brd-ddr1Wer die letzten Monate und Stunden der DDR miterlebt hat, wird sich vielleicht an die eigenartige Stimmung erinnern, die den Alltag der Menschen bestimmt. Das Getuschel und die  Kantinengespräche, wer diesmal nicht aus dem Wochenende oder aus dem Ungarn-Urlaub zurückkam, Überstunden und volle Dienstpläne wegen Personalmangels, das mehr oder weniger verstohlene Fingertippen in Richtung Stirn, wenn man von den Erfolgsmeldungen der Staatslenker hörte und parallel dazu im Westfernsehn Berichte von den Demonstrationen oder den Zuständen in den Bundesdeutschen Botschaften in Prag oder Warschau sah. Unbeirrbar hielt die „MS Politbüro“ Kurs Richtung Sozialismus, Honeckers Krippenspiel samt Ochs und Esel fand in einer Parallelwelt statt, die von der Basis nur noch wütend kommentiert wurde. Als ich mich 1989 bei einer Demo in Magdeburg mit etwa 50 weiteren Menschen in eine kleine Seitengasse abgedrängt sah – wir wichen dem Aufmarschgebiet der Polizei aus – wurden sehr schnell eine Handvoll Stasi-Spitzel erkannt, die sich unter die Demonstranten gemischt hatten und mit deutlichen Worten hinauskomplimentiert. Ich stelle mir vor, wie diese ihren Vorgesetzten empört berichteten, was für eine Nazibrut westlich gesteuerter Agenten sich da versammelt haben musste. Da hieß es für die „MS Politbüro“ natürlich: Kurs halten, die Konterrevolution ist uns auf den Fersen! Macht macht blind.

Der Untergang ist deutsche Kernkompetenz

Wie 1989 ist es auch heute wieder ein Flüchtlingsstrom, der Deutschland in seinen Grundfesten erschüttert, auch wenn wir im Moment erst die vor-Beben erleben. Nur geht diesmal die Wanderung in die andere Richtung. Hätte Angela Merkel die Wende nicht schwitzend in der Sauna sondern auf den Straßen der Montagsdemos erlebt, könnte sie sich vielleicht heute an die Stimmung erinnern, die überall im Land herrschte. Vielleicht würde sie den Umfragen über ihre Beliebtheitswerte noch weniger trauen, als das SED-Politbüro der Kampfbereitschaft seiner Partei. Vielleicht würde sie erkennen, dass eine Gesellschaft an der Mischung von permanenter Überforderung und gleichzeitigem ignoriert werden unweigerlich zerbrechen muss. Die DDR war zum Schluss (neben tausend anderen Gründen) auch deshalb nicht mehr zu retten, weil die offene Grenze dafür sorgte, dass Fachkräfte unweigerlich in Scharen ihr Glück im Westen suchten. Die Bundesrepublik wird nicht zu retten sein, weil nicht nur Fachkräfte, sondern Menschen in allen Bereichen durch massenhafte Einwanderung mehr und mehr an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Duldsamkeit geraten. So geschrieben und bewiesen im Gesetz des Proporz – Polizisten, Sozialarbeiter und Lehrer wachsen ebenso wenig an den Bäumen wie Arbeitsplätze, Wohnungen und Arabisch-Übersetzer.

Das Tuscheln und Flüstern ist wieder da und kommt mir sehr vertraut vor. Egal mit wem ich rede, gleichgültig wie sich eine Gruppe zusammensetzt, die ich zufällig treffe, „das kann so nicht weiter gehen“ ist der eine Satz, der Konsens ist. Ähnlich wie die „Sozialistischen Bruderstaaten“ – allen voran Gorbatschows Sowjetunion – 1989 kopfschüttelnd die Sturheit der Ostdeutschen Staatsführung betrachteten, wenden sich heute unsere europäischen Partner immer deutlicher von unserer erratischen Politik ab. Und auch die Märchenerzähler sind wieder da! Waren wir 1989 noch gewiss, dass die DDR unter den zehn führenden Industrienationen der Welt zu finden sei, setzen unsere Politiker und deren Adlaten heute Grenzkontrollen für Personen mit dem freien Warenverkehr gleich und prophezeien den Untergang der Exportnation Deutschland, wenn es wieder längere Zeit Grenzkontrollen geben sollte. Man möge mir erklären, wie wir unsere Waren vor „Schengen“ exportiert haben und wie dies der aktuelle Exportweltmeister China auch heute noch ganz ohne Schengen schafft – und ein nicht unerheblicher Teil der Waren auch nach Deutschland kommt. Das Hirn vieler Politiker hierzulande ist nicht nur physisch eine weiche Masse!

Deutungshoheit

Ähnlich wie die Honecker-Clique zu DDR-Zeiten versucht unsere Bundesregierung die Deutungshoheit über Begriffe zu erlangen. Freiheit hatte für Honecker nichts mit Meinungs-, Presse-, oder Reisefreiheit zu tun – er definierte sie als Freiheit von „imperialistischer Ausbeutung“ und wer das nicht so sah, hatte ein Problem, ebenso derjenige, der Ausbeutung im Sozialismus erkannte. In Deutschland gibt es heute sehr bedenkliche Versuche, die Deutungshoheit über Begriffe wie „Meinungsfreiheit“, „Demokratie“, „Kritik“, „Islam“ und „Populismus“ zu erlangen, unglücklicherweise ziehen unsere großen Parteien hier an einem Strang. Es ist aber gefährlich, wenn Begriffe von einem kleinen Macht-Zirkel definiert werden, weil sich daraus Gleichschaltungen ergeben können, die geradenwegs in die Katastrophe führen. Das Wort und seine Definition ist stets das erste, was die Diktatur dem Volk entreißt. Wenn Willkommenskultur aber die neue Freiheit ist und Konsens der neue Diskurs, kann aus dem Antifaschismus auch leicht der neue Faschismus werden.

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