napoleonSchlaue Köpfe, Statistiker natürlich, haben ausgerechnet, welche Auswirkungen das Fußball-Sommermärchen 2006 oder die gewonnene WM 2014 auf BIP und Wirtschaftswachstum in Deutschland hatten. Ein messbar positives jedenfalls. Ich wüsste nun wirklich gern, ob man die Auswirkungen des Interviews von Anne Will mit der Kanzlerin vom 28.2.2016 ebenfalls in BIP, IFO-Index und Konsum-Klima sehen kann. Als Delle vermutlich. Dabei ist es für Politiker oft gar nicht nötig so lange zu reden, um durch unbedachte Äußerungen ein schweres politisches oder mediales Beben auszulösen. Ein flapsiges „Ab sofort…das tritt ab sofort in Kraft“ reichte aus, um die DDR so flach wie ein Spiegelei zu legen. Eine herablassende Bemerkung des Deutsche Bank Chefs über vermeintliche Kreditunwürdigkeit reichte aus, um Leo Kirchs Medienbude den Todesstoß zu versetzen. Frau Merkel hat nun zum wiederholten Male „Deutschland und Europa sind für alle da“ verkündet. Außerdem ist sie davon überzeugt, dass dieser Weg der einzig richtige ist, während die Bürger sich schon mal an den Gedanken gewöhnen sollen, demnächst die „Regeln unseres Zusammenlebens täglich neu auszuhandeln“. Ich schlage vor, die Radarkontrollen auf unseren Straßen komplett einzustellen oder für nichtig zu erklären. Wer dafür ist, hebe die Hand…Gegenprobe?…Vorschlag angenommen!

Politik ist schon seit Jahren eine anstrengende Sache in Deutschland. Die Medien (manche), freche Oppositionelle (ja, die gab es früher), aufmüpfige Studenten (ja, auch nur früher), Bürger, die sich eher für das neue iPhone oder den Krippenplatz des Töchterleins interessieren als für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität und die keinen blassen Schimmer haben von gesamtgesellschaftlicher Entwicklung, Decarbonisierung, cradle to cradle oder Gender-Debatten.

Wir begreifen in unserer Beschränktheit nicht mal die wirklich großen Probleme dieser Welt. Denn was bedeutet schon das kaputte, 15 Jahr alte Auto, ohne das man nicht zur Arbeit kommt und für dessen Reparatur kein Geld da ist im Vergleich zum drohenden Klimawandel? Wie egoistisch sind die Bürger, wenn sie sich darüber beklagen, dass eine Flüchtlings-Containerstadt ihren Vorgarten beschattet, wenn es doch Fluchtursachen in Syrien oder Eritrea zu bekämpfen gilt? Nun aber bekommt die Politik wirklich mal was zu tun, bei dem sie so richtig in Schweiß geraten kann. Es gilt Menschen einzukleiden, sie zu füttern und unterzubringen, Arabischunterricht zu organisieren und Mekka-Kompatible Toiletten zu erfinden. Man kann die Flüchtlinge in Bussen durch Land fahren und von Kommune zu Kommune umlagern. All die gähn-langweiligen Themen, mit denen man sich sonst so befassen musste, all die Parlamentssitzungen und Vermittlungsausschüsse…schon Napoleon wusste, am schönsten regiert es sich im Sattel! Und am leichtesten mit Notstandsgesetzen.

Ich glaube, die Politik hat das Interesse verloren an uns querulierenden, undankbaren Individualisten, zu denen sie uns einst gemacht hatte. Wir denken nur an uns und unsere Familien, weil das nämlich sonst keiner tut. Mit uns ist kein Staat zu machen. Ein Staat, ein Traum, so perfekt und hierarchisch organisiert, wie ein Ameisenhaufen oder ein Bienenstock. Keine Abweichler, kein Mob, keine Aber-Sager und Warum-Frager. Alle arbeiten selbstlos am großen Ziel. Welches das ist, müssen Ameise und Biene nicht wissen. Blätter schneiden, Nektar sammeln und für das gemeinsame Ziel wirken. Kaiserreich, Weltherrschaft, Vereintes Europa…such’s dir aus. Gesellschaft statt Individuum, gelenkte Demokratie statt Freiheit, staatliche Regelungen statt Eigeninitiative, One-Woman-Show statt Parlament.

Unsere Bienenkönigin erklärte im Interview, wie „Ihr Deutschland“ und „Ihr Europa“ aussehen sollen und behauptet, „es ist überhaupt nicht die Zeit, über Alternativen nachzudenken“. „Ich habe die langfristige Lösung im Blick“ sagt sie auch. Einen Plan dafür hat sie freilich nicht. Aber es sei „ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dass dieses Europa einen gemeinsamen Weg findet“. Nicht etwa so wie Mazedonien, dass die Frechheit besitzt, „eigenständig und eigenmächtig zu handeln“ – beides Adjektive, die man der Kanzlerin natürlich niemals anheften könnte. Für Eigenständigkeiten ist in Merkels Europa kein Platz. Nicht außerhalb des Kanzlerinnenamtes.

Alles schlimme Zitate wie ich finde. Aber wer wirklich etwas über den Geisteszustand unserer Politiker erfahren möchte, der lese folgenden Merkelsatz:

„Wenn ich ihn gut begründe, werden die Menschen meinen Weg mitgehen.“

Pause. Sacken lassen. Nochmal lesen. Wo habe ich sowas schon mal gehört…?

Rückblende: Eine Bundes- oder Landtagwahl ist beendet, es gibt einen klaren Verlierer. Was sagt dessen Parteispitze, sinngemäß? Die Wähler waren leider nicht in der Lage, die tollen Ziele und das bunte Programm ausreichend zu würdigen, die Partei hätte sich den Wählern besser und vor allem einfacher erklären müssen. Und was genau meinen die Parteigranden? Der Wähler war einfach zu blöd, hinterhältig und gemein, denn eigentlich sei ihre ja die beste Partei der Welt. Denkt Frau Kanzlerin auch so? Sind wir wirklich so dumm, dass Frau von-der-Kanzel sich dazu herablassen muss, uns das alles NOCHMAL zu erklären, haben wir’s NOCH nicht begriffen? Sie ist im Recht, wir verstehen es nur noch nicht? Kommt also noch? Und wenn wir nicht wollen? Warum dürfen wir nicht unseren Weg gehen und sollen ihren benutzen? Und wenn wir am Ende Recht behalten? Diese arme, weise, erleuchtete Frau, mit was für einem Volk ist sie bestraft! Aber sie wird uns umstimmen, wir werden schon noch begreifen und eingehen in ihr Licht.

Da das Volk derzeit etwas rumzickt, will die Kanzlerin ihr „Wir“ ab sofort allein tragen. „Ich schaffe das, wenn ihr nur an mich glaubt“. Wenn es am Ende doch nicht geschafft sein wird, kann das dann nur an unserem mangelnden Glauben gelegen haben.

Heil Bienenkönigin Dir!

Vorheriger ArtikelWohnen als Provokation, Leben aus Protest
Nächster ArtikelSchwarzgrün ist der Fasel-Stuss