Neue Apple-Prozessoren: Schnell und sparsamÜblicherweise gibt es auf dieser Seite keine Testberichte und nerdigen IT-Kram zu lesen und ich will diese Tradition auch nicht ändern. Dass ich hier dennoch einige Worte über eine technische Entwicklung verlieren muss, liegt daran, dass ich ihr das Potenzial zumesse, die ganze Wirtschaft in einer Weise zu beschleunigen, wie es bisher vielleicht nur die Erfindung der Dampfmaschine vermocht hat. Das klingt groß und ich möchte einschränkend sagen, dass ich hier vielleicht etwas zur Übertreibung neige, was meine Leser sicher am meisten erstaunen wird, bin ich doch sonst nicht gerade für meine optimistischen Zukunftsprognosen bekannt.

Als Apple im November in seiner Keynote die mittlerweile übliche aufwendige Show abzog, welche dank des futuristischen neuen Zentralgebäudes immer wie aus „Star Trek“ wirken und als unausgesprochenes Motto Richard Attenboroughs Satz „Ich habe keine Kosten gescheut“ aus „Jurassic Park“ im Raum schwebte, dachten die meisten sicher ‚Ach, Apple schon wieder! Maßlose Übertreibungen, um maßlos überteuerte Geräte an maßlos begeisterte Tech-Jünger zu verkaufen.‘ Stimmt alles – und doch war es diesmal anders.

Apples Trennung von Intel als Zulieferer für Prozessoren war zwar schon lange angekündigt und die Vermutung, man würde bei der geplanten Eigenentwicklung gleich auch einen Technologiewechsel vornehmen, lag nahe. Die tatsächlichen Leistungsdaten des vorgestellten Prozessors „M1“ trafen die Branche aber wie ein Schock, der noch anhielt, als die ersten Tester die neuen Geräte in den Händen hielten.

Schon mit „Brot & Butter“ alles in Butter

Verstärkt wurde dieser Schock dadurch, dass es ausgerechnet Apples kleinste und preiswerteste Modell waren, die auf dieses Weise eine geradezu unfassbare Leistungssteigerung erfuhren. Zunächst! Denn es ist nur eine Frage von Monaten, bis auch alle anderen Modellreihen auf die neue Architektur umgestellt sein werden, schließlich kannibalisiert Apple aktuell die eigenen Märkte, da ein 800 Euro M1-MacMini genauso viel oder mehr leistet, wie ein dreimal so teurer Intel-Mac.

Wie erwähnt möchte ich nicht mit Leistungsdaten oder Benchmarks langweilen, sondern meine Betrachtung auf drei Aspekte beschränken, die ich für wichtiger halte als Geschwindigkeit oder die „Das geht hier ja alles wie Butter!“-Rufe euphorisierter Video-Editoren auf YouTube.

Erstens verschmelzen nun die Bereiche Smartphone und Desktop-Computing zu einer konsistenten Einheit – zumindest bei Apple, denn der M1 ist ein direkter Verwandter des A14 Prozessors, der das neueste iPhone antreibt. So wird der Malus der Inkompatibilität zur bisherigen Mac-Software durch die Möglichkeit überbrückt, auf die zigtausenden Anwendungen zurückzugreifen, die bereits für iPhone und iPad entwickelt wurden, was es den Programmierern zudem erleichtert, nun auch schnell Anpassungen für die neuen M1-Macs zu erstellen. In der Übergangszeit von sicherlich einigen Jahren hilft die Emulationssoftware Rosetta2 unauffällig im Hintergrund, bestehende Intel-Software weiter zu verwenden. Noch nie hatte der Start einer neuen Computerplattform bessere Startbedingungen.

Zweitens könnten Bauform und Kompaktheit der M1-Architektur für eine neue Welle der Miniaturisierung sorgen. Das komplette Innenleben des neuen Mac Mini hat auf einer Platine Platz, die nicht größer als ein Smartphone ist. Das Narrativ der „Erweiterbarkeit“ herkömmlicher PC-Architektur könnte abgelöst werden durch „maßgeschneidert“ und dennoch Leistung im Überfluss zu minimalen Kosten bieten.

Drittens wäre da noch der vielleicht wichtigste Aspekt, der geradezu einer technischen Revolution gleichkommt, nämlich die Bestwerte für M1 in der Kategorie „Rechenleistung pro Watt“. Leistungsstarke Computer für Publishing und Videobearbeitung sind neben ihrem Preis nämlich vor allem dafür bekannt, zuverlässige Heizstrahler zu sein, mit denen man den größten Teil der zugeführten Energie in Wärme umwandelt. Jaulende Lüfter und der Geruch angekokelter Wollmäuse waren stets die Geräusch- und Geruchsbegleiter fortschreitenden Leistungshungers. Dank Apple heißt es nun: warum 300 Watt für Leistung X verbraten, wenn man für 10 Watt die doppelte Leistung haben kann?

Das hat nicht nur für die Akku-Reichweite eines Notebooks unmittelbare Auswirkungen. Stellen wir uns nur mal vor, welches Einsparpotenzial es etwa in einem Rechenzentrum eines typischen Internetproviders, bei Google, Wikipedia oder Streamingdiensten gäbe, wenn diese ihren Energieverbrauch um 90% senken könnten – ganz abgesehen davon, dass auch Kühlung und Klimatisierung der Räume günstiger würden, in denen die Serverschränke stehen. Es würde mich schon sehr enttäuschen, wenn Apple nicht auch bald in den Servermarkt einstiege. Die dafür nötige Software ist vorhanden und bereits die Spezifikationen aktueller M1-Modelle böten mehr als genug Leistung, um beispielsweise massenhaft in schlanken 19“-Einschüben als Webserver ihren lautlosen Dienst zu tun – und das für einen Bruchteil der bisherigen Betriebskosten.

Ausblick

Apple ist der Konkurrenz technologisch so weit enteilt wie noch nie. Die neue, auf ARM basierende Prozessor-Architektur ist vergleichsweise leicht skalierbar und könnte in nächster Zeit wieder zum lang vermissten linearen Wachstum an Rechenpower führen, nachdem der Fortschritt in diesem Bereich seit Jahren zäh war und in einstelligen Prozenten gemessen wurde.

Die x86-Architektur von Intel scheint nach 40 Jahren Entwicklung langsam an ihr evolutionäres Ende gekommen zu sein und es darf bezweifelt werden, dass Intel-Prozessoren sich, wenn schon nicht als Computerkerne, so doch wenigstens noch als Tauchsieder werden behaupten können. Der Energieverbrauch ist keine Nebensache mehr, sondern aufgrund der massenhaften Verbreitung von Computern ein entscheidender Faktor.

Die nächsten Jahre dürften technologisch so spannend werden wie die Anfänge des Computerzeitalters und ich hoffe, Apple wird nicht das einzige System bleiben, dass sich von den alten Fesseln einer überkommenen IT-Architektur lösen kann, wenn ich auch zugeben muss, dass Apples Wurzeln lange nicht so tief in alter Erde stecken wie die von Intel und Microsoft.

Mit leichtem Frust geschrieben auf einem vier Monate alten Macbook mit Intel-Prozessor, dessen Lüfter gerade leise zu laufen beginnt, um meine Argumente zu bekräftigen.

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10 Kommentare

  1. Ohh Herr Letsch, so gerne ich sonst Ihre Artikel lese, aber bei diesem sind Sie wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen. Von einem Ende von Microsoft oder nur einer Gefahr durch Apple zu sprechen ist doch stark übertrieben. Microsofts Kerngeschäft ist der Verkauf von Software-Lizenzen bzw. mittlerweile die Vermietung von Services (Cloud), d.h. die zugrundliegende Hardware ist für MS (bisher) zweitrangig und durch die Cloud spielt die zugrundeliegende Hardware gar keine Rolle mehr. D.h. Microsoft kann es egal sein, auf was ihre Software läuft, die Anpassung an unterschiedliche Hardware ist deren Kernkompetenz seit dem ersten PC, während Apple seine Software immer nur auf eigenes dafür konfigurierter Hardware zum Laufen brachte. Der nächste Aspekt ist der Umstand, dass selbst unter normalen Bedingungen (nicht Cloud, „klassische“ Installation) Apple Geräte in einer Unternehmensinfrastruktur immer eine Anomalie darstellen – Patchmanagement, Softwareverteilung etc. zusätzlichen Aufwand und Kosten für jede IT-Abteilung generieren. Und bei der Ermittlung der installierten Software (wichtig fürs Lizenzmanagement) stellen diese Geräte ein Risiko (z.B. §106 UrhG,) dar, weil mittels toolbasierender Lösungen deren Software nur schwer oder gar nicht ermittelbar ist.

    Was ich damit sagen will, mit einer alleinigen Betrachtung auf die Endkundenebene (Customer) und Hardware irgendwelche Rückschlüsse auf die generelle Entwicklung von Apple und Microsoft zu ziehen, greift zu kurz, da die Verbreitung von Microsoft (Software) bei Unternehmenskunden deutlich höher ist und Microsoft in diesem Bereich eine Vielzahl von Produkten anbietet, die für Customer gar nicht angeboten werden und Apple solche Softwarelösungen gar nicht im Portfolio hat.

    Kurz zu mir: Ich bin seit 20 Jahren IT-Unternehmensberater (Schwerpunkt Software Asset Management und Microsoft) und zu meinen Kunden zählen multinationale Konzerne und mittelständische Firmen.

    • Die Gefahr ist für Microsoft nicht so groß wie für Intel, denke ich. Wobei ich natürlich hoffe, dass auch andere Systeme als nur Apple den Absprung von x86 schnell schaffen. Und wie ich schon eingangs sagte: ich übertreibe hier sicher etwas – und ich weiß es. 😉

  2. Naja. Die Euphorie teile ich da dann nicht so, insbesondere, was das Weltumwälzungspotential angeht…
    Das Konzept ist sicher nicht verkehrt und die X86 Architektur ist überaltert. Ich bin IT-ler (Software- und Hardwareentwicklung) beruflich seit 89, Hobby seit 85. Allerdings ist das auch das xte Mal, das ich ähnliches über den Siegeszug der RISC-Architektur höre und über das Obsoletwerden von CISC.
    Und das alles, außer Apple/Intel/AMD/Sun nun aber ganz sicher endgültig Geschichte sei…Und das man Entwickler nicht mehr brauche, weil der Fachbereich sich die Software nun selber zusammenklickt usw. usf. . 30++ Jahre überschwänglicher Fehlprognosen lassen denn doch einen gewissen Skeptizismus aufkommen bei dem Feiern „neuer“ Produkte und Entwicklungen.

    Die Euphorie bzgl. der Verwendung in Serverzentren scheint mir auch ein bischen abwegig, die Anforderungen an Prozessoren sind da teils doch deutlich anders und der Energieverbrauch nicht DER bestimmende Wert. Und es sind ja weltweit nicht alle so pathologisch „grün“ fixiert, wie die Deutschen…
    Ob sich die Energieeinsparungen im dauernden Volllastbetrieb so aufrecht erhalten lassen und ob die im 5nm Prozeß gefertigten Prozessoren dafür dann auch ausreichend zuverlässig sind, bliebe auch noch zu ergründen. Ich habe mir das wirklich nur sehr kurz angeschaut, aber der M1 scheint ja eine Low-Power und einen High-Power Satz Cores zu haben, mit 1.3 bzw. 13.8W Verbrauch. Das ist im Low-Power weit weg vom i7-1160G7 mit 7 Watt, bei Volllast mit 13.8 vs. 15 Watt aber grade mal 1/10 Unterschied.
    Weiter scheint der entsprechend seiner Ausführung auf 8 oder 16 GB RAM, das mit im Package integriert ist, limitiert zu sein.

    Und dann bliebe ja auch noch die Frage ob und wann Intel den Umbau von 10nm auf 7 oder 5 hinbekommt….

    Oder ums kurz zu fassen – das ist der n-te „nun aber wirklich“ Hype den ich mitbekomme. Ich kann mich an ähnliches erinnern, als das iphone 2007 vorgestellt wurde…. nun war die Konkurrenz aber absolut und für alle Zeit obsolet. 2008 kam dann Android und jetzt liegen die Markanteile iOS Phones/Android bei 25/75% usw. usf. .

  3. „…wenn ich auch zugeben muss, dass Apples Wurzeln lange nicht so tief in alter Erde stecken wie die von Intel und Microsoft.“

    Sorry, aber Apple gab es bereits vor Microsoft. Zuerst mit 6502-Prozessor von MOS, dann mit Motorola-Prozessoren, viel später erst mit Prozessoren von Intel.

    Microsoft (Bill Gates) hat in der Anfangszeit erst ein vorhandenes Betriebssystem vertrieben, später mit übler Industriespionage bei Apple die Grundlagen für sein „Windows“ geklaut. Windows hinkt immer der Kreativität von Apple hinterher, mehr oder (öfter) weniger erfolgreich. Nur die Marktmacht von Microsoft – entstanden durch die PC-Welt von IBM, sorgt für die Dominanz aus Seattle.

    • Apple hat schon mehrfach die Brücken in seine Vergangenheit abgebrochen, komplette Systemwechsel hingelegt und in Kauf genommen, Leistungssteigerungen zu Lasten der Kompatibilität alter Systeme zu erreichen. Microsoft schafft das in den eigenen Systemen nur teilweise, Intel bislang gar nicht. Ich hoffe natürlich, dass sich das ändert. 😉

    • Nix „üble Industriespionage“! Die Grundlage beider grafischer Benutzeroberflächen stammt von Xerox!
      Jobs war nur der erste der sich bei Xerox (mit deren Zustimmung) bediente. Gates war dann der Zweite!

  4. Ein wenig wehmütig denke ich an die Zeit zurück, als mein erster Rechner (Ein APPLEII)
    seinen Dienst einstellen musste, weil ich einen MAC-XL mit einer unglaubliche großen Festplatte von 10 MB bekam!
    Mein erster MAC war eigentlich eine Lisa, welcher man das erste MAC Betriebssystem eingefüllt hatte.
    Ich sehe noch das Mitleid und die Häme der Gates Jünger, welche mit ihrem 286er PC incl. DOS die Welt eroberten und glaubten diese Avangardejünger von Apple werden doch bald mitsamt ihren Mac’s vom Markt geharkt!
    Ja – APPLE wurde damals von den APPLE Usern (AUGE = Apple Usergroup Europe) am Leben gehalten.
    IPhones gab es noch nicht, aber mit der Oberfläche des Mac hatte Steven Jobs eine neue Welt der Kommunikation Mensch/Rechner aufgestoßen, man ertrug die exorbitanten Preise, weil man diese Maschinen für das Zeichen einer neuen Technologiewelt hielt. Eine 128k RAM Erweiterung kostete damals so um die 5000,–DM –
    Aber es gab RAGTIME JAZZ und OMNIS – ja und dann kam ja auch Herr Gates mit seinem WORD…
    Ich könnte Stunden erzählen, diese verrückte Zeit des PC -Aufbruchs.

    Danke für den schönen Artikel!

    Mit liebem Gruß

    Lothar J. Finger

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