Ich gebe zu, eine gewisse, stille Schadenfreude stieg auch in mir auf, als ich vom Verbot der Linksextremen Medienplattform indymedia.org las. „Endlich trifft es auch mal diese Extremisten“ schadenfreute es sich überall im Netz und der Innenminister beeilte sich, die Nacht-und-Nebel-Aktion in ein angenehmes weil fürsorgliches Licht zu rücken, und sich als Beschützer der Demokratie zu gerieren. Indymedia ist abgeschaltet. Aus Gründen. Guten sogar. Mal ganz abgesehen davon, dass die Razzia beim Betreiber letztlich sogar illegale Waffen zu Tage förderte, war die Verherrlichung von Gewalt, die dort – auch noch anonym – verbreitet wurde, einfach nicht zu tolerieren. Doch es gibt ein „aber“, dass sich meldet, wenn man etwas länger über die Sache nachdenkt.

Zunächst die Frage: warum erst jetzt? Es gab seit Jahren immer wieder Aufrufe zur Gewalt gegen das „kapitalistisches System und die Bullen“ auf dieser Seite, ohne dass sich der Innenminister ernstlich dafür interessiert hätte. Man ließ es laufen und bemühte sich von offizieller Seite eher um Verharmlosung. Frau Schwesig, damals noch Familienministerin, hielt den Linksextremismus gar für ein „aufgebauschtes Problem“. Dabei hätte es längst Gründe und Anlässe gegeben, den Betreiber einige Fragen zu stellen und gegen die Gewaltaufrufe der Benutzer von indymedia die Justiz in Stellung zu bringen. Wenn dabei die Anonymität der hetzschreibenden Salonrevoluzzer im Weg steht, hätte man der Plattform bereits vor Jahren entsprechende Auflagen machen können, wie dies für andere Plattformen der Fall ist – das blieb aber aus.

Stattdessen wird nun das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und einfach der Stecker gezogen. Die Fälle von Gewaltaufrufen selbst bleiben hingegen ungeahndet und es darf bezweifelt werden, dass das krude Gerechtigkeitsverständnis der Benutzer dieser Plattform sich auch nur um einen Millimeter verändern wird. Diese werden sich eine neue Plattform schaffen und das Spiel wird von neuem beginnen. Der plötzliche Aktionismus des Innenministers fällt „rein zufällig“ mit einem Artikel des FAZ-Bloggers Don Alphonso zusammen, der genau das ans Licht zerrte, was es eigentlich gar nicht geben sollte: Die Tatsache nämlich, dass sich auf Indymedia die Extremisten nach den Hamburg-Riots anlässlich des G20-Gipfels weiterhin ungeniert Gedanken über die revolutionäre Zukunft machten, ohne dabei allzu große Gefahr zu laufen, der staatlichen Alimentierungen, Förderungen und Zuwendungen verlustig zu gehen, aus dem die gesamte Szene ihr Leben und ihren „Kampf“ bestreitet. Der Staat finanziert leider genau die Leute, die ihn nicht reformieren, sondern abschaffen und zerschlagen wollen und dabei nicht gerade zimperlich oder „differenziert“ vorgehen! Solche Vorwürfe durften nicht hängen bleiben an unserer Politik, nicht so kurz vor der Bundestagswahl! Also schlug man in einer Weise zu, die erst mal für Ruhe im Block sorgen soll und Handlungsfähigkeit zeigt, nachdem man jahrelang in Handlungsunwilligkeit verharrte. Man legte einen Deckel auf den Topf, damit kein Dampf mehr zu sehen ist, hält aber das Herdfeuer weiter am Brennen. Die Finanzierungen gehen nämlich munter weiter.

Das rigorose Abschalten von indymedia wird sich als Blaupause für solche Fälle erweisen, die sich – anders als die großen sozialen Netzwerke – nicht durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz reglementieren und zensieren lassen, weil sie zu klein sind: Unabhängige Blogs und Webseiten! Eine Razzia hier, ein gezogener Stecker dort – auf diese Weise lassen sich all die kleinen Störsender ausknipsen, die der staatlich verordneten Harmonie ein Dorn im Auge sind. Gründe lassen sich finden oder konstruieren. Im Zweifelsfall könnte es schon genügen, die Wächter häufiger vorbei zu schicken, um mit viel aufgewirbeltem Staub für ausreichend Beschäftigung und Verunsicherung zu sorgen.

Ich hege keinerlei Sympathie für die Ideologie, die auf indymedia verbreitet wurde. Aber es ist ein eklatanter Bruch mit der Meinungsfreiheit, wenn man sie einfach abschaltet, anstatt rechtzeitig und ernsthaft die Straftaten zu verfolgen, die dort vorbereitet wurden. Dazu hätte gehört, endlich sämtliche Finanzierungen der Szene zu stoppen. Dass dies das wirksamste Mittel gegen Extremisten aller Couleur ist, zeigte doch der Fingerzeig des Bundesverfassungsgerichts auf die Parteienfinanzierung im Fall des NPD-Verbotsantrages. Meinungsfreiheit erstreckt sich leider nicht nur auf angenehme, gesellschaftskompatible Äußerungen. Ein Blick ins Grundgesetz hätte für den Innenminister genügt, um rechtzeitig ein Mandat zu juristischen Sanktionen gegen die User und Betreiber von indymedia zu erhalten. Das generelle Verbot war leider nur die zweitschlechteste denkbare Lösung, die sehr wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack auf das ist, was uns die Zukunft bringen soll: Government by actionism! „Government by Law“ wäre mir lieber.

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2 Kommentare

  1. Unter der Überschrift „Klare Kante nach Linksaußen“ schreibt SpOn.de heute:
    „Die Union plant weitere Maßnahmen gegen Linksextremisten. Nach SPIEGEL-Informationen wollen CDU und CSU schärfere Gesetze ankündigen – und so wankelmütige konservative Wähler überzeugen.“

    Dumm sind sie nicht, diese verlogenen Rattenfänger im schwarzen Mäntelchen: mit solchen Scheinaktivitäten lullt das Merkelregime manchen doch nachdenklich gewordenen Wähler ein und steuert auf die absolute Mehrheit zu.

    Mit Sicherheit werden nach dem 24. September diese Verfassungsfeinde mit aller Härte gegen diejenigen vorgehen, welche schon seit Jahren die Zustände kritisieren. Sie für immer zum Schweigen zu bringen, wird dem Merkel-Regime jedes Mittel recht sein.

  2. Eine Indymediaseite, ein mittelgroßes Indymediaproblem.
    Keine Indymediaseite, ein riesiges Meinungsfreiheitsproblem.

    Also da hat man doch hundertmal lieber hundert Unymediaprobleme als nur ein halbes Meinungsfreiheitsproblem!
    Maas muss weg. Maas ist ein mieser Robespierre im Kleinmiesen und Technokratischen.

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