Ich bin mir nicht sicher, ob es der Geschichts- oder Russischunterricht war, in dem ich den Namen Soja Kosmodemjanskaja zuerst hörte. Jedenfalls gehört er zu dem schlecht sortierten Scherbenhaufen russischer Vokabeln und Namen, die in meinem Kopf ein eher unbeachtetes Dasein führen. In letzter Zeit und aus gegebenem Anlass – etwa, weil ich mühsam ein paar kyrillische Buchstaben in einer Meldung auf Facebook oder Twitter entziffern muss – setzen sich einige der Scherben wieder zusammen wie auch der Name Kosmodemjanskaja, einer Partisanin aus dem Raum Moskau, Heldin der Sowjetunion, Ikone des Widerstands und Säulenheilige, nach der in der DDR Schulen und NVA-Panzerdivisionen benannt wurden. Gefangen und hingerichtet von der deutschen Wehrmacht am 29. November 1941 im russischen Dorf Perischtschewo. So kann man es auf Wikipedia nachlesen.

Anlass des Erinnerns war ein Video auf Facebook, in dem offensichtlich ein etwa lebensgroßes Denkmal Kosmodemjanskajas von mehreren Männern mit Seilen grob von seinem lädierten Sockel gezogen und zerstört wurde. Es war nicht allzu schwer herauszufinden, ob das Video echt ist und wo es aufgenommen wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt es aus der nordukrainischen Stadt Tschernihiw und wurde im April 2022 aufgenommen (Hier sehen Sie das Ergebnis). „Wer tut sowas?“ war die offensichtliche Frage und in der ukrainophoben Fraktion meiner Landsleute war die Antwort auf die Frage schnell bei der Hand. Nur die faschistischen Ukrainer würden sich derart brutal an der Erinnerung an eine russische sowjetische Antifaschistin vergehen!

Vergleiche kommen einem in den Sinn, die jedoch nur auf den ersten Blick treffend sind. Etwa als die Iraker in Bagdad mit Hilfe amerikanischer Militärtechnik das gigantische Standbild Saddam Husseins vom Sockel zerrten. Doch gehörte Kosmodemjanskaja nicht zu den Guten? Schließlich kämpfte sie für ihre Heimat und gegen die deutschen Besatzer, während Saddam recht eindeutig der Despot seines Landes und verantwortlich für ein brutales System der Unterdrückung war. Kosmodemjanskaja unterdrückte niemanden, ihr Denkmal in Tschernihiw wurde lange nach ihrem Tod errichtet, noch zu Zeiten der Sowjetunion. Was macht sie also bei den Ukrainern vor Ort so verhasst, dass diese nun auch Krieg gegen Steine führen? Und ist hier wirklich Faschismus am Werk, wie die Lautsprecher des Kremls es heute gern allem Ukrainischen anlasten?

Nirgends ein kleinster gemeinsamer Nenner mehr

Die ersten Statuen, die in der an heroischen Memorablen nicht gerade armen DDR abgeräumt wurden, waren die Stalins. Klammheimlich und ohne große Erklärungen verschwanden Denkmale und Straßennamen aus den Stadtbildern. Die unter Chruschtschow verordnete Entstalinisierung war freilich auf den Straßen leichter durchzuführen als in den Köpfen. Mit dem Untergang der DDR verschwanden schließlich auch Lenins steinerne Handweisungen, jedoch recht zivilisiert mit Hilfe von Kran statt Hammer. Auch wenn die zerfallende Sowjetunion damals genug mit sich selbst beschäftigt war, waren die Verantwortlichen im wiedervereinten Deutschland klug genug, nur eine gescheiterte imperiale Ideologie von den Sockeln zu holen und – etwa in Berlin Treptow – die Gedenkorte an den Blutzoll der Roten Armee intakt zu lassen. Man nahm ihnen zwar das Pathos, die Patina jedoch ließ man ihnen.

Im Moment sieht es jedoch so aus, als wolle man überall „Tabula rasa“ machen mit allem, was irgendwie russisch oder – was in der Wahrnehmung der Welt schon immer identisch war – sowjetisch ist. Nicht nur in der überfallenen Ukraine werden Denkmäler geschleift. Auch in anderen Ländern, die der Westen zumindest lange Zeit gern und großzügig der „russischen Einflusssphäre“ zuordnete, findet sich Vergleichbares. Auch in Polen werden gerade Denkmäler der Roten Armee abgerissen. Ein Wunder eigentlich, dass sie ausgerechnet dort so lange gestanden hatten.

Der letzte Besatzer ist immer der Schlimmste

Von Deutschland aus betrachtet erscheint es kleinlich, ja kindisch, sich an Steinen abzuarbeiten, die aus der Vergangenheit auf uns gekommen sind. Es ist und bleibt Vandalismus und den werde ich nicht entschuldigen. Doch sollten wir bei der Betrachtung der zerstörten Statue in Tschernihiw etwas zurücktreten und auf Weitwinkel zoomen. Am 3. März 2022 begannen die russischen Luftschläge gegen die Stadt Tschernihiw. Es war die Zeit des Vormarsches der Russen in Richtung Kiew und als Standort des ukrainischen „Armeekommandos Nord“ war Tschernihiw direkt Kriegsschauplatz. Die Kämpfe in der Region endeten erst am 4. April, etwa 700 Menschen kamen laut ukrainischen Angaben ums Leben.

Zerstörte Statue der Soja Kosmodemjanskaja in Tschernihiw.

Schaut man sich das Bild der zerstörten Statue der Kosmodemjanskaja genauer an, fallen am Gebäude im Hintergrund die kaputten Fenster und die Einschusslöcher in der Fassade auf. Ich weiß es natürlich nicht wirklich, aber es ist plausibel, dass Kämpfe auch dort stattfanden. Zoomt man noch ein wenig weiter raus, sieht man vielleicht, wie der „Krieg der Steine“ auf der anderen, der russischen Seite geführt wird. Verschiedene Meldungen (ich verlinke hier eine türkische) zeigen, dass im von Russland eroberten Mariupol eine Statue des „Großmütterchen Anya“ errichtet wurde. „Als Symbol des Mutterlandes für die gesamte russische Welt“. In den Händen hält sie die Fahne der Sowjetunion. In Henitschesk, einer kleinen, nun ebenfalls besetzten Stadt am Asowschen Meer, klebten die neuen Herren das im Jahr 2015 abmontierte Denkmal Lenins wieder zusammen. Die ukrainische Nachrichtenseiten schäumen vor Wut, wenn sie über solche Vorfälle berichten und verbergen ihre Genugtuung nicht, wenn sowjetische Denkmäler abgerissen werden. Im Krieg der Steine laufen Abriss und Errichtung von Denkmälern gewissermaßen um die Wette.

Dass dies alles einer wiedererwachten faschistischen Gesinnung entspringt, kann nur glauben, wer in dem wechselseitigen Steineverschieben ein Zeichen von Stärke sieht. Es handelt sich meiner Meinung nach um Zeichen der Schwäche. Auf beiden Seiten. Die Ohnmacht der Ukraine, die russische Invasion zu beenden und die fadenscheinige Rechtfertigung Russlands für die Invasion, für die man die toten Symbole einer gescheiterten Epoche bemühen muss. Und weil die letzten Besatzer immer die schlimmsten und bedrohlichsten sind, holt man in der Ukraine gegen die Gespenster der sowjetischen Zwangsgemeinschaft jene der Feinde der Sowjetunion aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Nicht wissend oder sehen wollend, dass nationalistische oder gar faschistische Gespenster Putin nicht erschrecken, sondern mühelos als Grund und Anlass dienen können.

Der Krieg der Steine wird weitergehen in der Ukraine und er ist nur eines von vielen Schlachtfeldern, auf dem jeder genau die Bilder von Ungeheuerlichkeiten finden wird, die er sucht und glauben will. Der Hass auf alles, was die jeweils andere Seite ausmacht und definiert, ist so groß und alt, dass es, selbst wenn der Krieg heute enden würde, lange dauern würde, bis man in Russland und der Ukraine wieder Anknüpfungspunkte und sowas wie einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ finden kann.

Wer heute das Untergeschoss des Reichstagsgebäudes in Berlin besucht, kann dort die restaurierten Kritzeleien der Soldaten der Roten Armee betrachten, die diese nach ihrem Sieg im Jahr 1945 dort hinterlassen haben. Nur einige besonders obszöne wurden auf Wunsch der russischen Botschaft bei der Restaurierung des Gebäudes entfernt. Eines Tages, wenn dieser Krieg endet, so hoffe ich, wird solches auch in der Erinnerungskultur zwischen Russen und Ukrainern endlich möglich sein. Dann wird man den Lenin in der Ukraine endgültig abmontieren und hoffentlich auch Obszönitäten wie seine Mumie an der Kremlmauer verscharren und die Statue der Kosmodemjanskaja wieder auf ihren Sockel in Tschernihiw stellen.

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17 Kommentare

  1. Das tut mir wirklich leid. Sie haben vollkommen recht. „Verschiedene Meldungen zeigen, dass im von Russland eroberten Mariupol eine Statue des „Großmütterchen Anya“ errichtet wurde.“ ist natürlich korrekt. Ich hatte Ihren Beitrag auf achgut.com gelesen. Dort ist das Genus von „Mütterchen“ falsch.

    • Sie liegen falsch, fürchte ich. Am Satz „Verschiedene Meldungen zeigen, dass im von Russland eroberten Mariupol eine Statue des „Großmütterchen Anya“ errichtet wurde.“ hat auch der Duden nichts auszusetzen. …bis auf die Tatsache, dass ich Mari(o)pol falsch geschrieben habe. 😀
      Das „des“ bezieht sich auf die Statue, nicht auf die Großmutter.

  2. Gut gegendert: eine Statue der „Großmütterchen Anya“ . „Das Großmütterchen“ ist ja auch einfach zu lupenreines Deutsch. Kein Neusprech.

    • Ich verstehe den Einwand nicht. Großmütterchen ist eine durchaus gebräuchliche Übersetzung des Wortes Babuschka. Verniedlichung inklusive, so hab ich das mal im Russischunterricht gelernt. Wo Sie da Genderei erblicken, ist mir Schleierhaft.

  3. Ach, Du missverstehst das alles. Die russischen Statuen dienen dazu, den Geist des Faschismus auf quasi magische Weise zu bannen. Darum wurden sie errichtet. Der Krempel diente nicht dazu, unterjochten Völkern die russische Überlegenheit unter die Nase zu reiben, sondern lediglich dem uneigennützigen Zweck, Hitlers Geist im Grab zu halten. Doch da diese stillen Wächter niedergerissen wurden, ist der Nazismus und Faschismus wieder erwacht, und zu neuem Leben erwacht, und wir sind (endlich) wieder alle Nazis. Nachzulesen ists hier:

    https://ria-ru.translate.goog/20220430/zapad-1786247361.html

    https://ria.ru/20220430/zapad-1786247361.html

    Anlässlich dieser freudigen Entwicklung hab ich mal eine kleine Rede vorbereitet:

    Ehm. *räusper*

    Kameraden, der schlechte Frieden ist vorüber, die Zeit des guten Krieges ist endlich wieder angebrochen. Die bronzenen Dämonen, die unsere uralten germanischen Zeichen bisher gebannt hielten, wurden herniedergerissen, und endlich flattert unsere Fahne wieder, für jedermann sichtbar, frei am Firnament.

    Erneut streben asiatische Horden an, das europäische Vaterland zu erobern, um ihre dämonischen Monumente wieder zu errichten, und erneut müssen wir uns ihnen mit aller Entschlossenheit in den Weg werfen. Verräter sitzen in unseren eigenen Reihen, während der Ivan im Osten die Wiederaufnahme seines Großen Vaterländischen Krieges vorbereitet. Doch, das muss ich ganz klar sagen, Gott sei Dank ist die Era des schlechten Friedens nun vorbei, und die Zeit des großen Kampfes wieder angebrochen, denn nur im Kampfe wird unter harten Hammerschlägen die Schlacke vom ehernen Herzen des Volkskörpers abgeschieden und heruntergebrochen, damit sich dieser nicht verkommen und verrosten mag, sondern sich stattdessen ganz und gar dem ewigen Gefecht hingeben kann.

    Ich weiß, auch Ihr spürt, wie ein bleierner Fluch von unser aller Glieder abgefallen ist, als das sovietische Schandmal gestürzt wurde, und wir nun, wie aus einem finsteren Traume erwacht, dastehen, uns den Schlaf aus den Augen reibend fragen, wo wir unsere Uniform niedergelegt haben, und wo die Armbinde, die anzulegen wir nun gedenken.

    In diesem Sinne sage ich Euch: Blut für den Blutgott! Schädel für den Schädelthron!

  4. Die Denkmäler sind unbewaffnet, Herr Letsch, das macht vieles leichter…sehr schön, dass Sie für unsere türkischen Freunde eine entsprechende Quelle anführen, die auch dort einen Videoclip zeigt, der offenbar nicht vollständig verstanden wurde.

    Dehnen wir die Historie ein wenig aus, so stellt sich unweigerlich die bohrende Frage: Wann eigentlich fand diese Metamorphose statt – die Verwandlung dieses friedliebenden Staatsgebildes Sowjetunion, das von brutalen deutschen Schergen grundlos überfallen wurde, in einen unberechenbaren, tückischen Feind, dem die ebenfalls friedliebenden Staaten des Westens seit langem entschlossen die Stirn bieten…wegen der Werte, glaube ich…da müsste ich jetzt nochmal nachschauen…

    In Bezug auf Ihre Anmerkungen zu Gospodin Putin, lieber Ben, ist mir die Einsicht, dass Sie keine Ahnung haben, besonders angenehm aufgefallen.

    Liebe Grüße

    • @M.Sixt Eigentlich weiß ich gar nicht so recht, ob es Sinn macht, auf einen Kommentar wie Ihren einzugehen. Es gehörte ja mal zu einer Kulturtechnik, Unsinn Unsinn sein zu lassen und nicht ständig, v.a. online, in ewige Diskussionen abzusteigen. Auf der anderen Seite leben wir gerade in einem Land, das sich mit Fracking von Russland unabhängig machen könnte und die Sanktionsumgehungen abstellen könnte, es aber nicht tut. Wir leben in einem Land, in dem Atomkraftwerke weiterlaufen könnten, aber EON sagt, dass es nicht darauf ankäme, ob man stattdessen das immer wertvoller werdende Gas einfach verheizt. Wir haben Eliten, die von Pullis reden, weil ihnen festgefrorene Omas lieber sind als sich ehrlich zu machen. Also bin ich – seit 2015 leider schon – auf den Trip umgeschwenkt, nicht mehr Unsinn einfach so weiterlaufen zu lassen.

      Also was Sie sagen ist hoffentlich …
      1) Wir dehnen die Historie. Ich tue nicht so, als ob ich Sie verstehe, aber Sie könnten etwas meinen wie, „Lasst uns mehr Dinge in den Blick nehmen“. Okay.

      2) Dann sehe man eine Metamorphose von einer friedlichen Sowjetunion zu einem tückischen Feind. Also der Grundzustand der Sowjetunion ist friedlich. Auf den friedlichen Bürgerkrieg folgten friedliche Enteignungen, friedlich forcierte Hungersnöte und friedliche stalinistische Säuberungen. Von diesem Frieden aus kam es dann zu einer Veränderung zum tückischen Feind. Von wem eigentlich? Klar, wer so „friedlich“ ist, hat Feinde. Aber reden wir jetzt von einer friedlichen Sowjetunion, die mit Hitler Polen aufgeteilt hat und die dann erst durch den Einmarsch der Nazis zum Feind wurde? Ihre Satzkonstruktion wirkt eher so, als ob der Frieden irgendwann nach dem Krieg endete. Der Frieden bzw. Unfrieden hätte dann aber nichts mit den Nazis zu tun. Der Gedanke soll wohl eher sein, dass in den Augen von wem auch immer die Sowjetunion durch den Einmarsch der Nazis friedlich geworden sei. Die Alliierten waren nach der Lesart kein Zweckbündnis, sondern der Idee geschuldet, dass jemand genau dann friedlich ist oder wird, wenn Nazis einmarschieren.

      Vermutlich wollen Sie sagen, dass bis zum Ende des zweiten Weltkriegs irgendwer die Sowjetunion friedlich fand und erst danach über das Gulagsystem und die Morde redete. Nur wer? Allerhand Leute sagen immer allerhand zu allen Zeiten, aber was genau haben wir jetzt in den Blick genommen, während wir die Historie ausdehnen, und was ist der Schluss, den wir daraus ziehen? Welche Information steckt hinter Ihren Worten? Welche Ansicht? Steckt irgendetwas hinter Ihren Worten? Ist das normal, seine Ansichten und Informationen so unklar ausdrückt, dass sie unlesbar werden? Wozu schreibt man, wenn man nichts konkret sagen kann oder will?

      • Der Kern meiner Ausführungen, lieber Ben, bestand ja nicht aus Informationen, sondern einer bohrenden Frage. Ihrer freundlichen Replik, bestehend aus vielen wertvollen Gedanken (fixiert), entnehme ich, dass Sie dem für den fraglichen Zeitraum kolportierten Bild einer friedliebenden sowjetischen Staatsführung und aller damit verbundenen Institutionen eher ablehnend gegenüberstehen, wobei sich die hierfür genannten Beispiele noch beliebig ergänzen ließen. Etwa Besetzung des Baltikums, Krieg gegen Finnland unter Überwindung der Mannerheim-Linie, Übernahme Galiziens usw. usf..

        Im Hinblick auf die heutige öffentliche Einordnung des Rechtsnachfolgers RF hätte es insoweit gar keine Metamorphose gegeben – ein geradezu erschütternd simples Fazit.

        Mit weitreichenden Folgen. Denn unter diesen Umständen wäre der „Überfall auf die friedliebende Sowjetunion“ mit ihren damals offen zu Tage getreten Expansionsabsichten schlicht nicht darstellbar – eine auf nachrichtendienstliche Informationen gestützte Prävention hingegen sehr wohl.

        Weiterhin verbindet man den Begriff „friedliebend“ gemeinhin und vermutlich zu Recht mit Eigenschaften wie „anständig“, „vertrauenswürdig“ oder „wahrheitsliebend“. Anscheinend deshalb (kleiner Scherz) haben die Westalliierten sämtliche Anschuldigungen und ‚Beweise‘ für die große deutsche Kollektivschuld, die nahezu ausschließlich von der Sowjetunion ‚erarbeitet‘ und erhoben wurden, ungeprüft übernommen und in die Welt getragen (gilt natürlich auch für die Verlautbarungen im Hinblick auf sowjetische Kriegsopfer).

        Wenn aber, was an Hand unserer unvollständigen Beispielliste naheläge, die Sache anders war, sowohl im Innern wie auch nach außen – nicht auszudenken…das geht also ‚mal gar nicht…

        Was folgt daraus? Nun, damals gab es Interessen, die Sowjetunion wider besseres Wissen als friedliebend und vertrauenswürdig darzustellen – heute gibt es scheint’s Interessen, die RF als unberechenbar, aggressiv und tückisch zu stigmatisieren. Am Ende hilft da nur noch unser weiser mosaischer Bruder Henry Kissinger (sinngemäß):
        „Um sich einer Sache sicher zu sein, muss man entweder alles über sie wissen – oder gar nichts..“

        Liebe Grüße

        • @M.Sixt Als George Orwell seine „Farm der Tiere“ veröffentlichen wollte, wurde er von allen Verlagen abgelehnt, die ein unschuldiges Bild der Sowjetunion zeichnen wollten. Ich weiß nicht, wen Sie auf der Seite derer wähnen, die Orwell zum Schweigen bringen wollten. Hier im Kommentarbereich von Herrn Letsch’s Blog werden Sie wohl nicht fündig.

          Ich hab bei meinem Versuch, Ihren Kommentar zu entziffern, weder Informationen noch ihre Ansichten entdeckt. Ebenso wenig fand ich eine „bohrende Frage“, die ich verstehen würde. Wenn die „bohrende Frage“ die Banalität ist, dass viele Leute nur nach Informationen suchen, die ihnen nützen, dann ist es keine Frage und noch viel weniger eine sonderlich bohrende. Die Erkenntnis ist in etwa so überraschend wie die Feuchtigkeit von Wasser zu entdecken oder nach ihr „bohrend zu fragen“.

          Allerdings tu ich Ihnen unrecht, wenn ich die zweite „bohrende Frage“ übersehe, die Sie dranhängen. Die der „öffentlichen Darstellung“ der Sowjetunion und später Russland. Also hier haben wir immerhin ein Subjekt, das wahrnimmt, die Medienhäuser und öffentlichen Personen. Es ist ein vielfältiges Subjekt, das unseren Präsidenten beinhaltet, der für eine DDR-finanzierte Zeitschrift geschrieben hat, aber es ist immerhin schon mal ein „wer“. Und dieses Subjekt sucht sich – wie leider viele Leute – Informationen selektiv und passend zu seinen bisherigen Wünschen und Informationen raus. Auch das ist so überraschend wie die Feuchtigkeit von Wasser und ich vermute, dass es keinen Sinn macht, danach „bohrend zu fragen“.

          Also nach was fragen Sie dann? Und hier geht es wohl doch mehr um das Verwirren an sich. Denn Sie fragen im Grunde „bohrend“ danach, ob man überhaupt irgendwas verstehen kann, wenn doch alle möglichen Leute subjektiv mit Scheuklappen ihre Nischen bedienen. Ihr letztes Zitat soll das unterstreichen.

          Die plumpe Antwort auf ihre „bohrende Frage“ ist, dass man Scheuklappen auch ablegen und sich einen Überblick verschaffen kann. Erkenntnis liegt im Bereich des pragmatisch Schaffbaren.

          Und es freut mich, dass Sie die „Beweise über die deutsche Kollektivschuld“, also die Belege für den Holocaust und anderer Naziverbrechen, hier auftischen. Ich denke nämlich, dass die typisch russische Desinformation von Neonazis gelernt hat. Vermutlich haben sich viele Russen zu recht gewundert, wie sich so ein dummer Kult so hartnäckig halten kann, obwohl es doch so überwältigende Beweise gibt (und das Thema ist bestens untersucht und nicht, wie Sie behaupten, blind von Sowjets übernommen worden). Und der Grund liegt darin, dass Neonazis keine plausible Alternativerklärung anstreben, wenn sie etwas Plausibles vom Tisch wischen. Es genügt der Zweifel ohne Alternative, ja ohne auch nur ein Suchen nach einer plausiblen Erklärung.

          „Was bedeuten die Lücken in der Holzverkleidung der Gaskammertüre? Was bedeutet es, dass für Besichtigungen Teile der Anlagen in Stand gehalten werden oder ein früherer Zustand wieder hergestellt wurde?“ Nichts bedeutet es. Die Antwort auf all diese bohrenden Fragen lautet: nix. Es gibt Berge von Beweisen und ein Schornstein oder was auch immer ändert nicht plötzlich alles.

          Ich sehe meine Hand noch vor meinen Augen. Ich kann auch sehr wohl abschätzen, dass Ursula von der Leyen weniger besch*ssen ist als Vladimir Putin. Ich bin kein Fan von ihr. Aber ich kann sehr wohl einen Überblick gewinnen und abschätzen, dass Frau von der Leyens Feinden z.B. nicht wegen irgendwelcher Gifte die Gesichter abschmelzen (Chlorakne, Dioxin) oder sie anfangen, im Dunkeln zu leuchten (Polonium).

        • Da haben Sie natürlich Recht, lieber Ben – die dichtesten Scheuklappen bilden sich durch von außen induzierte Emotionen (ureigene Aufgabe der PR, gerade zur Zeit wieder sehr schön und deutlich zu beobachten), die einen pragmatischen Erkenntnisprozess erfolgreich und nachhaltig unterbinden sollen.

          Zum Glück für jene, die – against all odds, wie Putin sagen würde – eher an letzterem interessiert sind, lassen sich der Sache dienende, zielführende Einlassungen sehr leicht von PR unterscheiden, deren Möglichkeiten im Hinblick auf Stil und Textbausteine doch arg begrenzt erscheinen.

          Die Steine sind gefallen…

          Liebe Grüße

        • Sag mal, hast Du diesen ganzen Text jetzt geschrieben, um darin unterzubringen, dass der Angriff Hitlers auf Russland gerechtfertigt war, die Alternative sieht man gerade in der Ukraine, und, dass die Beweislage eines großen Teils der Anklagepunkte gegen Hitler&Co auf von den Soviets vorgebrachten und kontrollierten Beweisen basiert, deren Glaubwürdigkeit arg begrenzt ist, weil die Soviets mit Folter und Fälschungen arbeiteten, wodurch sich nicht unbedingt der Schluss ergibt, dass man den ganzen Kram leichtfertig glauben sollte. Woraus sich wiederum schwerwiegende Ableitungen im Bezug auf das gegenwärtig verbreitete Weltbild treffen lassen, nächster Schritt ist der Holocaust Deprogramming Course, aber nein, nicht richtig, ich deute es nur an.

          Ging es nur darum, dies unterzubringen? Weil, wenn dem so wäre, dann finde ich, Du solltest weniger gestelzt vorgehen. Mit diesem Gestelzten verbarrikadierst Du Dich nämlich hinter einem Haufen Schwuchtelei, und spielst das Spiel derjenigen mit, denen Form wichtiger ist als Inhalt. Erschwerend kommt hinzu, dass Du Dir dann auch noch die zahlenmäßig schwächere Seite aussuchst, sprich beim sich ergebende Disput mehr bepimmelt werden wirst, als Du selbst bepimmelst. Und teilnehmende Zuschauer können eh nicht einordnen, wer Recht hat, werden daher also nur daraus schließen, wer die meisten Pimmel ins Auge gerammt bekam. Damit tust Du niemandem einen Gefallen, weder Dir selbst noch der Seite deren „Meinung“ Du vertrittst.

          Übrigens, Pro-Tip: Fang mit Pinochet an, wenn Du Diktaturtrollen willst, denn der hat niemanden umgebracht (Communists aren’t people) und hat ein wohlhabendes und gut funktionierendes Land hinterlassen, und vor allem meinen die Leute nicht, dass sie bereits alles über ihn wissen. Dem Führer gerecht zu werden ist Oberliga, und erfordert erheblich mehr Skills, wenn Du nicht wie ein Jammerboomer wirken willst, der seine analretentive Geisteshaltung mittels passiv-aggressivem Herumgeschwuchtele zum Ausdruck bringt.

          So klingt das nämlich meistens: „Buuhuuhuu, wir Nazis werden ja immer so ungerecht behandelt, Buuhuuhuu!!!11“ – Und was tust Du dagegen? – „Heulen, buuhuuhuu.“

          Versuchs lieber erstmal mit „Darf ich mich mit Ihnen über die frohe Botschaft unseres Herrn und Erlösers, dem heiligen Sankt Augusto Pinochet, unterhalten, der sein Land vor dem Kommunismus errettete, indem er jedem Kommunisten eine Freifahrt im Helikopter schenkte? Sie flogen für den Rest ihres Lebens! “

          Jedenfalls: 3/10

        • >A Mensch is a Mensch, Punkt!

          People != Menschen.

          Das Argument hinter „Communists aren’t people“ bezieht sich darauf, ob jemand sowas wie Rechte haben kann. Das Konzept von grundsätzlichem Handeln setzt Gegenseitigkeit voraus, sprich, es macht keinen Sinn, wenn ich Dir irgendwelche Rechte und Freiheiten zuzugestehe, die Du mir nicht zugestehst.

          Kommunisten sind für die größten Massenmorde des vergangenen Jahrhunderts verantwortlich, und auch sonst bekannt dafür, dass sie, sobald sich ihnen die Möglichkeit dazu bietet, nach keinen moralischen Grundsätzen mehr handeln, und keine Rücksicht auf Besitz, Leib, und Leben von irgendwem nehmen, der ihnen in die Quere kommt.

          Aus diesem Grund ergibt es keinen Sinn, Kommunisten Rechte zuzusprechen, die sie selbst nicht anerkennen, und die sie zum Schaden Aller auszunutzen gedenken. Ein solches Rechtsverständnis würde das Gegenteil dessen befördern, was mit dem Recht beabsichtigt wird, und kann deshalb nur falsch sein.

          Ergo: Augusto Pinochet did nothing wrong.

  5. Im Prinzip lehne ich Bilderstürmung in jeder Form ab und so wie der Satz schon anfängt, kann ich ihn nur in ein „Aber“ überführen.
    Also mein „Aber“: Während es hoch hergeht, kann man auch mal Schrott zertrümmern. Die Russen schießen noch das Land zusammen. Das Entthronen von Schrottikonen ist dort nicht so ein eiskalter, ideologisierter Straßennamen-Ikonoklasmus.

    Normalerweise bin ich ja auch für weniger Emotionalität im öffentlichen Raum und wenn ich den Satz schon so anfange…also mein „Aber“: Ich bin es auch leid, so zu tun, als gäbe es Emotionen nur auf einer Seite und als wäre insbesondere der Hass total tabu. Wir haben das nämlich jetzt auch schon eine Weile. Konservative reden angeblich nur „Hass“. Linke kennen diese Emotion nicht. Linke revolutionieren und errichten ihre Diktatur des Proletariats ausschließlich mit Liebe, Bienchen, Blümchen und Regenbogenflaggensex. Man kauft denen beim Schreien, Kreischen und Randalieren ihre „Liebe“ total ab.

    Ich würde vielleicht auch etwas Nutzloses, Russisches zerschlagen, wenn ich in Rage über Russen wäre. Ja, es ist sinnlos. Ja, es ist emotional. Aber schlimm. Nö. (Vorausgesetzt, dass keine Menschen zu schaden kommen.)

    Also Putin ist mittlerweile auch ein wütender, alter Zänker. Keine Ahnung, was mit dem abgeht. Es gibt ja den Mythos, dass Henry VIII einst vom Gaul gefallen war. Einen kühlen Kopf hat Putin jedenfalls auch nicht.

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