Wissenschaft geht manchmal eigenartige Wege und das soll sie ja. Man sollte ehrlicher Neugier auf Zusammenhänge und Erkenntnisse keinen Vorwurf machen, solange diese Neugier sich nicht gegen die Humanität richtet. Wir müssen nicht weit zurück gehen in der Geschichte, um Beispiele für fehlgeleitete „Wissenschaft“ zu finden, seien es nun bestialische Experimente an Menschen oder sich als „wissenschaftlicher Sozialismus“ gerierende Experimente an ganzen Gesellschaften, deren Menschen man einer kruden Idee anzupassen wünscht. Doch in der Wissenschaft steht immer die Frage des „praktischen Nutzens“ im Raum. Die Versuchung, eine Idee oder eine Waffe auch einzusetzen, weil man sie eben zur Hand hat, ist besonders dann groß, wenn die Politik ins Spiel kommt, die ihr Handeln stets begründen muss.

Guter Protest, schlechter Protest

Nicht nur in den USA überschneiden sich derzeit zwei Phänomene. Da sind einerseits die mittlerweile fast zum Verstummen gebrachten Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Diese Protestierer können zwar mit viel moralischer Prügel aber wenig Verständnis rechnen. Der etwas überspitze Vorwurf lautet, wer gegen die Maßnahmen der Regierung protestiert, will anderer Leute Großeltern umbringen. Medien, Politik und die verängstigte, konditionierte Bevölkerung sind sich da sehr einig.

Auf der anderen Seite finden die Demonstrationen der linksextremistischen BLM in Medien und Politik ihre eifrigsten Claqueure und das obwohl (oder gerade, weil) diese meist alles andere als friedlich verlaufen. Fakt ist jedenfalls, dass sich Demonstranten gerade in den USA in beiden Fällen auf den ersten Verfassungszusatz berufen, der ihnen das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert. Doch während die Anti-Lock-down-Proteste selbst bei Einhaltung der geltenden Hygieneregeln stets verurteilt werden und die Teilnehmer dem Vorwurf ausgesetzt sind, das Virus zu verbreiten, ist bei BLM-Protesten – die nicht selten in handfeste Abbrucharbeiten, Viertelbrände und Plünderungen ausarten – davon nie die Rede. Und an dieser Stelle kommt womöglich die Wissenschaft ins Spiel, die eilfertig nach Begründungen dafür sucht, warum das Brüllen von „Open Economy“ Viren schleudere, das Brüllen von „Defund the Police“ jedoch nicht.

Die „Colorado Sun“ zitiert die Ergebnisse einer Studie, von der als Bestes zu sagen wäre, dass sie noch nicht „peer reviewed“ wurde. Die Sun titelt: „Black Lives Matter protests may have slowed overall spread of coronavirus in Denver and other cities, new study finds“.

Sie haben richtig gelesen: die BLM-Proteste haben die Ausbreitung des Coronavirus in Denver und anderen Städten nicht etwa begünstigt, sondern vielleicht sogar verlangsamt! Zauberei? Black Superpower? Mitnichten! Was das Forscherteam da herausgefunden haben will, klingt zwar völlig irre, schließlich brachten die Aufstände tausende von Menschen zusammen, die zweifellos nicht immer Masken trugen oder Abstandsregeln befolgten. Der Schlüssel zum Kern der Erkenntnis liegt in folgendem Satz:

„We think that what’s going on is it’s the people who are not going to protest are staying away […] The overall effect for the entire city is more social distancing because people are avoiding the protests.”

Weil die Menschen (vulgo: die Bewohner der Städte) die „Proteste“ meiden! Warum tun die Menschen das wohl? Die Studie untersuchte also nicht, ob sich die BLM-Antifanten selbst in Gefahr bringen und gegenseitig anstecken oder nicht. Man stellte lediglich fest, dass dort, wo die Gewalt dieser „Proteste“ tobt, nicht nur Statuen von Abolitionisten, Gründervätern, Columbus oder Elchen zittern (weil den Aktivisten langsam die Statuen weißer Männer ausgehen) – die Bewohner der Städte tun es auch. Und sie bleiben aus Angst zuhause – wie praktisch!

Mit diesen Schlussfolgerungen sind wir nur noch einen doppelten Cheeseburger von der Feststellung entfernt, dass die Antifa in Zeiten von Corona gesellschaftlich nützliche Arbeit leistet, weil sie die Bürger so sehr einschüchtert, dass diese ihre Häuser nicht mehr verlassen, um womöglich vom ersten Verfassungszusatz in einer Weise Gebrauch zu machen, die gewissen politischen Kreisen nicht gefällt. Wie nützlich könnte dieser Zustand „bewachten Hausarrestes“ erst sein, wenn „aus Sicherheitsgründen“ eine Wahl nur per Brief erfolgen kann, anstatt dass Bürger persönlich ein Wahllokal aufsuchen. Dort könnte man sich schließlich mit Corona infizieren…aber ich schweife ab.

Ich denke zwar nicht, dass wir es hier mit einer planvollen politischen Auftragsarbeit zu tun haben, aber die Verlockung, Studien wie die aus Denver als Begründung dafür heranzuziehen, warum man in Corona-Zeiten die BLM-Aktivitäten anders bewerten muss als die Proteste derjenigen, die einfach ihre Geschäfte wieder öffnen wollen, ist mit Händen zu greifen.

Auch lässt sich kaum leugnen, dass die Gewalttätigen Aktionen von Aktivisten ausgehen, deren erklärtes Ziel es ist, unsere Zivilisation vollständig und restlos zu schleifen, um auf Asche und Trümmern etwas „neues“ zu errichten. Sollte es in dieser „Neuen Welt“ noch Straßen und Häuser geben, werden es zweifellos genau diese Aktivisten sein, die die Menschen von den Straßen zurück in die Häuser prügeln, vielleicht um im Auftrag ihrer totalitären Regierung großmütig zu verhindern, dass sich jemand einen Zeh am Bordstein stößt? All das geschieht dann natürlich nur zu unserer Sicherheit, gegen die wir leichtsinnigerweise unsere letzten Freiheiten eingetauscht haben und die Statistiken, die man uns vorlegen wird, um zu belegen, dass alle Maßnahmen zur Abschaffung der Freiheit gerechtfertigt waren, werden klar und unwiderlegbar sein wie die Tatsache, dass ich gerade vier Finger hochhalte.

Leben in der Zwischenzeit

Noch ist nicht klar, ob die Politik Alibi-Geschenke wie die Studie der Uni Colorado annehmen wird. Vielleicht nicht planvoll, aber vielleicht dankbar dafür, auf diese Weise die Wahrheit nicht aussprechen zu müssen, dass die Politik nämlich ratlos ist und sich irgendwo zwischen Angst, Ohnmacht und Panik befindet. Die USA sind uns in dieser Zwangslage vielleicht noch zwei oder drei Jahre voraus. Vielleicht weniger. Auch bei uns musste die Politik längst erkennen – aber sowas hört man nicht in Regierungserklärungen – dass man über wachsende gesellschaftliche Kreise keine regulative Kontrolle ausüben kann und es von Mal zu Mal kräftezehrender wird, Regeln aufrecht zu halten, die bislang zum Konsens gehörten und die höchstens gegen einzelne, nicht aber gegen größere Widerstände durchgesetzt werden mussten. Gelingt das nicht mehr, gibt der Staat einfach auf, schaut weg und ändert in Verkennung seiner Perspektiven die Taktik.

Reverse Policing

Stellen Sie sich vor, ein Mann fährt mit seinem Auto in eine Straße und kommt nur mit Mühe kurz vor einer BLM-Demo zum Stehen, die sich dort überraschenderweise und illegal gebildet hat. Die aufgewühlten Demonstranten glauben, der Mann hätte sie umbringen wollen. Sie zertrümmern die Scheiben und zerren den Mann aus seinem Auto. Er wird verprügelt, getreten und bespuckt, schließlich gelingt es ihm, eine Pistole zu ziehen und sich die Angreifer vom Leib zu halten. Was wird die eintreffende Polizei nun tun, die sich vielleicht zu viert mit einem wütenden Mob von 1.000 konfrontiert sieht? Wird sie die Scheibenzertrümmerer und Schläger verhaften?

Wohl kaum! Sie wird den Mann verhaften, der die Waffe gezogen hat, selbst wenn offensichtlich sein sollte, dass er dies in Todesangst tat und selbst dann, wenn kein Schuss gefallen ist. Dieses „reverse policing“ ist seit einiger Zeit an der Tagesordnung, hat aber unangenehme Nebeneffekte. Das Motto „verhafte einen, beruhige tausend“ sorgt bei ersterem für Verdruss und bei Letzteren für die Annahme, legitim zu handeln. Dieses Prinzip wandte auch die Stadt Columbus in Ohio an, als der Stadtrat beschloss, die Statue des Namenspatrons vor der Stadthalle wegzuräumen. Auf diese Weise setzt sich durch, wer am lautesten schreit, die meiste Gewalt anwendet oder am glaubwürdigsten damit droht. In den USA ist das derzeit BLM, deren Aktivisten die demokratischen Gouverneure und Bürgermeister in den großen Städten geradezu vor sich hertreiben.

Gefälligkeitsstudien wie die aus Colorado könnte also die perfekte Ausrede dafür sein, warum gleiches ungleich behandelt wird. Es geschieht alles nur zu unserem Wohl und die Kids, die vor den Augen der entsetzten Bewohner Statuen köpfen, die Abschaffung des Nationalfeiertags und Reparationen fordern, tun das im Grunde nur, damit alle anderen gesund bleiben. Danke, ihr weisen Wissenschaftler aus Denver, Colorado!

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2 Kommentare

  1. Besonders gut gefällt mir, dass die Aerosole von linken oder farbigen Demonstrationsteilnehmern weniger ansteckend sein sollen, als die „rechter“ Demonstranten. Fest überzeugt bin ich davon, dass die Antifanten das glauben, wie auch die Islamisten propagieren, dass ein gläubiger Muslim nicht von Corona infiziert werden kann.

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