Wenn die Journaille jemanden zum Abschuss freigibt, legen selbst die schlechtesten Schützen gern an. Nena hat gerade mal ein paar Tage Ruhe, jetzt muss Monika Gruber ins Fadenkreuz. Die hat es nämlich gewagt, in ihrem neuen Buch „Willkommen im falschen Film“ einen Gag über eine Bloggerin mit gerade mal 4.500 Followern auf X zu machen! Und nicht nur einen! Das darf die nämlich gar nicht, weiß Kerstin Herrnkind vom Stern ganz sicher!

„Die Kabarettistin Monika Gruber hat in ihrem neuen Buch eine bis dato unbekannte Bloggerin als angeblich wirre Tugendwächterin vorgeführt. Die Frau hat Presseberichten zufolge jetzt Morddrohungen erhalten. Nach einem Shitstorm gegen Gruber hat der Piper Verlag angekündigt, die Passage im Buch zu ändern. Ist die Sache damit erledigt? Leider nicht. Die Causa Gruber zeigt, dass Unbekannte, die ein wenig im Netz schreiben, damit rechnen müssen, in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Und womöglich bedroht werden. Nur weil Kabarettistinnen wie Gruber und Verlage wie Piper für schnelle Gags und Auflage publizistische Grundsätze missachten.“ 

Im Gegensatz zu Frau Herrnkind vom Stern hatte ich von der Bloggerin – deren Name nun nicht mehr genannt werden darf – zumindest schon gehört.

„Die Frau, die hier namentlich nicht genannt werden soll, schreibt im Netz unter anderem über Bücher. Sie hat auf Instagram keine 1500 Follower. Auf Facebook lesen 1233 Menschen ihre Buchtipps. Auf der Plattform X (früher Twitter) sind es etwas mehr als 4500. In ihren Posts engagiert sich die Bloggerin, wenn man sie überhaupt so nennen kann und will, unter anderem gegen Rassismus und Rechts. Im März warnte sie auf X: „Rechtsextreme Frauen unterwandern aktuell aktiv die textile Hobbyszene … Bitte setzt euch aktiv damit auseinander, wer was anbietet.“ So weit, so harmlos. In ihrem Buch macht sich Monika Gruber über diesen Post und die Bloggerin lustig. „Warum Nazis gerne stricken. Die wirre Masche mancher Tugendwächter“, titelt sie und nennt die Bloggerin eine „selbst ernannte Influencerin und Tugendwächterin“, die „Schwurbelgut“ verbreiten würde.“ 

Die hier genannten Aufmerksamkeitsschwellen für Instagram, Facebook und Twitter harren wohl noch der gerichtlichen Bestätigung. Denn erst oberhalb dieser Zahlen ist einem Blogger das Bloggen und Warnen offenbar als „Drang in die Öffentlichkeit“ anzurechnen. Wer etwa nur 4200 Follower hat, der will eigentlich anonym, unerkannt und ungelesen bleiben.

„Im Netz brach ein Shitstorm gegen Monika Gruber los. Zu Recht. Gut, dass die Internetgemeinde es nicht einfach hinnimmt, wenn Leute zu Unrecht öffentlich vorgeführt und rassistisch beleidigt werden.“

Mir muss die neueste Novelle des Strafgesetzbuches entgangen sein, in der Shitstorms als Mittel der Judikative zu „Recht“ wurden. Was steht da jetzt?  „Wer Nazissenjäger beleidigt oder beleidigende Gags über Nazissenjäger zu Papier bringt, wird mit Shitstorm nicht unter zwei Wochen bestraft“? Was ist hier wohl „Recht“ und was nur journalistisch verbrämte Fackeln und Mistgabeln?

„Gruber und Hock wagen die Unterstellung, die Bloggerin würde unter falschem Namen schreiben, weil das besser klinge: „Heißt … vielleicht im wahren Leben doch bloß ‚Maria Müller‘ und hat sich kurzerhand umbenannt, da beides – sowohl Vor- als auch Nachname – schwer nach ‚Bund deutscher Mädel‘ klingt? Das allerdings wäre dann natürlich eine illegitime kulturelle Aneignung.“

Hier spricht der heilige Ernst und der versteht keinen Spaß. Wo Gruber und Hock eine „Unterstellung wagen“, sprechen Zeitgenossen, die auch nur gelegentlich von Ironie angehaucht werden, von einer fantasievollen Zuspitzung. Hoffentlich rasten jetzt nicht auch noch alle Maria Müllers dieser Republik aus. Wir erinnern uns schließlich alle noch gut an die blutigen Alliterationsaufstände der Max Mustermänner!

„Man fragt sich, warum Gruber und Hock keine Gegenrecherche gemacht haben.“

Gegenrecherche. Für einen Gag! Zumal einen, den Gruber mit ihrer Forterzählung über Echtnamen und kulturelle Aneignung längst ins fiktive gedreht hat. Lustiger wird es beim Stern nicht mehr.

„Ob die Passage von Kunstfreiheit und Satire gedeckt ist, dürfte Gegenstand rechtswissenschaftlicher Seminare werden.“

Ich nehme den letzten Satz zurück. Es wird noch lustiger!

„Allerdings hätte man bei Piper darauf kommen dürfen und müssen, dass Menschen, die so gehässig vorgeführt werden, bedroht werden könnten.“

Jedenfalls nicht, wenn sie sich als Nazi-Jäger gerieren! Öffentliche Hinrichtungen historisch eher unbedeutender Personen der Zeitgeschichte – wenn sie zum Beispiel Jana heißen und aus Kassel kommen – sollen gefälligst Markenkern der Böhmermänner dieser Republik bleiben! Was erlaube Gruber vom Kabarett! WMN wusste vor zwei Jahren zu berichten, dass „Jana aus Kassel bereits einen riesigen Shitstorm über sich ergehen lassen musste und bestimmt bereits dazugelernt hat.“ Dass ist bekanntlich der beabsichtigte journalistisch-pädagogische Gewinn, den man an Shitstorms haben kann. Man lernt etwas dazu. Die einen unterlassen unpassende Sophie-Scholl-Vergleiche, andere bemerken womöglich, dass ihre Theorie, hinter jeder unbewachten Stricknadel lauere der Faschismus, vielleicht ein wenig durchgeknallter ist, als man es den Wünschelrutengängern unter den postfaktischen Nazijägern sonst gerade noch so durchgehen lässt. Aber was weiß ich schon, ich kann ja gar nicht stricken!

Wirklich „in Ruhe“ lässt die Journaille Jana nun allerdings auch wieder nicht, obgleich man bei den Verlagen da wohl – vielleicht nach einer Ermahnung durch Kerstin Herrnkind von selbst drauf kommen könnte. Bei jedem Jahrestag holt man sie für ein paar „schnelle Gags und Auflage“ aus dem Schrank. Zuletzt Buzzfeed im Juni 2023, zum 80. Jahrestag der Hinrichtung von Sophie Scholl. Und so darf sich Jana, diese followerschwache Nichtperson der Zeitgeschichte, dank intakter journalistischer Standards jedes Jahr aufs Neue an ihrer medialen Hinrichtung erfreuen: „12 Dinge, die Jana aus Kassel heute wohl macht“.

Aber ich schweife ab, wir müssen dem Stern ja noch auf die Sachebene folgen. Denn Herrnkind sieht dieselben Gefahren hinter Nadel und Faden lauern, wie die von Gruber auf die Schippe genommene und vermeintlich so gern anonym gebliebene Bloggerin.

„Sie [also die blond-rechtsextremen Brünhilden] verbreiten rechtsextremes Gedankengut en passant: als Betreuerin im Schwimmkurs, beim Yoga für werdende Mütter, als Mutter im Elternbeirat, bei Kinderfesten, wo sie Kaffee und Kuchen austeilen. „Frauen sind Sympathieträgerinnen, ihnen wird anscheinend eine Art generalisiertes Vertrauen entgegengebracht“, warnt die Bundeszentrale für politische Bildung. Handarbeitskurse sind geradezu prädestiniert für rechte Ideologinnen.“

Da hat aber jemand seine Aufklärrungsliteratorr aufmerksam gelesen! Überall Nazissen: beim Yoga, im Elternbeirat, bei Kaffee, Kuchen und Schwimmkurs – ganz besonders in Berliner Freibädern*!

Völlig undenkbar, dass gleich beide – die Maid vom Stern und die Blogwart-Sicherheitsnadel – völlig auf dem Holzweg sind! Geisterfahrer sind doch immer allein unterwegs. Doch warum soll der Vorwurf, Gruber habe die Bloggerin „vorgeführt“ überhaupt gelten, wenn die Gefahr doch so real sein soll? Das Lächerliche speist sich nicht aus dem Namensgag, sondern aus der durchgeknallten Warnung vor angebräunter Gefahr hinter Filz und Wolle.

Jedenfalls fordert Herrnkind eine Entschuldigung von Gruber. Und zwar öffentlich!

Dabei kann man sich bei Stern und Co. kaum entscheiden, ob man das Einknicken des Piper-Verlags als Sieg oder Niederlage verbuchen soll. Denn einerseits zensiert der Verlag das Buch in der Neuauflage. Andererseits…nun ja…Neuauflage! Verdammt, diese Gruberin! Gibt den Lesern, was sie wollen!

Wie ich Monika Gruber einschätze, wird sie solchen geforderten Ergebenheitsbekundungen mit einem Glas Prosecco in der rechten und einem steifen Mittelfinger an der linken Hand entgegenprosten. Vielleicht, wenn sie bei gnädiger Laune ist, ergänzt durch den Tipp, die Sternautorin möge doch nach der Lektüre ihres Buches selbst beurteilen, ob eine Entschuldigung ausgerechnet von dessen Autorin zu erwarten sei, oder ob vorher die Hölle einfriert.

Eines noch, liebe Leser. Bevor sie jetzt den X-Account von Kerstin Herrnkind stürmen, um dort allerlei herzhafte Neujahrswünsche zu hinterlassen: zügeln Sie sich! Kerstin hat dort nämlich gerade mal elf Follower und wendet man Lex Herrnkind über die Immunität von Möchtegern-Bloggern, Aufklärern, Warnern und Journalisten auf sie selbst an, entzieht diese offensichtliche Reichweitenschwäche sie jeder ironischen oder gar unfreundlichen Kritik. Und wer weiß, ob man Herrnkind überhaupt Journalistin nennen darf oder sie lieber unerkannt und ungelesen bleiben will.

* das war eine ironische Überspitzung, Frau Herrnkind

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5 Kommentare

  1. Mal satirisch zuspitzen: Stricken ist doch rechtsextrem, wie Kochen können und ein Hausfrauen-Leben führen.
    Dazu ist es bedenklich, wenn Kinder ordentlich erzogen werden, Mädchen in Kleidern gehen und Jungs sportlich sind.

    Das wurde doch sinngemäss zur Warnung von dem AA-Verein mit Steuergeldern kundgetan, um Lehrer/Erzieherinnen aufmerksam zu machen. (Wahrscheinlich, um dann anonym die Eltern von derart merkwürdigen Kindern zu denunzieren und sie aus dem Kindergarten bzw der Schule zu drängen.)

    Was die nicht Lieschen Müller heissende Bloggerin da am Beispiel Handarbeitskränzchen in den sog. „Sozialen Medien“ veranstaltet, ist ziemlich manisch. Daß die Gruberin sich darüber lustig macht, ist doch toll. Und die Bloggerin macht jetzt Privatheit geltend. Wer jedoch in X und Facebook etc tätig ist und dort zur politischen Hatz aufruft, hat den priuvaten Bereich selbst verlasen und muss Attacken aushalten.

    PS Daß die Dame, die nicht Müller heisst, umfassend die Kommentarmöglichkeit einchränkt und sich zur Opferin stilisiert, passt dazu.

  2. Als Konservativer versteh ich ja keinen Humor und ergo auch nicht, was Böhmermann an der Jana aus Kassel gefressen hat. ZDF Royal, extra-3, quer und wie die alle heißen sind mir viel zu clever und viel zu lustig. Meine Comedy-Vision hieße „Heiterrrraddi – die große Abendshow mit Saskia Esken, Carola Rackete, Gabriele Krone-Schmalz, Thomas Haldenwang und Maximilien de Robespierre“. Laut Esken ist nicht die Jana aus Kassel die legitime Nachfolgerin von Sophie Scholl, sondern die Handarbeiter von der Antifa. Aber macht Handarbeit die Rote Flora, Connewitz und die Rigaer nicht wiederum zum Faschismus? Kann Greta Thunberg überhaupt stricken und, wenn ja, passen ihre Strümpfe zueinander?

  3. Übrigens sollte der Nachname Herrnkind auch und ja gerade in linken, linkeren, und auch allerlinkesten Kreisen als klammoffener Beweis gelten, dass da jemand offensichtlich nicht ist, was sie zu sein vorgibt. Herrnkind heißt naturgemäß niemals jemand auf weitester Flur!, der wirklich gegen Rechts kämpft. Was also bedeutet, dass der STERN hier einer in der Wolle gefärbten Rechten aufgesessen ist, die versucht, Linke wie Strickphobiker:innen aussehen zu lassen, und die dann dem Leser einen ultrarechten Namen wie Herrnkind unterjubelt.

    Nochmal ganz simpel ausgedrückt jetzt: Also, die ist RECHTS!, diese Herrnkind. Total RECHTS ist die. Eine Wolfensteinische im Schafsstricker:innen pelz ist die. Bewiesen ist bewiesen!

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