Attac irrte sich wie so oft im Adressaten, als die Globalisierungsgegner am 20. März 2023 vor der Frankfurter Börse gegen den Aufstieg von Rheinmetall in den DAX protestierten. Rheinmetall ersetzt seit diesem Tag Fresenius Medical Care im Leitindex, und die Aktivisten fordern staatliche Intervention. Es gehe doch nicht an, dass Gesundheit zugunsten von Kriegsgewinnlern geopfert werde. Doch der DAX richtet sich nicht nach aktivistischen Wünschen. Noch nicht jedenfalls. Und während Fresenius Medical Care die Auswirkungen der Corona-Krise mit voller Wucht zu spüren bekommt, weil die wichtigste Zielgruppe des Dialysespezialisten eine besonders hohe Übersterblichkeit aufweist, kommt Rheinmetall mit der kriegsbedingten Übersterblichkeit in der Ukraine bestens zurecht.

Die alten Anti-Waffen-Reflexe sind wieder da, obwohl die alten Anti-Kapitalismus-Reflexe eingeschlafen sind, wie man am mangelnden Protest gegen Krisengewinnler der anderen Art – etwa Pfizer und Moderna – erkennen konnte. Der Staat, so der Attac-Aktivist vor der Tagesschau-Kamera, müsse dafür sorgen, dass ethische Aspekte berücksichtigt würden. Staatlich handverlesene DAX-Unternehmen also? Man geht im Geiste die tierpanzerverrückte Ministerriege durch und lacht schallend. Attac hat offenbar den Tagesbefehl zur Narrativänderung nicht mitbekommen. Die Meldeketten hierzulande sind offenbar noch nicht auf Kriegsmodus geschaltet.

Angesichts der neuen deutschen Panzerversessenheit sind kritische Stimmen ohnehin sehr leise geworden. Medial hat man eher den Eindruck, als wüssten die Leser und Zuschauer mittlerweile deutlich besser Bescheid über Panzerung und Bewaffnung des Leopard II als über den Wert eines Rentenpunktes oder die aktuellen Strompreise, und wer Firmen wie Rheinmetall oder KMW im Zusammenhang mit der Vokabel „Kriegsprofiteur“ nennt, ist fast schon Putinflüsterer.

Dabei ist es noch keine drei Jahre her, da galt schon das Engagement von Rheinmetall im EU- und NATO-Land Ungarn als Militarismus und Kriegstreiberei. Doch die Vorzeichen haben sich geändert, und wenn Rheinmetall jetzt ganz beiläufig erklärt, man könne den neuentwickelten Panzer „Panther“ auch gleich in der Ukraine fertigen, scheint das vielen eine gute Idee zu sein. In erster Linie für Rheinmetall selbst, sieht man doch die Gelegenheit, sich aus der Rolle des Juniorpartners von KMW im Leopardprojekt zu befreien.

Produktion in Deutschland ist offenbar kein Thema

Wir erleben in diesem Konflikt auch den Zusammenprall der Narrative, denn einerseits halten EU und Bundesregierung an der Strategie der Welt- und Klimarettung durch ESG-Investment fest, andererseits kann es gerade gar nicht martialisch genug sein. Bei aller Komplexität des Ukrainekonflikts habe ich letztlich überhaupt nichts gegen die Unterstützung der angegriffenen Ukrainer. Nur sollte man nicht so ein Geschrei darum veranstalten. Dass ausgerechnet die selbsternannten Pazifisten jetzt die größten Patrioten mimen, verwirrt mich einfach. Ebenso die offenkundig völlig falsche Vorstellung vom Umfang der leistbaren Hilfe. Es ist ja sicher nicht die überlegene Infrastruktur in der Ukraine, die Rheinmetall laut über eine Fabrik dort nachdenken lässt. Eher schon die Unmöglichkeit, die Panzer in nennenswerter Stückzahl in Deutschland herzustellen.

So auch der Transportpanzer Boxer, den fertigt Rheinmetall in Australien, und deshalb fragte die Bundesregierung in Queensland nach, ob man nicht 200 Stück dort kaufen könne. Die Produktion in Deutschland ist offenbar kein Thema, egal ob nun wegen des allgemeinen Zustandes unserer Schwerindustrie, der Energiekosten oder des volatilen politischen Rückenwinds. Letzerer drückt Rheinmetall momentan in Richtung Erfolg, und ein Stück alte deutsche Schwerindustrie schafft es zum Börsenliebling, während gleichzeitig überall rundherum noch der grüngute Umbau der Wirtschaft (Stichwort ESG) gepredigt wird. Am 26. März stimmt die Hauptstadt sogar über ihre vorzeitige Klimaneutralität ab. Ob sich der Krieg danach richten wird? Ob sich eine Millionen Artilleriegranaten CO2-frei produzieren lassen?

Der prestigeträchtige Aufstieg im DAX ist Rheinmetall natürlich eine Würdigung auf seiner Website wert. Dorthin schaffen es nur wirklich bedeutende Meldungen, also außer der DAX-Geschichte nur eine weitere: nämlich, dass Rheinmetall bis 2035 CO2-frei werden möchte. Im Kampf für die gute Sache kann das Kaliber gar nicht groß genug sein, und falls die Deindustrialisierung Deutschlands der Produktion eines Tages doch im Weg stehen sollte, könnte man Boxer und Panther sicher auch in China produzieren. Rheinmetall sucht dort stets fähige Ingenieure, und die chinesische Schwerindustrie ist bekanntlich noch intakt.

Zuerst erschienen auf achgut.com

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1 Kommentar

  1. Der DAX ist nur ein Index, von dem man erhofft, dass er die Lage des Wertpapierhandels gut repräsentiert. Von der Lage des Wertpapierhandels erhofft man sich oft auch eine repräsentative Darstellung der Lage der Gesamtwirtschaft. Wie die Coronazeit deutlich machte, kann aber z.B. der Handel vor die Hunde gehen, während Amazon durch die Decke schießt. Die Korrelation zwischen Klein und Groß ist nicht mehr verlässlich und die Wahl der Unternehmen für den Leitindex DAX ist auch nur ein Versuch einer Darstellung, die gelingen kann, aber nicht muss. Für die Unternehmen selbst ist das erfreulich, weil ihre individuelle Sichtbarkeit erhöht wird und Index-Fonds ihre Wertpapiere verstärkt in Erwägung ziehen. Die Einbeziehung ist aber keine Gelddruckmachine oder sonst etwas, auf das man neidisch sein muss.

    Selbstredend stört es mich nicht die Bohne, dass das grüne blinde Huhn ein Korn gefunden hat. Ich bin froh drum. Mich stört, dass das blaue Huhn ans Scheunentor gekracht ist und jetzt blutend auf dem Boden liegt.

    Der Indexneid ist nur ein weiteres Kapitel offensichtlicher Blödheit bei Attac. Nennenswert daran ist, dass sich in Deutschland nicht mal ein CDU-Generalsekretär zu schade ist, um dort Mitglied zu werden (Heiner Geißler). In der angelsächsischen Welt spielt Attac eigentlich überhaupt keine Rolle.

    Neulich hab ich ein paar Minuten einer Talkshow (Illner) gesehen. Was mir sehr aufstößt, ist, dass hier einfach alles dumm ist. Ich will nicht ewig auf das Kleinklein der Aussagen eingehen. Das dumme Brummen droht mittlerweile Seebeben auszulösen, weil eine leere Phrase die nächste jagt. Mich stören nicht mal einzelne Inhalte. Die werden in Deutschland nicht mehr geklärt. Es ist ein einziges „but to the truth also belongs“.

    – Die Bürger haben es verdient, dass man ihnen die Wahrheit sagt.
    – Wir müssen jetzt aber auch mal ehrlich sein.
    – Es wird Zeit, den Leuten reinen Wein einzuschenken.
    – usw.

    Vieles hat einen aggressiven Ton und absolut keine Aussage. Da reden nur noch Leute, denen absolut nichts auf der Seele brennt, denen ihre Mitmenschen so was von am Heck vorbeigehen und die nur Zeit überbrücken wollen, in der sie gesehen werden. Dem Ganzen versetzt Illner eine Pseudodynamik, indem sie einen dauergehetzten Tonfall à la Karla Kolumna auflegt und die Leute unterbricht, damit es so aussieht, als hätte jeder Müh und Not noch seine Gedanken unterzubringen, Gedanken wie „Und dafür müssen wir in die Zukunft investieren.“

    Und da tut es auch nicht Wunder, dass die Attac-Gülle nie geklärt wird. Die rennen immer noch rum und behaupten, dass Afrika längst Wakanda wäre, wenn es keinen Handel triebe. Ich weiß nicht, was das soll. Klar sind Biden und Harris auch hohl, aber in der englischsprachigen Öffentlichkeit werden die Debatten typischerweise schon noch von Leuten getragen, die beim Reden etwas sagen und wenigstens innerhalb ihres Referenzrahmens eine gewisse logische Konsistenz herstellen können. Bei uns ist das ein Fiasko. Wenn Google und Facebook auf EU-Druck auch noch die Achse und Tichy versenken, hört man hier nur noch „but to the truth also belongs“. Kritische Stimmen dürfen hier nicht mal ins g’ttverdammte Radio. Nur Sch**ße wie Attac kommt ständig wieder hoch.

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