zur Wahl gehen, wählen Sie die Einheitsfront mit den gleichen Stimmenanteilen, die die Mehrheit vergibt, mit. Offensichtlich wollen sie die Leser davon abhalten, gegen die Einheitsfront zu stimmen, raffiniert.

    • 😀
      Interessanterweise sagen die Einheitsfrontler exakt das selbe: Wer nicht zur Wahl ginge, stärke doch nur die Wasser, die auf Mühlen fließen, also die Europafeinde. Beide haben unrecht.

  6. Sinnvoller Artikel. Aber:
    Zu spät. Mein Wahlzettel ist mittels Briefwahl schon abgeschickt.

  7. Nur für das eigene Gewissen und später denken zu können, „selbst schuld, ihr Deppen“, gehe ich auch wählen.
    Die Argumente zur Nichtwahl sind erdrückend und ich stimme denen in jedem Punkt zu. Allerdings bin ich trotzdem ganz auf Herrn Kogelbergers Seite. ich gönne diesen EU-Politikern nicht das Schwarze unter dem Nagel. Und wir werden immer mehr, das sollen sie merken.

  8. Ich habe mich ebenfalls gefragt, ob ich mich tatsächlich enthalten sollte. Nun habe ich mich anders entschieden und gegen die mehrheitlichen Konformisten gestimmt Ich sehe es nicht als eine Protestwahl, und es mag riskant sein. Aber unter den Tisch fallen lassen wollte ich meine Stimme nicht – das gönne ich dem mainstream nicht. Vielleicht findet ja doch im EP einmal jemand den richtigen Ton und kann etwas Zukunftsweisendes in Gang setzen.
    Übrigens: ich bin nicht der Meinung, dass man in einem Online-Medium noch seinen richtigen Namen nutzen sollte. Es sei denn, er ist – wie bei Politikern oder berufsmäßigen Publizisten – eine Marke, mit der man aktiv wirbt. In Zeiten der – inzwischen sogar staatlichen Meinungspolizei – ist das zu gefährlich, und jeder Verrückte kann sich herausgefordert fühlen. Das sind Risiken, die sollte man interessierten Teilnehmern einer Online-Diskussion nicht zumuten.

  9. Herr Lesch,
    bin mit allem, was Sie da sie da oben so blendend formuliert haben, intellektuell und emotional vollkommen einverstanden.Trotzdem: ich werde EU-kritisch wählen, weil Nichtwahl automatisch die stärkste Partei/ Fraktion unterstützt. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen- möglicherweise ist es das, was uns Adorno damit sagen wollte. Seien Sie großzügig! Gönnen Sie Sonneborn die Kohle und wählen „Die Partei“. Das wäre kongruent: das ist das Falsche im/ dem Falschen! Was Sie versuchen ist das Richtige im /den Richtigen zu tun.: das ist unmöglich!

    • …außer einem Detail: dem fehlenden „t“ in meinem Namen. Ich erinnere daran, dass hier nach meinem vorletzten Artikel die Lesch-Fans hier noch durch die Datensätze stöbern und die verstehen bei Verwechslungen mit ihrem Idol so gar keinen Spaß. 😀

  10. Werter Herr Letsch,

    läsen Frau Barley, Herr Weber oder Herr „100%“ Schulz Ihren Beitrag, sie wären begeistert. Genau das ist die Lösung des Problems mit den „Rechtspopulisten“: sie vom Wahlgang abzuhalten mit allerlei Begründungen. Wenn ein guter Teil der EU-Kritiker am Wahltag es vorzieht, auf dem Sofa hockenzubleiben anstatt seine Stimme „abzugeben“, können die Eurokraten nach der Verkündung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses wieder mit stolzgeschwellter Brust in den Staatsmedien verkünden, „man habe ein klares Mandat vom Wähler erhalten, der auch den „rechtspopulistischen Rattenfängern eine deutliche Absage erteilt habe. Zwar gebe die Wahlbeteiligung von 50% einen gewissen Anlaß zur Sorge, man werde aber in der kommenden Legislaturperiode verstärkt daran arbeiten, den Bürgerinnen und Bürgern… alternativlos… vertiefte Zusammenarbeit… Europa… blablabla… zu vermitteln.“ Und dann kann man „mit klarem Mandat“ daran gehen, die Büchse der Pandora erneut zu öffnen. Wählerauftrag.

    Wenn die Politik wahn- und irrsinnig wird, reicht es nicht, am Spielfeldrand zu stehen, und den Kopf zu schütteln. Als Auslandsdeutscher im fernen Südostasien sind meine Möglichkeiten begrenzt, gestaltend in die Politik einzugreifen, aber die nutze ich vollumfänglich.
    MfG

  11. Danke Herr Letsch, für „Gewogen und zu leicht befunden“!
    Trotzdem Einrede:
    Aus der EU (Gründungsjahr ist 1992, was viele nicht wissen) kommen nicht nur Zwangs-Neoliberalisierung mit Verfassungsrang (Vertrag von Lissabon, den Wiedergänger der von Holländern und Franzosen abgelehnten EU-Verfassung, der auch die Wiedereinführung der Todesstrafe enthält, was auch viele nicht wissen). Es kommen auch Gesetze wie das zur Strafbarkeit der „Leugnung von Völkermord“ was nicht den Holocaust betrifft, sondern zum Beispiel das sog. Massaker von Srebrenica (den größten Medienfake des 20. Jahrhunderts) als Letztbegründung des NATO-Kolonialkriegs gegen Jugoslawien, der Auftakt einer Reihe völkerrechtswirdriger Kriege des Westens. Damit soll Propaganda vor Kritik und Widerspruch geschützt werden. Mit dem Aufbau einer EU-Armee soll endgültig der Weg in den Neo-Imperialismus beschritten werden. Mit der R2P-Doktrin ist dann endgültig das Völkerrecht abgeschafft. Die Flutung Europas mit Elendsmigranten aus der Dritten Welt ist auch das ganz große Anliegen dieser EU. Neusprech, Neudenk und Neubürger sollen das Prinzip der Mündigkeit und die „schon-länger-hier-lebenden“ Völker ersetzen.
    Und da soll man nicht wählen, und sei es als Protest?
    Ich halte im Übrigen selbst die Arbeit der PARTEI von Sonneborn für zigfach nützlicher als z.B. die von Juncker oder Öttinger, auch wenn ich nicht immer derselben Meinung bin. DIE PARTEI ist jedenfalls keine Schande und ab und zu für einen Lacher gut, was keine der anderen Schranzen dort leistet.

      • Das haben wohl alle, die Ihren Beitrag lasen auch so gesehen. Dennoch sollten Sie, Herr Letsch, sich darüber im Klaren sein. daß Ihre Aussagen Gewicht haben. Ohne Ihnen Honig ums Maul schmieren zu wollen, Sie sollten sich dessen bewußt sein, daß Sie Kraft kompetenten Ausdrucks für viele Leser Ihrer Beiträge Meinungsbildner sein können und sicherlich auch sind.
        Ich muß gestehen, beim lesen der Artikelüberschrift war ich zuerst verunsichert und der Beitrag selbst bewog mich lange dazu, es Ihnen gleichzutun.
        Letztlich haben mich die Reaktionen einiger der Foristen jedoch dazu bewogen, doch meine Stimme, wie geplant, für die Schwefelpartei in die Wahlurne zu werfen.

  12. Man sollte schon wählen gehen, um wenigstens ansatzweise zu verdeutlichen, dass man die Erweiterung der Kompetenzen der EU-Kommission nicht will, wie sie von Juncker, Öttinger und Konsortien gefordert wird. Leider ist diese verhängnisvolle Entwicklung noch nicht in alle Köpfe vorgedrungen. Auch sollte es ein Quorum geben, das feststellt, ab welcher Wahlbeteiligung Wahlen überhaupt gültig sind. Das hätte vermutlich auch den Brexit verhindert.

  13. Ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. – Bis auf das Nichtwählen…
    Denn genau so bleibt alles beim Alten!
    Wer nicht wählt, wählt automatisch die Partei, die dann an die Macht kommt, und womöglich genau die, die er perdu nicht wollte!
    Selbst wenn nur 10 Minister wählen würden, würden sie uns anschließend weiterregieren.
    PS: Gilt natürlich nicht für Reichsbürger, die wissen dat noch viel besser!

  14. Herr Letsch,
    Gratulation zu Ihrem sehr guten Artikel, Ihren Argumenten mitsamt den angeführten Fakten. Bei mir selbst geht es auch um die noch ungelöste Frage, wählen gehen oder nicht?
    Ein Boykott der EU-Wahl durch Enthaltung zieht im Grunde das wahrscheinliche „Weiterso“ in Brüssel und Strasburg nach sich; d. .h es bleibt ohne grundlegende Auswirkungen auf die Unfähigkeit und den Irrsinn dieses Parlaments und ihrer abgehalfterten Vertreter in Kommission usw. Die sogenannten Demokraten und Rechtsstaatbewahrer werden ihre ruinöse Politik zulasten der Menschen fortführen. Vor dem Hintergrund werde ich wahrscheinlich doch wählen gehen, um meinen Protest damit deutlich zu machen.

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