Ja, ich weiß schon, was gleich für Einwände kommen. Ich berichte mal wieder über ein Thema in den USA, dabei interessiert das doch in Deutschland niemanden. Biden hat gewonnen, das „Gute“ hat gesiegt und in dreieinhalb Jahren gucken wir mal wieder über den Teich. „Was kümmert es uns, was da gerade zwischen Portland und New York passiert! Schreib was über Corona, das ist wichtiger.“ Doch genau das tue ich hier. Nur nicht so direkt. Außerdem werde ich versuchen, mich kurz zu fassen. Sie wissen ja, wie schwer mir das oft fällt. Also bitte ich trotz tausender Seemeilen zwischen meinen Lesern und den Gestaden Amerikas kurz um Ihre Aufmerksamkeit. Zumal die beschriebenen Folgen lockerer Geldpolitik, kombiniert mit dem Corona-Stillstand und falschen staatlichen Anreizen auch in die europäische Wirtschaft tiefe Wunden schlagen könnten. Dass darüber kaum berichtet wird, bedeutet nicht, dass wir hier nicht bereits zu bluten begonnen haben.

Ein Jobwunder bleibt aus

Nicht anders als in Deutschland betrachtet es die amerikanische Regierung als ihre ureigene Aufgabe, Jobs zu schaffen. Trumps diesbezügliche Bilanz konnte sich sehen lassen, bis ihm Corona die Statistik verhagelt hatte. Das war nicht ganz fair, denn die Pandemie kam unverhofft und die Lockdowns in vielen Bundesstaaten kann man ihm kaum anrechnen. Dank Trumps Impfstoff-Kampagne „Operation Warpspeed“ und einigen vorpreschenden Bundesstaaten wie Texas, Tennessee oder Florida springt die Wirtschaft jedoch längst wieder an.

Noch im März meldete MarketWatch euphorisch, Biden habe in den ersten zwei Monaten seiner Amtszeit mehr neue Jobs geschaffen als jede Administration vor ihm. Es wurde geimpft auf Teufel komm raus und die Jobs kamen langsam zurück. Es ist nun mal das Privileg einer Regierung, Erfolge dem eigenen Handeln und Misserfolge dem schweren Erbe der Vorgänger zuzurechnen. Soweit, so erwartbar. Das ganze besinnungslose Gelddrucken, die Stimulus-Programme und die Benefit-Checks hätten also funktioniert, die Regierung und ihre Maßnahmen hätten schlimmeres verhindert, die finanziellen Hilfen wirken! So dachte man. Ein Hoch auf den Staat, den Fürsorger und Allvater, der die Hungrigen speist und die Verzweifelten tröstet! Der 300 Dollar Scheck pro Woche fürs Nichtstun hat nur Gutes bewirkt… Doch wie von Hayek es vielleicht sagen würde: Marktkräfte wirken auch dann, wenn man sie zu unterdrücken versucht.

Mit Spannung wurden in den USA die Arbeitsmarktzahlen für April erwartet und ein „major disappointment“, die große Enttäuschung, zog ein in Presse und Regierung. Nur 266.000 Jobs wurden als neu besetzt gemeldet, sieben Millionen hingegen sind offen. Ein so krasses Missverhältnis gab es seit 1998 nicht mehr. Wir erleben hier offensichtlich das eher unfreiwillige Experiment eines „BGE“, des Bedingungslosen Grundeinkommens, das im Moment in den USA 300 Dollar pro Woche beträgt. Die Frage, ob man für 400 Dollar die Woche Burger montieren oder für 300 Dollar die Woche zuhause Netflix gucken möchte, ist offenbar für einige Millionen Amerikaner beantwortet. Was sagen Sie, geneigter Leser? Dann soll man eben mehr zahlen? Aber die Arbeitgeber konkurrieren hier mit dem Staat, der das Geld fürs Nichtstun raushaut und wenn die Stunde Pattieflipping statt 10 nun mit 20 Dollar entlohnt würde, müssten auch die Burger entsprechend teurer werden. Dabei steht das „Projekt Mindestlohn“ der Regierung Biden noch aus. Einen direkteren Weg in die Inflation gibt es wohl nicht und es ist der Staat, der durch eine heiß laufende Notenpresse, Lockdowns und dann durch bedingungslose Stimulus-Schecks den Startschuss dafür gegeben hat.

Money for Nothing

Die Überraschung der Biden-Administration über das ausbleibende Jobwunder ist mit Händen zu greifen. Das neue, Billiarden Dollar schwere Infrastrukturprogramm, das ja nur zu einem kleinen Teil in echte Infrastruktur fließt, und stattdessen vor allem in die Taschen irgendwelcher politischer Initiativen wandert, sorgt offensichtlich nicht für neue Jobs, sondern vor allem für Mitnahmeeffekte. Das „frische Geld“, das die Wirtschaft ankurbeln soll, versickert in überbewerteten Immobilien, an den Börsen und in Spekulationen, wie wir sie seit dem Crash 2008 und dem Platzen der Dotcom-Blase 2001 nicht mehr gesehen haben.

Erinnern Sie sich vielleicht noch an die Übernahme von Time-Warner durch AOL im Jahr 2001? Ein Umsatzzwerg versuchte damals eine Umsatzriesen zu schlucken und niemand fand das merkwürdig. AOLs Gewinne aus mehreren Jahrhunderten wären nötig gewesen, um den Deal realistisch darzustellen. Niemand, der bei klarem Verstand war, konnte verstehen, wie das funktionieren sollte. Bekanntlich funktionierte es auch nicht. TimeWarner drückte das schwindsüchtige AOL im Jahr 2009 aus seinen Büchern. Dass hier der Schwanz mit dem Hund gewedelt hatte, ist heute offensichtlich.

Ähnliche Verrücktheiten sehen wir heute wieder. Dabei habe ich ausdrücklich nicht den Run auf die GameStop-Aktie im Sinn, die zu Beginn des Jahres 2021 durch die Decke ging. Das war eine Abwehrschlacht der Kleinanleger gegen große Hedgefonds – wenn auch der Treibstoff „billiges Geld“ derselbe war. Ganz anders liegt die Sache, wenn man sich abseitige Börsenwerte anschaut, die nicht in Dow und Nasdaq gelistet sind. Das billige Geld, das von Washington gerade rausgeblasen wird, als gäbe es kein Morgen, sorgt für Blasenbildung, die selbst für Laien leicht erkennbar ist.

Das beste Pastrami-Sandwich der Welt?

„Hometown International“ ist ein Delikatessengeschäft in Paulsboro New Jersey, das seine Internationalität lediglich im kulinarischen Sinne hat. Es handelt sich nicht um eine große Kette, nur ein kleiner, einzelner Laden, sonst nichts. Unter dem Kürzel HWIN werden Anteile des Feinkostladens an der Börse gehandelt. 2019 erzielte HWIN mit dem Verkauf von Delikatessen und Sandwiches einen Umsatz von 21.772 Dollar, was sich im Folgejahr aufgrund der Covid-Pandemie nicht verbessern konnte. Ganze 13.976 Dollar Umsatz sind für 2020 verbucht. Anfang Februar 2021 erreichte der Börsenwert von HWIN dennoch 113 Millionen Dollar, was dem Umsatz von mehr als 5.500 guten Jahren entspricht. Oder wie Matt Taibbi dazu sagte: „The pastrami must be amazing.“ Über Optionsscheine der Erstaktionäre, die das 20-fache ihrer Investitionen hebeln können, betrug die theoretische Gesamtbewertung von „Hometown International“ im Februar sogar fast zwei Milliarden Dollar. Man muss schon eine Menge Pastrami-Sandwiches verkaufen, um diese Bewertung zu rechtfertigen. Wahrscheinlicher ist, dass im Moment zum „stupid money“ auch noch die schiere Menge an verfügbarem Fiat-Geld hinzukommt. Verzweiflung mischt sich hier mit Dummheit und Langeweile. Die unausweichlichen Konsequenzen der Geldflut, die zu solchen Fehleinschätzungen führt, könnte den Crash der Dotcom-Blase im Nachhinein wie ein laues Lüftchen wirken lassen. Wann? Wenn ich das wüsste, würde ich keine Artikel über meine Verblüffung schreiben.

Geht das gut aus?

Ich gehöre nicht zu den Crash-Propheten und sicher ist ein überzeichneter, eigentlich unbedeutender Börsenwert kein ausreichender Beweis für einen bevorstehenden Crash oder den großen „Reset“, von dem das World Economic Forum so gern faselt. Ich kann und will hier nichts beweisen, ich kenne die Zukunft nicht. Interessant sind aber die Linien, die manche der „Verschwörungstheoretiker“ ziehen. Und wenn wir in Corona-Zeiten eines gelernt haben, dann dass die Verschwörungen von heute die alternativlosen Maßnahmen von morgen sind. Es knistert nämlich in vielen Vermögenswerten. Hierzulande merken wir es an den Immobilienpreisen, in den Höhenflügen des DAX und der Verknappung von Baumaterialien und Rohstoffen. Die durch Corona in Mitleidenschaft gezogenen Lieferketten sind ebenfalls weit von ihrer Bestform entfernt.

In den USA fragt man sich gerade, warum Superreiche wie Bezos und Gates sich gerade jetzt scheiden lassen. Nun, Ehen kriseln zu allen Zeiten, das ist völlig unverdächtig. Wahrscheinlich stimmt das auch in diesen Fällen. Aber was wäre, wenn etwas anderes als wie kolportiert Gates Bekanntschaft mit Jeffrey Epstein dahintersteckt? Weil man zum Beispiel im großen Umfang aus Investitionen aussteigen wollte, weil man die Krise dort schnell näherkommen sieht. Könnte ein Bill Gates mehrere Milliarden aus Unternehmen abziehen, ohne dass dies bemerkt und Fragen der Sorte „Wie schlimm muss es sein, wenn sogar Bill Gates verkauft“ aufkommen würden? Bei einer Scheidung mit den typischen Vermögenstransfers hingegen…wer könnte da misstrauisch werden?

Alles Spekulationen, ich weiß. Aber wenn die Fed (und hier die EZB) die Milliarden wie Kartoffelchips raushaut und man mit dem Verkauf einiger Tausend Sandwiches im Wert von 20 Dollar einen Hebel von fast zwei Milliarden Dollar in die Hände bekommt, scheint gerade etwas Grundsätzliches schief zu laufen. Da ist es nur logisch, sich die Entscheidungen der reichen Kanarienvögel im Bergwerk des Geldes genau anzuschauen. Spätestens im letzten Jahr ist der Zins als Preis- und Risikoindikator komplett ausgefallen und die Geldmenge sowohl in der EU also auch in den USA extrem angestiegen. Die Zweifel, dass sich diese Entfremdung des Geldes von der ökonomischen Realität je wieder werden einfangen lassen, werden lauter.

Es könnte also sein, dass in naher Zukunft die Fähigkeit, ein gutes Pastrami-Sandwich herzustellen, noch richtig wertvoll sein könnte. In diesem Fall hätte die Börse mal wieder recht behalten, wenn auch anders als gedacht.

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3 Kommentare

  1. naja, der Hintergrund des teuren Deli ist ein komplett anderer!

    Es handelt sich um ein SPAC (special purpose acquisition company) eines in Hong Kong-ansässigen Unternehmens, das die bestehende „Inc.-Hülle“ eigentlich für einen Merger nutzen wollte, um so still und leise die bestehende Rechtsform-Infrastruktur zu nutzen.
    Leider ist das offenbar zu früh publik geworden und hat (vermutlich) die Aktion vermasselt.
    Aber mit überberteten Sandwiches hat das exakt gar nix zu tun 🙂

    Gibt dazu mehrere Quellen – hier ist eine (zumindest mittelseriöse):
    https://markets.businessinsider.com/news/stocks/new-jersey-deli-spac-hometown-international-100-million-hong-kong-2021-4-1030371894

  2. „Ganze 13.976 Dollar Umsatz sind für 2020 verbucht. Anfang Februar 2021 erreichte der Börsenwert von HWIN dennoch 113 Millionen Dollar, was dem Umsatz von mehr als 5.500 guten Jahren entspricht.“
    .
    Das glaub ich nicht.

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