Als Andy und Joanna in der Schweiz ihre Jobs an den Nagel hängten, sich einen 50 Jahre alten englischen Katamaran kauften, ihn „Bamba Maru“ nannten um sich darauf um die Welt treiben zu lassen, hatten sie noch keine Ahnung, was sie in der Karibik erwarten würde. Wir erinnern uns: 2017 richtete der Hurrikan „Maria“ beträchtliche Schäden an, ganz besonders auf Dominica. Ein Land, das ohnehin nicht gerade für seine Prosperität bekannt ist. Auch für Haiti kam nach dem verheerenden Erdbeben 2010 und dem Hurricane „Matthew“ 2016 schon der nächste Nackenschlag.
Die beiden Segler (hier im Video-Interview), die 2016 auf ihrem Boot den Sturm „Matthew“ glücklich überstanden, packen ihren alten Kat voll mit Hilfsgütern und fuhren ins Katastrophengebiet Haitis. Keine NGO rief „Marsch“, keine UN schwenkte die Flagge. Die beiden entschieden das ganz allein, stellten ihre Segelpläne hintan und fuhren los. Angekommen vor der kleinen Insel Ile de Vache sitzen sie mit einer Flasche Wasser an Deck, betrachten das Chaos, das der Sturm hinterlassen hat und werden nun von Fischern, die in kleinen Booten zu ihnen kommen, gebeten, diese kleine Flasche Wasser gegen zwei fette Hummer zu tauschen. Den Hummer lehnten beide ab, das Wasser gaben sie kostenlos. Obendrein lief die Entsalzungsanlage auf dem Boot nun Tag und Nacht, um die Bevölkerung der Insel mit Wasser zu versorgen, dafür wurde sogar eine Leitung an Land gelegt, denn die Wasserversorgung dort war durch den Sturm und die Überflutung mit Seewasser zusammengebrochen. Ein kleines Segelboot schaffte, was keine Hilfsorganisation oder Regierung zustande brachte.
Hurrikane sind keine Folgen des Klimawandels, sondern Starkwinde, die sich aus der Lage der betroffenen Karibikinseln, der Sahara und der Erdrotation ergeben. Es gibt sie immer wieder und immer wieder richten sie große Schäden an. Heute sogar mehr, weil mehr Menschen in den betroffenen Gebieten leben und es somit auch mehr zu zerstören gibt.
To make a long story short: Andy und Joanna sind immer noch in der Karibik, die Weltumseglung muss warten. Im Moment sind die beiden Schweizer auf Dominica und mit dem Wiederaufbau mehrerer Schulen beschäftigt, die von Hurrikan „Maria“ zerstört wurden.
Warum ich das hier erzähle, fragen Sie? Nun, mal ganz abgesehen vom humanitären Aspekt, meiner Hochachtung vor Andy und Joanna und dem schönen Gedanken, dass Menschen offenbar auch heute noch nicht verlernt haben, selbstlos zu handeln, lehrt uns dieses Beispiel etwas über unterschiedliche Perspektiven – und wie diese uns heute leider aus dem Blick geraten. Wir haben verlernt, was wichtig ist, was das Wort „Zivilisation“ bedeutet und wie leichtfertig wir deren Errungenschaften auf’s Spiel setzen, um Utopien zu folgen.
Verlernt, was wirklich zählt
Denn während in Dominica Kindern zum Schulbesuch ein Bleistift, ein Buch oder ein paar Blätter Papier fehlen, schwänzen im saturierten Europa freitags die Kinder die Schule, um einer Ideologie ihre Zukunft zu opfern. Die einen Kinder hätten gern eine Zukunft und wollen für sie lernen, die anderen glauben zu wissen, dass sie keine haben werden. Und während irgendwo außerhalb Europas Menschen aufgrund von Armut und Unbildung an den Folgen von Extremwetter (denn das genau sind Hurrikane) sterben, kämpfen in Deutschland moralisch übersteuerte Kinder gegen Klimamodelle und absichtsvoll verzerrte Statistiken. Auf der einen Seite des Atlantiks fordert Greta die sofortige Decarbonisierung der Welt und bekämpft die Deutsche Umwelthilfe den Verbrennungsmotor, während auf der anderen Seite ein paar Liter Diesel darüber entscheiden können, ob eine Meerwasserentsalzungsanlage sauberes Trinkwasser herstellen kann, oder eine Cholera-Epidemie ausbricht. Gutmenschen erkennt man an ihren Prinzipien, gute Menschen an ihren Taten. Ich mag gute Menschen.
Wer Andy und Joanna unterstützen möchte: hier gibt’s Informationen zum Stand der Projekte. Die St. John’s School braucht noch eine Küche und Geld für das Ernährungsprogramm.
„“Und während irgendwo außerhalb Europas Menschen aufgrund von Armut und Unbildung an den Folgen von Extremwetter (denn das genau sind Hurrikane) sterben, kämpfen in Deutschland moralisch übersteuerte Kinder gegen Klimamodelle und absichtsvoll verzerrte Statistiken.““
Sehr geschätzter Roger Lesch, will mich nicht wichtig tun, aber muß es sinnvoll nicht ‚für‘ statt ‚gegen‘ heißen? Ansonsten kann man Ihre Begeisterung für das Paar und seinen Elan nur teilen.
MfG
Sehr guter Artikel, wie immer.
Tolles Paar, die beiden.
Wünsche ihnen noch eine wunderbare Reise, in jeder Hinsicht.
Diese beiden sind wirklich Vorbilder.
Wie schaut es mit PayPal aus?
Hat die Schule wohl auch nicht. Ich bleibe dran…
Kleine Ergänzung: wer jetzt gern den einen oder anderen Euro spenden möchte, sieht sich derzeit mit folgendem Problem konfrontiert: Dominica kennt IBAN/BIC nicht, die Bankverbindung der St. John’s School hat nur Kontonummer und SWIFT-Code. Banking-Apps verweigern da offenbar die Zusammenarbeit. Meine Bank zum Beispiel kann das nur über ein Offline-Formular in A4-Größe bewerkstelligen, ich muss also in die Filiale gehen. Ich versuche aber parallel, auch einen einfacheren Weg zu finden. Stay tuned.
Versuch 5:
Die sollten Bitcoins oder eine vergleichbare Kryptowährung akzeptieren. Die Dinger sind für Mikrokredite und dergleichen gut geeignet.
In der dritten Welt kommt man mit Bank-Transaktionen oder Kreditkarten nicht weit, weil die keine AML-Richtlinien umsetzen, und die westlichen Clearingstellen deshalb permanent Stress machen. In Somalia ist transferierbares Pre-Paid Handyguthaben die Währung, in der man seine Geschäfte tätigt.
Das kann die Schule nicht. Und die beiden Segler nehmen selbst kein Geld, um es dann weiterzuleiten. Leider ist das spenden deshalb etwas umständlich. Brian von SV Delos (www.svdelos.com), von dem das Video stammt, sammelt allerdings auf seiner Seite (By-as-a-beer-Funktion, Stichwort „sailing for a smile“) Spenden, die er bis $1000 noch verdoppelt.
Warum kann die Schule das nicht? Für die gebräuchlichsten Währungen gibts Thin Clients, die so wenig Bandbreite erfordern, dass eine Modemverbindung reicht, und die bereits auf einem Raspberry Pi 1 unter Raspbian laufen. Wenn so eine Schule es schafft, sich selbst in funktionsfähiger Weise zu organisieren, dann kriegt sie es auch hin, sich einen 30USD-Computer mitsamt eines alten Monitors und einer billigen Tastatur zu organisieren. Vor Ort wirds jemanden geben, der die Coins dann gegen US-Dollar eintauscht.
Irgendwie macht es einen schlechten Eindruck, dass die weder die Möglichkeiten der ersten Welt, noch die Möglichkeiten der dritten Welt nutzen. Erste-Welt wäre ein Kickstarter Projekt, sowie ein Patreon-Account, auf die man per PayPal oder Kreditkarte einzahlen kann, das von jemandem mit einem Bankkonto und Briefkasten in der ersten Welt betrieben wird, der die Kohle notfalls mittels Segelbootkurier vor Ort schafft. Dritte Welt wären Bitcoins und irgendein netter Hawaladar mit einer Niederlassung in der Zivilisation, dem man das Geld überweist. Für mich klingt das, wie reiche Katastrophen-Touristen, die sich wegen etwas Aktionismus gut fühlen wollen, aber letztlich gar nicht wissen, was sie da tun.
Die Geschichte mit der Wasserflasche klingt zum Beispiel komisch. So eine Segelboot-Umkehrosmoseanlage ist nicht dafür ausgelegt, um mal eben so ein Dorf zu versorgen. Die Dinger sind schweineteuer, fressen jede Menge Strom, und deren Leistung bewegt sich im Bereich von Litern pro Stunde. Was jedoch geeignet wäre, ist eine Flasche mit Chlorbleiche (Danklorix, das weltweit beliebteste Putzmittel – 2€ im Supermarkt Deiner Wahl), die man auf dem Weg ins Katastrophengebiet dabei haben sollte, weil man damit mehrere olympische Swimmingpools voll Brackwasser desinfizieren, und damit trinkbar machen kann. Abgesehen davon, braucht man die Chlorbleiche auf Segelbooten auch wegen der Schimmelbildung durch die hohe Luftfeuchte. Wenn man sowas nicht dabei hat, und stattdessen mit einer das tausendfache kostenden Entsalzungsanlage daherkommt, die pro Stunde ungefähr einen Eimer voll Trinkwasser produziert, und die ohne Dieselmotor nicht laufen kann, ist das doch blinder Aktionismus von Leuten, die zu viel Kohle und zu wenig Ahnung haben.
P.S.
Du hast nen Fehler im sekundären Captcha. Das Datenschutz-Ding ist angeklickt, aber es bricht ab, weil es angeblich nicht angeklickt wurde.
Diese verdammten Drecks-Capchas. Ich schalte das mal ab…
Mit Bitcoin & co ist die Schule komplett überfordert! Wir reden hier von einer Einrichtung, die erst seit letztem Monat wieder ein Dach hat – von Computern oder Bitcoin-Zahlungen reden wir da in fünf Jahren vielleicht.
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