Nancy Pelosi, die Mehrheitsführerin der Demokraten im US-Kongress und tapfere Zerreißerin von Trumpreden, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und auch wenn es die WELT, die als eines der wenigen deutschen Medien überhaupt darüber berichtet, es wie eine Kleinigkeit aussehen lassen möchte, steckt schon etwas mehr dahinter. Sie sei „reingelegt“ worden, beteuert Pelosi, die auf einem Überwachungsvideo eines Friseursalons in San Francisco auftauchte. Im Salon, ohne Maske. Und das, wo zu der Zeit Salons nur draußen und mit Maske einzelne Kunden bedienen durften. Die WELT lässt den Vorfall erscheinen, als handele es sich um einen Plot des Wahlkampfteams von Trump, den man bei FOXNEWS natürlich genüsslich ausschlachte. Doch gibt es einige Details, die in der WELT nicht erwähnt werden, die jedoch wichtig für das Verständnis der Aufregung sind, die weniger Pelosis Frisur als ihre Einstellung betreffen.

Das Gesetz

Zunächst muss man wissen, dass Maskenpflicht, Abstandsregeln oder gar zwangsweise Schließung von Geschäften angeht, Angelegenheiten der einzelnen Bundesstaaten oder der Countys sind. Es gibt viele Staaten, die überhaupt keinen Lockdown und nur sehr geringe und flexible Restriktionen wie Maskenpflicht und Anstandsregeln haben. In Kalifornien und speziell in San Francisco herrscht diesbezüglich ein strenges Regiment. Der Wahlbezirk, für den Pelosi im Repräsentantenhaus sitzt, ist ein Teil eben jener Stadt, in der auch die erwähnten Regeln für Friseurbesuche gelten – sie sollte also wissen, wie diese Regeln lauten und sich natürlich auch nicht darüber hinwegsetzen. Und selbst wenn nicht – seit wann schützt Unwissenheit vor Strafe?

Der Salonbesuch

Erica Kious, die Besitzerin des Salons „E Salon“ in San Francisco erklärte in einem Video auf Facebook, dass Pelosi nicht einfach so in ihrem Salon auftauchte, sondern dass eine Assistentin Pelosis diesen Termin mit einem der selbstständigen Friseure vereinbart hatte, die in Kious‘ Salon einen Platz gemietet haben. Pelosi versuchte wohl zunächst, einen Termin in ihrem Apartment zu vereinbaren, was ihr Friseur ablehnte. Stattdessen wurde ein Termin im Salon vereinbart, zu dem Pelosi – und genau das zeigen die Überwachungsvideos – keine Maske trug.

Eine Entschuldigung wofür?

Ist es albern, auf solchen Petitessen herumzureiten? Eigentlich schon, doch wir leben in albernen Zeiten und wer – aus welche gutem Grund auch immer – die Wirtschaft vom vollständigen Erliegen bringt und Regeln durchsetzt, die sogar klar verfassungswidrig sind, muss sich nicht wundern, wenn die reglementierten Menschen peinlich genau darauf achten, wie sich jene verhalten, die ihnen die Beschränkungen auferlegen. Zumal Verstöße mit empfindlichen Geldstrafen belegt sind.

Pelosi jedoch dreht den Spieß einfach um, beschuldigt die Salon-Inhaberin, sie in eine Falle gelockt zu haben und sieht ihre eigene Verantwortung lediglich darin, in die gestellte Falle getappt zu sein. Pelosi verlangt nun nichts weniger als eine Entschuldigung von Erica Kious. Unser Bundesgruß-Steinmeier hatte zumindest die Traute, sich für seine Masken- und Abstandslosigkeit in trauter Selfie-Runde zu entschuldigen.

„Tut was ich sage, nicht was ich tue“ ist leider das Motto gerade jener Politiker, die nach harten Sanktionen, Beschränkungen und Verboten lechzen. Der Lockdown kann ihnen nicht vollständig, die Strafe für Übertretungen – etwa der Maskenpflicht – nicht hart genug sein. Ob Pelosi ohne Maske beim Friseur oder Steinmeier ohne Maske beim Gruppenfoto im Urlaub – die scheinbare Nachlässigkeit entspring meiner Meinung nach der Gewissheit, dass die Regel für alle anderen gelten mögen, für jemanden, der die Bedeutungsleiter etwas weiter hinauf gestiegen zu sein glaubt, jedoch nicht.

Mir ist im Grund völlig gleichgültig, ob und wann Merkel, Steinmeier, Trump, Pelosi oder Biden Masken tragen. Ich gebe nur zu Protokoll, dass ich mir erlaube, ebenso wenig Angst beim Weglassen zu verspüren, wie ganz offensichtlich Steinmeier oder Pelosi. Und ich erwarte, ebenso billig mit derlei Insubordination davon zu kommen.

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2 Kommentare

  1. Im Grunde nichts Neues. Schon bei den alten Römern galt:
    „Quod licet Iovi non licet bovi.“
    (Was Jupiter erlaubt ist, darf ein Ochse noch lange nicht.)

  2. Der letzte Satz lieber Herr Letsch, wird wohl ein absolutes Wunschdenken bleiben befürchte ich. Denn wie heißt es so schön bei George Orwells Farm der Tiere:…Alle Tiere sind gleich,
    aber manche sind gleicher.
    Wird uns doch täglich vorgelebt.

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