Neue Verwendung für Leuchtmittel nach der Energiewende nach Art Ingrid Nestle?Hans-Werner Sinn ist Volkswirt und Sozialdemokrat, was wie ein Anachronismus klingen mag, bedeutet letztlich, dass wenn man ihn von den Vorteilen der Energiewende überzeugen könnte, welche ja die allgemeine und allumfassende Klimagerechtigkeit auf Erden bringen und Mutter Natur ein Wohlgefallen sein soll, dann sollte er doch zu überzeugen sein, oder? Warum nur klappt das nicht, wo doch alles „durchgerechnet“ ist und alle Probleme längst „weggelächelt“ sind? Klima retten, Ökonomie auf nachhaltig drehen, Armut bekämpfen – das klingt wie Kinderüberraschung und drei Dinge auf einmal, also warum sträubt sich ausgerechnet Professor Sinn, den Plänen der Grünen Weltversteher und -verbesserer sein Plazet zu erteilen? In der Phoenix-Sendung „Unter den Linden“ und im Gespräch mit der Sprecherin der Grünen im Bundestag in Sachen Energiewirtschaft, Ingrid Nestle, wird das sehr klar. Ich muss Sie warnen, liebe Leser. Diese Sendung ist nicht leicht zu ertragen und ich muss Professor Sinn für seinen Langmut den Orden „Flohzirkusdirektor erster Klasse“ verleihen. Der Text, der nun folgt, fordert Ihren Langmut.

Es mag sein, dass die Zustimmung zur These, der Mensch und sein CO2 seien das Problem der Menschheit schlechthin, mittlerweile die Zugangskarte zum öffentlich-rechtlichen Medienuniversum ist. Aber das ist im Fall der Person Hans-Werner Sinn unerheblich. Seine Kritik an der Energiewende hat Weg und Ziel im Auge, nicht das Postulat, warum sie überhaupt nötig sei. Ob und wenn ja warum und in welchem Umfang er der These zustimmt, ist hier nebensächlich.

Anders Ingrid Nestle von den Grünen, deren Haltung ist völlig eindeutig und frei von Zweifeln. Sie beklagt sofort den zu langsamen Ausbau der Erneuerbaren, ohne den der Kohleausstieg nicht gelingen könne. Unter dem Motto „rede viel und schnell und in vielen Schleifen“ bürstet sie bei ihrem fünfundvierzigminütigen Wörterboarding zunächst Sinns Oskar-Fischer-Zitat vom Tisch, bei gleichzeitigem Ausstieg aus Kohle und Atom hätten die Grünen ein Problem. Das träfe so gar nicht zu, meint sie, denn 2022 sei man ja schon aus der Atomenergie draußen. Mit anderen Worten, weil man sich bei dem einen Ausstieg besonders beeile, sei der andere ja nur noch halb so schlimm. Auch wo Ingrid Nestle die „großen ökonomischen Chancen der Erneuerbaren“ sieht, wenn diesen doch sofort die Puste ausgeht, sobald die Zwangsbeatmung mit Subventionen wegfällt, bleibt ihr Geheimnis. Man muss schon Sprecherin für Energiewirtschaft bei den Grünen sein, um diese Logik zu verstehen.

Sinn gegen Unsinn

Auf die konkrete Frage Sinns, wo denn unser Strom herkommen soll, wenn Sonne und Wind gerade mal nichts liefern, kommt der übliche Phrasensalat, den ich versuche, kurz in Klammern zu erwidern. „Eins haben sie schon genannt. Es ist selten, dass Sonne und Wind gleichzeitig ausfallen“ (Das hat Sinn gerade nicht gesagt!)

„Wir haben heute mehr Speicher in Deutschland, als wir brauchen können. Tatsächlich ist es schwierig, die bestehenden Pumpspeicher im Markt zu halten“ (Kompletter Blödsinn! Das Geschäftsmodell von Pumpspeichern funktioniert in der Energiewende nicht mehr und die Kraftwerke werden deshalb zu permanenten Subventionsobjekten, weil sie nur als volatiler Angebots-Lückenbüßer bei gleichbleibenden Betriebskosten in Frage kommen. Jeder Bäcker, der jeden Tag Teig vorbereitet, aber nur backen darf, wenn dem Biobäcker von nebenan gerade das Mehl ausgeht, ist nach einem Monat Pleite.)

„Und es gibt Flexibilitäten. Und ich glaube wir müssen anfangen es umzubenennen in virtuelle Speicher, weil es gibt ganz ganz viele Technologien, die können genau das, was Speicher machen. Trimet Aluminium, konkretes Beispiel, die können ihre Produktion um 48 Stunden verschieben und speichern damit so viel wie zwei mittlere Pumpspeicher“ (Auch das ist Kokolores, denn gespeichert wird da gar nichts, stattdessen wird die Produktion verschoben, wofür man sich als Abwurflast natürlich bezahlen lässt. In diesen 48 Stunden produziert Trimet auch kein Aluminium, sondern lediglich „virtuell Strom“, während der echte anderswo verwendet wird. Im umgekehrten Fall kann Trimet die Anlage übrigens nicht doppelt so schnell laufen lassen, falls mal besonders viel Strom „virtuell gespeichert“ werden soll. Wie die volatile Energieträger Sonne und Wind, deren Verfügbarkeit und Last nicht nur im Stunden- oder Tagesbereich schwanken, sondern ganz erheblich jahreszeitlich, überhaupt zum Geschäft einer Aluminiumhütte beitragen soll, lächelt Ingrid Nestle einfach weg. Die Kunden von Trimet werden sich kaum mit Geld abspeisen lassen, wenn sie doch eigentlich Aluminium kaufen wollen. Man kauft kein Metall bei „virtuellen Kraftwerken“. Oder, um einen alten Flottenspruch über Willhelmzwo leicht abzuwandeln: Und während Island schon Alu raushaut, hat Trimet noch an der Energiewende gebaut.

Dann wird es richtig absurd. Nestle wirft Sinn vor, er griffe sich immer nur eine einzige technische Möglichkeit heraus, um zu beweisen, dass diese nicht funktioniert. Das gerade machte Sinn in seiner Rechnung aber nicht. Er bezog ausdrücklich all das mit ein, was Ingrid Nestle euphemistisch als „ganz ganz viele Technologien“ bezeichnete. In der Rechnung verschiebt und glättet Sinn den Bedarf, sogar um Monate, nicht nur um 48 Stunden. Er unterstellt sogar, dass alle Verbraucher das immer so tun könnten! Er nimmt auch ideale Speicher ohne Verluste an. Er bezieht für den Speicherbedarf ganz Europa mit ein…es reicht dennoch nicht. Nicht mal für die Energiewende der Stromversorgung. Von anderen Sektoren, dem Verkehr, der Landwirtschaft, der Wärmeversorgung und industriellen Prozessen ganz zu schweigen! Wie weit soll man als Ökonom den Grünen denn noch ideale mathematische Brücken bauen, bis sie es begreifen?

Auch Nestles wiederholte Hinweise auf die Sektorkopplung sind geradezu absurd! Denn die anderen Sektoren kämpfen ja mit denselben irrsinnigen CO2-Ausstiegsszenarien wie der Stromsektor. Nestle macht das Problem also erst einmal größer und glaubt, es dadurch zu lösen. Die „Spitzen aus der Stromproduktion aus Sonne und Wind“ will Ingrid Nestle in Wärmeerzeugung und Verkehr drücken. „Wärme lässt sich sehr gut speichern“ – ja, aber wo? Und Wofür? Wärme speichert man für Wärme und kurzfristig. Will man sie in Elektrizität umwandeln, schlägt die Carnot-Schwelle zu. Wo sind die Speicher, mit denen sich beispielsweise die Julisonne in wonnige Januarwärme verwandeln ließe? Oder die Aprilstürme, die im März ein Elektroauto aufladen? In Strategiepapieren speichert man leider nur Hirngespinste, jedoch keine Energie!

Solche Sektorkopplungen gibt es abseits der bewährten Kraft-Wärme-Kopplung die weit vor der Energiewende erfunden wurde, gerade nicht – außer natürlich in Bezug auf die bekannten, neueren Lasten, wie sie mit dem Projekt „Elektromobilität“ entstehen. Jeder Tesla, der irgendwo im Land an einen Supercharger angeschlossen wird, bringt uns dem energetischen Blackout ein kleines Stückchen näher. Der Umstieg auf Erneuerbare im Stromsektor rückt also in Wirklichkeit in immer weitere Ferne, weil der Energiebedarf im Verkehrssektor auch noch zur Elektroenergie hinüberwechselt. Es ist, als brülle man Sisyphos ungeduldig an, weil er den Stein zu langsam den Berg hinauf rollt. Und um ihm Beine zu machen, hängt man ihm noch einen Mühlstein um den Hals.

Egozentrisches grünes Weltbild

Sinn verweist auf die EU-weite geologische eStorage-Studie, welche 2017 festgestellt hat, dass mit dem maximalen Potenzial für den Ausbau von Pumpspeichern 54% des europaweiten Speicherbedarfs im Endausbau der Erneuerbaren abgepuffert werden könnten. Theoretisch! Dann stünde aber europaweit überall dort ein Speicherkraftwerk, wo der Geologenhammer niedersaust. Kaum auszudenken und auch nicht ohne massive Anwohnerproteste und Umsiedlungen machbar – letzteres ist bekanntlich ein Totschlagargument gegen die Braunkohletagebaue, die uns nach ihrer Renaturierung zumindest interessante Landschaften hinterlassen.

Die „Renaturierung“, wie sie Folge der verkorksten Energiewende sein wird, ist aber eher nicht von der Kategorie „Naherholung“, sondern „Energiemangelwirtschaft“. Ingrid Nestle zeigt an dieser Stelle, wie egozentrisch und klein die Welt der Grünen wirklich ist, indem sie die 54% mit einer anderen Zahl wegzuwischen versucht. „Ich glaube diese Zahlen [die der EU-Studie] nicht. Ich kann solche Dinge rechnen. Wir haben heute 40 und sie sagen, mehr als 50 geht gar nicht?“

Sie hatte überhaupt nicht begriffen, worum es Sinn ging. Fixiert auf den heroisch herbeigerechneten Anteil Erneuerbarer, der irgendwie bei 40% in der Summe liegt, aber im Jahresverlauf jetzt schon zwischen nahe Null und weit über 100% schwankt, begreift sie einfach nicht, dass sich so keine Versorgungssicherheit herstellen lässt. Und die eStorage-Studie war sogar auf der Suche nach einer europäischen Lösung und kann sie dennoch, sogar was die theoretische Speicherkapazität angeht, nicht finden.

Sind norwegische Speicher anders als deutsche?

Frau Oberschlau denkt jedoch nur an deutsche Befindlichkeiten, für die sie gern die Nachbarn mit einspannt. Norwegen etwa hat in diesem Plan keine andere Aufgabe, als deutsche Energiespitzen abzupuffern, darf sich also bei Fertigstellung des 2 Milliarden Euro teuren Unterseekabels schon mal als elektrisch besetzt ansehen. Übrigens ist es sicher kein Zufall, dass die Kapazität dieses Kabels etwa der Leistung eines Atomkraftwerks entspricht, und gerade dann fertig werden soll, wenn Philippsburg II vom Netz geht. Höchste Zeit, möchte man meinen.

Norwegische Speicher scheinen also dringend benötigt zu werden, während deutsche Speicher einerseits „kaum benötigt“ werden und andererseits „kaum im Netz zu halten sind“. Finden Sie das nicht auch etwas merkwürdig, liebe Leser?

Man wird sehen, wie belastbar die Kooperation mit norwegischen Laufwasserkraftwerken sein wird, denn um solche handelt es sich. Wozu sollten die Norweger auch Pumpspeicher bauen, Wasserkraft aus Staustufen reichte ja für ihren Eigenbedarf bisher aus. Im Winter, wenn in Norwegen und auch bei uns erhöhter Energiebedarf besteht, führen übrigens auch norwegische Flüsse weniger Wasser, weshalb im Ernstfall wohl eher in Hamburg als in Oslo die Lichter ausgehen werden.

Die „Unsicherheit der Märkte“

Nestles Versuch, die Debatte durch eine Art „Basta“ der Fachfrau wieder an sich zu reißen, kommt mit einer Überheblichkeit daher, wie sie nur Menschen aufbringen können, denen die Sonne ihrer eigenen Ideologie förmlich aus jedem Knopfloch scheint. „Wir Techniker haben diese Optionen alle durchgerechnet und natürlich funktioniert das“ – ähnlich hätten sich wohl auch Tepco-Techniker aus Fukushima am 10.3.2011 über die Tsunami-Sicherheit ihres Kraftwerks geäußert. Aber ich würde doch zu gern Nestles Rechnung sehen, genau wie ich Baerbocks Rechnung sehen wollte (und nie zu Gesicht bekam). Besonders interessieren mich die Variablen im Verbrauch (Last) und unter welchen Umständen manche davon mit Null Energie auskommen müssen.

Auch wollen die Grünen die „Unsicherheit aus den Märkten nehmen“ – Unsicherheiten, die erst durch grüne Politik in die Märkte kamen! Man zerschlägt mit dem ideologischen Hammer eine funktionierende Energieversorgung und bietet dann seine Expertise beim Wiederaufbau an. Das ist schon dreist. Nestle dazu: „Damals, als die Erneuerbaren wirklich teuer waren, da haben wir ganz viel zugebaut in Deutschland“ – Exakt. Zum ungünstigsten Zeitpunkt und zum ungünstigsten Preis. Aber Geld spielte ja keine Rolle, weil das EEG ausgerechnet die teuersten Energieformen bevorzugte. „…und wir haben es damit geschafft als Deutschland die Energieentwicklungskosten zu übernehmen“ – Auch richtig! Wir haben die Lernkurve der ganzen Welt bezahlt. Nur dass die Chinesen das alles am Ende eben um einiges günstiger konnten als alle deutschen Anbieter!

Die deutsche Solarbranche kam schon komplett unter die Räder des Weltmarktes, als die Subventionen noch kräftig sprudelten. „…deshalb tragen wir noch den Rucksack EEG-Umlage mit uns herum. Aber jetzt, wo wir ernten können, hören wir auf, zuzubauen“ – Doch der Zubau stockt vor allem, weil man mit dem veränderten EEG dazu übergegangen ist, Anlagen wirklich auszuschreiben und nicht jedes Windrad auf Teufel komm raus über den gesamten Investitionszeitraum zu fördern.

Der Markt hat (teilweise) übernommen und der sagt im Namen der Verbraucher: werdet billiger! Vor allem deshalb werden kaum noch neue Anlagen mehr gebaut. Mit den zu erzielenden Strompreisen lassen sich die Anlagen einfach nicht betreiben. Gewinner im System sind nicht die ehemaligen Stromgiganten – gehen Sie mal auf eine Hauptversammlung von Eon oder RWE, wenn sie Elend und Verfall sehen wollen – sondern die Subventionsempfänger, die kein Risiko tragen müssen.

Rucksack EEG

Und während sich Ingrid Nestle über die tolle „Ernte“ des jahrzehntelangen Subventionswahnsinns freuen möchte, müssen die ersten der Anlagen bereits wieder abgebaut und verschrottet werden. Die Reste finden beim Verbrennen oder dem „Zweitmarkt“ in Anderland eine ähnlich sinnvolle grüne Anschlussverwendung, wie das Verschütten von Altöl in Naturschutzgebieten oder der Export von Elektroschrott nach Afrika. Aus dem Auge, aus dem Umweltsinn. Den „Rucksack“ EEG trugen und tragen nämlich die Verbraucher, während den „Investoren“ sicherer Gewinn und Risikolosigkeit garantiert wurde. Das gibt Ingrid Nestle sogar explizit zu wenn sie sagt „Was das EEG macht ist, es nimmt das Risiko aus der Investition raus“. Eine gigantische Umverteilung von unten nach oben ist da im Gange, aber wen juckt das schon, wenn das grüne Gewissen nicht greint.

Ist die Sache denn wirklich so risikolos? Leider auch nicht, weil das Risiko dann eben bei jenen liegt, die es den Betreibern der Anlagen abnehmen – also beim regelnd und bevormundend eingreifenden Staat, hinter dem der wehrlose Steuerzahler steht. Dass die Betreiber des Zubaus der „Erneuerbaren“ nun plötzlich einem Preisrisiko ausgesetzt sein sollen, weil die Subventionen auslaufen werden, gefällt der Wind- und Solarlobby verständlicherweise nicht.

Und weil Frau Nestle gerade in der ideologischen Ackerfurche ist, bringt sie das Hammerargument des Abends: „Tut man das Risiko rein, verdienen die Banken einen Haufen Geld“ – und das sollen sie natürlich nicht! Denn statt dass die Betreiber solcher Anlagen, die ja laut Aussage Ingrid Nestles so billig produzieren können wie nie, eine angemessene Risikobepreisung in Form von Zinsen zahlen müssen, möchte man die Gewinne mit Steuergeld subventioniert lassen und das Risiko verstaatlichen.

Ingrid Nestle, die perfekte Besetzung für eine DDR-Plankommission

Es dürfte genau dieser Moment gewesen sein, in dem Professor Sinn das Wort „Wissensanmaßung“ erstmals durch den Kopf ging, welches auszusprechen er sich leider fast bis zum Schluss verkniff. Die Grünen maßen sich an, der große, hellsichtige Planer und Lenker der Wirtschaft zu sein. Angesichts der Hybris, Pläne bis ins Jahr 2030 und darüber hinaus festschreiben zu wollen, würde jeder Chef der DDR-Plankommission wohl blass werden vor Ehrfurcht und Neid.

Ein wichtiger positiver Effekt, der dem EEG letztlich eigen sei, ist nach Nestle offenbar die Ausschaltung der Banken, weil die Betreiber die Kohle direkt vom Staat bekommen. Dass Banken die Dinger ohnehin kaum noch anfassen, weil ganze Pleitewellen von Bürgerwindparks und anderen windigen Anlagen durch die Republik und Europa gelaufen sind mal beiseite. Da setzt man doch lieber auf das dumme politisch verteilte Geld der Steuerzahler.

Doch wenn Grüne Politiker festlegen, welche Finanzierungen durch Geschäftsbanken und welche durch Steuerknete zu erfolgen hat, wie sollen sich da überhaupt Märkte und Preise bilden? Das Geld, dass der Stromkunde angeblich spart, weil er es nicht den „gierigen Bankern“ in den Rachen wirft, zieht der Staat dem Steuerzahler doch vorher aus derselben Tasche! Irgendwer muss Nestle und ihren grünen Spießgesellen doch mal verklickern, dass „Stromkunde“ und „Steuerzahler“ nur zwei Pseudonyme für ein und denselben Beutel sind!

Und es kommt noch besser…

Frau Nestle, das alles klingt, mit Verlaub, völlig übergeschnappt! Und mir gehen schon nach zwei Dritteln der Sendung die pathologisierenden Überspitzungen aus. Noch eine Schippe drauf legt Nestle nämlich mit ihrer Begründung, warum die EEG-Förderungen unbedingt beibehalten werden müssen. Warum, fragt der verwirrte Leser, muss aber noch Geld fließen, wenn die Transformation einer mickerigen Industrie in eine Vorzeige-Industrie von Weltrang längst gelungen sei?  Das kommt daher – und ich muss hier etwas eindampfen – weil der Ökostrom jetzt so billig ist und Ingrid Nestle endlich „die Ernte einfahren“ will. Geld ist offenbar ein williger Erntehelfer – diese These zumindest darf mittlerweile als bestätigt betrachtet werden.

Warum man aber Ökostrom zuerst subventioniert, weil es sonst zu teuer wäre, dann aber diese Subventionen beibehalten werden muss, weil der Strom jetzt angeblich billiger geworden sei, erschließt sich wohl nur einen Junkie, der auf der Suche nach dem nächsten Schuss ist. Gründe eben! Frag‘ nicht so blöd, EEG-Zahler! Es handelt sich hierbei nur nicht um Heroin, sondern um die Nadel voller Steuergeld. Falls es noch niemandem aufgefallen ist: Die Solarindustrie in Deutschland ist längst an einer Überdosis Subvention verendet und bei der Windindustrie können wir gerade das Delirium eines kalten Entzugs bestaunen.

Verbote? Ach nicht doch!

Und so geht es weiter und weiter. Mein Kopf sinkt mal um mal verzweifelter und mit einem völlig un-atheistischen „Oh mein Gott“ in meine Hände. Die Energiewende ist eben Kanzel- und Glaubenssache, wobei Verbote ihr schon hier und da auf die Sprünge…

Einspruch von Seiten Nestles! Verbote seien die Pläne der Grünen nämlich nicht, meint sie. Man wolle nur Preise „geraderücken“, an „gewissen Stelle Leitplanken einziehen“ sowie Wirtschaft und Verbrauchern die „vielfältigen Instrumente“ zeigen – ein Begriff, der fatal an mittelalterliche Verhörmethoden erinnert. Das sei doch kein Verbot!

Doch, genau das ist es. Aber wir können uns auf den Begriff „Verunmöglichmachung“ verständigen, wenn „Verbot“ zu hart klingt. Was später unmöglich gemacht wird, das kann man zwar noch wollen (es lebe der freie Wille), aber eben nicht mehr umsetzen. Selbst in der DDR war es nicht verboten, sich vorzustellen, nach Australien auszuwandern. Verunmöglicht war es schon. Wo politischer und finanzieller Druck ausgeübt wird, sollte man heute schon ein Versorgungsamt oder Bundestagsmandat in der Hinterhand haben, um dem Konformitätsdruck standhalten zu können und als Firma auch der Verlockung der Bestechung durch Subventionen widerstehen. Letzteren macht die Politik nämlich Angebote, die sie nur schwer ablehnen können. Die Betonung dieses Satzes lernen wir in „Der Pate“. Ich finde ja ohnehin, dass im Zusammenhang mit der Energiewende die Begriffe „Erpressung“ und „Mafia“ viel zu selten verwendet werden.

Letztlich versucht Ingrid Nestle sogar – und merkt es wohl nicht einmal selbst – am Beispiel der Energiewirtschaft nachzuweisen, dass die Marktwirtschaft prinzipiell nicht funktionieren kann „weil nicht die richtigen Investitionen in die Zukunft getroffen werden.“ Die Unsicherheit sei zu hoch. Ach was! Der verblüffte Zuschauer erfährt also, dass Politiker, zumindest die Grünen, richtiger und besser investieren können – die Grünen Garden kennen nämlich nur Gewissheiten, Unsicherheiten sind ihnen gänzlich fremd! Das ist Wissensanmaßung wie aus einem Bilderbuch über politische Monstrositäten. Spätestens jetzt müsste eine zitternde Faust mit Zigarre aus dem Grab Ludwig Erhards hervorragen. Doch nichts passierte, Nestle plapperte noch fast 20 Minuten weiter und Professor Sinn vermittelte den Eindruck, als sei er als Farbberater in eine Klasse Taub-Blinder AHDS-Kinder geraten.

Fazit

Wenn Grüne von „Instrumenten“ oder „Leitplanken“ reden, braucht man ein schnelles Pferd. Auto geht ja demnächst nicht mehr, besorgen Sie sich also einen guten Sattel. Insgesamt sehe ich nach derartigen, völlig von Selbstkritik freien Auftritten wie dem Ingrid Nestles nur noch eine Spur schwärzer für ein nennenswert industrialisiertes Deutschland. Es wird immer so weitergehen, niemand hört mehr auf die Bedenken der Kritiker. Nach einer Schamfrist wird die Regierung die Verzweiflungsbremse „1000-Meter-Abstand-Regel*“ aufgeben, die Subventionen werden wieder kräftiger sprudeln als gäbe es kein Morgen, weil „Risiko aus dem System“ genommen werden soll und unsere Nachbarn werden uns den Blackout so gut und lange es eben geht vom Halse halten, weil sie an einem Blackout im Herzen Europas nichts zu gewinnen haben.

Die Grünen, die Zauberlehrlinge dieser verkorksten „Einer geht noch, einer geht noch raus…“-Energiewende, werden den Laden schon noch nachhaltig gegen die Wand fahren. Der Schaden dürfte sich für das Universum in Grenzen halten. Das virtuelle Universum der Grünen, in dem die Sonne nie untergeht, in dem das Netz der Speicher ist, den man eigentlich nicht braucht, weil man so schlau ist, den man aber in Norwegen zukauft, weil man so schlau ist…dieses Universum wird hoffentlich nachhaltig Schaden nehmen. Eigentlich kann ich es kaum erwarten. Nach wie vor bitte ich jedoch um einige Tage Vorwarnzeit, ich muss nämlich noch einige Vorbereitungen treffen.

Liebe Leser, wenn Sie es bis hierher geschafft haben, möchte ich mich abschließend bei Ihnen für Ihre Engelsgeduld bedanken. Der Text ist wirklich etwas zu lang geraten. Im Vergleich zur Zeit, die gefühlt bei der Betrachtung der Phoenix-Sendung verstrich, verging sie mir bei diese Replik jedoch wie im Fluge.

* Auffällig ist, dass Grenzwerte, die dem Schutz der Gesundheit dienen, nur dann viel zu streng sind, wenn sie die Energiewende betreffen. Solche Grenzwerte abzulehnen und in ihnen eine Gängelung sowie weltfremde Wichtigtuerei und Verhinderungspolitik zu sehen, ist zum Beispiel bei Stickoxiden und Feinstaub nicht gestattet. Bei der Abstandsregel von Windanlagen schon!

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26 Kommentare

  1. Das Problem sind nicht die Grünen, denn sie haben ja eigentlich keine Mehrheit. Das Problem sind die meisten anderen Parteien, die in einem Kuschelkurs diese grüne Ideologie unterstützen.

    • Leider sind, wie die letzten Wahlen beweisen, nicht nur die anderen Parteien das Problem. Das Problem ist in der Hauptsache der Wähler, der mediengetrieben den Grünen in Scharen hinterherläuft. Man möchte meinen der Rattenfänger von Hameln sei wieder aktiv. Aber wo soll es denn bei diesem Bildungssystem und der alltäglichen Reizüberflutung auch her kommen? Wer clever und jung ist kann diesem Deutschland nur noch den Rücken zudrehen!

      R. S.
      Dipl.-Ing. für Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik

  2. Später Leserbrief, aber ich fand erst jetzt die Zeit, mir diese Sendung mal anzuschauen.

    „Diese Sendung ist nicht leicht zu ertragen und ich muss Professor Sinn für seinen Langmut den Orden „Flohzirkusdirektor erster Klasse“ verleihen.“

    Das war aber eine glatte Untertreibung. Diese Sendung oder vielmehr der Blödsinn, den Nestle da vorträgt, ist nicht nur nicht leicht, sondern überhaupt nicht zu ertragen. Ich bin bei den 48 Stunden Produktionsunterbrechung bei Trimeth als virtuellem Stromspeicher ausgestiegen. Meine Güte, wenn derartige Dummschwätzer*innen die Versiertheit der deutschen Sachpolitik repräsentieren, dann wundert mich gar nichts mehr.

  3. Sehr guter Artikel! Danke dafür. Es macht einem Mut, man ist mit der Einschätzung der Lage, und insbesondere der Grünen, nicht allein. Heinz-Werner sinn muss man loben. Ein Hoffnungsträger!

  4. Schauen Sie sich die letzten 10 Minuten der Sendung genau an und achten Sie auf die Körpersprache der Frau Nestle.
    Da spätestens nämlich weiß sie, dass Herr Prof. Sinn die besseren Argumente vorgebracht hatte und nun hilft ihr bloß der Rückzug auf die emotionale Ebene. Sie zeigt das in einer eher kindlichen Art durch körperliches Wegdrehen, Grimassen und Gelache. Von da an ist jede Diskussion (Austausch von Argumenten) sinnlos.

    Ich möchte ihr zugute halten, dass sie es, ideologiebeseelt, gut meint und nicht bewusst etwas Unrichtiges vertritt. Meiner Einschätzung nach ist sie, wie so viele, die medienwirksam in der Öffentlichkeit stehen, willige aber naive Erfüllungsgehilfin der tatsächlichen Energiewendeprofiteure.

    Es geht doch bloß um Geld. Viel Geld. Dem sollten Sie, verehrter Herr Letsch, folgen.

  5. Sehr geehrter Herr Letsch, vielen Dank für diesen betörenden Einblick in das grüne Tollhaus. Inhaltlich haben Sie alles Nötige geschrieben. Und munter klapst die Mühle am Bach. Frau Restle oder Bestle oder was-auch-immer ist die „Sprecherin der Grünen in Energiewirtschaft“, habe ich das recht verstanden? Sprecherin & Denkerin? Sie „kann solche Dinge rechnen“? In echt? Mit Taka-Tuka-Mathematik? Mit Hula-Hop-Energie? Mit Pendellogik? Lachen nun die Kobolde und kreisen wie irre im Netz? Oder ist das Wahnhafte nur eine Camouflage des Betrügerischen, ein adaptierter Habitus? Wenn Sie passende Vokabeln suchen, so hält das Lateinische einige plastische bereit, z.B.: astrosus, insanus, delirus, lamphaticus, phreneticus, lymphatus, amens, cerebrosus, vesanus, demens, furiosus. Dürfen wir von einem asylum astrosarum viridium sprechen, welches die Heimstätte der „Sprecherin“ ist? Das wäre nicht das Problem, würde der Dt. Dackel in seiner Masse nicht alles so hinnehmen unter der mater ineptorum omnium.

  6. Ich habe den Eindruck, besonders die Grünen legen großen Wert darauf ihre Politiker mit Aufgaben zu betrauen denen sie auf Grund ihrer Vorbildung nicht gewachsen sind.
    Vor zwei Tagen hat Frau Kotting-Uhl in Welt Online einen Beitrag mit dem Titel „Atomkraft ist von gestern “ veröffentlicht. Nun kann man ja zur Atomkraft stehen wie man möchte, aber Frau Kotting-Uhl kommt zur Einschätzung, nicht nur die bestehenden Atomkraftwerke sind von gestern sondern auch die Reaktoren der neuesten Generation sind es und Fusionskraftwerke kämen nie ans Laufen.
    Nun muss man wissen, Frau Kotting-Uhl hat Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte ohne Abschluss studiert. Woher nimmt diese Frau also das Fachwissen für ihre präzise Expertise?
    Wie man sieht, Frau Nestle ist mit ihrem ausgeprägten Fachwissen nicht allein bei den Grünen.
    Und ich freue mich auf die Zeit, wenn diese Experten unser Land führen.

  7. Ich hatte immer gedacht, Frau Baerbock sei die einzige Frau bei den Grünen, die sooo „intelligent“ ist, aber diese Frau ist noch viiiiel „Intelligenter“.

  8. Es gibt hierzulande viele Leute, die die Grünen gut finden. Grob überschlagen und rein tendenziell prognostiziert, ich bin mal so frei: 20% Grüne, dann 15% Linke und immerhin noch 10% SPD. Da sich die Union nicht mehr unterscheidet und auch noch 20% Zuspruch erhält, hat der Wahnsinn die Mehrheit. Diese 65% werden noch von 5% Orientierungslosigkeit der FDP unterstützt. Ist doch alles klar. Das Ergebnis bestimmt eine Wählerschaft von 45% der Wahlberechtigten, also die Minderheit. Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf und alle freuen sich – noch. Wenn es dann einmal so weit ist, dass Heulen und Zähneklappern angesagt ist, kommt vielleicht wieder Vernunft ins Spiel und in 50 Jahren ist wieder alles repariert – vielleicht. Vorausgesetzt es gibt noch einmal so eine Chance wie den Marshallplan.

  9. Vielen Dank für diese schonungslose Demaskierung dieser absolut weltfremden Ökomarxistin. Und nein, der Text ist nicht zu lang geraten. Im Gegenteil, ich hätte gern noch schmunzelnd weitergelesen.

    • Ist das eine Gruselkomödie? Zum Schmunzeln war mir dabei nicht. Ich empfand es eher wie der Autor: Der Wahnsinn nimmt seinen Lauf und lässt sich nicht aufhalten.

      • Ich habe die Sendung live gesehen. Und ja, für mich war es eine Gruselkomödie, die nur mit einer gesunden Portion Sarkasmus halbwegs erträglich war. Dass es andererseits erschreckend ist, welch realitätsfremde skurrilen Typen für die Grünen im Bundestag sitzen, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Für mich steht schon lange fest, dass es mit unserem Land noch viel steiler abwärts gehen muss, bevor es wieder aufblühen kann. Mit Figuren wie Nestle, Habeck, Baerbock & Co. dürfte der Aufprall nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

  10. Ich habe da zufällig eingeschaltet und habe mich nur gefragt, wer wählt so etwas? Nach Umfragen über 20% – und wer Union oder SPD wählt, wählt ja auch grüne Politik automatisch mit.

    • Vergessen Sie die Blutroten und die Gelben nicht, die zählen auch zur Rotfront-Neuauflage in der DDR 2.0. Zusammen 87 Prozente. Der Kommunismus wird siegen.

  11. Es ist egal, ob Nestle, Hofreiter, Trittin, Schulz&Schulze Unsinn reden. Der Deutsche Wähler möchte endlich bei den Guten sein und die Welt mitretten dürfen. Er folgt jeden Spinner. Logik spielt keine Rolle. Kollektives Dunning-Kruger Effekt fördert den Weg zur Idiokratie. Quoten sind ein Riesenschritt dahin. Wer würde noch fliegen, wenn der Pilot per Quote aus den Passagieren gewählt wird.

  12. Mir scheint, es geht nicht anders, als die Anleitungen für „Prepper“ zu studieren und das für sich selbst Passende zu unternehmen. Der Autor gesteht es ja! Er bittet vor dem Blackout um einige Tage Aufschub, um seine Vorbereitungen zu treffen!

  13. „auf der Suche nach dem nächsten Schuss ist. Gründe eben! Frag‘ nicht so blöd, EEG-Zahler!“
    .
    Gründe = Grüne ?

  14. Vermutlich hat diese Energieexpertin zu oft in dem Kinderbilderbuch von der Maus Frederik geblättert.
    Während die anderen Mäuse im Sommer fleißig Vorräte für den Winter einsammelten, lag Frederik nur müßig in der Sonne. Auf sein Verhalten angesprochen, sagte er, dass er Sonnenstrahlen für den Winter einsammele.
    So geschah es, dass für die Mäuse auch im Winter die Sonne die nötige Wärme brachte.

    Geht doch !!

  15. Just in time, das sollte auch für den Strom gelten. Verträge mit den Sonnigen und Windigen gehören angepasst. Ein Beispiel : „Am 24. Dezember verpflichtet sich das Unternehmen „Woher-auch-Immer“ zur Lieferung von x Wattstunden zwischen 18 und 22 Uhr. Bei Nichterfüllung wird eine Konventionalstrafe von 10.000.000 € festgelegt.“
    Schnell wäre der Spuk beendet.

  16. Es ist nicht zu fassen. Aber es ist niemand, zumindest in der sog. Regierung, in der Lage, die Auswirkung von solchen idiotischen Entscheidungen zu begreifen. Es bleibt nur der Satz: Gefährlich wird es, wenn Dumme fleissig werden.

  17. Die grüne Nestle, die außer der Wissensanmaßung auch noch die Ahnungslosigkeitsoberhoheit erfunden hat, ward hiermit perfekt gegrillt und durch die Winsch gedreht, so wie es ihr gebührt. Nicht zu lang!, beileibe nicht.

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