Eine Omega-Wetterlage beschert uns gerade einen warmen Spätsommer und die Klima-Alarmisten atmen erleichtert auf. Endlich müssen sie nicht mehr den Spott derer erdulden, die in Gummistiefeln, Pullover und Friesennerz im kalten Regen stehen und grinsend aufs Thermometer gucken. Erderhitzung, so so. Erzähl mir mehr davon! Nun weiß wohl jeder, dass Wetter und Klima nicht dasselbe sind und genau wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, etabliert ein verregneter Sommer noch keine Eiszeit. Genau wie ein paar warme Winter noch nicht den finalen Abschied vom Schnee bedeuten müssen.

Aber die Sticheleien waren den Klimarettern schon arg lästig und wenn auch niemand auf die Idee käme, einen Faktencheck für die immer wieder medial behaupteten klimakausalen Waldbrände anzustellen, so bringt man doch nur zu gern Experten in Stellung, wenn es gilt, das heilige Narrativ vor einem empirisch feuchtkalten Sommer in Deutschland zu schützen. Keine Atempause, Klimaerhitzung wird gemacht! Ach, wäre man doch nicht ständig in Versuchung gewesen, Wetterphänomene, die der Erderwärmung in die Karten zu spielen scheinen, zur Panikmache zu nutzen, dann müsste man gegenteilige empirische Erfahrungen jetzt nicht mit einem Faktencheck totschlagen…

Der ARD-Faktencheck „Lokale Wetterphänomene sprechen nicht gegen Klimawandel“ von Anfang August ist jedenfalls so mustergültig konstruiert mit all seinen Insinuationen, den aufgerufenen Zeugen, den bemühten Studien aus „der Wissenschaft“, die gegen „falsche Experten“ und deren Studien in Stellung gebracht werden, dass man eine medienforensische Lehrveranstaltung damit gestalten könnte.

„Die letzten beiden Juli-Wochen in Deutschland waren kalt und nass. Einige nutzen diesen Fakt, um den Klimawandel zu verharmlosen. Doch das ist aus Sicht von Experten falsch.“

Und der halbe August noch obendrauf, möchte man ergänzen. Natürlich wird die Expertensicht nicht gegen gallige Hobbygärtner oder den Stammtisch in Stellung gebracht, sondern gegen einen anderen Experten, dessen Thesen und Äußerungen der Akzeptanz des Narrativs gefährlich werden könnte. Fritz Vahrenholt heißt dieser und rät zur Gelassenheit. Eine Katastrophe sei nicht in Sicht. Ein weiterer vom Faktenchecker bekrittelter NIUS-Artikel mit dem Titel „Regen und Kälte: So absurd schüren ARD und ZDF trotzdem Klima-Panik“ listet vor allem Belege dafür, wie wenig die medial evozierte Hitzepanik zum aktuellen Wetter passte.

Die Meinungsinquisitoren von der ARD sandten der Redaktion bei NIUS und Vahrenholt deshalb einen Fragenkatalog – den beide ignorierten – und so machte sich ARD-Oberfaktenchecker Pascal Siggelkow ans Werk, den Vahrenholt als inkompetent und Scharlatan zu framen. Den Namen Pascal Siggelkow haben Sie sicher schon mal gehört, liebe Leser. Siggelkow ist bei der ARD sowas wie der „Experte für Nichtexpertentum“ (Norbert Haering) und hat vor kurzem ganz allein durch starkes Nachdenken, Luftanhalten und freihändige Benutzung von Google-Translate Seymour Hershs Theorie widerlegt, die Pipelines in der Ostsee seien durch Spezialkräfte der US-Armee gesprengt worden. Und zwar mit „pflanzenförmigen Sprengstoffen“, jawoll!

Sie merken, liebe Leser, dem Pascal macht so schnell keiner was vor! Unterstützt wird Siggelkow zudem von seiner Kollegin Carla Reveland, einer Kulturjournalistin und somit einer ausgewiesenen Expertin in Sachen Klima. Dieser Vahrenholt kann sich warm anziehen! Musste er ja schon wegen des kalten Wetters, aber ich schweife ab. Kommen wir zur Vorgehensweise solcher „Faktenchecks“.

1. Sei generös und bestätige das Offensichtliche

Wetter ist kein Klima, ja. Es sei in diesem Jahr in Deutschland nass und kalt, stimmt auch, aber das sei kein Indiz gegen den Klimawandel…hier bestätigt der Faktencheck scheinbar großzügig, dass die Beobachtungen bei NIUS und Vahrenholt schon irgendwie richtig sind. Schlüge man sofort mit „Lüge!“ und „Leugner!“ um sich, verlöre man das Vertrauen der Leser, die sich mental womöglich auf die Seite des pauschal Verprügelten stellte. Nein, einige Fakten gibt man dem Gegner gern. Zwischenfazit: „Der Klimawandel wird in den Artikeln von „NIUS“ nicht geleugnet…“ – wie gönnerhaft!

2. Unterstelle Naivität bzw. Fachfremdheit und frame entsprechend

„…es werden allerdings Zweifel daran gesät, wie verheerend die globale Erderwärmung und ihre Folgen tatsächlich sind. „Wissenschaftler rät zur Gelassenheit: ‚Es ist keine Klimakatastrophe in Sicht!'“, lautet etwa die Überschrift eines Beitrags. Besagter Wissenschaftler ist der ehemalige Hamburger Umweltsenator Vahrenholt.“

Zweifel werden gesät und das geht ja nun gar nicht! Die ARD handelt schließlich mit Gewissheiten und die pseudoreligiösen Klimaretter mit Schuld, Sühne und Erlösung. Für Zweifel ist da kein Platz.

„Der Chemiker war nach dem Ende seiner politischen Karriere für verschiedene Energiekonzerne tätig und fiel in der Vergangenheit immer wieder mit Aussagen auf, die den menschengemachten Klimawandel relativeren.“

Und „aufgefallen“ ist er auch immer wieder, was in dieselbe sinistre Kategorie fällt wie „umstritten“. Interessant auch die Auslassungen, die man hier macht, ohne gleich lügen zu müssen. Dass Vahrenholt ein heftiger Befürworter der Windenergie war (und ist) und entsprechende Projekte bei RWE geleitet hat, geht aus „verschiedene Energiekonzerne“ nicht bevor. Der Leser soll wohl lieber nicht in diese Richtung denken. Besser man framed dessen Skeptizismus gegenüber Klimapolitik und Energiewende in die fossile Richtung. „Energiekonzern“, das klingt doch schon nach Kohle und Atom! Das Vahrenholt „aufgefallen“ ist, genügt als indirekte Anschmutzung gegen diesen gefährlichen „Relativierer“. Wer auffällt, mit dem stimmt etwas nicht.

Mögen die Beobachtungen der Skeptiker (siehe Punkt 1) noch korrekt sein, so müssen doch deren Interpretationen prinzipiell grundfalsch sein! Das liege natürlich daran, dass Vahrenholt und die NIUS-Redaktion keine richtigen Experten wie die Faktenchecker sind. Vahrenholt wisse es eben nicht besser, weil er kein Klimaforscher, sondern „nur“ Chemiker sei! Der im Faktencheck zitierte Experte „…stellt klar, dass Vahrenholt Chemiker und kein Klimawissenschaftler ist und damit kein Experte auf dem Gebiet der Klimaforschung. Vom Fachwissen wäre das vergleichbar mit einem Augenarzt, der Expertise zu einem gebrochenen Bein abgebe.“ Was erlaube Chemiker! Zwar würde ich mir im Notfall das gebrochene Bein lieber vom disziplinverwandten Augenarzt als von einem Kulturjournalisten richten lassen, aber was weiß ich schon.

Der Ausweisung als Experte bedarf es freilich nie, wenn Aussagen für das heilige Narrativ getroffen werden sollen. Expertise zu haben und „vom Fach“ zu sein, ist der guten Sache sogar manchmal hinderlich. Denn hätten beispielsweise Biologen das Sagen, gäbe es heute nicht so viele Geschlechter. Im Klimagewerbe ist das nicht anders. Mai Thi Nguyen-Kim (mailab) ist Chemikerin wie Vahrenholt und durfte im öffentlich-rechtlichen Auftrag trotz ihrer per ARD-Definition mangelhaften Expertise und ganz ohne ARD-Faktencheck lange und mehrteilige Erklär- und Propagandastücke zum Klimawandel bringen. Was damit begründet ist, dass Nguyen-Kim – ebenso wie die Faktenchecker der ARD – nur die echten, guten und wahren Experten und Studien verwenden.

Im Gegensatz zur altmodischen Forschung aus Neunzehnhundertschwarzweiß steht in der Postmoderne der Streit der Meinungen und Thesen nicht mehr im Dienst des Erkenntnisgewinns, sondern ist auf Wahrheitsbestätigung und die Reinheit der Lehre gerichtet. Was uns zum nächsten Merkmal führt, dem Umgang mit Quellen und deren Gewichtung.

3. Zeige nie die Quellen der anderen Seite und habe immer mehr Studien zur Hand als die Gegenseite

Ein Link zu den faktengecheckten NIUS-Artikeln sucht man bei der ARD vergeblich. Nun kann man argumentieren, dass man die Leser gern bei sich behalten möchte und diese bei Bedarf via Google schnell die Quelle des Faktencheckerzorns selbst ausfindig machen könne. Aber man baut eben Hürden auf, von denen man weiß, dass sie nicht von jedem Leser übersprungen werden. Meist aus Zeitgründen, oft aus Gutgläubigkeit. Und selbst nachprüfen soll der Leser ja sowieso nicht. Dafür hat er ja seine vertrauenswürdigen Faktenchecker. Und Studien, diese neue Vergeltungswaffe für „The Science“ gibt es in genau zwei Kategorien: Meine Studien belegen eindeutig, deine Studien behaupten nur.

4. Begrabe den Zweifel unter einem Berg aus Autorität und Informationen und verwirre den Leser

Nach dem Lesen solcher Faktenchecks fragt man sich, was genau die Autoren denn eigentlich widerlegt haben. Weder NIUS noch Vahrenholt behaupteten, der verregnete Sommer in Deutschland sei der Beweis, dass es keinen Klimawandel gebe, und der Faktencheck unterstellt dies auch nicht. Die von Vahrenhold zitierte Studie kommt aus demselben Max-Planck-Institut wie die des interviewten ARD-Experten. Diese Quelle zu diskreditieren, wagen die Autoren deshalb nicht. Vahrenhold und der Faktencheck unterscheiden sich lediglich in der Interpretation.

Am Ende wurde zwar viel Staub aufgewirbelt und Zweifel (hier plötzlich angemessen) am benoteten Vahrenholt und dem Medium NIUS gesät, aber nichts bewiesen. In Erinnerung soll nur bleiben, dass da etwas gewesen sein muss, ein Verdacht, der es überhaupt erst notwendig machte, einen Faktencheck zu schreiben. Der Verdacht muss genügen, dass Vahrenholt ein Verharmloser, Zweifler und Relativierer sei. Wer sich künftig mit seinen Aussagen, Thesen und Artikeln kritisch auseinandersetzen will, muss nur noch auf diesen dünnen Faktencheck verweisen, denn die halbe Diskreditierungsarbeit ist bereits getan. Motto: Da war doch was, der ist umstritten, ein Sämann des Zweifels und der Relativierung.

Apropos „Relativierer“: als Urheber der Relativitätstheorie hatte schon Einstein so seine liebe Not mit deutschen Faktencheckern, die ihn, der ja gar kein Experte auf dem Gebiet war, ja nicht einmal einen Lehrstuhl an einer ordentlichen deutschen Universität innehatte, unter einer Lawine aus Namen und Autorität begraben wollten. Ihn und seine ganze, neue, leugnerische Physik. Das Pamphlet, welches 1931 veröffentlich wurde, hatte den klingenden Titel „Hundert Autoren gegen Einstein“ und die blanke Zahl, die Konsens und die Überlegenheit der Gruppe über eine Einzelmeinung suggerierte, erwies sich schon beim ersten Hinsehen als Soufflee, das ein leichter Windhauch zusammenfallen lässt. Es waren gar nicht hundert Autoren, sondern nur 28. Dazu kamen kurze Zitate von 19 weiteren. Der Rest sind Quellenverweise.

Das Werk wird heute gern als drollige, aber großartige Sammlung naiver Fehler bezeichnet, denn allen gelehrten Worten seiner Faktenchecker zum Trotz lag Einstein richtig und die „Hundert“ eben nicht. Faktenchecks haben somit nachweislich keinen Wahrheitsanspruch, oder wie Einstein es lapidar ausdrückte: „Warum hundert? Wenn ich falsch läge, würde doch einer reichen.“

Wären sich die Klima-Alarmisten wirklich sicher, dass ihre Modelle und Prognosen stimmen, dass ihre Messungen keine systematischen Fehler enthalten, dass ihre Schlussfolgerungen richtig sind und dass die Medizin, die sie der Menschheit gegen das Fieber verordnen, nicht schädlicher ist als die „Krankheit“ selbst, würden sie wohl etwas souveräner auftreten. Doch dann gäbe es auch solche Faktenchecks nicht und was würde uns da an Unterhaltung entgehen!

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5 Kommentare

  1. So so, lokale Wetterphänomene sprechen also nicht gegen Klimawandel.
    Als nächstes kommt dann wohl „Der Einbruch der Wirtschaft spricht nicht gegen Aufschwung.“

  2. Unfassbar, wie der Siggelkow mit dem verharmlosenden Ausdruck „Klimawandel“ um sich wirft. Richtig wäre „kapitalismusgemachter Rechtsaußenklimaumsturz“. Bei der UN ist man schon weiter. Dort spricht man von „Global Boiling“.
    https://news.un.org/en/story/2023/07/1139162
    Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Karl Lauterbachs Ideen immer sinnvoll sind.

    Der Krieg der Experten und ihrer „Studien“ ist eigentlich nur ein Arm des Universalabstreitens von allem, was „Feinde“ sagen. Ein dutzend Menschen können sich einig darüber sein, dass es gerade nicht regnet, aber sobald ein „Feind“ vorbeiläuft und das bestätigt, wird etwa die Hälfte plötzlich den Schirm aufspannen. Exzessive Feindseligkeit zerstört jedes Verhältnis zur Ehrlichkeit. Ein oft wiederkehrendes Muster ist, dass Unterstützer von Trump, der AfD, vom Brexit oder anderen „Unliebsamkeiten“ grundsätzlich nur mit der Einschränkung der Subjektivität und vorgeblichen Emotionalität zitiert werden. Der Doofe „fühlt sich abgehängt“, „hat Angst vor einer angeblich drohenden Altersarmut“ und „wähnt sich übergangen“. Niemals „ist“. Niemals „wird“. Nie. Übrigens ist die Hybris weder in Großbritannien noch in der USA so militant. Linke dort würden einem echten Experten mit konträrer Meinung wie Vahrenholt schon gelegentlich z.B. bei BBC-Sendungen oder zu Bill Mahers Show einladen. Nur hier wird dem Streit alles untergeordnet. Und die Bürger haben Angst vor den Kollateralschäden der primitiven Aggressiven und wünschen sich in Umfragen regelmäßig „weniger Streit“. Dass man auch zivilisiert debattieren kann, kommt Deutschen erst gar nicht. Man erwartet hier auch grundsätzlich nichts von Eliten und wundert sich dann, dass es hier kein Äquivalent zum Brexit, zu Camerons Haushaltssanierung und zu Thatchers Wirtschaftsrettung gibt.

    Bettina Röhl meinte mal, dass sie sich immer wieder in diverse Klimastudien einliest, aber sobald sie den Aktivisten von FFF zuhört, höre sie ja doch nur dumpfe Phrasen. Und das ist das Kernproblem. Eine Seite hört der anderen zu, aber nicht umgekehrt. Das ist nicht symmetrisch. Konservative finden den ÖR zwar richtig kacke, aber sie warnen nicht mit Gruselstimme davor rein zu hören, weil man davon hoffnungslos dumm und böse werde. Dumm und böse wird man angeblich von Springer oder wegen Tucker Carlson.

    2015 hab ich dem Feminismus abgeschworen. Es ist mir nämlich mittlerweile sch**ßegal, ob Flittchen auf dem Küchentisch verbluten, weil sie keinen Abtreibungsarzt aufsuchen können. Organisierte Feministinnen haben sich maximal gleichgültig gegenüber meinen Problemen mit dem aufziehenden Autoritarismus, dem Jeder-ist-ein-Nazi-Massenwahn und dem damals schon absehbaren, daraus folgenden wirtschaftlichen Abstieg gezeigt. Dann f*ckt euch doch mit euren Kleiderbügeln! Für den Satz werde ich mal ganz gewiss nicht Charlotte Knobloch anrufen. Mitgefühl ist keine Einbahnstraße!
    https://www.youtube.com/watch?v=Ox0iYDwz32E

    Eine mögliche Erklärung dafür, warum Vahrenholt wie alle Kritiker der Macht so aggressiv angegangen werden, liegt vielleicht in der Überschuldung und Misswirtschaft. Das Wirtschaftssystem läuft gerade noch so, weil die Menschen darauf vertrauen, dass Schulden zurückbezahlt werden, dass Geld werthaltig bleibt und dass sie auch in Zukunft genug für den Lebensunterhalt haben werden. Aber weil unsere Elitösen zu blöd sind, etwas Greifbares zu tun, um den weiteren Vertrauensverfall abzuwenden, versuchen sie alle Boten zu erschießen und alte Lügen mit Neuen zuzudecken.

    Wovor die Eliten Angst haben, kann man erahnen, wenn man sich an Liz Truss‘ Budgetentwurf erinnert. Der Finanzmarkt reagierte auf greifbare Korrekturen des politischen Kurses gleich mit Panik. Statt einfach kurz abzuwarten, bis sich die Akteure wieder gefangen haben, verfiel die Premierministerin selbst in Panik und trat zurück. Korrekturen müssen aber irgendwann stattfinden. Unsere Politiker verschieben alles nach hinten. Auch die „Wärmewende“ wird damit beworben, dass die Pleite bringenden Umbauten für unterschiedliche Leute zu unterschiedlichen Zeitpunkten in der Zukunft anfallen. Ich denke, dass George Bushs Panik („This sucker could go down!“) 2008 falsche Maßstäbe gesetzt hatte. Irgendwann muss man dem Stand der Dinge in die Augen schauen. Die Märkte hätten ihre Bewertungen schon früher oder später selbst angepasst und es wäre vielleicht wichtiger gewesen, den Leuten bei einem Crash schnell wieder auf die Beine zu helfen, indem man v.a. kleinen und mittleren Unternehmen endlich aus der Bahn geht und sie finanziell und regulatorisch entlastet. Die Russen kennen das als „Schocktherapie“ und ideal ist es nicht. Das Leid war gewaltig. Ideal wäre aus meiner Sicht ein Abschmelzen der Probleme und ein sukzessiver Kurswechsel, aber auch dafür muss man gelegentlich leichtes Rumpeln hinnehmen.

    Man kann beim Umgang mit einem Crash viel falsch machen und F.Roosevelts New Deal wurde insbesondere in Deutschland nicht aufgearbeitet. Wir haben alle im Geschichtsunterricht ein Bild mit Kartenspielern gezeigt bekommen und vom Lehrer gehört, dass der linke Präsident nach dem Crash endlich für alle faire Verhältnisse schuf und schwupps, hexhex, da klingelt es schon zur Pause. Der New Deal war ein absolut erratisches Beschäftigungs- und Sozialprogrammfiasko. Gold wurde konfisziert. Die Leute kauften keine Eheringe mehr aus dem Material. In den heutigen Schulklassen sieht und hört man aber nur noch das Marketing mit den Kartenspielern. Falls jemand bei der Achse oder sonstwo eine Expertin für den Börsencrash 1929 und die katastrophale Maßnahmenpolitik des New Deals braucht, kann er dazu Amity Shlaes interviewen. Sie kennt auch Deutschland gut.
    https://en.wikipedia.org/wiki/Amity_Shlaes

    Es kann Sinn machen, die Kapelle auf der Titanic zu bitten weiterzuspielen, bevor sich die Passagiere wechselseitig tot trampeln. Seit der Subprimekrise haben wir aber Eliten, die ständig die Band beschwören, nur um sich danach wieder in der Bar voll laufen zu lassen, und das, obwohl die Schäden durchaus handhabbar waren und auch noch sind. Noch haben wir eine industrielle Basis! Aber einige der Kapellenbeschwörer haben sich im Method-Acting verloren und glauben ihren eigenen Mist. Sie schauen auf die Excel-Tabellen und rufen z.B. aus, dass Verschuldung überhaupt gar keine Rolle spiele. Mietmäuler erzählen Politikern, Gewerkschaftern und hohen Verwaltungsbeamten, dass dank der post-keynsianischen MMT fast gar nicht genug Geld ins System gespült werden könne und man die eigentliche Produktions- und Dienstleistungskapazität gar nicht berücksichtigen müsse. Ein besonders schriller Fall ist das herrisch benannte „Dezernat Zukunft“:
    https://www.dezernatzukunft.org/

    Die Medien reagieren erratisch auf geringe Kennzahlenschwankungen, egal wie wenig aussagekräftig sie sind. Unzählige Artikel feiern z.B. „weniger Inflation“. Es ist aber egal, ob wir Inflation oder Deflation haben, solange substanziell nichts mehr aufgebaut wird. Die Effekte gleichen sich teilweise aus: Bei den inflationären Effekten bekommt man weniger für sein Geld und bei den Deflationären schränkt man seinen Konsum ein, weil man weniger Einkommen generiert. Relevant wäre, ob die Produktivität real wieder zunimmt oder ob Politiker sich demonstrativ den A*sch kratzen, wenn die BASF ankündigt, alle Anlagen nur noch bis zur Abschreibung laufen zu lassen. Wir haben diese ganzen Zeitungsartikel, die ständig jede Schwalbe zum Sommer erklären und jeden Sommer zum Hitzetod.

    Den Hitzetod findet auf der nationalen und europäischen Ebene der Politschickeria kein Schwanz wichtig genug, um auch nur mal den gestörten Reisezirkus zwischen Brüssel und Straßburg abzuwürgen. Was soll auch aus den straßburger Nutten werden, wenn die „Parlamentarier“ nicht mehr anreisen?
    https://www.tagesschau.de/ausland/eu-ts-166.html

    Auch heutige Feministinnen – abseits der Ausnahme EMMA – juckt es einfach nicht genug, dass diese ganzen jungen Frauen ihre beruflichen Aussichten und ihre emotionale Stabilität in der Prostitution verheizt kriegen. Sie protestieren nicht gegen den Reisezirkus, sondern nur gegen Brett Kavanaugh. Für die ist Joschka-Fischer mit seinem Nuttenvisa-Skandal mittlerweile ein Edelmann. Hat sich Michel Friedman eigentlich schon über Aiwangers harmlosen Zettel empört? Durfte Daniel „wollte nur provozieren“ Cohn-Bendit schon ans Mikrofon?
    https://www.youtube.com/watch?v=6IOAaSFpVCw
    https://www.emma.de/artikel/daniel-cohn-bendit-der-vergangenheit-liegt-die-gegenwart-265010

    Es gibt also viel Grund für reales Misstrauen, aber es gibt keine handfesten vertrauensbildenden Maßnahmen. Der Verfassungsschutz warnt vor Skepsis und Misstrauen insgesamt. Vollkommen abwesend ist selbstredend jegliche Ermahnung an Politiker und Medienschaffende, einfach mal seltener zu lügen.
    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-09/verfassungsschutz-russland-desinformation-kampagnen-deutschland

    Der Vertrauensverlust wächst auch zu einem massiven Sicherheitsrisiko heran. Die Bundeswehr kriegt nicht genug Leute und man kann Gift drauf nehmen, dass die Qualität abnimmt. Wer hält seinen Kopf für Snobs hin, die einen ständig rotzfrech anlügen und sich nie entschuldigen?

    Alexander Gauland hat mal in einer Talkshow gemeint, dass die militärische Expansion Russlands zu verhindern, polnische und nicht deutsche Interessen seien. Dumm. Ich wüsste schon, wessen Interessen das unübersehbar wären, wenn die „polnischen Interessen“ nicht den Russischen im Weg stünden. Übrigens liegt die russische Lebenserwartung der Männern bei 64 und der Frauen bei 75 Jahren. Wer russische Interessen besser findet als westliche, beschwört die Bordkapelle, seine Anhänger zu beruhigen, nur um sich zu besaufen. Im Übrigen kann ich mir bestenfalls vorstellen, dass diese Anhänger einen russischen Atomschlag in der Ukraine fürchten – was für die Leute dort schlimm wäre; so wie es der Krieg an sich ja schon ist. Ich höre aber ständig Westler davon reden, dass sie von Putin und Biden einen nuklearen Schlagabtausch zwischen Russland und der NATO erwarten, und das ist unehrlich.

    Ich könnte noch einen klügeren Punkt darüber machen, dass der Expertismus auch ein Symptom des ausufernden Universitätswesens ist, aber der Kommentar ist schon viel zu lang und ich will nur noch schnell einen Aspekt aus Rogers Text oben aufgreifen. So weit kann es tatsächlich mit dem vorgetäuschten Interesse am Fachwissen nicht sein. Ich hege den Verdacht, dass man sich die hydraulische Kranaufhängung spart und stattdessen das Fernsehstudio stets aufs Neue um Ricarda Lang errichtet.
    https://youtu.be/RW-WuXb0Ke0?t=60

    • In der Tat ein langer Kommentar, aber mittendrauf. Sie kennen sich aus, Experte des Mittendrauf 🙂

      Übrigens wäre es problemaaatisch ein neues Fernsehstudio um Ricarda Langs Fülle zu errichten, all so massenhaft tödliches CO2 fällt da an, also auch ohne neue Fernsehstudios. Derweil es im Juni kühl gewesen ist; und im Juli war es kalt/em>, und im August hats geregnet und jeder trug Jacken.

      Unlösbare Fragen was passiert wenn sich Ricarda Lang wegen des bevorstehenden Hitzetodes an einem ex-Atomkraftwerk festklebt. Wird das arme Gebäude das aushalten? Wieviel Klebe wird sie brauchen? Sollte sie sich nicht besser an einem der sinnlosen Windräder festkleben-?, ach ach, da reicht der Platz wieder nicht.

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