Ehrlich, ich hab’s ja nicht so mit Autos. Trotz täglicher Verwendung habe ich ein derart pragmatisches Verhältnis zu meinem fahrbaren Untersatz, das fast an Ignoranz grenzt. Vier Räder, so angebracht, dass sie bis zum Boden reichen und Technik, die mich sicher von A nach B bringt, und schon bin ich zufrieden. Wenn man weit weg von U-, S- und Die Bahn lebt, zählen eher praktische und Kostenaspekte als ein krasser Auftritt mit PS, Protz und Plüsch. Deshalb habe ich in meinem ganzen Leben höchstens zehn Autozeitschriften durchgeblättert, meistens in Wartezimmern. Doch neuerdings sind Auto-Testberichte und Rezensionen wieder interessant geworden, sofern sie sich mit der hochgefiedelten Elektromobilität befassen. Die Welt beispielsweise befasste sich am 2.2.2021 sehr ausführlich mit dem Honda „e“, einem Gefährt, dessen Gesicht nur ein Schlagloch lieben kann. Aber Formensprache ist im 21. Jahrhundert Sache der Designer nicht, man folgt dem allgemeinen Trend zur Hässlichkeit. Je unförmiger der Bio-Apfel und je abstoßender die Mode, desto besser und woker. Ein Auto zu fahren, das winzig, hässlich, unpraktisch und elektrisch ist – mehr virtue signallig geht ja gar nicht.

Als Testredakteur kann Nando Sommerfeldt jedoch ähnlich pragmatisch an die Sache heran gehen wie ich. Klemmt man nämlich erst mal hinterm Steuer, schaut man ja aus der Hässlichkeit heraus. Eine Zumutung ist das Auto dann nur noch für all jene, die nicht drin sitzen.

Etwas ganz Besonderes

Etwas ganz Besonderes sei der kleine Honda, so die Welt. Er könne auch einige Dinge besser als die Konkurrenz. Zum Beispiel Preise abräumen. Selbst für sein Äußeres, mit dem wir uns jetzt nicht weiter befassen wollen. Es zählen innere Werte! Und auf die hat die Welt doch sicher den allerkritischsten Blick geworfen.

„Ein anderer Vorteil erwächst aus einer Schwäche. Die Reichweite dieses Autos ist so gering, dass von Anfang an klar ist, dass es nur für einen Ort gedacht, für einen Zweck geeignet ist. Für die Stadt. […] Beim Honda e weiß ich auch sofort, dass der gefürchtete Autobahn-Test ausfällt. Dieses Auto würde ihn nicht ansatzweise bestehen. Honda selbst gibt auch unumwunden zu, dass es sich um ein Fahrzeug für die Stadt handelt. Maximal noch geeignet für das Verbraucherprofil eines Pendlers.“

Der „gefürchtete Autobahntest“. Also ein Testbericht mit gebremstem Schaum. Denn da der „e“ den Test sowieso nicht bestehen würde, testet man gar nicht erst. Könnte Schule machen bei Abiturprüfungen im Fach Mathematik. Wir unterscheiden heute also Autos, die an bestimmten Orten nicht fahren dürfen (Diesel) und solche, die es nicht können (Elektro). Das erfüllt meiner Meinung nach die Definition von „Halbauto“. Denn ob ein Fahrzeug vollwertig ist, entscheidet sich nicht durch Hubraum, Leistung oder Antriebsart, sondern in der praktischen Nutzung. Ein Twingo spielt nach dieser Definition in derselben Mobilitätsliga wie eine Mercedes-S-Klasse, während ein Honda „e“ nicht mal mit einen rostigen VW Käfer von 1948 konkurrieren kann. Der hat nämlich keine Angst vor der Autobahn.

Diese Stadtmobilität lässt sich Honda pro „e“ mit satten 39.000 Euro bezahlen. Ein Wert, der stets und sofort mit dem Hinweis auf das großzügige staatliche Subventionsangebot relativiert wird. Die gesparten 10.000 Euro bezahlt ja nicht der Kunde, sondern der Staat und der wirtschaftet bekanntlich gut.

Ein Auto, das nicht zur Politik passt

Doch halt mal…habe ich da gerade „Stadtmobilität“ geschrieben? Läuft in Deutschland nicht gerade ein Kampf, der das Landleben mit seinem extensiven Flächenverbrauch (Einfamilienhaus mit Grundstück) und seiner intensiven Mobilität (Pendler) zur Paria erklärt hat? Ist es nicht energetisch „unvernünftig“, an der individuellen Mobilität festzuhalten? Angesichts überlasteter Netze und der aufgrund von politischen Zwangsmaßnahmen zunehmenden Elektromobilität ist den grünen Propheten natürlich klar, dass im Elektrozeitalter unmöglich eine so große Anzahl privater PKW über die Straßen rollen kann.

Da gilt es, von freiwilligem Verzicht zu sprechen, wo eigentlich der Mangel regiert. Der deutsche Traum von Stadtflucht ins Grüne und ins Eigenheim passt nicht gut zum herbeigeplanten Energiemangel dank Energie- und Mobilitätswende. In die Städte sollst du ziehen, Vernunftbürger! In kleinen Etagenwohnungen sollst du wohnen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen! Bus und Bahn und Fahrrad frommen dem CO2-Emittenten mit schlechtem Gewissen, was soll er mit einem Stadtauto – und sei es noch so elektrisch! Geißelt die grüne urbane Elite nicht den Platzverbrauch durch Parkflächen? Bauen nicht Städte wie Berlin den innerstädtischen Verkehr zugunsten von Radfahrern komplett um? Wo und wie willst du deinen Honda „e“ laden, wenn deine 30 qm große Schlafbox im zwölften Stock liegt? Was sagst du da, Elektromobilist? Photovoltaik und Windkraft machen’s möglich? Doch die großen Dachflächen hat der Bauer auf dem Land, auf dessen Acker sich auch die Windmühlen drehen. Das verpöhnte Einfamilienhaus trägt vielleicht eine PV-Anlage, die den Eigenbedarf zumindest theoretisch deckt – das Flachdach deiner Mietskaserne im Prenzlauer Berg wohl kaum.

Der renitente Dorfbewohner lächelt nur, wenn er die Gewissenseinflüsterungen politischer Stadtpflanzen hört, den SUV stehen zu lassen und lieber auf Bus und Bahn umzusteigen. Hier? An der „letzten Milchkanne“, wo sich Internet und Funkloch „Gute Nacht“ sagen? Wo dreimal am Tag ein Bus vorbeikommt und sonntags nur einer? Das auf dem Land noch selbstverständlich verwendete Auto hat eine minimale Auslastung von 20%, wenn man allein damit fährt. Der ÖPNV erreicht diese Auslastung im ländlichen Raum kaum, deshalb wird er auch nicht ausgebaut. Ohne eine gute Auslastung geht nämlich die energetische Rechnung nicht auf und der Verzicht auf verfügbare, verlässliche und individuelle Mobilität wird unmöglich. Wo sind eigentlich die Gerechtigkeitsfanatiker, die sich endlich kritisch mit den physikalischen Gesetzen befassen, die uns hier im Weg stehen?

Es fällt auf, dass der „von oben herab geträumte Traum“ (Rainer Bonhorst) vom grünen Umbau der Lebenswelt in Stadt und Land einfach nicht zu den angebotenen Lösungen passt, zu denen man die Industrie zwingt. Ein Elektroauto für die Stadt ist genauso unsinnig wie ein Fünf-Minuten-Takt für Buslinien zwischen München und Hintertupfingen. Müsste man – nur als Gedankenexperiment – nicht viel eher die ÖPNV-Verbindungen aufs Land ausdünnen und Autos in der Stadt verbieten? Stattdessen schafft man wegen der unkooperativen Physik mit der Elektromobilität die Lösung für ein Problem, das es nicht gibt: in der Stadt von A nach B zu kommen und weicht dem eigentlichen Problem aus: Dass nämlich die Elektromobilität nicht in der Lage ist, lange Strecken zu überbrücken und Stadt mit Land zu verbinden.

Und bitte, jetzt nicht „Aber Tesla“ rufen. Ich finde Autos von Elon Musk gut, weil sie der unwidersprochene Maßstab für das derzeit machbare sind. Doch schaut man mal genauer hin, stellt man fest, dass Tesla streng genommen nicht wirtschaftlich ist. Man lebt nicht vom Verkauf von Autos, sondern vom Verkauf von CO2-Zertifikaten. Musk nutzt also ein politisch erzeugtes Gefälle, das die Kannibalisierung einer ganzen Industrie nach sich zieht. Auch wenn ich zugeben muss, dass er das sehr gut macht.

Reserve durch Funktionsverzicht

Doch zurück zum Honda „e“, für den uns der Tester von „Welt“ ja noch einen ganz besonderen Knüller, einen „Reservepuffer“ versprochen hat. Das soll er sein:

„Stelle ich Klimaanlage und Lüftung komplett aus, habe ich anstatt 102 Kilometer 156 km Reichweite zur Verfügung. Das ist ein innovativer Service, den ich so noch bei keinem E-Auto gesehen haben.“ 

Wahnsinn, oder? Ich meine nicht die „Erkenntnis“, durch Abschaltung von Verbrauchern den Stromverbrauch zu reduzieren, sondern den Versuch, dies als „innovativen Service“ zu verkaufen. Wenn man den Honda „e“ stehen lässt, und stattdessen mit einem Dieseltaxi fährt, erhöht sich die Reichweite übrigens nochmals beträchtlich. Wusste auch wieder keiner. Auch hier treffen wir also wieder auf das Leitmotiv der energetischen Grünwerdung: Verzicht ist der neue Konsum – und sei es nur durch die Nichtbenutzung einer installierten Funktion, was uns als Feature verkauft wird. Notprogramm ist das neue „Normal“. Oder um das Motto des „Great Reset“ aufzunehmen: „Ihr werdet nicht mehr von A nach B kommen, und ihr werdet es lieben!“

Doch auch dem ambitioniertesten Tester der „Welt“ gehen irgendwann die Beschönigungen aus. Die Optik des Honda „e“, seine Funktionalität, sein Charme…

„… je länger der Test dauerte, umso deutlicher wurde, dass es sich um einen sehr oberflächlichen Charme handelt.“

Der Charme ist nämlich so sehr Wunschdenken und Presseakrobatik, dass den Honda „e“ fast niemand kaufen will. Preise über Preise, Lob und mediale Euphorie und dennoch keine Kunden? Wie kann das sein? Es wird wohl an den unvereinbaren Kriterien liegen, die potenzielle Kunden einerseits und die bezahlten Herolde der E-Mobilität andererseits bei der Bewertung dieses Autos anwenden. Die einen orientieren sich an der Realität, die anderen an Parteiprogrammen.

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7 Kommentare

  1. Wenn ein Unternehmen erkennbar lustlos ein Produkt entwickelt, um politischen Vorgaben zu entsprechen (CO2-Flottenverbrauch), kommt genau so etwas dabei heraus. Willkommen in der real existierenden Planwirtschaft. Auch der Preis lässt erkennen, dass die Erwartunghaltung hinsichtlich verkaufter Stückzahlen, wohl äußerst gering ist.

    In der Schlußphase der DDR wurden Unternehmen reihenweise dazu verdonnert Konsumgüter herzustellen, unabhängig von vorhandener Eignung oder Voraussetzungen. Die Ergebnisse waren ähnlich überzeugend, wie das hier.

  2. Faszinierend. Ein echter Auto-Journalist würde sich wahrscheinlich eher die Schreibfeder verbiegen, als das er damit ein derart blödes Framing über eine völlig untaugliche und überteuerte Karre schreibt. Verraten Sie mir noch etwas? Wird das Auto auch mit zwei Löchern im Dach geliefert? … damit die Esel, die so was kaufen, die Ohren durchstecken können.

    Aber ich freue mich schon, wenn das erste Auto ganz ohne Antrieb geliefert wird. Wahrscheinlich wird der Schreiberling dann auch die Vorteile klar herausarbeiten: Völlige Emissionsfreiheit, kein Reichweitenproblem, absolute aktive Sicherheit, sowie keine Parkplatzsorgen, da man das Auto auch 20 km entfernt auf dem Land stehen lassen kann. Auch der Preis von nur 18 000,00 EUR in der Grundaussattung relativiert sich mit den staatlichen Beihilfen. Und die komplette aktuelle Sommerkollektion der neuen kaiserlichen Garderobe gibt‘s noch gratis obendrauf.

    Das eigentlich Schlimme ist ja nicht so sehr, dass wir verarscht werden, sondern, dass wir uns so widerspruchslos verarschen lassen.

  3. Es ist nicht zu fassen! Man könnte meinen, dieser Reporter hat sein Handwerk für das Beschönigen und Verarschen in der Politik gelernt ( Ja, die Wirtschaft bricht ein, ABER nicht so stark wie befürchtet).
    Danke Herr Letsch, dass Ihr Blog tatsächlich eine Oase der Realität und Vernunft ist.

  4. Das ist also ein Lastenfahrrad mit zwei Achsen, um auch Lasten wie Claudia Roth transportieren zu können. Natürlich elektrisch, damit das Lastenfahrrad keine Last macht. Geschwitzt wird beim Essen. Daneben hat die gutverdienende Übergewichtige, ob in Politik oder Verwaltung oder NGO oder in Subventionsabräumpseudostartups, noch ein richtiges Auto. Für die Frau. Oder wenn sie altmodisch ist, dann für den Mann.

  5. Schöner Artikel. Es wird hier eine der vielen Absurditäten, die im Rahmen von „Green Deal“ und „Great Reset“ durchs Dorf getrieben werden, dargestellt. Bei so viel „Verdrehtheit“ in praktisch allen Bereichen, frage ich mich: Gibt es irgendwo noch Vernunft oder Realitätssinn?

  6. Wut steht Ihren Texten gut. Sie schafft Raum für einen intelligenten und wortgeschickten Sarkasmus, der in diesem Text angenehm aufblitzt. Nach längerer Pause war das jetzt der zweite Text dieser Art innerhalb kürzester Zeit. Der erste, den ich meine (DRadio/Silber), war wohl sogar der Achse zu fett…

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