Es war alles auf Band. Jedes Gespräch, jede abfällige Bemerkung, jeder frei fliegende überdrehte Gedanke. Er wollte es leicht haben für ein nach seiner gloriosen zweiten Amtszeit sicher folgendes Buchprojekt und sich mittels überall installierter Abhöreinrichtungen und der aufgezeichneten Bänder auch noch an das kleinste seiner weisen Worte erinnern können. Keinen Gedanken verschwendete US-Präsident Richard Nixon daran, dass es einmal genau diese Aufzeichnungen sein würden, die ihn aus dem Präsidentenamt kegeln. Die Arroganz der Macht ließ ihn die Brisanz des Materials nicht erkennen und rechtfertigte stattdessen jedes seiner Worte vor ihm selbst.

Man muss zwangsläufig an Nixon denken, wenn man die sogenannten „Lockdown-Files“ des Matt Hancock betrachtet. Hancock, britischer Gesundheitsminister in beiden Kabinetten von Boris Johnson und ein in der Eigenwahrnehmung großer Drachentöter im Kampf gegen Covid-19, wollte seinem Wirken nachträglich das passende Evangelium beigesellen, doch mangelte es ihm entweder an Zeit oder an Talent. Vielleicht an beidem. Er schloss also einen Vertrag mit der Journalistin Isabel Oakeshott, die ihm als Co-Autorin des Buches behilflich war, welches unter dem Titel „Pandemic Diaries: The inside story of Britain’s battle against Covid“ im Dezember 2022 erschienen ist.

Herausgekommen ist ein höchstministerliches „De Bello Gallico“ unter dem Motto „Ich kam, sah und siegte“. Zum Zweck der Recherche überließ Hancock seiner Co-Autorin auch ein Hunderttausende zählendes Konvolut aus WhatsApp-Nachrichten, die Oakeshott nach Veröffentlichung des Buches an den englischen „Telegraph“ weiterreichte – Geheimhaltungsklausel hin oder her, denn was Hancock nicht bedacht oder auch nur in Erwägung gezogen hatte: Oakeshott gehört zu den vielen Millionen Briten, die ganz und gar nicht zufrieden waren mit der Art und Weise, wie die Covid-Maßnahmen auf der Insel von der Politik umgesetzt wurden, und was sie in den WhatsApp-Nachrichten lesen musste, wies auf Hancock als einen der Verursacher völlig überzogener Grausamkeiten hin.

„Projekt Angst”

Die Nachrichten gehen zurück ins Jahr 2020/21, also in die Hochzeit der Covid-Panik mit Lockdowns und äußerst rigiden Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung. Neidvoll schauten westliche Politiker auf China und andere autoritäre Regierungen, denen es möglich war, die eigene Bevölkerung einfach wegzusperren. Wo es etwas freier zugeht, muss man Psychologie anwenden, um „Freiwilligkeit“ zu erzwingen. So wollte Matt Hancock die damals neue Alpha-Variante „einsetzen“, um die Öffentlichkeit „in Angst und Schrecken zu versetzen“ und sicherstellen, dass die Bevölkerung sich an Abriegelung und Selbstisolation hält.

Hancocks hatte regen Austausch mit seinem Kabinettskollegen Simon Case, der ihn darin bestätigte, dass der „Angst- und Schuldfaktor“ von entscheidender Bedeutung bei der dritten landesweiten Abriegelung im Januar 2021 sei, weil sie die „Nachrichten verstärke“. Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Auch in Deutschland basierten die heftigsten Grundrechtseinschränkungen stets auf den schlimmsten Annahmen und Modellen, und ich würde meine letzte originalverpackte FFP2-Maske darauf wetten, dass die persönliche Kommunikation unserer Gesundheitsminister Spahn und Lauterbach nicht freundlicher ausfällt.

Ob sie so gehässig bis zynisch war, wie die zwischen Hancock und seinem Medienberater Damon Poole, dem Hancock textete „We frighten the pants off everyone with the new strain“? Die Bürger zu Tode erschrecken, gehört eigentlich nicht zum Aufgabenprofil eines Politikers, weder in Großbritannien noch in Deutschland.

Die unappetitlichen Details in den WhatsApp-Leaks sind zahlreich, und es ist anzunehmen, dass noch viele weitere veröffentlicht werden. Doch nicht die Flapsigkeit im Ton ist das, was die Menschen so aufregt. Es sind die politischen Manöver, die nun offensichtlich werden und den Verdacht bestätigen, dass alles politische Covid-Gebrüll vor allem einem Zweck diente: dem eigenen Machterhalt. Lab-Leak (Laborleck) vs. Bat-Soup (Fledermaus-Suppe) mal beiseite gelassen, erinnern wir uns doch noch sehr genau an die Unsicherheit, die zum ersten (fast) weltweiten Lockdown führte.

Im Zweifel für die Vorsicht, hieß es, und für den ersten Monat Ausnahmezustand waren so ziemlich alle an Bord. Doch dann hätte man vieles besser wissen und anders entscheiden müssen. Das Problem war jedoch eine Politik, die sich festgelegt hatte. Festgelegt auf eine Ursache, einen Weg und ein Ziel. Versuch und Irrtum, Ratlosigkeit und das Eingeständnis des Nicht-Wissens kamen in den Plänen nicht vor, und alle Entscheidungen hatten zuvörderst die Aufgabe, vorherige Entscheidungen zu rechtfertigen. Radikal neue Erkenntnisse, die den angeordneten Maßnahmen sogar widersprachen, wurden unterdrückt. So viel übrigens zur Floskel „follow the science“.

Fristen in der „Pingdemie“

Nirgends tritt dies in den Lockdown-Files klarer zutage als bei der Frage, wie lange sich die Briten in Isolation begeben mussten, wenn etwa die verhasste Covid-Warnapp Alarm schlug. Der schwarze englische Humor machte aus Covid rasch die „Pingdemie“ (in Anspielung auf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Ping). Viele gingen schon deshalb nicht mehr auf die Straße, weil das Programm so empfindlich auf „Kontakte“ reagierte. Es konnte vorkommen, dass der Alarm losging, wenn der Wohnungsnachbar auf der anderen Seite der Hauswand positiv war. Waren es anfangs ganze 14 Tage Selbstisolation, taten sich Hancock und Kollegen schwer damit, wissenschaftliche Erkenntnisse bezüglich der Übertragbarkeit umzusetzen.

Professor Chris Whitty, Epidemiologe und Chefmediziner der britischen Regierung, unterrichtete Hancock darüber, dass die Quarantäne überflüssig und eine fünftägige Testphase ausreichend sei. Hancock lehnte mit dem Hinweis ab, dass dies ja bedeuten würde, dass er eine falsche Entscheidung getroffen habe, ja, von Anfang an falsch lag. Und das ging natürlich gar nicht! Er verkürzte lediglich die verordnete Quarantäne auf 10 Tage, ganz nach dem Motto, das Hanns Dieter Hüsch einst formulierte „Wenn ich einen Fehler mache, mache ich gleich noch einen hinterher, dann sieht es wie Methode aus.“

Ein Knutscher und heftiges Petting

Weltweit hätte es 2020/21 Politiker bedurft, die in der Lage gewesen wären, zu erkennen, auf welch dünnem Eis sie Entscheidungen trafen und wie notwendig Korrekturen und das Eingeständnis von Fehlern ist. Stattdessen hatten wir es fast ausschließlich mit kleingeistigen Selbstgöttern zu tun, die Fehlerkorrektur für Schwäche und Beharren für Stärke hielten. Doch auch von Hancocks Selbstherrlichkeit ist nicht viel geblieben. Ein Pandemie-Narrativ nach dem anderen brach in sich zusammen, und war es im Jahr 2021 noch die nützlichste Empfehlung, in einem Atemzug mit Lockdowns, Maskierungen, Kontaktverboten und der massenweisen Ausrollung der Pfizer-Moderna-Welle genannt zu werden, verdrückt sich nun die ganze Politikerriege auf Insel wie Kontinent in die Büsche. Man wollte doch nur… man wusste noch nicht… man liebte doch alle Menschen… seht dort, das Klima!

Hancock ist als Gesundheitsminister längst Geschichte. Die Leaks seiner politischen Unverschämtheiten stehen höchstens seinem Comeback im Weg, sollte nicht, wie bei so vielen Dingen, bald gnädig Gras über sie wachsen. Ärgerlich nur, dass er nicht darüber stürzte, dass er grundlos und rechtsfrei seine Landsleute in ihren Wohnungen einsperrte und sie in Todesangst versetzt hat, sondern weil er wie Boris Johnson bei der Übertretung der eigenen Lockdown-Regeln erwischt wurde: knutschend und fummelnd mit seiner heimlichen Geliebten auf einem Balkon, während andere Briten sich gleichzeitig an die blödsinnigen „Nur-ein-Haushalt“-Regeln halten sollten.

Und es dauerte nochmal bis November 2022, bis ihn auch seine Partei rauswarf. Mit Hancocks politischen Intrigen und seinem Versagen als Gesundheitsminister hatte man zwar keine Probleme, eine Teilnahme am „Dschungelcamp“ war dann aber zu viel. Die Idee mit dem Dschungelcamp allerdings begrüße ich! Und ich sähe auch gern Wieler, Montgomery, Drosten, Spahn und Lauterbach dort. Die Käfer gönn‘ ich denen, und erst nach 14 Tagen Selbstisolation holte ich den ersten dort raus.

Als Resümee der ganzen Affäre bietet sich ein Zitat von Nigel Farage an: “When laws become enemies of men, men becomes enemy of laws.” Zu deutsch: Wenn Gesetze zu Feinden der Menschen werden, werden die Menschen zu Feinden der Gesetze.

Zuerst erschienen auf achgut.com

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8 Kommentare

  1. „HERR!, lass bitte etwas Hirn vom Himmel regnen.“ Dieses Gebet, zig-tausendfach gebetet,… es nützt rein gar nichts. Ich bin vom Glauben abgefallen und kann’s nicht mehr hören.

  2. Ulrike Stockmann meinte im letzten Indubio-Podcast, dass sie sich ganz gerne eine Aufarbeitung der Coronazeit wünsche, zeigte sich aber auch pessimistisch. Anette Heinisch erkannte richtig, dass man eigentlich schon an der nicht erfolgten Aufarbeitung der Nazidiktatur sieht, wie aussichtslos der Wunsch ist.

    An der Stelle hört man schon im Geiste die typische Reaktion. Wie hätten doch schon „genug Aufarbeitung“, „Nachgeborene“, „keine Kollektivschuld“ und so weiter. Das Wort „Aufarbeitung“ wird gleich übersetzt mit „rein emotionale Übung ohne Erkenntnisgewinn“. Aufarbeitung ist synonym geworden mit Kopf senken und sagen, dass man sich „als Deutscher schämt“ oder, übertragen dann, mit „für die Corona-Maßnahmen schämt“. Wer will sich dem aussetzen? Wir kommen nicht über den Emotionsberg zur Ursachensuche, weil die meisten Menschen einfach zu unreif sind.

    Desmond Tutu bekam den Friedensnobelpreis, weil er Versöhnungsarbeit in Südafrika geleistet hat. Heute muss man leider sagen, dass auch er damit scheiterte. Die Menschen müssen Fehler einräumen und sich ebensolche verzeihen, wenn die Einsicht glaubhaft ist. Das erfordert leider Größe und die haben die meisten Menschen einfach nicht.

    Wie genau ist es möglich, dass Leute plötzlich ihre ungeimpften Bekannten als widerlichen Abschaum betrachteten und auch manchmal so bezeichneten? Allein schon beim Schreiben dieser Zeilen begebe ich mich auf dünnes Eis, obwohl ich selbstredend Baerbockkilometer von Holocaustvergleichen entfernt bin. Es ist eng geworden im Geist. Aber irgendwie bleibt kulturell eben doch ungeklärt, wie was zu was führte. Die Vergangenheit muss beständig als Referenz dienen können, sonst wiederholt sie sich. Wer sie nur missbraucht, um andere zu schämen, verhindert damit, dass dynamisch und kontinuierlich Lehren aus ihr gezogen und fortlaufend überarbeitet werden können.

      • Die „ehrliche Aufarbeitung“ wird schon deshalb gänzlich ausbleiben, weil in Zukunft eine Ungeheuerlichkeit die nächste jagen wird. Außerden wird „die Wahrheit“ durch die Informations- und Deutungshoheit der Mächtigen definiert. Vieles erinnert mich an DDR-Zeiten, in denen man verlässliche Informationen nur hinter vorgehaltener Hand von vertrauenswürdigen Personen erhielt. Einige wussten, etliche ahnten, viele wollten nicht wahrhaben, daß „es so“ nicht lange würde weitergehen können. Es ging nicht weiter.
        Haben wir hernach eine „ehrliche Aufarbeitung“ erlebt? Nein, wir haben eine Geschichtsumschreibung erlebt, die wahre Details enthält. Und auf diese oder ähnliche Art wird es immer wieder gehandhabt werden.

  3. „Weltweit hätte es 2020/21 Politiker bedurft, die in der Lage gewesen wären, zu erkennen, auf welch dünnem Eis sie Entscheidungen trafen und wie notwendig Korrekturen und das Eingeständnis von Fehlern ist. Stattdessen hatten wir es fast ausschließlich mit kleingeistigen Selbstgöttern zu tun, die Fehlerkorrektur für Schwäche und Beharren für Stärke hielten.“
    Georg Ringsgwandl hat in seinem 1989er Album „Trulla! Trulla!“ im Titel „Luxusschnoin“ eine Aussage getroffen, die, wenn die Rede auf Politiker kommt, allgemeingültig und zeitlos ist:
    „Die großen Arschlöcher san mir, weil mir ham ’s gwählt“
    Den vollständigen grandiosen Text, der leider wieder an Aktualität gewinnt und den ein jeder verinnerlichen sollte, findet Ihr auf https://lyricstranslate.com/de/georg-ringsgwandl-luxusschnoin-lyrics.html
    Abgesehen davon teile ich die Auffassung nicht mehr, daß Fehlleistungen von Politikern lediglich durch deren Inkompetenz und charakterliche Schwächen begründbar sind. DIESE Leute machen genau das, was sie sollen. Der weitverbreitete Irrglaube besteht darin zu glauben, wir würden bestimmen, was DIE tun sollen.
    Indem man sich immer mal wieder den Einen oder die Andere Politiker(in) vornimmt, um Fehlleistung und/oder Fehlverhalten zu dokumentieren und zu kommentieren, beraubt man sich nie vollends eines ständig aktuellen Themas.

  4. und jetzt… alles gut… viele gesunde….
    und noch mehr viele tote… aus den augen aus dem sinn…
    ….ein depp weiss nicht dass er ein depp ist… das ist gut so….

  5. Bin bis heute nicht geimpft gegen diesen weltkatastrophalen Schnupfen; fand den ersten Lockdown irreal gespenstisch wie in einem sinnlosen Film aus dem man nicht rausgehen kann; stand dann an der Straßenecke und habe einem Mercedesfahrer beim panischen Abbiegen um die Ecke zugeschaut, der hatte seine Karre randvoll geladen mit Klopapierrollen… der hat sich selbst zum Zombie von Chefkreaturen wie Lauterbach, Drosten, Fauci und Hancock gemacht.
    Ich fand das alles so extrem WIDERLICH, neurotisch bis zum Gehtnichtmehr, untertanenselig hirnverbrannt und ja!, auf schon astrologischem Niveau.

    Und schon wieder laufen welche draußen mit Masken vor der Fresse herum. Sah gestern ein paar. HERR!, lass bitte etwas Hirn vom Himmel regnen.

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