Zentrum für politische SchönheitEs gibt zwei Möglichkeiten, sich in Deutschland anstrengungslos ins moralische Recht und das Gegenüber ins moralische Unrecht zu setzen. Man bezeichnet den Anderen einfach als Nazi, wirft ihm Machtergreifungs- und Massenmordphantasien sowie mangelhaftes Demokratieverständnis vor, worauf dieser zerknirscht in sich gehen möge. Diese nukleare Option anzuwenden gibt es längst keine Hemmungen mehr, weshalb die Öffentlichkeit sich irgendwie daran gewöhnt hat. Das Fatale daran ist, dass Ideologie und Verbrechen der echten Nazis so verharmlost werden und die Debatte in der Gegenwart einen surrealen Zug erhält. Wer nimmt denn heute noch ernst und fühlt sich getroffen, wenn er so beschimpft wird? Da die Keule durch häufige Benutzung ihren Schrecken verloren hat – und sich deshalb auch echte Waschbretthirne wieder ans Licht wagen – wird nun die nächste Eskalationsstufe gezündet: Man spannt die Opfer des faschistischen Regimes, besonders die Millionen ermordeten Juden, vor den Wagen des eigenen Bedeutungsgewinns. Gefragt hat man weder Opfer noch Überlebenden oder deren Kinder und Enkel.

Die Aktivistengruppe „Zentrum für politische Schönheit“, bekannt dafür, einst AfD-Rechtsaußen Höcke eine Nachbildung des Berliner Holocaustmahnmals zur „inneren Einkehr“ vor die Tür gestellt zu haben, errichtete nun vor dem Berliner Reichstag eine „Gedenkstätte gegen den Verrat an der Demokratie“ in Form einer Stele, in der nach eigenen Angaben Asche ermordeter Juden aus Auschwitz enthalten sei. Begleitet wird die Aktion, die sich selbstredend allein gegen eine gewisse Schwefelpartei richtet, von medialem Feuerwerk auf Facebook, Tagesspiegel, Spiegel-Online und anderswo. Ich versuche, mich kurz zu fassen, deshalb hier nur in Stichpunkten, was ich von der Sache halte.

  1. Hier (gemeint ist der Reichstag) begann eben gerade nicht die letzte deutsche Diktatur. Es folgte mindestens noch eine weitere, nämlich in Sichtweite der Reichstagsruine auf der Ostseite der Stadt. Ob eine weitere folgen kann, wird auf den Straßen rundherum aktuell jeden Tag neu ausgehandelt.
  2. Die systematische Ermordung von Millionen Juden war nicht das Ergebnis eines Verrats an der Demokratie, sondern in letzter Konsequenz des Verrates am Rechtsstaat. Dieser wurde ausgerechten mit demokratischen Mitteln abgeräumt, weshalb ich auf den Begriff „Demokratie“ allein wenig gebe, wenn sie nicht auf universellen Rechten des Einzelnen selbst gegen alle ruht. Vor dem Demokratieverständnis des „Zentrums für politische Schönheit“, in dem das #wirsindmehr über Wohl und Wehe entscheidet, möge uns der Rechtsstaat bewahren, in dem sich der Einzelne auch gegen den Staat, gegen Gruppen und herbeipropagandierte Mehrheiten aller Art zur Wehr setzen kann.
  3. Sollte es zutreffen, dass das ZPS tatsächlich in der Erde der Gedenkstätte Auschwitz herumgestochert hat, möchte ich hier die Worte von Ramona Ambs von der Jüdischen Allgemeinen zitieren: „an das Zentrum für Politische Schönheit,
    ich erklär Euch jetzt mal, wie Salmen Gradowski den Satz: „Suchet in der Asche. Die haben wir verstreut, damit die Welt sachliche Beweisstücke von Millionen von Menschen finden kann“. gemeint hat. Es ist eigentlich ganz einfach: Er wollte, dass die Welt erfährt was passiert ist. Er wollte, dass man weiß, wer und wieviel verloren ging…Er hat nicht gesagt: „Nehmt unsere Toten, grabt sie aus, stopft sie in eine Säule und beleuchtet sie, damit die Nachfahren der Täter mal wieder moralische Selbstbesoffenheit feiern können.“
    Ihr wollt die Toten „der Lieblosigkeit entrissen“ haben? Fuck you. Das war keine „Lieblosigkeit“, sondern mörderischer Hass Eurer Opas und Omas. Das war ihr Gas, ihr Zyklon B, ihre Brennöfen- jede verfickte Wolke am Himmel erzählt mir mehr davon als Eure „Kunst“. Und wie Ihr an den jüdischen Reaktionen bisher darauf sehen könnt, finden die Angehörigen das überhaupt nicht lustig, was Ihr da mit unseren Omas und Opas treibt. Wenn Ihr Euch nur ein wenig mit jüdischer Ethik befasst hättet, könntet Ihr wissen, dass das, was Ihr da macht, NULL mit Judentum zusammen geht. Aber wozu sich mit Juden auseinander setzen, wenn man die Opfer doch prima zweitverwerten kann, um eine politische Message zu verbreiten und sich gleichzeitig noch als Retter der toten Juden fühlen? Der Lieblosigkeit entrissen… Ihr habt se doch nicht alle!
  4. Dem sei hinzugefügt, dass vor der Selbstermächtigung hier die Selbstgerechtigkeit steht: Die Arroganz zu entscheiden, dass für den vermeintlich „guten Zweck“ selbst die ekelhaftesten Mittel erlaubt seien. Mit solchen Tugenden kann man auch – und ich zitiere hier einen prominenten Bundestagsabgeordneten der SPD*, der sich in dieser (damals rhetorisch überspitzten) Weise an Helmut Schmidt wandte – ein KZ führen. Über Rhetorik sind wir heute, die Aktion beweist es, längst hinaus. Das ZPS findet es völlig legitim, die sterblichen Überreste bestialisch Ermordeter aus einer Gedenkstätte zu zerren, in ein Glas zu stecken, effekthascherisch zu beleuchten und aus der Belehrung anderer moralischen Honig zu saugen.
  5. Sollte es sich bei der „Grabung“ in Auschwitz nur um einen PR-Gag handeln – und ich weiß im Moment nicht, was mich wütender machen würde – wäre die politische Instrumentalisierung nicht weniger schlimm. Man stelle sich nur vor, die verbale Nazikeule würde nun ersetzt durch eine verächtlich geschleuderte Handvoll Erde. Wie tief könnte ein Land noch sinken, als so verächtlich mit seiner Geschichte, seiner Verantwortung und den Millionen Opfern einer mörderischen Ideologie umzugehen.
  6. Um das Ganze zu einem merkantilen Erfolg zu machen, bietet das ZPS in Harz gegossene „Bodenproben“ als Souvenir an. Die Vorstellung, dass…nein, ich breche hier ab. Den selbsternannten moralischen Heroen beim ZPS muss wohl aufgefallen sein, dass es vielleicht doch keine so gute Tat oder Idee sein kann, die Überreste ermordeter Juden für 50 Euro unter jenes Volk zu bringen, das zwischen den Säulen des Holocaustmahnmals auch gern in lustigen Posen für Tinder posiert. Seien die Proben echt oder nicht, sind sie doch echt geschmacklos. Man ergänzte das „Angebot“ schnell mit dem Hinweis „Bodenprobe (negativ)“ – und schlug damit gleich das nächste Loch in die Wand der eigenen Zurechnungsfähigkeit. Prüft das ZPS die Erdproben auf „jüdische Anteile“? Hat man einen „Judentest“ entwickelt? Spinnt ihr?

Geht’s eigentlich noch bekloppter, zynischer und selbstgerechter? Volker Beck jedenfalls hatte offensichtlich die Nase gestrichen voll von dieser Aktion und hat Strafanzeige erstattet. Was das ZPS da verzapft und auf welch ekelhafte Weise Philipp Ruch und Konsorten die Millionen jüdischen Opfer des Faschismus instrumentalisieren und verhöhnen, ist nicht hinnehmbar.

* Siehe Kommentar Peter Mansfeld. Ich hatte fälschlicherwerweise FJS im Verdacht. Mea Culpa!

Vorheriger Artikel2. Dezember
Nächster Artikel3. Dezember

11 Kommentare

  1. Herr Letsch, seit einiger Zeit wache ich am Morgen sehr früh auf. Ich fühle mich trotz der kurzen Nachtruhe aber vollkommen ausgeschlafen und suche dann online nach Neuigkeiten wie ein Hungriger nach seinem Frühstück im Kühlschrank. Gestern früh erfuhr ich online in der Jerusalem Post: „German NGO under fire for spreading ashes of Jews from Holocaust“. Es gibt zu dem beschriebenen Vorfall eine zynische Redewendung: „Der Zweck heiligt die Mittel“. Dieser Spruch sagt: Bei Bedarf hat Moral zu gehorchen! Er wird darum heute hauptsächlich verwendet, um Regelverstöße zu betrachten. Was das Mittel betrifft, so war es Anlass für mindestens eine Strafanzeige durch Volker Beck. Was den Zweck angeht: bei dem muss man Herrn Ruch zugestehen, dass er seine Bereitschaft unter Beweis stellt, über Leichen zu gehen. Die sichtbare Spitze Eisberges. Leichen im Keller.

  2. Weihnachten vor der Tür, die Spenden sollen wieder fließen. Also drängt Philip der RUCHlose erneut ins Rampenlicht. Die Pseudomoral linksgrüner “Antifaschisten” kennt keine Grenzen. “Zentrum für politische Schönheit”? Zentrum für politische Idiotie!

    • Das „Zentrum für politische Dröhnung“ gefällt sich als Zweitverwerter jüdischer Leichenteile. Erstverwerter war einst die SS, die ausgebrochene Goldzähne fein säuberlich der Weiterverwertung zugeführt hat; Zweitverwerter sind deren Enkel und Urenkel, die sich für ebenso glamurös halten, indem sie nun Friedhöfe schönden, um das, was die SS weggeschmissen hat, aufs Piedestal zu hieven – zur höheren Ehre ihrer eigenen politischen Dröhnung.

      • Danke, Ari! Die amtierenden linken Auschwitz-Pornographen zeigen mal wieder ihr wahres (einziges) Gesicht.
        Gott bewahre, beinahe hätte ich „Fresse“ geschrieben.

  3. In meiner Generation sind einige von uns nach Israel in einen Kibbuz gegangen um den lebenden Juden zu helfen. Es war eine aktive Geste der Wiedergutmachung. Der heutige kommunistische Abschaum ist nur am deutschen Genozid interessiert, da er für ihre Propaganda tauglich ist. Lebende Juden aus der Demokratie Israel sind ihnen ein Greul, das sieht man an dem Boycott und den UNO Abstimmungen.
    Kunst ist heute, wenn Arbeitsscheue vom Steuergeld für Schwachsinn kassieren können. Ein einfacher Bürger wird, wenn er den gleichen Zinnober veranstaltet, in der Psychiatrie landen. Begeistern für die symbolische Grabschändung können sich nur linke Mitläufer und für die Kunst, die “ Hurtz Experten“.

    • Danke für Ihren Arbeitsbesuch in Israel!
      Das war vor 1976, richtig? Nach 1976 und den Ereignissen in Entebbe (Uganda) hat die größtenteils linke Lehrerschaft (und die restliche ganz rechte ohnehin) den Schülerbesuch in Israel nicht mehr gefördert oder gutgeheißen, weil man linkerseits lieber gegen die Israelis protestiert hat, die es gewagt hatten, in Entebbe deutsche RAF und fantastinensische Terroristen zu erschießen, um die Geiseln zu befreien.
      Ach, fragen wir mal das „Zentrum für politische Dröhnung“, was es von dieser Befreiungsaktion hält. Nein, die wissen davon nix. Und wenn sie davon gehört hätten, würden sie die Israelis verdammen, um die RAF und die Fantastinenser (von Realisten auch Terroristinenser genannt) anzuhübschen. Also fragen wir die besser nichts.

  4. Das Wort Kunst wird von diesen Aktivisten nur benutzt, um bei juristischem Schlagabtausch die „Kunstfreiheit“ ins Feld zu führen und auszunutzen. Schuld ist auch die Kunstszene selbst. Welchen albernen Schrott sie mit ihrer „Moderne“ anbietet. ist ja allseits bekannt und wird zu Recht verlacht: Hurz!

  5. Was sind das nur für selbstgerechte Arschlöcher.
    Das ZPS ist in der Vergangenheit ja schon mehrfach mit zumindest fragwürdigen „Kunstaktionen“ aufgefallen. Doch diese toppt alles. Hier wird eine antisemitische Aktion genutzt um Aufmerksamkeit zu erregen und die eigene „gute“ Haltung in die Welt zu posaunen.
    Aber den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung scheint das ja nicht weiter zu stören. War ja nicht die AfD.
    Nur gut, dass wenigstens Volker Beck Strafanzeige erstattet hat. Und man kann nur hoffen, dass damit diese widerliche Aktion beendet wird.

Kommentarfunktion ist geschlossen.