‚Diese Reichen! Jetzt nehmen die unseren Kindern auch noch die Arbeit weg!‘ So oder so ähnlich könnte es lauten, das Fazit eines Artikels auf Tagesschau.de, in dem eine Studie des IW (Institut der deutschen Wirtschaft) behandelt wird, in der es um Nebenjobs von Schülern geht. Oder sollte man statt „behandelt“ besser sagen: geframed? Schon der Titel setzt den Kurs: „Vor allem Kinder reicher Eltern jobben nebenbei“. Das Teaserbild zum Artikel gibt die Richtung vor, in die wir denken sollen, wenn es darum geht, was für Arbeit Jugendliche leisten, um ihr Taschengeld aufzubessern: Zeitungen austragen. Selbst für sowas braucht man heute also „Vitamin B“? Wie schrecklich! Im Tagesschau-Text heißt es: „In Deutschland haben Jugendliche aus wohlhabenderen Familien öfter einen Nebenjob als Heranwachsende aus ärmeren Haushalten. Denn laut IW-Studie spielen Kontakte der Eltern eine entscheidende Rolle.“ Der durchschnittliche Leser bricht hier ab, seine Vorurteile sind hinreichend bestätigt.
Der Artikel nährt den Vorwurf, es seien vor allem die sinistren Netzwerke der Eltern, die dafür sorgen, dass die Kinder ihr Taschengeld aufbessern könnten. Und ein Teil der Differenz lässt sich so tatsächlich erklären. So findet sich in der Studie auch eine Liste der typischen Tätigkeiten und wohl jeder denkt dabei zuerst an solche Dinge wie Zeitungen austragen. Doch schon bei Hilfe „in privaten und landwirtschaftlichen Haushalten“ unterscheiden sich die Möglichkeiten. In einem Haushalt, der von Bürgergeld bzw. Hartz-4 abhängig ist, wird der Nachwuchs meist nicht für Tätigkeiten im Haushalt oder das Babysitten bezahlt, übt sie aber dennoch aus.
Hartz-4 bzw. Bürgergeldbezieher haben auch keine landwirtschaftlichen oder Handwerksbetriebe, in denen sich immer Arbeit findet. Auch sind Nebenjobs in „Kirchen, Religionsgemeinschaften, Verbände, Vereine und Parteien“ eher denen zugänglich, die über die entsprechenden Netzwerke und damit über den entscheidenden Informationsvorsprung verfügen. Nichts an alledem ist durch staatliche Maßnahmen zu verändern. Die Studie zeigt vielmehr, wie entscheidend wirtschaftlich unabhängige Familie selbst für solche Dinge wie Nebenjobs und generell für einen gelungenen Start der Jugend ins Leben ist. Eine Binse! Man könnte auch lapidar feststellen, dass Vermögen vor Armut schützt. Nein! Doch! Oh!
Und noch ein Zusammenhang wird deutlich. Während im obersten Sechstel der Familieneinkommen nur 35,5% der Jugendlichen überhaupt keinen Nebenjob haben, sind es im untersten Sechstel mit 64,2% beinahe doppelt so viele. Kann das vielleicht mit der Berechnungsgrundlage für Hartz-4-Haushaltseinkommen zusammenhängen? Die Frage ist doch, wieviel bleibt dem Nebenjobber tatsächlich vom verdienten Geld und wie steht es deshalb um die Motivation, einen solchen Job anzustreben? Der Autor der Studie sieht diesen Konnex auch und biegt dann doch falsch ab: „So werden die Einnahmen von Schülerinnen und Schülern aus Ferien- und Nebenjobs während der Schulzeit unter- halb der Geringfügigkeitsgrenze beim Bürgergeld seit dem 1. Juli 2023 bis zu einem Alter von 25 Jahren überhaupt nicht mehr auf den Transferanspruch angerechnet (§§ 11a Abs. 7, 11b Abs. 2b SGB II). Zuvor galten hier bereits hohe Freigrenzen.“
Die „hohe Freiheitsgrenze“ lag für Kinder in Hartz-4-Haushalten bei 2400 Euro pro Jahr, also 200 Euro pro Monat, was für Jobs mit mehr als 200 Euro monatlich direkt ins Motivationskontor und damit in die Statistik schlägt. Die Geringfügigkeitsgrenze liegt seit dem 1. Juli 2023 übrigens bei 520 Euro für im Haushalt lebende Kinder. Dumm nur, dass die Datenbasis der Studie nur bis 2020 reicht, die veränderten Verhältnisse also gar nicht mehr abbilden kann, selbst wenn sie darauf verweist. Wie sich der Nachfolger von Hartz-4, also das „Bürgergeld“ auf den Arbeitsmarkt, die Sozialversicherungen und die Motivation von Jugendlichen auswirken wird, muss einer Studie vorbehalten bleiben, die vielleicht in zehn Jahren verfasst werden kann. Ob die Tagesschau dann noch da sein wird, um sie so zu framen, dass sie ins Narrativ des Reichen-Bashing passt, ist eine andere, spannende Frage.
Tja, wie immer bei linker Rhetorik, eine „Lose-lose-situation“ für die Kinder mit begüterten Eltern. Machen Sie einen Ferienjob, nehmen sie den Platz für andere weg, die das Geld notwendiger bräuchten, liegen Sie jedoch auf der faulen Haut, dann genießen sie die unverdienten Privilegien des Reich-seins.
Zu meiner Zeit (oh Gott, wie das klingt!) gab es eine ganz einfache Erklärung, warum die Ferienjobs eine Domäne der Kinder potentiell wohlhabenderer Familien waren: Wer alt genug war, eonen legalen Ferienjob zu machen, war auch alt genug für eine Lehre. Wer aber eine Lehre macht, macht keine Ferienjobs mehr. Damit waren in Ferienjobs im Wesentlichen Gymnasiasten und Studenten zu finden, für die anderen Jugendlichen war dies nicht relevant.
Zu meiner Zeit hat man sich auch gegenseitig Tipps gegeben, wo es gute Ferienjobs gibt. Ein niedriges Einkommen der Eltern war jedenfalls niemals ein Grund, keinen Ferienjob zu kriegen. Und auch dies gehört zum Ferienjob dazu: Sich aktiv um einen zu bemühen.
Ich versuche, mir gerade vorzustellen, welche Art Jugendlicher den Verfassern dieser Studie vorschwebt. Ganz offensichtlich diejenigen, die sich lieber mal um eine Lehrstelle bemühen sollten, damit sie eine ordentliche Perspektive für ihr eigenes Leben aufbauen können. Aber halt – wer sich so etwas erarbeitet hat, wählt ja keine woke Politik mehr …
Als ich den Artikel las, schlugen meine Gedanken in einen weiteren, hier gar nicht angesprochenen Bereich, und zwar von „Reiche Leute, arme Leute“ hinüber zu „Unsere Leute, deren Leute.“
Folgendes wäre uns allen ins Stammbuch zu schreiben:
„Auch sind Nebenjobs (…) eher denen zugänglich, die über die entsprechenden Netzwerke und damit über den entscheidenden Informationsvorsprung verfügen. Nichts an alledem ist durch staatliche Maßnahmen zu verändern.“
Eine Binse, die für ALLE Jobs gilt.
Und damit ein Hauptproblem der Migration benennt.
Wer nicht mit der Mehrheitsgesellschaft befreundet und verbandelt ist, wird Generationen lang defizitär unterwegs sein.
Gewiss ist es nicht leicht, sich mit Menschen zu verbandeln oder sogar zu befreunden, die anders ticken, als man selbst. Und die es einem auch wirklich schwer machen können.
Das Leben ist nicht wirklich fair. Weder hier, noch sonst wo. Auch eine Binse.
Aber wer die Mehrheitsgesellschaft schmäht, ihr aus dem Weg geht und am liebsten die Dinge nach seiner Fasson machen will, kriegt häufig nur die Reste.
Solange es noch Reste gibt.
Um zuletzt wieder den Bogen zurückzubiegen: Wäre es denkbar, daß die Tagesschau solche Positionen ungeframed in unsere Wohnzimmer trüge?
Nein. Außerdem interessiert die Tagesschau sich nicht für Migranten oder Arme. Der ÖR sendet am liebsten Reporter, meist Reporterinnen, an diese So-Da-Brennpunkte, um zur Selbstdarstellung „Ohhhh“ ins Mikro zu flöten. Dann hat der Brennpunkt ausgedient und es geht zurück ins Studio.
Und in der Politik heißt „sozial“ immer Umverteilung oder Hass auf Besserverdiener und Erben zu propagieren. Denen kommt gar nicht der Gedanke, dass die Leute eine starke Wirtschaft haben wollen, wo sie nicht als angebliche Nazis auf die Seite geschoben werden.
Wer anmerkt, dass Arbeit einen Sinn haben muss, bekommt die immer gleiche Reaktion von den Meist-Zeit-Materialisten.
„Die Menschen suchen nach einem Sinn im Leben. Schaun wir mal, was wir da haben.“
Dann greifen sie nach einem Sack unter dem Schreibtisch und kippen ihn aus. Amulette, Räucherkerzen, Kruzifix und Rosenkranz purzeln über den Tisch. „Da hätten wir Spiritualität, Religion, Joga und Ökogetue.“ Und während diese Meist-Zeit-Materialisten selbstvergessen in der Bibel blättert und das Pendel kreisen lassen, kratzt man sich am Kopf und denkt, „Halloooo! Ich hab doch Sinn gesagt und gerade eben NICHT Unsinn!!!“
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