Selten zuvor habe ich so ausgiebig über einen Artikel lachen können, obwohl er keinesfalls als Satire gemeint ist oder so gekennzeichnet wurde. Mark Schieritz schreibt in der ZEIT über Gold, das Objekt seines Zorns, wie ein Abstinenzler über einen Château Margaux 1990 schreiben würde, der ihm beim Mixen den Geschmack von Cola versaut hat. „Gold ist das vielleicht nutzloseste Metall der Welt. Es ist zu weich für Brückenkonstruktionen oder Fahrzeugkarosserien. Es ist zu schwer für Gegenstände des täglichen Bedarfs. Als Währung hat es praktisch ausgedient: In allen Industrienationen ist das Geld nicht mehr wie früher an Edelmetalle gekoppelt.“

Ich muss widersprechen. Das nutzloseste Metall auf der Welt ist das Blech, das Mark Schieritz für die ZEIT zusammenschreibt. Und die Vergleiche! Meine Güte! Zu weich für Brückenkonstruktionen? Nun, selbst für diese Verwendung ist Gold in Wirklichkeit in aller (oder so mancher) „Munde“. Außerdem beschwert sich doch niemand ernsthaft über die Nutzlosigkeit eines Ferrari, weil der trotz 400 Pferdestärken nicht zum Pflügen taugt. Und Gegenstände des täglichen Bedarfs? Ich habe mir sagen lassen, dass sich 1-kg-Barren Feingold ganz wunderbar als Briefbeschwerer eignen – mit der Dual-Use-Eigenschaft als starkes finanzielles Beruhigungsmittel. Für Brückenkonstruktionen oder Fahrzeugkarosserien, wie sie Schieritz im Sinn hat, ist das gelbe Zeug vor allem einfach zu selten und zu teuer. Doch die Sache mit Preis und Wert des Goldes ist es ja gerade, die Schieritz nicht versteht. Von Funktion bzw. Herkunft des Goldersatzstoffes Geld offensichtlich ebenso wenig:

„In allen Industrienationen ist das Geld nicht mehr wie früher an Edelmetalle gekoppelt, sondern allein durch die Menge der umlaufenden Güter gedeckt.“

Was ist Geld?

Die Menge der umlaufenden Güter? So einfach ist das? Haben die Superhirne bei der EZB also gerade durch gigantische Hilfsprogramme mit Zentralbankgeld aus dem Nichts „Güter“ geschaffen? Müssten die Zentralbanken dann angesichts der Corona-Krise nicht im Gegenteil Geld wieder einsammeln, weil ihm in der Wirtschaftskrise nun weniger Güter gegenüberstehen? In der Schieritzschen Gelddefinition klafft wohl mehr als nur eine Lücke für Dienstleistungen, die er mal eben unterschlägt wie Begriffe wie Giralgeld, Bargeld oder Zentralbankgeld.

Unterschlagen wird im Artikel auch die Tatsache, dass die Industrie ein wesentlicher Verbraucher von Gold ist. Kein Computer, kein Smartphone, kein E-Auto und kein Windrad kommen ohne aus. Wer auf das „Teufelszeug“ verzichten will, gebe konsequenterweise gleich sein iPhone dem Wertstoffhof, denn die Goldkonzentration darin ist 100-mal höher als selbst im Erz der ergiebigsten Lagerstätten. Schieritz sollte seine Artikel künftig von Hand schreiben – und wehe, er verwendet einen goldenen Füllfederhalter!

„Noch nicht einmal als Finanzinvestment ist Gold sonderlich sinnvoll. Gewiss, in einer Krise steigt normalerweise der Goldpreis. Doch die Krise ist ja nicht der Normalzustand.“

Preisfrage: Wie normal ist ein nun schon Jahre anhaltender Zustand, in dem die Geldmenge der Wirtschaftsleistung davon galoppiert ist, die Eurorettung schon seit zwölf Jahren anhält und man Geld dazu legen muss, wenn man es verleiht? Die Krise ist längst das neue „Normal“: allgegenwärtig und das Finanzsystem längst korrumpiert – im Wesentlichen durch politische Maßnahmen. Das Gegenstück des Geldes, nämlich unser Vertrauen, bröckelt Stück für Stück.

Dies und nichts anderes ist der Grund, warum viele in Gold flüchten. Nicht als Geldanlage. Im Gegensatz zu Aktien macht man mit dem Halten von Gold kaum Gewinne. Es dient vielmehr als Einweckglas, als krisenfester Stoff, der seinen Wert aus sich selbst heraus, aus seiner Seltenheit, seiner Unzerstörbarkeit, seiner Kompaktheit und natürlich auch seinen physikalischen, chemischen und schmückenden Eigenschaften bezieht. Niemand – es sein denn, man befindet sich auf der Flucht – wird sein ganzes Vermögen in Gold verwandeln. Niemand hat auch je behauptet, dass dies eine gute Idee sei.

Gold kann man zwar nicht essen, aber den Wirt damit bezahlen

„Wenn wirklich alles zusammenbricht, dann hilft auch Gold nicht weiter. Es ist eben auch nur eine Form von Geld und bezieht seinen Wert nicht aus sich selbst heraus, sondern allein aus der Tatsache, dass andere es für wertvoll halten. Man kann Gold nicht essen, man kann damit kein Dach abdichten, man kann sein Eigentum damit nicht verteidigen. Wer wirklich an die Apokalypse glaubt, der solle sich Ackerland kaufen, Milchkühe, Thunfischdosen, Whisky, Waffen, vielleicht Immobilien. Aber kein Gold.“

Es darf aber als menschliche Kulturkonstante betrachtet werden, dass man nach einem (hoffentlich nur imaginierten) totalen Währungszusammenbruch etwa des Euro mit einem winzigen Barren von sagen wir zwei Gramm Feingold auch dann mühelos Thunfischdosen und Whisky wird kaufen können. Gold hat sehr wohl einen Wert „aus sich heraus“. Menschen vertrauen Geld überhaupt nur, weil sie es „wie Gold“ betrachten, auch wenn sie das manchmal vergessen. Sie glauben, dass 100 Euro von heute morgen noch genau die selbe Kaufkraft haben. Bei Gold wissen sie es. An Gold muss man nicht glauben, an Geld schon. Gold braucht keine Ausgabestelle und keinen Garanten, Geld schon. Kollabiert ein Geldsystem und nichts Vertrauenswürdiges tritt sogleich an seine Stelle, ist automatisch und ohne dass ein Finanzminister dazu auffordern müsste, die Originalform von Geld in Form von Gold in Kraft. Nur Mark Schieritz mag dann mit Zitronen handeln.

Ackerland, zu dessen Kauf er rät nützt übrigens nur dann etwas, wenn man dafür Subventionen der EU erhält oder es bestellen kann, wofür man eine EU bzw. Wissen, Ressourcen und Arbeitskräfte braucht. Ist der Kollaps vollständig, gewinnt im Zweifel der Bewaffnete über den Besitzer des Ackers. EU-Subventionen fließen dann keine mehr, die Milchkuh klaut der erstbeste Plünderer, die Thunfischdosen halten nicht ewig und Whiskyflachen können zerbrechen oder lösen sich in Wohlbefinden auf.

Die Perspektive ist auch längerfristig ungünstig: Waffen kann der Staat verbieten und Immobilien oder Grundbesitz generell hoch besteuern. Schon mal darüber nachgedacht, warum in Deutschland Goldkäufe über 2.000 Euro nicht anonym erfolgen dürfen? Wenn’s im Ernstfall an der Tür des Käufers klingelt, wird der Anlass keine Umfrage zum Goldmarkt sein. Glücklich, wer Gold hat, von dem weder der Staat noch Plünderer etwas wissen.

Ein nicht zu unterschätzender Wert des Goldes in der beschriebenen Post-Apokalypse besteht also in seiner Mobilität und Anonymität. Nach einem imaginierten Zusammenbruch des Euro wäre es nämlich zuallererst der Grundbesitz der Bürger, der zur Deckung einer neuen Währung herangezogen würde – auf irgend etwas von Wert muss eine Währung ja schließlich basieren, damit man ihr überhaupt vertrauen kann.

Framing: Gold ist kriminell

Erst im letzten Abschnitt kommt Schieritz dann zum eigentlichen Zweck seines Artikels. Wurde Gold anfangs nur als materiell nutzlos und ökonomisch heikel dargestellt, saust nun die Kontaktschuldkeule in die Leserhirne. Rechtsradikale Milieus liebten dieses Metall, schreibt er. Die AfD hatte mal einen Goldshop und der Geschäftsführer der Degussa ist Markus Krall, der vom „traditionellen Familienbild als Keimzelle des Staates und der Gesellschaft“ spricht und eine „Ausrichtung des staatlichen Bildungsangebotes an Qualität und eine Befreiung von sachfremden ideologisch motivierten Inhalten“ fordert. Was fällt diesem Mann nur ein, Inhalte des Grundgesetzes so wörtlich zu nehmen und auch noch mit Gold zu handeln!

Da Gold, dieses mafiöse Metall, mit solchen konservativen Typen in Berührung kommt,  weiß man doch schon, was der brave Bürger und Zeitleser von ihm zu halten hat! (Augenroll-Smiley, Abstand-Smiley). Das Tremolo endet mit der Feststellung, Gold sei „der Reichsbürger unter den Finanzinvestments“ und müsse wie Asbest oder Quecksilber behandelt werden. „In die Tonne damit“, ruft Schieritz. Ich biete gern eine Tonne in meinem Keller an und verzichte sogar auf horrende Entsorgungsgebühren, wie sie für Sondermüll sonst üblich sind.

Aber halt… Schieritz spricht ja nur von „aus dem Verkehr ziehen“, verlangt ein Handelsverbot für Barren und Münzen und fordert die sofortige Beendigung der generell umweltschädlichen Goldförderung. Wer genau soll das Gold denn aus dem Verkehr ziehen und wo kommt das Gold dann hin? Aber man hat ja schon davon gehört, dass Politiker Gold zu Stroh spinnen können. Sicher wird sich die Politik darum kümmern.

Für das buchstäbliche „aus dem Verkehr ziehen“ bieten sich natürlich die staatlichen Notenbanken an, die kurioserweise ohnehin die größten Goldhorter sind. Doch warum soll nur die Notenbank Gold besitzen dürfen, die Bürger jedoch nicht? Und sind Ringe, Ketten oder Armreife, deren Besitz und Handel Schieritz großzügig gestattet, nichts anderes als Barren und Münzen in leicht veränderter Form? Müssen wir dem Gold nicht auch seine Wandlungsfähigkeit verbieten? Oder besser noch: es gleich samt seiner rechtspopulistischen Gruppe der Edelmetalle aus dem Periodensystem der Elemente herausklagen? Kann die UNO da nicht machen?

Was man bei der ZEIT wirklich über Gold denkt…

Natürlich ist der Artikel großer ökonomischer Käse! Schieritz hat vermutlich eine Wette verloren oder musste mit seinem Text eine Mutprobe abliefern. Vielleicht ist er aber auch ein ganz schlauer Fuchs, dieser Schieritz, der in Wirklichkeit auf einen Haufen glänzender Goldbarren sitzt und hofft, dass der Wert seines Schatzes durch die Einstellung sämtlichen Goldbergbaus und ein Handelsverbot ins unermessliche steigen wird – ganz zu schweigen vom Preis für Smartphones, Computer und Windräder. Es kann ihm schließlich kaum entgangen sein, dass sämtliche Artikel der ZEIT zum Thema Gold, die in den letzten Monaten erschienen sind, so gänzlich andere Töne anschlagen, als der seine.

Nach Golde drängt,
am Golde hängt
doch alles. (Goethe)

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12 Kommentare

  1. Ich bin zwar schon 70 Jahre alt, aber ich glaube, das ich es noch erleben werde, das ich für 1 Kilo Gold eine ehemals eine Millionen Euro teure Villa bei der Zwangsversteigerung „kaufen“ kann.
    Nur am Rande : Zeitungen lese ich schon lange nicht mehr. Da währe mir ja jeden Morgen Übel.

  2. Hat man bei diesem Artikel vergessen „Satire“ dran zu schreiben?

    Ach was. Gold ist natürlich nutzlos. Man kann damit keine Fenster putzen, die Suppe umrühren geht auch nur, wenn es in die richtige Form gebracht wird. Wenn es auf den Fuß fällt, bekommt man nur Kopfschmerzen davon.

    Aber es ist so schön. Es glänzt wie die Sonne, fein poliert. Ja, als Türstopper ist es ein echter Hingucker. Ordentlich die Taschen davon vollgestopft kann es auch zum Versenken unliebsamer Widersacher mit verbundenen Händen und Augen dienen und wird beizeiten als Rheingold wieder geborgen.

    Allein dafür verdient es seinen hohen Wert. Danke, lieber Herr Schieritz, für die Anregungen, danke, lieber Herr Letsch, für die Aufmerksammachung auf diesen Artikel, der mir sonst völlig entgangen wäre. Das Käseblatt ZEIT ist ja sonst nur Gold wert.

  3. Das ist wirklich der dämlichste Artikel, den ich jemals bezüglich Gold gelesen habe. Dem Autor sei empfohlen sich mal ausgiebig mit der Geschichte und auch der Historie des Goldes zu befassen.

  4. Klar, die sozialistische Propaganda macht Gold madig. Und die ZEIT – naja, Linke und Geld…. geschenkt. Allerdings kann ich auch mit der Gloriszifierung des Goldes durch die „Gegenseite“, z.B. Markus Krall, nicht viel anfangen. Gold hat unstrittige Vorteile. Aber es hat auch klare Nachteile: z.B erwirtschaftet es keine Dividenden und es ist in seiner Wertentwicklung nicht weniger berechenbar als der Aktienmarkt. Man braucht einen langen Atem. Insofern ist es mitnichten d i e unschlagbare und einzige Lösung für die Probleme der Vermögenssicherung in Zeiten der Nullzins- und EU-Transfer-Politik. Und eine Rückkehr zum Gold- oder Gold-Währungsstandard (Bretton Woods-System) ist erst recht eine llusion. Würde heute nicht mehr funktionieren. Vielleicht sollte man das Gold einfach etwas entmystifizieren: Es als Beimischung zu sonstigen Vermögenswerten (Aktien und – sofern man es sich leisten kann- Immobilien) betrachten und ein paar Barren im Garten verbuddeln. Die Idee unseres geschätzten Redaktionschefs, es als Briefbeschwerer (!) zu nutzen, hat mir die Tränen in die Augen getriebenAn sich ist sie gut, aber man sollte 1. nicht gleich mit 1 kg anfangen (ein 250g-Barren ist schwer genug) und 2. keine diebische Putzfrau in seinem Haushalt oder Büro beschäftigen.

    • Korrektur: Glorifiszierung (nicht Gloris…). Und: Die Wertentwicklung von Gold ist nicht weniger als n berechenbar… Sorry.

  5. Nein, Mark Schieritz ist nicht zu einfältig, um den Wert und die Bedeutung von Gold zu verstehen.
    Die (Über-) lebenswichtige Rolle von Gold dürfte ihm klar sein, gerade heute, wo wir dem gigantischen Scherbenhaufen der Corona-Wirtschaft stehen, der uns vielleicht alle unter sich begraben könnte.
    Schieritz ist das erste Sturmgeschütz, dass ein Goldverbot plausibel machen soll.

  6. Auch wenn sie nicht ganz so schön aussehen:
    Wenn auf ihnen kein Wert in Euro und Cent sondern nur soetwas wie „Brief, Inland“ gedruckt wäre, würde ich ja auch Briefmarken als Ersatzwährung nehmen – vorausgesetzt, man kann sie nach erfolgter Galoppinflation eben noch auf einen Brief kleben, und wissen dass der auch zuverlässig ankommt weil die Post nicht wesentlich mehr davon druckt als sie auch zustellen könnte. Derjenige, bei dem ich die Briefmarke gegen einen Kohlkopf tausche sicher auch, weil die sich länger hält als der Kohl, von dem er gerade zuviel hat.
    Die Hauptsache ist doch, irgendetwas von definiertem Gegenwert zu haben; von dem irgendjemand „der nuuuuur unser Bestes will“ nicht einfach mal so ohne weiteres mehr machen kann (idealerweise einigermaßen transportabel und zu stückeln) – dann klappts auch mit dem Wert.

    Wenn Herr Schieritz das nicht versteht, dann versteht er auch nicht wie Ersatzwährungen funktionieren und wozu sie gebraucht werden – oder Währungen überhaupt: es soll halt nicht so ohne weiteres möglich sein, mal eben schnell den Gelddrucker anzuwerfen. Was Leute vom Schlag eines Herrn Schieritz bestimmt tierisch ärgert, weil es damit etwas gibt über das man als „Experte“ oder Regierung die Kontrolle selbst bei bestem Willen eben nicht haben kann. Diese fehlende Definitionshoheit wurmt ihn halt.

  7. Treffend ! Sehr schoen beschrieben. D er kleine Buerger kann nicht wissen was der grosse Buerger ueber ihn und seine Werte denkt, weiss und nicht sagt …

  8. Tja, werter Herr Letsch, bei vielen Äußerungen in Politik und Medien hole ich immer öfter meinen alten Anatomieatlas des Menschen heraus um nachzusehen, was bei denen wohl so alles offensteht. Das Zitat von Goethe endet mit „Ach wir Armen!“

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