Ein seltsames Völkchen sind diese Briten! Besonders, wenn man sie aus deutscher Perspektive betrachtet. Nichts können sie auf die richtige, also die deutsche Art machen! Sie fahren einfach immer auf der falschen Seite! Wo Deutschland gar nicht tief genug im Uhrwerk Brüssel stecken kann, brauchen die Briten mehr als nur einen Ärmelkanal Abstand, und während wir es eilig haben, aus der Atomkraft auszusteigen, setzt Albion auf die teewasserwärmende Kraft des Atoms. Bei der typisch deutschen Sportart, alles besser zu wissen, scheint es nichts zu geben, was deutsche Überheblichkeit gegenüber diesen starrsinnigen Nordseeinsulanern bremsen könnte. Nur eines verband gewisse deutsche Kreise bolzenfest mit ihrem angelsächsischen Vorbild, einem prototypischen Ideal, aus dessen bloßer Existenz man gern die Berechtigung der eigenen ableitete: die gute, alte und gebührenfinanzierte Tante BBC. Ja, die ist klasse! Bis Boris Johnson und die Dschungel-Lady kamen.

Käfer essen und Kröten schlucken

Im Gegensatz zum deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der seine Gebührenerhöhung auf nun stolze 220,32 Euro pro Jahr und Haushalt am Ende doch durchboxen konnte, biss die BBC mit ihren Nachschlagforderungen final auf Granit. Oder vielleicht auch auf Chitin, denn es war die neu ernannte und im Dschungel-Camp an Käfern und Spinnenbeinen erprobte Kulturministerin Nadine Dorries, mit der man es bei den Verhandlungen zu tun bekam. Schon deren Ernennung im September 2021 durch Boris Johnson brachte die sogenannte kreative Elite Großbritanniens auf die Palme, denn als große Freundin der BBC war die Ministerin nicht gerade bekannt.

Johnsons Idee zum Umbau der BBC sind schon etwas älter. Die Sunday Times berichtete schon 2020 von seinen Plänen, die Rundfunkgebühr abzuschaffen und durch ein – freilich freiwilliges – Abomodell zu ersetzen. Nicht nur den Tagesspiegel reizte dies damals reflexhaft zur ultimativen Injurie: dem Trump-Vergleich! Doch alles Lamentieren half nichts, das Beil hing in der Luft, und sobald man im „Number 10“ dank Omikron mal wieder eine Hand frei hatte, würde man es schwingen.

Bis 2024, so Nadine Dorries, friere man den BBC-Beitrag bei 159 Pfund pro Jahr ein, dann gibt es drei Jahre noch einen kleinen Nachschlag und 2027 ist endgültig Schluss mit der Gebührenfinanzierung. „BBC licence fee to be abolished in 2027 and funding frozen” dröhnt „The Guardian”, und auch die „Welt” meldet Vollzug. Es sieht allerdings gar nicht so übel aus für die BBC, die dank recht umfangreicher digitaler Angebote durchaus das Potenzial hat, neben Amazon und Netflix mit einem Abomodell zu bestehen; und wenn das Nachrichtenangebot so gut ist wie die Eigenwahrnehmung der BBC, dann kann da doch überhaupt nichts anbrennen, oder?

Aufatmen bei ARD und ZDF

Die gute alte BBC macht also notgedrungen „rüber“ in die Marktwirtschaft, und jeder freundliche Brite wird ihr wohl für diesen Weg alles Gute wünschen. Doch was machen nun ARD und ZDF ohne ihr großes Vorbild? Ohne den „Beweis“, dass durch Zwangsgebühren finanziertes Fernsehen prinzipiell nützlich, ja sogar notwendig sei? Und vor allem ohne den Beweis, dass man gute Programme nicht ohne Zwang, Geldverschwendung, doppelt und dreifach vorhandene Strukturen, aufgeblähte Verwaltungen, regelmäßige Gebührenerhöhungen und üppige Pensionen anbieten kann?

Doch ein Aufatmen läuft wie eine sanfte Welle durch die Funkhäuser in München, Mainz, Köln, Bremen, Hamburg oder Berlin. Die BBC, so geht die Kunde, sei einfach viel zu regierungskritisch gewesen und ihre Zerschlagung nur die Rache eines bösen konservativen Rüpels ohne Frisur für seine durchlittenen Kränkungen. ARD und ZDF sind also gerettet! Ungeheuerlichkeiten wie Regierungskritik sind von dort zum Glück nicht zu erwarten!

Zuerst erschienen auf achgut.com

Vorheriger ArtikelNiemand hatte die Absicht, eine Impfpflicht zu errichten
Nächster ArtikelWinter des Missvergnügens

5 Kommentare

    • „Gerichtsvollziehererfahrungen“: Erzählen Sie mal, Michael. Wegen GEZ? Kommen die wirklich ins Haus wegen sowas?

      • Ich wollte einfach einmal sehen, was es so an Varianten gibt. Das waeren hier:

        1) Treiben mit formgerechten Einspruechen bis zum Gerichtsverfahren, das war ca. 2015. Bis dahin war ich die durch Umzuege los. Ohne Anwalt das Ganze, natuerlich verloren. Unterste Verwaltungsgerichtsinstanz, kostete ca. 80EU Gebuehren + die Aufwendungen der zustaendigen Sendeanstalt.

        2) Keine Einsprueche, laufen lassen, sehen was passiert. Irgendwann erfolgt dann die Ueberantwortung an den GV. Der meldet sich dann noch einmal, letzte Moeglichkeit zu zahlen (inkl. seiner Kosten). Das habe ich gemacht, sonst waere er denke ich schon gekommen.

        Ich habe nicht viel Zeit und Lust, mich in ein peripheres Problem zu versenken. Der Unsinn verschwindet irgendwann zusammen mit den mittlerweile viel groesseren politischen Abwaeschen, die irgendwann faellig sind. Bis dahin werfe ich etwas Sand ins Getriebe, sammle die DuDu-Briefe, warte auf die rechtlich relevanten Kopfzeilen, dann zahle ich. Etwas mehr natuerlich als ohne diese Dinge, aber das ist es mir wert.

        • Die GEZ treibt in Kollaboration mit dem Amtsschimmel mitunter seltsame Blüten.
          Aufgrunnd eines Computerfehlers beim Umzug musste ich mir einmal ein Dreivierteljahr doppelte Beiträge zurückholen. Beim berühmten „Abgleich“ zu meinem Umzug hatte das Meldeamt meine Adresse mit der ganzen Hausnummer XYc weitergegeben – der GEZ-Computer hatte aber beim „Ummelden“ die Hausnummer halbiert (und nur XY ohne c). Und so ging die GEZ in den kognitiven Spagat: beim „ermitteln“ der Beiträge erkannte sie nicht, dass ich dieselbe Person war (und berechnete doppelt einmal für hier und einmal fürs übernächste Nachbarhaus) – beim fordern der doppelten Rechnung von meiner einen und einzigen Person aber schon…

        • … der ultimate Beweis, dass die GEZ schizophren ist, plus verdoppelt – und wieder was Anderes halbierend wegen der Hausnummer. Bloß das Resultat ist wieder exorbitant.
          Ach, nischt Neues unter der Sonne.

Kommentarfunktion ist geschlossen.