Woher bekommen Sie eigentlich Ihre Nachrichten, liebe Leser? Da Sie offensichtlich hier stöbern, haben Sie sehr wahrscheinlich mit eher klassischen Quellen schlechte Erfahrungen gemacht. Vielleicht haben Sie sogar heilige Eide geschworen, besonders den Öffentlich-Rechtlichen kein Wort mehr zu glauben, und schneiden diese komplett unter dem Motto „Mein Geld haben die schon, meine Zeit gebe ich denen nicht auch noch“. Manche meiden auch die sogenannten Sozialen Medien aufgrund der Macht der dort wirkenden Algorithmen, die entweder darauf abzielen, den Usern zu gefallen, indem sie ihm immer mehr von der Kost liefern, die er freiwillig konsumiert und sie dadurch in Meinungsblasen einsperrt, oder durch mehr oder weniger offene Zensur den Diskurs der Meinungen beeinflussen.

Weltweit vertrauen etwa 280 Millionen Menschen auf Google-News, den größten sogenannten Aggregator von Nachrichten. Man hofft, aus den von Google verwendeten weltweit über 50.000 Nachrichtenquellen in Google-News das jeweils Relevanteste zu erhalten. Interessant ist deshalb eine Studie von AllSides.com darüber, welche Quellen es zu welchen Themen in den Suchanfragen bei Google-News regelmäßig nach oben spült.

Wenig überraschend stellte man eine deutliche Schlagseite nach links fest, die sich im Vergleich zum Vorjahr (61 Prozent) auf nun 63 Prozent vergrößert hat. Überhaupt sind unter den zehn häufigsten Quellen nur zwei, die als nicht-links gelten dürfen. Bei Bing, Yahoo-News oder Apple-News sieht es nicht anders aus. Wohin man schaut, feiert die Blasenbildung fröhliche Urständ.

Vorgekocht und fertig zum Verzehr sind die Nachrichten, und es ist fast unmöglich, sie in ihrer eigentlichen, ursprünglichen Form zu erhalten. Was wann und wo passierte, kommt nie ohne ein „warum“ und „was folgt draus“ aus, auch wenn man nicht danach verlangt. Es wäre nur schön, wenn man die jeweiligen politischen Vorurteile schon vor dem Konsum der Meldung deutlich sehen könnte und vielleicht sogar gleich Ansichten aus den Nachbarblasen angeboten bekäme.

„Blind Bias Surveys“

Das genau ist die Mission von AllSides, wo man auch die oben erwähnte politische Schlagseite von Google-News und Co. feststellte und weiterverfolgt. Gegründet wurde AllSides bereits im Jahr 2012. Während viele Medien gern so tun, als wäre ihnen jede Parteinahme fremd, geht man bei AllSides eher offensiv mit den eigenen Vorurteilen um. Denn nicht nur die aggregierten Nachrichten werden entsprechend gelabelt, die Mitarbeiter ebenfalls. Man hat sich für ein zwar grobes, aber praktikables Fünf-Stufen-System entschieden und sortiert Quellen wie Mitarbeiter in die Kategorien links, nach links neigend, Mitte, nach rechts neigend und rechts ein.

Das Monitoring erfolgt kontinuierlich, kann sich also über die Zeit auch ändern. Die Methodik ist recht aufwendig, weil man neben hausinternen Einschätzungen (die natürlich politisch gefärbt sind) vor allem auf „Blind Bias Surveys“ setzt, wo man Probanden Texte zur Beurteilung der politischen Schlagseite vorlegt, ohne dass diese die Quelle kennen. Aus den beurteilten Artikeln ergibt sich für jedes Medium ein summarisches Urteil, das natürlich nur einen Trend widerspiegelt und im Grunde keine wirkliche Aussage über einzelne Artikel erlaubt, aber zur Einschätzung der politischen Färbung eines Mediums sehr brauchbar ist.

Entscheidend für das Betriebsklima bei AllSides dürfte sein, dass man per Definition alle politischen Positionen als legitim betrachtet und offenbar gezielt darauf achtet, dass alle auch wirklich bei den Mitarbeitern vorkommen. Das scheint so weit gut zu funktionieren, es sei auch noch kein Essen durch die Büros geworfen worden. Entscheidend für das Projekt ist, dass man es überhaupt in dieser Form organisieren darf. Stellen Sie sich nur für einen Moment vor, jemand würde in Deutschland versuchen, politische Einstellungen offensiv und vor allem offensichtlich zum Einstellungskriterium zu erheben, und Stellenanzeigen enthielten neben dem ad nauseam verwendeten (m/w/d) noch Adjektive wie „konservativ“, „katholisch“ oder „kommunistisch“.

Nicht dass das überall, ständig und ohne Nennung der Adjektive ständig passieren würde, gerade in den Medien. Aber man tut doch gern so, als wäre es Zufall oder Schicksal, dass insbesondere der ÖRR eine deutliche politische Schlagseite nach links hat. Und das wird sich auch nicht ändern, weil – anders als in den USA – die Biotope, aus denen sich konservative, libertäre oder rechte Meinungen rekrutieren ließen, als prinzipiell illegitim gelten.

Die deutsche Version: Buzzard

Doch gibt es auch in Deutschland Versuche, das AllSides-Prinzip in ein Medienangebot zu implementieren, und zumindest der Versuch ist lobenswert. Buzzard.org geht dabei sehr viel selektiver vor als AllSides und beschränkt sich auf wenige Themen täglich, zu deren summarischer Abbildung man jeweils die vier „Wichtigsten Perspektiven“ anbietet. Die erforderlichen Mindeststandards, um als Quelle in die engere Wahl zu kommen, sind auf den ersten Blick sehr erfreulich: Wer steckt hinter einem Beitrag? Gibt es einen Erkenntnisgewinn? Gibt es Argumente statt Parolen? Doch schon das Kriterium „Beiträge verbreiten keinen Rassismus, menschenverachtende Aussagen oder Hassrede“ öffnen den Interpretationen bei Buzzard weite Räume.

Doch immerhin kommen auch Medien wie Tichys Einblick oder Achgut als Quellen vor, auch wenn sie auf einem „zweiten Stapel“ liegend nur mit der Pinzette angefasst werden und mit wertenden Beipackzetteln versehen sind, während der „erste Stapel“, von dem man sich „mit großem Grundvertrauen für eine fundierte Meinungsbildung“ bedient, dieses Legitimationsproblem nicht hat. Die „Beipackzettel“ eher konservativer Medien wie „Cicero“ enthalten auch gern mal Vokabeln wie „Rechtsruck“, während die politische Schlagseite „etablierter Medienmarken“ eher beiläufig oder gar nicht Erwähnung findet. Aber ich will nicht kleinlich sein. Schon der Versuch, die Existenz verschiedener Perspektiven darzustellen, ist in diesen stark polarisierten Zeiten anerkennenswert.

Sowohl Buzzard.org als auch AllSides.com finanzieren sich über Abo-Modelle und bieten ihre analytischen Fähigkeiten zusätzlich als Dienstleistung an. Insbesondere für Schulen. AllSides nennt auch Medienhäuser, Universitäten und Soziale Medien wie Twitter als Kunden, schweigt aber leider über die Art der Zusammenarbeit. Nur so viel: Eine Voreingenommenheitsanalyse kann man aus drei verschiedenen Gründen durchführen lassen. Um die eigene Voreingenommenheit zu kennen, um sie abzustellen oder zu verfestigen.

An den verwendeten Worten sollst du sie erkennen

Sehr offen und nachvollziehbar kommuniziert man die Kriterien bei AllSides, nach denen die Einordnung der Quellen vorgenommen wird. Und zwar anhand 16 gut erläuterter und mit Beispielen versehener Arten der verzerrenden Mediendarstellung. Als erstes wäre da die Technik des „Spin“ zu nennen, den Journalisten ihren Artikeln geben, um den Leser emotional in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wenn Trump in einem Artikel als „selbstgefällig“ beschrieben wird oder ihm eine „bösartige Freude“ an irgendetwas unterstellt wird, handelt es sich um Interpretationen des Autors, nicht um gesicherte Fakten. AllSides: „In diesem Beispiel der voreingenommenen Manipulation durch die Medien verwendet die Washington Post eine Vielzahl dramatischer, sensationsheischender Worte, um die Geschichte so zu drehen, dass Trump emotional und durchgeknallt erscheint. Man spricht auch von der „Eitelkeit“ des Präsidenten, ohne dafür Belege zu liefern.“

Ob als Tatsachen hingestellte Meinungsäußerungen, die Emotionalisierung von Texten, ad hominem Schlammschlachten oder das unter Journalisten offenbar weit verbreitete „Gedanken lesen“ der Sorte „Quellen, die mit den Gedanken von Mr. X vertraut sind, wissen“ sind leicht zu erkennen, wenn man weiß, worauf man achten muss. Arbeitet man Artikel wie AllSides anhand von Checklisten und Schlüsselworten durch, erkennt man die Vorurteile der Medien und stellt konsterniert fest, dass so etwas wie vorurteilsfreier Journalismus so gut wie nie vorkommt. Deshalb ist es umso nützlicher, zu wissen, hinter welche Fichte die Leser tendenziell geführt werden. Dank AllSides ist es leichter, hinter verschiedene Fichten zu blicken.

Es wäre natürlich verlockend, Anbietern wie AllSides.com, Ground.news oder Buzzard.org die journalistische Vorauswahl zu überlassen und sich dann zeitsparend auf deren Einordnung zu verlassen. Doch wirklich frei von tendenziösen politischen Strömungen und Vorurteilen sind auch diese nicht. AllSides etwa unterstützt wie selbstverständlich die Regeln von DEI (diversity, equity, inclusion) und Buzzard ist mit Aussagen wie „Unser Ziel: Die Demokratie stärken in Zeiten von Extremismus“ verdammt nahe dran am polarisierten Zeitgeist. Nützlich sind solche Unternehmungen aber allemal. „Straight Arrow News“ übrigens, wo wir von der linken Schlagseite der Google-News erfahren haben, wird von AllSides als politisch neutral, also „mitte“ eingeschätzt. Gut zu wissen, gewiss. Die Frage, ob und wie solche Erkenntnisse den eigenen Medienkonsum beeinflussen, muss man sich immer noch selbst beantworten.

Zuerst veröffentlicht auf Achgut.com

Vorheriger ArtikelEcovillage – vom Tod eines Einhorns
Nächster ArtikelDer Tag, an dem Eckart von Hirschhausen Demokratie und Klima rettete

1 Kommentar

  1. Wobei jemand, der sich als links definiert und dann aber bereit ist, friedlich mit Leuten im selben Raum zu sitzen, die meinen, dass ungeborene Kinder nicht zu töten sind und dass die Erde nicht wegen des Kohlendioxyds verkocht – dass solche Linken, die Abweichler nicht lynchen wollen, also bestimmt keine Linken im Sinne von Correctiv und von Nancy Faeser sind, nicht?
    Was dann sicher auch wieder das Ergebnis von deren Auswahl von Nachrichten beeinflusst. Auf die Positive, denke ich.

Kommentarfunktion ist geschlossen.