Perlen der Zensur

20.3.2018: Neues Spiel, neues Glück. Bevor ich diese Rubrik namentlich an die neue Besetzung des Justizministeriums anpasse, möchte ich der Ministerin die Gelegenheit geben, ihre Absichten bezüglich der Zensurgesetzgebung kurz zu schildern. Deshalb habe ich Frau Dr. Barley heute eine Mail folgenden Inhalts geschickt:

Sehr geehrte Frau Dr. Barley,
zunächst möchte ich Ihnen zu Ihrer Ernennung zur Justizministerin gratulieren und Ihnen Glück wünschen. Mehr als das Glück Ihres Vorgängers sollte es sein. Es ist meiner Meinung nach von großem Vorteil, wenn man als Vorbereitung für dieses Amt schon einmal praktisch in unserem Rechtssystem gearbeitet hat, was Sie im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger sogar schon als Richterin geschafft haben. Das finde ich gut! Ich habe folglich hohe Erwartungen an Ihr ministerielles Handeln infolge Ihrer Expertise. Und hier komme ich auch gleich zur Sache, um Sie nicht allzu lang von Ihrer Arbeit abzuhalten – schließlich stehen so einige „Bauruinen“ in unserer Gesetzeslandschaft, die abgetragen werden müssen. Ich hoffe doch zumindest, dass diese Ruinen nicht unter Denkmalschutz gestellt werden, sondern verschwinden! Besonders die Ruine namens „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, welche heute drohend, und scharfkantig in die Medienlandschaft hineinragt, werden Sie doch sicher schleifen wollen! Denn mal abgesehen von der Regelung, dass soziale Medien nun einen Zustellort in Deutschland benennen müssen, ist nichts Gutes an diesem Gesetz. Da waren sich sogar die Experten einig, über deren Rat sich Ihr Amtsvorgänger einfach hinweggesetzt hatte. Das NetzDG ist humorlos, tendenziös, intransparent, willkürlich, nachtragend und unverantwortlich – mit anderen Worten: es sollte schnellstens abgeschafft oder stark nivelliert werden. Werden sie in diese Richtung arbeiten, Frau Ministerin?

Mit freundlichen und ungeduldigen Grüßen
Roger Letsch, Autor & Blogger

Ich bin auf die Antwort sehr gespannt.


11.1.2018: Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Maas’schen Rollkommandos der Netz-Zensur auch bei mir die Tür eintreten. Heute war es nun „endlich“ so weit. Endlich deshalb, weil es bereits Stimmen gibt, die mutmaßen, dass wer noch nicht gesperrt oder gelöscht wurde, eigentlich nur ein V-Mann sein kann. Und was für den schwarzen Bürgerrechtler die Polizeikontrolle, ist für biodeutsche Heten-Männer ohne Migrationshintergrund dafür mit Blogger-Vordergrund die Facebook-Sperre: ein Initiationsritual! Heute war es nur ein „Warnschuss“, eine Löschung, keine Sperrung. Aber der Tag ist ja noch nicht vorbei.

Vergessen wir für einen Moment, dass das NetzDG erst am 1.1.2018 in Kraft trat und der Post vom 29.12.2017 stammt, das Gesetz somit rückwirkend angewendet wurde. Nicht vergessen sollten wir jedoch, dass Satire und Kunst selbst dann noch geschützt sind und nicht von der Zensur betroffen sein sollten – doch das ist leider nur Theorie und Illusion. Das gelöschte Gedicht war eindeutig Satire, in Reimform und somit auch Kunst. Klar, keine große! Aber immer noch größer als ein Glasgefäß, dass ein Kanadischer Künstler mit 750 Litern Pisse füllte und es damit in eine Ausstellung schaffte! Nicht vergessen möge man bitte auch den Kontext, in dem das Gedichtlein entstand: die hysterischen Vorbereitungen auf die Sylvesternacht, bei denen mal wieder mit dem Schlimmsten gerechnet wurde, was allerlei kuriose Maßnahmen mit sich brachte: Armbändchen, die vor sexueller Belästigung schützen sollten, Frauenzelte in Berlin und so weiter. Deshalb: hier nochmal das Gedichtlein, dieses schlimme und bös verletzende, damit Sie sich selbst ein Urteil bilden können.

Jungfer ich knet‘ dir den Hackfleischkranz,
er wird dich beschützen vor Nafriantanz.
Zum Zwecke des Schutzes kommt auch wie bestellt,
auf Berlins Feier-Meile das Frauenzelt.
Und bist du in Köln auf des Domes Platt‘,
geschützt ist dort gut, wer ein Armband hat.
Wie die Kanzlerin sagt in der Neuahrsansprache:
der Schutz ihrer Bürger ist Ehrensache!

Ich werde diese Rubrik an dieser Stelle weiterführen. Denn anstatt Lotto zu spielen tippe ich lieber darauf, dass dies erst der Anfang war. Da sind die Chancen größer.

18 Kommentare

  1. Was für ein Zufall: da klicke ich beim Fundstück auf der Achse den Link zu dieser Seite an und Chrome leitet mich nicht weiter sondern erklärt mir, diese Seite sei nicht sicher und man wolle mir hier evtl. Passwörter oder Kreditkartendaten stehlen. Auch die eigene Entscheidungsfreiheit wird mir genommen, ich kann nicht trotz der angeblichen Gefahr auf eigenes Risiko weitermachen. Ja nee, is klar! Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder für sich entscheiden kann, was er im Netz lesen möchte! Also nochmal dieselbe Prozedur beim Android-Browser, der auf meinem Tablet vorinstalliert ist. Ist zwar auch von Google, aber offenbar noch nicht ganz so ausgefeilt, jedenfalls kommt hier auch eine Warnung, aber ich kann auf „Fortfahren“ klicken und werde hierher weitergeleitet und kann sowohl das Gedicht als auch die Bemerkungen dazu lesen. Damit habe ich jetzt natürlich eine staatgefährdende Straftat begangen! Ich werde mich sofort bei Heiko Maas persönlich selbst anzeigen und dazu die gefährliche Sicherheitslücke im Android-Browser melden! Wo kämen wir den hin, wenn jeder alles lesen dürfte! Merkt eigentlich keiner unserer politisch Verantwortlichen, welchen Schaden sie der Demokratie zufügen, wenn denn nicht sogar Absicht dahinter steckt und sie uns in eine DDR 2.0 führen wollen und dafür schon jetzt vor Stasimethoden nicht zurückschrecken. Dann sollten sie aber nicht vergessen, wie es mit der DDR zu Ende gegangen ist! Dazu dann noch die Peinlichkeit, dass Privatunternehmen wie Google, Facebook und Co. in vorauseilendem Gehorsam und unter diskretem Zwang bei dieser Zensur mitmachen. Gab es nicht früher mal so etwas wie ein Bundesverfassungsgericht?

    • Sehr seltsam. Ich habe das gerade überprüft, das SSL-Zertifikat ist intakt und noch über ein Jahr gültig. Diese Seite IST sicher und ich wurde auch nicht gehackt. Andere Browser als Chrome scheinen kein Problem zu haben.

  2. Auf Facebook und Twitter ist Ruh. / Nach dem Kontrollgeklitter spürest Du / kaum einen Hauch. / Die Kritiker schweigen im Netze. / Staatliche Hetze, / löscht man dich auch?

    Ein Gleiches:

    Der du von den Löschern bist, / allen Hass und Härte killest, / den, der doppelt kritisch ist, / doppelt mit ’ner Sperrung stillest, / ach, ich bin des Irrsinns müde, / wass soll all‘ der Zorn und Frust? / Süßer Heiko, komm‘, ach komm‘ an meine Brust!

    Oder so:

    Von dem Maas bis an die Merkel! –
    Von dem Letsch bis zu dem Wendt?
    Löschung, Löschung über alles,
    was sich jetzt noch kritisch nennt!

  3. Bereits letztes Jahr haben einige Großunternehmen wie hier im Beispiel Amazon schon auf eigene Faust (oder in Maas‘ persönlichem Auftrag?) versucht, zu zensieren, was geht. Suchen SIe hier die längere Rezension „Das Haßwerk einer sich abzeichnenden Diktatur“ von Buntlanddissident, deren Veröffentlichung zuerst unterdrückt wurde und erst durch Veröffentlichung bei Journalistenwatch für Amazon zu einem finanziellen Desaster zu werden drohte, so daß sie ihren Sonderzensurschutz für das unsägliche Maasbuch aufgeben mußten:
    https://www.amazon.de/Aufstehen-statt-wegducken-Strategie-Rechts/product-reviews/3492058418/ref=cm_cr_getr_d_paging_btm_20?ie=UTF8&reviewerType=all_reviews&sortBy=recent&pageNumber=20

    Auch die Kommentare als Antworten sind lesenswert.

    „Das Haßwerk einer sich abzeichnenden Diktatur“, ja, die Diktatur zieht immer mehr die Daumenschrauben an, erst das Netzwerkzersetzungsgesetz und Stasiknechte wie Kahane wieder im alten Amt. Was kommt als nächstes in Merkelstaat mit dem Segen von Maas und Suffkopp Kapo Schulz? Ich tippe auf Schutzhaft für Dissidenten, entweder in Lagern oder es werden massenhaft Nafris vorzeitig amnestiert, um Platz in den Kerkern für kritische Bürger zu schaffen

  4. Ich bin selbst auch nicht auf FB, Twitter o.ä. unterwegs, ein Freund von mir hat aber auf meine Bitte hin einen Kommentar „ich komm vorbei und stech dich mit Messer in Lunge“ von einem Nick arabischer/türkischer Prägung gemeldet. Er meinte gleich, Du wirst sehen, das bringt überhaupt nichts, ich aber wollte einfach mal wissen, was da von (in diesem Fall) FB zurückkommt. Antwort einen Tag später an meinen Freund: wir können leider nichts sehen, was unseren Nutzerbedingungen widerspricht, wenn Sie mit diesem Nutzer nichts zu tun haben wollen, haben Sie die Möglichkeit, diesen Nutzer zu blocken! Es kommt anscheinend tatsächlich nicht nur auf den Inhalt einer Aussage an, sondern vielmehr auch auf den Absender. So viel zu DIESEM Thema!!

    • Mein Verdacht ist, dass die in den Posts nach Sperrwörter wie z. B. Nafri suchen und nicht nach Inhalt gehen. Das würde erklären, warum das Gedicht oben, aber nicht eine solche Gewaltandrohung gelöscht wurde.

  5. Auf der Achse wird der Eindruck erweckt, als ob es dem Gedicht von Roger Letsch an poetischer Qualität ermangeln würde. Für derartige Fragestellungen fühle ich mich gänzlich unqualifiziert. Die „Kritik“ hat mich aber zu einem Optimierungsversuch motiviert:
    Jungfer ich knet’ dir den Hackfleischkranz,
    er wird dich beschützen vor Nafriantanz.
    Zum Zwecke des Schutzes kommt auch wie bestellt,
    auf der Berliner Meile das Frauenfeierzelt.
    Und bist du in Köln auf des Domes Platt’,
    geschützt ist dort gut, wer ein Armband denn hat.
    Wie die Kanzlerin sagt in der Neujahrsansprach´:
    der Schutz ihrer Bürger ist ihr Ehrensach´!
    Es ist mir wichtig, daß das nur ein Auftakt sein kann. Es gibt garantiert begnadete Literaten, die unter weitgehender Erhaltung von Sinn und Wortwahl die poetische Qualität noch deutlich steigern können. In Übereinstimmung mit dem NetzdingsbumsG sollte man darauf achten, daß die Zahl der potentiellen Literaten, die sich an der weiteren Optimierung, quasi in einem pan-deutschsprachigen contest beteiligen wollen, durch möglichst flächendeckendes Posten erhöht wird.

  6. Nicht nur treffend, sondern auch sehr hübsch.

    Es kommt ausgedruckt als Einleger in mein ständig in Griffweite befindliches Gernhardt-Buch als würdige Ergänzung.

    (Aber erst mal muß sich mein Zwerchfell wieder beruhigen.)

  7. Sie haben sich mit diesem wundervollen Gedicht wirklich viel Mühe gegeben, Herr Letsch. Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Erfolg!

  8. Lieber Herr Letsch, soweit ist es also schon, Zensurgesetze rückwirkend, völlig daneben, da kein einziges „HATE“- Wort drin vorkommt.
    Ich habe die ganze Sch..von vor längerer Zeit befürchtet, jetzt geht es wohl richtig los. Wollen Sie sich Hilfe bei Herrn Steinhöfel holen? Gegen diese rotgrüne Willkür müssen wir uns gemeinsam wehren.
    Ich bin zwar noch nicht gesperrt, aber natürlich immer bei Ihnen. Halten Sie uns bitte bezüglich Ihrer Person auf dem laufenden? Viel Erfolg, bleiben Sie standhaft.

    • Achgut-Kollege Joachim Steinhöfel ist natürlich informiert. Aber aktiv werden muss er wegen der Sache noch nicht…im Gegenteil: die Löschung sorgt zuverlässig für mehr Verbreitung, als es ein Post, der sich bei jedem Nutzer längst drei Meter unter der Erde befindet, je tun könnte.

      • Hallo Herr Letsch,
        ich bin nicht in den sog. „Sozialen Medien“ unterwegs, kann daher nicht gesperrt werden.
        Aber mir ist auch schon aufgefallen, dass deutliche Kommentare in den Kommentarspalten durchaus nicht publiziert werden. Gestern gegen 18 Uhr hatte ich bei KIKA.de einen Kommentar in Form eines Briefes an die Redaktion übermittelt, der natürlich – möchte man sagen – nicht erschien. Allerdings deutet einiges darauf hin, dass KIKA die Kommentarfunktion nach über 257 meist sehr negativer Meinungen nicht mehr bedient hat. Der letzte Kommentar kam gestern um 14:00 durch und heute 16:23 teilt KIKA mit, es seinen keine neuen Argumente aufgetaucht, also hat niemand in 26 Stunden noch was erwähnenswertes beizutragen! Da lachen ja die Hühner. Ich gehe davon aus, dass man die Anzahl negativer Meinungen zu einem „Spartenkanalbeitrag“ nicht publik werden lassen will.
        Es wäre dies kleinkindhaft ja durchaus verständlich, weil, wenn ich mit die Augen und Ohren zuhalte, dann sehe und höre ich nichts mehr.
        Vom ÖrR hätte ich mir mehr Rückgrat erwartet.
        Die Anmerkung passt vielleicht hier nicht wirklich hin, Sie können sie gerne zu Ihrem anderen Blogbeitrag verschieben.
        Gruß und bleiben Sie standhaft.

    • Rückwirkend, stimme zu, geht schon gar nicht. Wie sieht die Gesetzeslage in D aus? In der Schweiz muss das Parlament (in bestimmten Fällen auch das Volk) einem Gesetz zustimmen, rückwirkende Gesetze schaffen diese Hürden kaum, deshalb gibt es nur vereinzelt derart gravierende Möglichkeiten derartiger rückwirkenden Beanstandungen/Sanktionen.

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