Dass es am Ende zehn Jahre bis zur feierlichen Grundsteinlegung des „House of One“ in Berlin gedauert hat, lag sicher nicht nur an der wackeligen Finanzierung und der langwierigen Auswahl eines Entwurfs für die äußere Architektur. Es lag auch an der labilen inneren Struktur dieses neuen Symbols des „interreligiösen Dialogs“, die mit viel politischen Mörtel gefestigt werden musste. Glaubt man den Beteuerungen des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, wird es sich beim „House of One“ um einen „Ort der Toleranz und Offenheit“ handeln und Bürgermeister Michael Müller nahm die Grundsteinlegung zum Anlass, das Bekenntnis Berlins zu „Toleranz und Weltoffenheit“ zu erneuern. Angesichts der gelebten und demonstrierten existenziellen Intoleranz gerade gegenüber Juden auf den Straßen und Plätzen Berlins wohnt dieser Erklärung leider ähnlich viel Substanz inne wie dem Siegel „Schule ohne Rassismus“. Sie merken schon, liebe Leser, ich bin kein Fan dieser neuen zelebrierten Dreieinigkeit, wenngleich ich dem Projekt alles erdenklich Gute wünschen möchte. Es ist nur leider wie bei so vielen guten Gedanken, wenn sie in Deutschland auf fruchtbaren Boden fallen: der Efeu, der aus ihnen wächst, verdeckt die Realität.

Potemkin’sche Dörfer

Die Berliner Zeitung spricht von einem „Wahrzeichen für Toleranz“, das da am Petriplatz entsteht. Ein gemeinsames Haus für die drei abrahamitischen Religionen, eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge unter einem Dach. Getrennt, aber verbunden durch einen Mittelbau. Viel architektonisches Hineinbedeuten, viel Metaebene, viel Wollen, zu viel Politik. Fragt man sich, wem da eigentlich ein Monument der Versöhnung errichtet werden soll, stellt man schnell fest, dass es nicht Judentum und Christentum sind, denen heute Brüderlichkeit und gegenseitige Achtung in Stein gemeißelt werden soll. Jesiden, Bahai und Buddhisten sind auch außen vor. Auch wenn man es nicht so deutlich sagt, so ist es doch der Islam, dem hier in einer Art seltsamen Provokationstherapie gezeigt werden soll, dass es auch anders, kooperativer und mit weniger Anspruch auf Absolutheit und nach dem Motto „ein Ungläubiger ist auch ein Mensch“ gehen kann.

Bitte nicht falsch verstehen, gegen Dialog ist nichts einzuwenden, auch zwischen den Religionen nicht. Ich fürchte aber, dass schon der Standort Berlin dafür sorgen wird, dass das Experiment politisch vereinnahmt wird und nach dem Sündenstolz, wie er anlässlich des fünften Jahrestages der Einweihung des Holocaus-Mahnmals („um dieses Mahnmal beneiden uns andere Völker“) nun eine Versöhnung mit der Realität gefeiert wird, die in Wirklichkeit nie stattfand. Im Gegenteil: Die unschönen Bilder von gegen Juden ganz allgemein und Israel im besonderen gerichteten Demonstrationen der letzten Wochen schreien geradezu nach einer warmen ideologischen Decke des Nichtwissenwollens, welche man darüber werfen kann.

Die Politik braucht positive Symbolik, selbst dann, wenn sie nur in Form von verkopften Leuchttürmen existiert. Die „Drei“, die in diesem Projekt zu „One“ werden sollen, muss man sich schon durch eine ganze Reihe von Abstraktionen glatt denken. Eine kleine muslimische Gemeinde mit in Berlin gerade mal 5.000 Mitgliedern, die der Gülen-Bewegung nahesteht, kann schwerlich „den“ Islam verkörpern. Die beteiligte evangelische Kirche ist heute sowieso überall zu finden, wo dem Profanen, politischen Aktivismus gehuldigt und das Spirituelle vernachlässigt wird. Von anderen christlichen Kirchen ist in dem Projekt ebenso wenig zu finden, wie von den vielfältigen Strömungen und streitenden Meinungen im Judentum oder die zahlreichen Schismen im Islam. Kann es ja auch nicht, sage ich. Soll man ja auch nicht, wird der eine oder andere Leser vielleicht einwenden.

Doch wozu dann das Pathos? Wozu die absichtsvolle Auslassung alles Trennenden? Um die Gemeinsamkeiten umso heller strahlen zu lassen? Es mangelt ja weder an Gelegenheiten zur Begegnung noch an Gotteshäusern in Deutschland. Die freie Religionsausübung ist vom Grundgesetz garantiert. Es werden Kirchen abgerissen und Moscheen und Synagogen errichtet. Nur letztere müssen umfassend geschützt werden. Aus schlechtem, sehr traurigem Grunde wie wir wissen. „House of One“ soll der wahr gewordene Traum vom Cumbaya sein, so wie ihn sich die Politiker erträumen, die die Menschen gern in Schachteln packen, um sie einschätzen, benutzen oder nach Interessen sortieren zu können. „House of One“ ist also ein politisches Projekt, kein gesellschaftliches oder religiöses.

Privatsache Religion

Nichts bringt heute Gelder, Ressourcen und Menschen zuverlässiger in Bewegung als die Religionszugehörigkeit. Muslime werden in Deutschland geradezu ausschließlich über diese Zugehörigkeit angesprochen und auch deren Bedürfnisse und die Anforderungen, die man an sie zu stellen wagt, werden darüber definiert. Was dazu führt, dass sie sich selbst häufig ausschließlich über eben diese Religionszugehörigkeit definieren. Als gäbe es keine anderen, der Religion entzogene Ebenen, auf der alle Menschen gleichermaßen „nur“ Konsumenten, Unternehmer, Steuerzahler, Hausbesitzer oder Hausbesetzer, Urlauber, Student, Passant, Leser oder sonst etwas sind, fliegen der Staat und die ihm zuarbeitenden Parteien, die Schulen, NGOs oder Initiativen auf dieses eine Merkmal wie Wespen zum Zwetschgenkuchen.

Hier setzten Förderprogramme an, werden Islamkonferenzen durchgeführt, Beauftragte ernannt, gibt es Posten und Pöstchen in einem ganzen Zirkus von Kümmerer-Organisationen zu besetzen, wird schon in der Ablehnung bestimmter religiös begründeter Praktiken eine Islamphobie erschnuppert und gern zur gesellschaftlichen Therapie geschritten. „House of One“ ist zwar kein genuin staatliches Projekt, es kann aber nur dank der politischen Hefe gedeihen, die man dem Most dieser Idee hinzugefügt hat. Dass sich daraus ein guter Wein keltern, auf Flaschen ziehen und exportieren lassen wird, wage ich zu bezweifeln.

Im Grunde denke ich, „House of One“ zäumt das Pferd einfach von der falschen Seite auf. Statt gemeinsam zu beten und getrennt zu leben, sollten wir besser getrennt beten und gemeinsam leben. Dass es dazu nie kam, ist Teil des Versagens der Politik. Weil das, was unser Land an verbindenden säkularen Werten anzubieten hat, längst zu schwach ist, wird stattdessen nach einem religiösen kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht. Gefunden hat man ihn nicht, die Brüche sind einfach viel zu komplex.

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22 Kommentare

  1. Muss das nicht eigentlich heißen „Haus uff ohne“ ? Schließlich ist Berlin die Hauptstadt von Deutschland und nicht eine Provinzhauptstadt von den USA, GB oder so. Und in einem Haus uff ohne wird ganz angestrengt nachgedacht, wie man Leute zusammen bringen kann, die sich anderswo die Köppe einschlagen. Na, da haben sie dann eine klitzekleine Arena. Da wird sich dann vielleicht mit Heucheleien begegnet, wie wunderbar und friedlich doch alles ist.

    Nur dürfen da längst nicht alle hin. Das Haus ist dann z.B. ohne die bereits oben genannten Religionsgemeinschaften Jesiden, Buddhisten etc. und natürlich ganz und gar ohne die bösen Teufel von der AfD und anderen Nazis.
    Ja, so ein Haus uff ohne ist wirklich ein Prestigeobjekt für Traumtänzer.

    Wie könnten sich eigentlich die Menschen mit ihren verschiedenen Vorstellungen, wie Welt sei, am besten begegnen? Vielleicht in einer Bar. Gemeinsam beten? Ich weiß nicht, ob jeweiliger Gott das so richtig findet, ist mir eigentlich auch egal. Aber was besonders gut geht, ist einander zuhören, zumindest der Theorie nach. Dann könnte man am Ende eventuell sogar feststellen, dass die Weltsicht doch nicht soooo weit auseinander liegt. Nur Details vielleicht. Und man könnte das Angebot machen, den Ausführungen des Anderen eventuell nachzugehen. Und wenn eine Nachfrage kommt, wie „und?“, dann kann man immer noch sagen, ich habe es nicht kapiert. Schaut mal, wir sind einander gleich, wir haben nicht alles kapiert. Schon sind wir weg von der Besserwisserei und Bevormundung. Und schon ist die Religion nicht mehr so wichtig, sondern der Mensch! Habe ich ausprobiert, ist super.

  2. Seit Beginn der historischen Aufzeichnungen (Sumerer, vor etwa 6000 Jahren) sind 2780 „göttliche Wesen“ katalogisiert worden.
    Also, wenn mich das nächste Mal jemand fragt: „Glaubst Du an Gott?“, sage ich: „An welchen? Zeus, Hades? Jupiter? Mars? Odin? Thor? Krishna? Vishnu? Ra? …“
    Und wenn dann gesagt wird: „Nur Gott. Nur einen Gott“, dann weise ich gerne darauf hin, dass mein Gegenüber fast genauso atheistisch ist wie ich es bin. Denn ich glaube nicht an die 2.780 Götter, er glaubt nicht an 2.779 Götter.

    • Reine Theorie, Herr Ott.
      Übrigens neigen jene, die nicht an den biblischen Gott glauben (oder ihm zumindest die Grundlage der westlichen Zivilisation verdanken wollen), sehr häufig dazu, statt eines Gottes nun den allmächtigen Staat oder einen geliebten Führer anzubeten. Vielleicht gehören Sie ja nicht zu denen. Herr Letsch übrigens auch nicht. Aber das ist verflixt selten.
      Weswegen es hilfreicher ist, den biblischen Gott in seine Rechnung einzubauen.

  3. Das Zitat „Statt gemeinsam zu beten und getrennt zu leben, sollten wir besser getrennt beten und gemeinsam leben.“ sollte eigentlich in Stein gemeißelt dort stehen, wo das House of Dingsbums steht.

  4. Religionen können nicht tolerant sein. Sie haben jeweils einen Überegenheitsanspruch, sie müssen darauf bestehen dass ihre Religion die einzig richtige ist.

    Verschiedene Religionen innerhalb einer Gesellschaft können nur funktionieren, wenn man sie voreinander quasi versteckt, also Privatangelegenheit ein lässt und Staat sich nicht, und zwar GARNICHT um sie kümmert. Schon dass der Bundestagspräsident sich qua Amt damit gefasst und in so einer Religions-Aktivität mitmischt, ist problematisch.

    Das offizielle Deutschland neigt alleding dazu, den Wert der eigenen Mehrheits-Religion, des Christentums, herunter zu spielen und sie mit Sozialarbeit gleichzusetzen. Die Kirchenmanager spielen gerne mit. Sie weden ja vom Staat kräftigst alimentiert.

    Das Judentum ist mengenmässig ungefährlich; problematisch ist es nur für die am stärksten wachsende Religion, den Islam. Wesentliche islamische Strömungn hassen das Judentum in Form des jüdischen Staates. Wenn unsere christliche Mehrheits-Religionsmanager versuchen würden, den radikalen islamisten in Punkte Judenhass konsequent die rote Karte zu zeigen, hätten wir einen Religionskrieg.

    Aber weil die deutsche Regierung sowohl in der UN als auch innenpolitisch die islamischen Forderungen erfüllt, ist der Jihad auf deutschem Boden noch nicht wirklich entbrannt. Wir sind praktisch in der Phase der christlichen Schutzgeldzahlungen, der Dschizya. Und der Erniedrigung.

  5. Aus der Kopfgeburt eines evangelischen Pfarrers, dem die Schäfchen weglaufen, wird in Kürze ein unübersehbares Symbol der Islamisierung Deutschlands und der Dominanz des Islams mitten im historischen Kern Berlins geworden sein. Der Pflock ist eingeschlagen, und in nicht allzu ferner Zukunft wird sich zeigen, was „One“ ist.

  6. Verbindende säkulare Werte gibt’s eh nicht. In Weimar wollten die säkularen Sprecher der Deutschen es hypertraditionell und die säkularen Sprecher der Juden es hypermodern – das hat schon damals nicht funktioniert. Insofern: Warum sollen nicht ieber die religiösen Anführer es unter sich ausmachen? Das könnte die Gegensätze sogar mildern!

    • Sie haben nicht verstanden, worum es geht. Also überhaupt nicht. Und auch was Sie da über anno dunnemals und irgend Sprecher der Deutschen und der Juden verlauten, so als wären Juden keine Deutschen oder was?, belegt, dass sie auch das sehr gründlich sehr-nicht verstanden haben.

      Ach wissenSe, gehen Sie doch einfach mal ins House of One und lassen sich da so einen richtig schönen Cocktail aus Willkommenskultur, pc-Blasen, Deutschenscham, offiziöser Terror-Ausblenderei und jüdischer Abwesenheit servieren. Wohl bekomm’s.

      • Nu: am woken Wesen undsoweiter.
        Leute wie Rainer Möller verstehen sehr gut und sehr gründlich, worauf „es“ „beim Dialog zwischen“ Deutschen und Radfahrern „ankommt – viiiiieeeeeellll besser, als jemand der einfach nur fahrradfährt das jemals selbst auch nur könnte. Nein, die Rainermöllers dieser Welt verstehen, worum es „eigentlich geht“ – deshalb auch der ständige Jargon der Eigentlichkeit.
        Dass das jargonisierte dann viel mehr mit der Eigentlichkeit zu tun hat als mit der Wirklichkeit (soviel wie das Bild von „Radfahrern“ mit konkreten Fahrrädern) – nu: alles rein platonisch. Was für eine Idee!

  7. Oho! Perfekt auf den Punkt gebracht, vielen Dank! Auf diesen Kommentar haben viele gewartet…

  8. Dieses EXPERIMENT wird scheitern, wie alle anderen Experimente zuvor, das kann man schon jetzt sagen! Die Moslems sind nicht in die EU gekommen , um unter der sozialistischen/kommunistischen Knute zu leben. Modell China? Der Islam strebt die Weltherrschaft an, das scheinen unsere experimentierfreudigen Negativ-Eliten übersehen zu haben. Unruhen sind vorauszusehen.

  9. Stimme Ihnen vollkommen zu, bis auf eines: Es muss „der“ Efeu heißen – das wird man ja wohl noch sagen dürfen…
    Ein weiterhin schönes Wochenende

  10. Man könnte ja mal die muselmanischen Demonstranten von voriger Woche freundlichst in den Moscheeraum des House of One (des Houses des Ones?) pferchen und die Juden verbindlichst per Viehwaggon in die sogenannte Synagoge des ohnen Hauses verpflanzen, und im feinen Dora-Mittelbau harren die Christen mit gezückten Kameras der erstaunlichen Dinge, die gleich passieren.

    Was wird der Herr Schäuble nach dem Pogrom sagen; es hat nicht sollen sein? Oder, wir hätten’s doch besser House of None genannt?

    • Das ganze ist sowieso eine Moschee, weil eine drin ist (zumindest nach islamischem Verständnis).
      End of story, hope, and glory.
      Entschuldigen Sie – wann geht die nächste (Friedens-)Taube?
      Nicht jeder Vogel, den jemand hat, ist eben gleich eine.

      Nebenbei übrigens Kompliment zum subtilen Wortspiel „house of nun“ (=Nonne; i.e. Kloster, weltabgeschieden) zum Thema. Da schwingt doch glatt der weltvergessene Elfenbeinturm im Hintergrund mit. Also nicht so, wie man jetzt vielleicht denkt – außer in den H…interköpfen der turmbauenden Politiker (vielleicht): by Jove and the rivers of Babylon!
      Weinen dürfen wieder die anderen. Wie immer, und aus denselben Gründen. Es ist zum speibn!

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