Dekliniert man juristisch bis zum Ende durch, wie Valentin Schatz in seinem Artikel „Seenotrettung bei geschlossenen Häfen“ auf LTO die Lage sieht, könnte sich daraus folgende zukünftige Situation ergeben. Die „Seenotretter“ operierten völlig legal vor der afrikanischen Küste, weil rechtlich kein Unterschied zwischen „in Seenot geraten“ und „sich vorsätzlich in Seenot begeben“ besteht. Es bestünde vielmehr die Pflicht, die Retterei noch weiter auszuweiten. Wie wir wissen, muss dies nicht einmal staatlich organisiert werden. Es finden sich ausreichend solvente Förderer, die selbst von den Problemen nicht betroffen sind, die sie durch ihr Handeln provozieren und unter tosendem Applaus der Allgemeinheit vor die Füße kippen können.

Libyen als failed state kommt laut Artikel als „sicherer Hafen“ in keinem Fall in Betracht und da die EU nicht in der Lage oder Willens ist, dort für stabile Zustände zu sorgen und die mafiösen Schlepper daran auch kein Interesse haben (und finanziell immer mehr dazu in der Lage sind, für geschäftsförderndes Chaos zu sorgen), bleibt Libyen* solange Ausgangspunkt für den Menschenhandel, bis eine von zwei Bedingungen erfüllt ist. Entweder kommen keine Migranten mehr, um ins gelobte Land überzusetzen – was ich für ziemlich unwahrscheinlich halte, zumal sich schnell herumsprechen dürfte, wenn die Schleppertätigkeit de facto legalisiert wird.

Oder die Lage an den Küsten von Spanien, Frankreich und Italien würde sich durch Aufstände, Morde an Migranten und Rettungskapitänen und eine generelle aufgewiegelte Feindlichkeit der Bevölkerung gegenüber ankommenden Schiffen derart verschlechtert, dass italienische gegenüber libyschen Häfen soweit abfallen, dass letztere als sicherer gelten können. Dann stünde failed state Libyen gegen failed state Italien und spätestens dann schwände auch der Druck, in Afrika in Boote zu steigen. Vielmehr könnte diese perverse Menschenpumpe die Richtung wechseln und erste Europäer und Neueuropäer an den Stränden von Lampedusa in Schlauchboote steigen.

Und das alle nur, weil die EU, dieser Selbstbedienungsladen für Ämterschacherer, nicht in der Lage ist, ihre Sicherheitsinteressen aktiv durchzusetzen und sich viel lieber als eine Art fromme Kirche sieht, die sich über jeden Besucher freut, der sich kräftig aus der Kollekte bedienen will. Ihr Kinderlein kommet, es ist genug für alle da!

Es rächt sich das Versäumnis, die europäische Einigung nicht mit dem Naheliegendsten begonnen zu haben, nämlich mit einer gemeinsamen und konsistenten Außen- und Sicherheitspolitik. Selbst heute, wo dieser Geburtsfehler immer offensichtlich zu Tage tritt, phantasiert man in Brüssel lieber über gemeinsame Schulden, gemeinsames Banksystem, EU-Haushalt und Honigtöpfe zur bedingungslosen Lebensniveauangleichung. Besonders pikant ist natürlich das immer noch nicht aufgegebene europäische Quotierungssystem für Migranten, durch das man die unkontrollierte Einwanderung einerseits erst zum Problem erklärt, dass man besser nicht zu Brennpunkten konzentrieren sollte und andererseits der Illusion anhängt, es durch „Verteilung in der Fläche“ lösen zu können.

Das blöde ist leider, dass sich Menschen nicht wie Primeln verhalten und nicht einfach dort Wurzeln schlagen, wo politische Landschaftsgärtner sie gern einpflanzen möchten. Ein paar Tausend hier, ein paar Hundert da…am Ende und aufgrund der (unbedingt wünschenswerten) innereuropäischen Freizügigkeit werden die Migranten genau das tun, was sie von Anfang an tun wollten: dorthin gehen, wo sie die besten Bedingungen vorfinden, wo ihnen Community, Sozialsysteme und gesellschaftliche Indifferenz die meisten Vorteile bringen. Wer könnte es ihnen verdenken?

Man darf es angesichts des Drucks auf die Südflanke der EU als Ironie des Schicksals begreifen, dass ausgerechnet in dieser verfahrenen Lage eine dem französischen Etatismus verpflichtete Frau zur Chefin der EZB wird und durch reichlich frisches Notenbankgeld dafür sorgen kann, dass das Strohfeuer im EU-Leuchtturm noch eine Weile weit sichtbar brennt und zum anderen eine Frau an der Spitze der EU-Kommission für die Selbstauflösung der EU sorgen darf, die bereits erfolgreich eine ganze Armee gegen die Wand gefahren hat. Die politische und militärische Zahnlosigkeit der EU, von der die Schlepper profitieren, setzt sich auch weiterhin bis in die in politischen Spitzenämter fort.

* Nordafrika war übrigens schon einmal destabiliserender Faktor für Europa, das sich erst mit letzter Kraft zum aktiven Eingreifen dort durchringen konnte. Nämlich als vor 200 Jahren die Barbareskenstaaten Nordafrikas durch das Eingreifen Frankreichs und der Vereinigten Staaten zerschlagen hatten. Mehr als 200 Jahre lang waren die nordafrikanischen Piraten und Sklavenhändler die Geißel Europas.

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10 Kommentare

  1. Alexander Wendt hat sich auch Gedanken gemacht und Experten befragt. Das Ergebnis ist nicht, dass ein sich vorsätzlich in Seenot begebender Möchtegernmigrant fordern kann, dorthin gebracht zu werden, wohin er möchte. Alles andere widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand über Seenotrettung, sondern selbstverständlich der Souveränität der Staaten. Sehr lesenswert:
    https://www.publicomag.com/2019/07/berlins-moralischer-wilhelmismus/

  2. Welcher Wahnsinn folgt als nächstes? Welche Perversion wird in naher Zukunft gefordert, zur schnellen ‚Durchmischung‘ der Völker? Muß jeder, der im Ausland Urlaub macht, demnächst mindestens zwei Migranten mit nach Hause nehmen, bevor er Anspruch auf ein Flugticket hat? Man muß vorsichtig sein mit solchen Scherzen, denn ruckzuck wird so eine Idee in den Forderungskatalog grün-linker Ökofaschisten übernommen!

    • Solange Hinz und Kunz den Generalverdacht teilen, dass alle Deutschen Nazis seien, wollen sie einfach nur Deutschland verdünnen, auf Teufel komm raus. Das funktioniert schon seit dreißig Jahren so.

      Und solange Mandy und Schantall den Eindruck haben, dass unsere Gäste einen schicken Kick versprechen, werden sie auch weiterhin einen auf Armer-schwarzer-Kater machen. Aber es ist ja auch so, dass die alten weißen Männer stinklangweilig sind: nur Mehrwert schaffen, nur Brötchen verdienen. Wo bleibt denn da der Spaß, wo bleibt der moralische Lustgewinn, wo die erfüllte Weiblichkeit?

  3. Ich habe nicht nur den vorliegenden Artikel, sondern auch den verlinkten Beitrag von Valentin Schatz aufmerksam gelesen. Wenn ich alles richtig verstanden habe gibt es keine rechtlich abgesicherte Möglichkeit Migranten irgendwo anders anzulanden als dort wo sie hin wollen. Da wo das internationale Seerecht eine Reglung trifft die dem widerspricht greift die EMRK. Bis dato glaubte ich auch ein sicherer Hafen wäre einer den ein Schiff ohne Gefahr für Crew und Schiff anlaufen kann. Scheint aber nicht so zu sein. Auch Tunesien fällt aus, da hier die Gefahr bestünde das die Migranten nach Libyen abgeschoben werden könnten. Formal bestünde diese Gefahr aber in jedem anderen Land auch. Wird spannend zu beobachten wie sich alles entwickelt.

    • Italien wird aus der EU austreten und auch andere Länder werden die EMRK ignorieren. Schon aus Selbstschutz.

      Jede deutsche Bevormundung stärkt in anderen Ländern die Parteien des rechten Randes, egal ob ich das gut finde oder schlecht. Salvini geht aus der Rackete-Affäre gestärkt hervor, so wie Kurz von der Infamie von Spiegel und SZ profitieren wird.

      Da fällt mir ein: Die Gutmenschen sollten mal dringend einen Grund finden, auf die französische Marine einzudreschen. Sie könnte für die nächste Wahl noch etwas Unterstützung brachen.

      • Aus dem Euro vielleicht, aus der EU nicht. Dagegen dürfte jede Mafia-Struktur intern Sturm laufen, kaum eine Regierung könnte das überstehen. Die EU-Mitgliedschaft sichert nicht zuletzt – so traurig und schlimm das auch sein mag – die Internationalität der Betätigungsfelder von ‚Ndrangheta, Cosa Nostra und Co. Von Grenzenlosigkeit profitieren eben auch jene, die eher im Dunkeln operieren.

        • Rein formal gibt es zwar einen geregelten Mechanismus, um aus der Union auszutreten. Aber ein Austritt aus dem Euro ist nicht vorgesehen.

          Freilich ist dies ein Geburtsfehler dieser Währung, denn in jedem normalen Verein muss auch der Austritt definiert sein. Es ist geradezu ein Kennzeichen organisierter Kriminalität, dass man nur mit den Füßen voran austreten kann.

          Im übrigen führt Salvini gerade einen ziemlich entschiedenen Kampf gegen Mafia, ’Ndrangheta und Cosa Nostra; falls es sich nicht um Zweckoptimismus und Fake News handelt. Da passen Bruxellokratie und Junkerismus ganz gut in das Reihe.

          BTW: Was ist eigentlich die Begründung, warum Deutschland so sehr von der EU profitiere? Sichert diese nicht die Internationalität der Betätigungsfelder von Sozialbetrug, Lohndrückerei, Diebesbanden und Drogenhandel? Bin ich froh, dass wir in Deutschland keine mafiösen Strukturen haben…

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