Die Sorgen, die sich deutsche Blätter über die Demokratie in den USA machen, klingen eigenartig, wenn man bedenkt, wie desinteressiert auch die FAZ an den Hintergründen der Unruhen im amerikanischen Nordwesten, etwa in Portland, in Wirklichkeit war. Die Gelegenheit, Trumps Corona-Diagnose für Spekulationen der Art „Was wäre wenn das Schlimmste eintritt“ zu nutzen, kann sich kaum ein „guter“ Journalist verkneifen. Die allerbesten schmieden ihre vergifteten Wünsche gleich zu Twitterdolchen,

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andere sorgen sich etwas verschämter ums große Ganze und stellen die üblichen Vergleiche an, bei denen das amerikanische gegenüber dem deutschen Regierungssystem immer schlecht wegkommt.

Das Fazit des Artikels von Nikolas Busse in der FAZ ist, dass parlamentarische Regierungssysteme, wie sie in Europa üblich sind, krisenfester seien, etwa bei schweren Erkrankungen des Regierungschefs, weil durch Wahl von Parteien statt konkreter Personen im Ernstfall immer ein Pool von Nachrückern vorhanden sei. Das kann man aber auch weniger positiv interpretieren.

Busse redet hier nämlich – sicherlich unbeabsichtigt – der Entmündigung des Wählers das Wort, weil dieser „aus Sicherheitsgründen“ besser nicht über tatsächlich wichtige Ämter abzustimmen habe, sondern mit seinem Kreuzchen lediglich einen Milieu-SumpfPool aus durch Ideologie, Seilschaft und wechselseitige Abhängigkeiten gleichgeschalteten Gruppe (vulgo: Partei) markieren soll, in der dann durch Selbstorganisation und dem Konklave ähnliche Prozesse die tatsächlichen Amtsinhaber ausgewählt werden, die dem Volk nach „Habemus Dingsbums“ Manier präsentiert werden. „Dies war Deine Wahl, Bürger!“, heißt es dann, doch der kann sich oft gar nicht erinnern, so entschieden zu haben.

Und oft kommt alles ganz anders, wie die „Sondierungsverhandlungen“ nach der Bundestagswahl 2017 zeigten, als die Beobachter tagelang auf weißen Rauch warteten. Ein großer Teil unserer Bundes- und Landesminister kam auf diese Weise – meinst geräuschloser und ohne sichtbaren Rauch – ins Amt. Gewissermaßen als technokratische Formalie und Selbstverständlichkeit. Der Parlamentarismus schiebt sich dann wie ein schützender Nebel zwischen den Wähler und jene, die ausgesucht werden, ihm zu erklären, was er wirklich wollen würde, wenn er nur zum rechten Bewusstsein seiner selbst gelangt wäre. Ein Schelm, wer da an Rousseaus Konzept des „volonté général“ denkt. In Deutschland kann man zum Beispiel die SPD ab- und die Grünen nicht wählen – man bekommt trotzdem irgendwie immer eine SPD-Regierung und grüne Politik. Diese indirekte Form der Demokratie ist für die Legitimation der Regierung aber eher abträglich. Für das Vertrauen des Elektorats in den Wahlprozess ist sie langfristig sogar verheerend.

Potenzielle Staatskrise oder eher Krise der Corona-Maßnahmen?

Aber der FAZ-Artikel wirft noch eine ganz andere Frage auf, um die sich die weltweite Presse seit zwei Tagen herumdrückt. Busse schreibt: „Selbst mit ständigen Corona-Tests war es nicht möglich, Amerikas politische Führung vom Infektionsgeschehen abzuschirmen.“ Man bedenke nur die Möglichkeiten und Ressourcen, die einem POTUS zu Gebote stehen. Trumps Gegner machen gern dessen Ignoranz dafür verantwortlich, warum er sich mit Corona infiziert hat. Trump sei Maskenverweigerer, Lock-Down-Verächter und könne es einfach nicht lassen, Wahlkampfauftritte in Persona zu absolvieren, statt aus dem Bunker zu sprechen, wie sein Kontrahent.

Doch bei aller Missgunst bleibt es nun mal ein Fakt, dass Trumps Umgebung lückenlos getestet und überwacht, seine persönlichen Begegnungen extrem reduziert wurden. Wenn es also nicht mal gelingt, den Präsidenten der Vereinigten Staaten vor dem Kontakt mit dem Virus zu schützen, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der im Gegensatz zu Trump nicht alle Kontakte zur Außenwelt delegieren kann, nicht lückenlos überwacht und umsorgt wird und nicht über unbegrenzte Ressourcen verfügt, dem Kontakt mit Covid-19 für immer entgeht? Was, wenn es nie einen gut und ausreichend lange wirksamen Impfstoff gibt? Was, wenn am Ende doch diejenigen recht behalten, die die Menschen einteilen in Covid-Überlebende und Covid-Opfer – und natürlich jene, die keine Ahnung haben, dass sie zur ersten Gruppe gehören oder noch nicht eingeteilt wurden?

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6 Kommentare

  1. „In Deutschland kann man zum Beispiel die SPD ab- und die Grünen nicht wählen – man bekommt trotzdem irgendwie immer eine SPD-Regierung und grüne Politik.“ Das ist der Punkt, und das ist in den USA anders: Auf der einen Seite Politiker, die – obschon selbst privilegiert- ein linkes Amerika wollen: Vorbild im günstigsten Fall ein Deutschland, wie es SPD und Grüne wollen, im gruseligsten Fall das real existierende Venezuela. Auf der anderen Seite ein Mann, der genau dies nicht will und auf „green deals“, „political correctness“, Steuererhöhungsorgien und all den linken Wahn sch…. Insofern: Gebe Gott, daß dieses verfluchte Virus nur eine Fußnote in der Geschichte des Weißen Hauses ist und der Präsident und seine engsten Mitarbeiter in ein bis zwei Wochen wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte sind.

    • Oft genug haben Personen, denen das Schicksal einen Denkzettel verpasst hat, in Form einer Erkrankung, danach eine stark veränderte Charakterform hervorgebracht. Ich bin überzeugt, das auch Mr. T. nach überstandenener Erkrankung oder den Nebenwirkungen, der Mittel die erbekommen hat, etwas nachdenklicher sein wird. Auf jeden Fall wird er dannach nicht mehr den Virus leugnen, sollte er ihn denn überhaupt gehabt haben.

      • Ich weiß ja nicht, woher Sie Ihre Informationen beziehen, aber die Quelle muss trübes Wasser führen. Trump hat das Virus nie „geleugnet“. Das ist – mit Verlaub – Propagandamüll.

        • Anfang März haben sich die Medien noch über Trumps Einreisestops mokiert und deutsche Politiker Grenzschließungen damals als untaugliches Mittel bezeichnet. Gedächtnisverluste sind wohl auch eine Folge des Virus.

        • Nancy Pelosi ist sogar noch mit einem Plakat durch Chinatown in San Francisco gelaufen, hier ist es sicher, kauft ein, Leute – tja, und das war dann zwei Wochen später alles Makulatur.

          Inzwischen feiern wir bald sieben Monate Jubliäum für zwei Wochen „flatten the curve“.

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